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die Gemeindebehörden die Polizeigcwalt. Für die drei Bezirke des Reichslandes tagt, unter dem Vorsitz des Bezirkspräsidenten, zeitweilig je ein Bezirks- tag, in welchen jeder Kanton [* 3] einen Vertreter ent- sendet, für jeden Kreis [* 4] unter dem Vorsitz des Kreis- direktors ein Kreis tag. In den beiden Stadtkreisen Straßburg [* 5] und Metz [* 6] vertritt der Gemeinderat die Stelle des Kreistags. Bezirkstag, Kreistag und Gemeinderäte gehen aus allgemeiner unmittelbarer Wahl hervor.
Durch kaiserl. Verordnung vom trat eine Landesvertretung (der Landesausschuß) für
Elsaß
-Lothringen
[* 7] ins Leben, deren Mitglieder- zahl und Befugnisse 1877 und 1879 wesentlich er- weitert wurden. Von
den 58 Mitgliedern desselben werden 34 durch die
Bezirkstage (13 für Unterelsaß
, 10 für Oberelsaß, 11 für
Lothringen
), 24 durch die Gemeinderäte der
Städte
Straßburg, Metz, Colmar,
[* 8]
Mülhausen
[* 9] (je eins ihrer Mitglieder) und in in-
direkten
Wahlen durch die 20 Landkreise E.s auf 3 Jahre gewählt.
Der Landesausschuß empfängt die von ihm zu beratenden Vorlagen durch den Statthalter: die Beschlüsse der Plenarversammlun- gen werden mit Begründung in Gutachten abge- geben, welche auch die Ansichten der Minderheit enthalten. Dem Landesausschuß steht das Recht zu, innerhalb des Bereichs der Landesgesetzgebung Ge- setze vorzuschlagen und an ihn gerichtete Petitionen dem Ministerium zu überweisen. In den Bundes- rat sind zwei Kommissare der Landesverwaltnng ab- geordnet, die jedoch nur beratende Stimme haben.
An der Spitze der Verwaltung der Zölle und indirekten Steuern steht ein Direktor. Die Ver- waltung umfaßt 6 Hauptzollämter, 14 Nebenzoll- ämter erster, 36 zweiter Klasse, 5 Hauptsteuer- ämter, 45 Steuerämter, 41 übergangssteuerstcllcn, 468 Ortseinnehmereien, 48 Oberkontrollbezirke, 6 Salzsteuerämter; ferner für das Enregistrement: 3 Oberinspektionsbezirke, 13 Inspektionsbezirke, 87 Einnehmereien und 11.Hypothekenämter. Die oberste Verwaltung der direkten Steuern des Kataster- und Vermessungswesens liegt in den Händen einer Direktion (in Straßburg); die Lotalverwaltung der Verwaltung der direkten Steuern umfaßt 158 Steuerempfangsbezirke.
Rechtspflege. Oberster Gerichtshof ist das Reichsgericht in Leipzig. [* 10] Das Reichsland besitzt ein in drei Senate zerfallendes Oberlandesgericht sin Colmar), ferner 6 Landgerichte (in Straßburg, Zabern, [* 11] Colmar, Mülhausen, Metz, Saargemünd; [* 12] letztere beiden Landgerichtsbezirke haben ein gemein- sames Schwurgericht in Metz) und 75 Amtsgerichte. Für das bürgerliche Recht gilt der Ooä6 civil, für die Strafgesetzgebung, Handel, Erwerb und Verlust der Reichs- und Staatsangehörigkeit, Freizügigkeit, Münze u.s.w. gelten die deutschen Gesetze. Es bestehen 2 Strafanstalten, 6 Bezirksgefäng- nisse, 69 Amtsgefängnisse und 1 Transportstation; ferner 1 Erziehungs- und Vessernngsanstalt für Knaben (bei Hagenau) [* 13] und 1 Landesarbeitshaus (Pfalzburg).
Die
Bezirks- und Amtsgefängnisse dienen gleichzeitig
zur Aufuahme der Untersuchungs- gefangenen. Die Zahl der Verurteilten
belief sich 1886 «auf 11234. Die Gendarmerie ist
Landes- anstalt; die Gendarmeriebrigade umfaßt 5 Distrikte
mit zusammen 21
Beritten. In Elsaß
-Lothringen
bestehen (1893) 630Feuerwehren. Die Mtgliederzahl beträgt 19 752 (6824 im Unterelsaß
, 7885 im
Oberelsah, 5043 in Lothringen
); die Anzahl der Fahrspritzen 1392. / Das Neichsland steht unter prenß. Militär- verwaltung.
In den Garnisonen liegen
Truppen des 15., 16. und ein
Teil des 14.
Armeekorps. (S.
Deutsches Heerwesen, Bd. 5, S. 67.) Die Ersatz-
mannschaften werden den einheimischen
Bezirken der betreffenden
Truppenteile entnommen; die aus- gehobenen Rekruten (1893: 7604 -
17,93 Proz. der Gestellungspflichtigen) werden preuß. Garnisonen
überwiesen. Die Zahl der freiwillig Eingetretenen betrug (1893)944. Festungen:
Straßburg, Metz,
Diedenhofen,
[* 14] Bitsch, Neubreisach. Eine
Kriegsschule ist in Metz, eine Unteroffiziervorschule in Neubreisach. Der Krieger-Landesverband (1890
gegründet) um- faßte (Juni 1894) 159
Vereine mit 16447Mitgliedern. Die 15 Reichstagswahlkreise sind: Ältkirch-
Thann (1893
Abgeordneter Winterer, Elsaß
-Loth- ringer); MüllMlsen (Vueb, Socialdemokrat); Col- mar (Preiß, Elsaß-Lothringer); Gebweiler(Guerber,
Elsaß-Lothringer); Rappoltsweiler
(Simonis, Elsaß- Lothringer); Schlettstadt
[* 15] (Pöhlmann, fraktionsloser
Altdeutscher); Molsheim-Erstein
(FreiherrZorn von Bulach, Hospitant der Konservativen); Stadt
Straß- bnrg (Vebel, Socialdemokrat); Landkreis
Straßburg (Vostetter,
Hospitant der Nationalliberalen); Hage-
nau-Weißenburg (Prinz zu Hohenlohe, Hospitant der Konservativen); Zabern (Hoeffel,
Reichspartei); Saargemünd - Forbach
[* 16] (Colbns, Elsaß - Lothringer); Volchen-Diedenhofen (Neumann, Elsaß-Lothringer); Metz
(Dr.
Haas, Elsaß-Lothringer); Saarb'urg- Chäteau-Salins (Küchly, Elsaß-Lothringer). Das Wappen, durch
kaiserl.
Erlaß vom festgesetzt, zeigt den deutschen
Reichsadler (ohne Ordenskette) mit darüber schwebender
Kaiser-
krone, belegt mit einem mit der
Herzogskrone gekrönten hochgespaltenen Schild.
[* 17] Die rechte quer- geteilte Hälfte zeigt oben
im roten Feld einen ein- wärtsgetehrten goldenen, von je drei goldenen
Kro- nen (zwei und eine) begleiteten
Schrägbalken (Wap- pen der Landgrafschaft Ober-Elsaß), unten im roten Feld einen ebenfalls linksgcwendeten silbernen, beiderseits
mit gleichfarbigen
Perlen und Drei- blättern abwechselnd besteckten Schrägbalken (Wap- pen der Landgraffchaft Unter-Elsaß).
In der linken Schildhälfte erscheint im goldenen Felde ein roter mit drei gestümmelten weißen, schräg
gelegten kleinen
Adlern (9.i6rioii8) belegter Schrägbalken (Wappen
[* 18] des Herzogtums Lothringen
). Heraldische Wappen- farben
für das
Reichsland sind
Schwarz-Weiß-
Not. - Als Dienstsiegel der
Behörden wird (laut
Erlaß des Ministeriums für Elsaß-Lothringen
vom
wie früher der
Reichsadler gebraucht.
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forlaufend
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Finanzen. Die Finanzlage, welche ohne Anteil an der sranz. Staatsschuld an das Deutscke Reich kam, war bis 1893 eine sehr günstige. Der Landes- haushaltsetat sür 1894/95 schließt in Ausgabe und Einnahme mit 56751944 M. ab. Davon entfallen auf den ordentlichen Etat in Ausgabe 51200729 M. (nämlich 48919942 M. an fort' dauernden und 2280787 M. an einmaligen Aus- gaben) und in Einnahme 53139649 M. Die Aus- gaben des außerordentlichen Etats belaufen sich auf 5551215 M., die Einnahmen auf 3 612 295 M. Die dauernden Ausgaben und Einnahmen des ordentlichen Etats verteilen sich folgendermaßen: Wichtigste Posten Statthalterschaft Staatsrat und kaiserl. Rat, Vertretung beim Bundcs- rat, Landesausschuh . . . Ministerium Verwaltung des Unterrichts Verwaltung des Innern. . Hoch- und Wegebauverwal- tung Wasserbauverwaltung. . . Justizverwaltung Kultusverwaltung Landwirtschaftliche Verwal- tung Verwaltung der Finanzen und Domänen Ausgaben M. 332 750 180 300 912 395 5 533 685 3 483 083 1 295 060 1 508 670 3 465 975 3 120 660 Einnahmen M. 500 300 11 690 1 314 700 396 054 206 200 116 360 610 950 162 980 856 230 28 231134 49 335 995 Zu den Einnahmen der Finanzen- und Domänen- verwaltung gehören 1) die der Forstverwaltung (5871400 M.), 2) die Überschüsse der Tabakmanu- faktur (120000 M.), 3) die Zölle, indirekten Steuern und das Enregistrement (27 866 514 M.) und 4) die direkten Steuern (11796 790 M.).
Die Einnahmen aus Zöllen, indirekten steuern und Enregistrement bestehen hauptsächlich aus: Weinsteuer 868000 M. Viersteucr,
Übergangsabgabe von Vier 2644000 " Licenzgebühren 1503000 Stempelgebühren
137 200 » Erbschaftssteuer, Strafen 2 200000 " Eigentliche Enregistrementsgebühren und Strafen 4800000 » Stempelgefälle
850000 " Die direkten Steuern fetzen sich hauptsächlich zusammen aus: Grundsteuer 4573000 M. Personal-und Mobiliarsteuer . . . . 1794 780 »
Thür- und Fenstersteuer 1689 522 " Patentsteuer 2145436
» Abgabe von Gütern der Toten Hand 382000 " Bergwerksabgaben 107000 ' Seit 1893 ist die Finanzlage durch die ungünstige
Gestaltung der geldlichen Beziehungen der Einzel' staaten zum Reiche beeinflußt. Während das Etats- jahr 1892/93 noch mit
einem namhaften Überscbuß (3192411 M.) abschloß, wird dies infolge der ein^ getretenen Erhöhung des
Matrikularbeitrags und des Rückgangs der Überweisungen zunächst voraus- sichtlich nicht mehr so sein. Der Etat 1894/95
be- schränkte sich daher auf die Deckung von Ausgaben sür bereits bewilligte Unternehmen und brachte neue nur in mäßigem
Umfang in Vorschlag. Die Verzinsung der in 3prozentiger Rente bestehenden Landcsschuld (1894: 25 001600
M.) erfordert (1894/95) 750000 M. Der Matrikularbeitrag für 1894/95 beträgt 13 660949 M. Geschichte. Durch den Frankfurter
Frieden vom wurden die franz. Departements Unter- und Oberrhein - letzteres mit
Ausnahme der Kantone Belfort
[* 20] (32 Gemeinden), Delle (30
Ge- meinden), Fontaine (25 Gemeinden) und Giromagny (19
Gemeinden), zusammen 604,79 likiii-,dieArron- dissements Saarburg und Chateau - Salins vom Meurthe-Departement, Saargemünd,
Metz und Diedenhofen vom Mosel-Departement, der Kanton Schirmeck und ein Teil des Kantons Saales vom Vogesen-Departement von
Frankreich an Deutsch- land abgetreten und durch Gesetz vom mit dem Deutschen Reiche vereinigt. Die vom Bun-
desrat in dem von ihm als reichsunmittelbares Land erklärten Gebiet verlangte Diktatur wurde ihm vom Reichstag
bis zum bewilligt, mit welchem Tage die Versassung des Deutschen Reichs in Elsaß-Lothringen
in Kraft
[* 21] trat. Gleich nachdem die ersten
Kämpfe des Deutsch-Fran- zösischen Krieges auf elsäss. Boden für Deutschland
[* 22] siegreich ausgefochten worden
waren, hatte der König von Preußen
[* 23] als Oberbefehlshaber des deut- schen Heers durch Kabinettsorder vom ein Generalgouvernement
Elsaß errichtet, dem bald darauf auch die lothr. Arrondissements unterstellt wurden. Generalgouverneur war Graf Bismarck- Bohlen.
Am löste ihn der Ober- präsident von Möller ab, und durch Gesetz vom erfolgte
die Neueinrichtung der Ver- waltung nach dem Muster einer preuß. Provinz. Der Oberpräsident von Elsaß-Lothringen
mit dem Sitze
in Straß- burg bildete die oberste Verwaltungsbehörde des Reichslandes; ihm waren ein Kollegium unter dem Namen »kaiserl.
Rat von Elsaß-Lothringen"
beigegeben und auch eine Reihe von Befugnissen der frühern franz.
Minister übertragen, während die übrige ministerielle Thätigkeit durch den Reichskanzler aus- geübt wurde, dem zu diesem
Zweck die Abteilung des Neichskanzleramtes für Elsaß-Lothringen
zur Seite stand.
Die sich bald geltend machende vielseitige Fürsorge der deutschen Verwaltung für das gemeine Wohl und die geistigen Bedürfnisse des Neichslandes fan- den von feiten der Bevölkerung [* 24] keinerlei Entgegen- kommen. Die unmittelbaren Vorteile, welche die reichlichen Entschädigungen für Kriegsverluste, die Herabsetzung der Steuerlast, die Verbesserung des Verkehrswesens, die Aufhebung des Tabaksmono- pols u. a. mit sich brachten, vermochten bei der herrschenden Stimmung den unabweislichen Folgen gegenüber, welche vor allem die Einführung der all- gemeinen Wehrpflicht und die Durchführung der Optionsangelegenhcit mit sich brachten, nicht zur Geltung zu gelangen.
Die große Erregung hervor- rufende «Optionsfrage» wurzelte in den Bestim-
mungen des Frankfurter Friedens, nach welchen alle in Elsaß-Lothringen
geborenen oder wohnenden Personen bis zum sich darüber
zu erklären hatten, ob sie künftig Deutsche
[* 25] oder Franzosen sein wollten. Wer sich für letzteres entschied, mußte seinen
Wohn- sitz in Elsaß-Lothringen
aufgeben und denfelben nach Frankreich verlegen; that er dies nicht, so wurde seine Option für Frankreich
als ungültig angesehen und er trotz derselben in jeder Beziehung als Angehöriger des Deutschen Reichs
behandelt. Von 160 878
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son^n, welche für Frankreich optierten, wanderten nur 4992 h dahin aus; die Verbleibenden wurden als Deutsche betrachtet,
und bei Entziehung von der Militärpflicht und ihrer Rückkehr nach Elsaß-Lothringen
ohne Erlaubnis ging man mit
aller Strenge gegen sie vor. Der offene Widerstand des Gemeinderats von Straßburg veranlaßte 1873 die Aufhebung des-
selben durch die Regierung. Die Verweigerung des Eides der Treue an den Kaiser bewirkte, daß von den 1873 gewählten 22 Kreistagen
nur 14, von den drei Bezirkstagen uur einer beschlußfähig waren.
Bei den ersten Reichstagswahlen in Elsaß-Lothringen
wurden diesen Verhältnissen entspre- chend 10 klerikale
und 5 liberale Protestier gewählt, die bei ihrem Erscheinen im Reichstag feierlich gegen
die Einverleibung E.s Verwah- rung einlegten. Nur der Bischof Näß von Strahburg gab die Erklärung ab, daß seine Glaubensgenossen
in Elsaß-Lothringen
keineswegs den Frankfurter Vertrag in Frage zu stellen gemeint seien. An den Verhandlungen des Reichstags nahmen
die elsaß-lothr.
Abgeord- neten nicht teil. Eine gemäßigtere Haltung zeigten die im Sommer 1874 gewählten Kreis- und Bezirks- tage, welche die Geschäfte sachgemäß erledigten. Das Gleiche war mit dem auf Grund kaiferl. Ver- ordnung vom aus je 10 Abgeordneten der drei Bezirkstage gebildeten Landesausfchuh der Fall, der zum erstenmal zusammen- trat. Inzwischen hatte sich die Partei der Autono- misten gebildet, welche unter Anerkennung der voll- endeten Thatsachen einem Zusammenwirken mit Negierung und Reichstag sich nicht entzog und als Endziel die Regierung des Landes durch dieses selbst, wie die übrigen deutschen Vundesstaaten, ver- folgte.
Bei den Reichstagswahlen vom siegten sie im Unterelsaß und errangen 5 Sitze, die Klerikalen
behielten 6, die Protestier 4. Von unverkennbar günstigem Einstuft auf die Stim- mung der Bevölkerung waren die Befuche
Kaiser Wilhelms I. im Neichsland in den 1.1876 (Sep- tember; Weißenburg
[* 27] und Wörth)
[* 28] und 1877 (Mai; Straßbnrg
und Metz). Die Neuwahlen zum Reichs- tag vom ergaben 4 Autonomistcn, 6 Klerikale, 5 Protestler. Dennoch wurde den
Wünschen des Landes nach größerer Selbständig- keit dnrch das Gesetz über die Verfassung und Ver- waltung des Neichslandes
vom ent- sprochen, nach welchem ein kaiserl. Statthalter an die Spitze desselben trat, ein Ministerium
und ein Staatsrat für Elsaß-Lothringen
errichtet wurden (f. S.51d). Am trat
der Feldmarfchall Edwin von Manteuffel das Statthalteramt an. Die Stelle des Staatssekretärs wurde dem bisherigen Unterstaats-
sekretär im Neichskanzleramte Herzog, nach dessen Rücktritt (1880) dem vormaligen prcuß.
Minister für Handel unoGewerbe,Staatssekretär des Innern von Hofmann übertragen. Das Bestreben Man- teuffels war darauf gerichtet, die Bevölkerung durch Schonung und Entgegenkommen zu gewinnen, im einzelnen Falle die Strenge des Gesetzes zu mildern und namentlich die höhern Stände (Notabeln) mit den neuen Verhältnissen auszusöhnen. Thatsächliche Erfolge vermochte er nicht zu erringen. Die Reichs- tagswahlen von 1881 und 1884 ergaben ausschließ- lich Klerikale und Protestler.
Das von Frankreich aus genährte, auf Untergrabung der staatsrecht- lichen Verbindung des Landes mit dem Deutschen Reiche gerichtete Treiben erforderte kräftiges Ent- gegentreten. Den franz. Versicherungsgesellschaften, deren Vertreter in jenem Sinne politisch eifrig thä- tig waren, wurde 1881 der Gefchäftsbetrieb in Elsaß-Lothringen verboten, Protestlerische Zeitungen wurden unter- drückt, unbefugtzurückgekehrteOptantenmitStrenge ausgewiesen. Das vom Statthalter beantragte Ge- setz, welches die deutsche Sprache zur Geschäfts- fprache im Landesausfchuß erhob, erhielt die Geuehmigung des Reichstags.
Als Man- teuffel im Sommer 1885 starb, wurde der kaiferl. Botschafter in Paris, [* 29] Fürst Chlodwig von Hohen- lohe-Schillingsfürst, zu seinem Nachfolger ernannt und trat sein Amt an. Unter ihm schienen zunächst die Gemeinderatswahlen, die in ganz Elsaß-Lothringen im Juli 1886 vorgenommen wurden, auf eine Besserung des polit. Zustandes hinzuweisen. Die den Deutschen Reichstag zu Beginn des I. 1887 beschäftigende Vorlage der Erhöhung der Friedenspräsenzstärke des deutschen Heers auf 7 Jahre befaß begreiflicherweife für Elsaß-Lothringen erhöhte Be- deutung.
In dem eröffneten Landes- ausfchuß sprach sich der Staatssekretär dahin aus, daß das Reichsland bei den Neuwahlen durch eine septennatsfreundliche Reichstagswahl viel zur Er- haltung des Friedens beitragen könne. In ähn- lichem Sinne äußerte sich der Statthalter 9. Febr. Ein von ihm an die Wähler gerichteter Aufruf vom 15. Febr. legte denfelben den ganzen Ernst der Lage ans Herz. Nichtsdestoweniger wurden bei der Reichs- tagswahl vom 21. Febr. ausschließlich Protestler gewählt.
Dieses Ergebnis wurde als die Frucht der Manteusfelfchen Regierungsweise angesehen. Die Negierung beschloß, nunmehr allen gegen die Zu- gehörigkeit E.s zum Deutschen Reiche gerichteten Bestrebungen nachdrücklich entgegenzutreteu. Alle mit der franz. Patriotenliga in Verbindung stehen- den, Deutsche von der Mitgliedschaft ausschließenden Vereine wurden aufgelöst, Verordnungen gegen deutschfeiudliche Kundgebungen, den Aufenthalt franz. Militärpersonen, die Verpachtung der Jagd an Ausländer u. s. w. erlassen.
Staatssekretär von Hofmann nahm feine Entlassung. Das Amt blieb zunächst unbesetzt; die Vertretung in den Amtsgeschäften des Staatssekretärs wurde durch kaiserl.'Erlaß vom dem Unter- staatssekretär im Ministerium für Elsaß-Lothringen von Putt- lamer übertragen. Bereits hatte die Regierung im Landesausschuß erklärt, daß der Augenblick gekommen sei, welcher strengere Maßregeln zur Notwendigkeit mache. Ein Gesetz- entwurf der Neichsregierung, welcher das Mini- sterium für Elsaß-Lothringen ermächtigte, unter Umständen die Ämter der Bürgermeister und Beigeordneten in den Gemeinden des Landes durch geeignete Personen zu besetzen, wurde vom Reichstag genehmigt.
Durch Gesetz vom wurde bestimmt, daß die Geschäftssprache der Gerichte fortan ausschließlich die deutsche sein solle. Die ein- greisendste Maßregel der Negierung zur Fernhaltung ruhestörender Einflüsse aber war 1888 die Einfüh- rung des Paßzwangs für alle über die deutsck-franz. Grenze in das Reichsland kommenden Ausländer, was zwar auf die Verkehrsverhältnisse der Reichs- lande mit Frankreich vielfach drückend wirkte, aber doch auch das beabsichtigte Fernhalten franz. Auf- wiegler zur Folge hatte. Bei den Neichstagswahlen von 1890 trat der eigentliche Protest mehr in den Hintergrund, und außer 8 Klerikalen, 2 Autonomisten und 1 Socialdemokraten wurden auch 4 deutsch- gesinnte Abgeordnete gewählt, die sich verschiedenen ¶