Embŏlie
(grch.), in der Medizin die Verschleppung gewisser fremdartiger fester Körper innerhalb des Gefäßsystems durch den Blutstrom aus der einen Gesäßprovinz in eine andere, oft weit entfernte Gefäßprovinz des Körpers und die durch diesen Vorgang entstehende Verstopfung und Verödung einzelner Blutgefäße mit ihren mannigfachen Folgezuständen. Wenn man in die Blutader eines ledenden Tiers gewisse kleine Körperchen, z. B. Kügelchen von Wachs, Holundermark, Kautschuk, Quecksilber u. dgl. einbringt, so werden sie mit dem Blutstrom oft weite Strecken fortgeschleppt, bis sie schließlich an einer beliebigen Stelle stecken bleiben und hier die wichtigsten örtlichen oder allgemeinen Störungen hervorrufen.
Virchow, welcher zuerst (1845–47) diese interessante
Thatsache experimentell genauer begründet und alsbald ihre große Bedeutung
für die gesamte Pathologie erkannt hat, bezeichnete den verschleppten Körper als
Embŏlus (grch., soviel
wie
Keil oder Pflock), den Vorgang selbst als Embolie.
Auf ganz ähnliche
Weise wie beim Experiment entstehen nun unter gewissen
Umständen auch innerhalb des kranken Körpers ausgedehnte Gefäßverstopfungen und Kreislaufstörungen, und zwar sind es
hier am häufigsten
Blut- und Faserstoffgerinnsel (sog. Thromben), welche sich aus irgend einem
Grunde
(s.
Thrombose) im Venensystem gebildet haben und durch eine zufällige
Bewegung ganz oder teilweise losgelöst und nun vom
Blutstrom fortgeschwemmt werden; in andern Fällen werden Eiterpartikelchen oder
Stücke von entzündeten oder verkalkten
Herzklappen, ferner Teilchen von Krebsmassen, welche in die Gefäßwände hineinwuchern, oder zufällig in den Blutstrom
gelangte parasitische
Pflanzen und
Tiere (Echinokokken,
Trichinen u. a.) oder Fetttröpfchen, die bei Knochenverletzungen
in die
Blutadern gelangten, oder bei
Operationen in die
Venen eindringende Luft (Luftembolie
) in den
Blutgefäßen verschleppt.
Der Weg, welchen ein solcher Embolus innerhalb der Blutbahn einschlägt, ist von vornherein durch die anatom. Anordnung des Gefäßsystems bestimmt, indem die aus den Körpervenen stammenden Pfropfbildungen durch die Hohladern und die rechte Herzhälfte in die Lungenarterien gelangen und vorzugsweise in den hintern Teilen der untern Lungenlappen stecken bleiben, wohingegen die in der linken Herzhälfte und den großen Körperarterien entstehenden Emboli sich nur in den Arterien des großen Kreislaufs einkeilen können; und zwar geschieht das am häufigsten in der Milz- und ¶
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Nierenarterie, in der linken Kopfschlagader und gewissen Gehirnästen derselben, sowie in der linken Schenkelarterie. Der Embolus verstopft das Gefäß, [* 3] in welchem er eingekeilt ist, gewöhnlich mehr oder minder vollständig, hebt dadurch die Blutcirkulation in den betreffenden Teilen auf und führt damit entweder zum Brand und zur brandigen Erweichung, wie dies besonders häufig an den Gliedmaßen und im Gehirn [* 4] stattfindet, oder zum sog. hämorrhagischen Herd oder Infarkt (s. d.) oder endlich zur Bildung sog. embolischer oder metastatischer Abscesse.
Die letztern entstehen hauptsächlich durch die Embolie
chemisch reizender, namentlich mit jauchenden oder fauligen
Stoffen durchtränkter Pfröpfe, welche an den Orten, wohin sie verschleppt worden sind, von neuem
eine eiterige Entzündung mit Ausgang in jauchigem Zerfall erzeugen und dadurch eine Hauptquelle der Pyämie (s. d.)
werden. Die Symptome der Embolie
sind je nach der physiol. Bedeutung des betroffenen Organs
sehr verschieden; sie äußern sich im allgemeinen hauptsächlich in dem plötzlichen und ganz unerwarteten Eintritt wichtiger
Funktionsstörungen. So entsteht durch Embolie
einer größeren Hirnarterie sofort unter schlagflußähnlichen Erscheinungen
eine vollkommene Lähmung des betreffenden Hirnteils, durch der Netzhautgefäße
wie mit einem Schlage plötzliche Erblindung,
während bei der embolischen Verstopfung größerer Lungenarterienäste heftige, bis zur Erstickungsgefahr sich steigernde
Atemnot, ja nicht selten plötzlicher Erstickungstod eintritt. An den Gliedmaßen ruft die der Hauptschlagader
plötzlichen heftigen Schmerz, auffallende Blässe und Kälte, Unempfindlichkeit und wenn nicht bald durch benachbarte Schlagadern
ein Seitenkreislauf hergestellt wird, totalen Brand (s. d.) des Gliedes hervor. –
Vgl. Virchow, Gesammelte Abhandlungen (2. Aufl., Verl. 1862);
Cohnheim, Untersuchungen über die embolischen Prozesse (ebd. 1872).