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Finanzen. Die Finanzlage, welche ohne Anteil an der sranz. Staatsschuld an das Deutscke Reich kam, war bis 1893 eine sehr günstige. Der Landes- haushaltsetat sür 1894/95 schließt in Ausgabe und Einnahme mit 56751944 M. ab. Davon entfallen auf den ordentlichen Etat in Ausgabe 51200729 M. (nämlich 48919942 M. an fort' dauernden und 2280787 M. an einmaligen Aus- gaben) und in Einnahme 53139649 M. Die Aus- gaben des außerordentlichen Etats belaufen sich auf 5551215 M., die Einnahmen auf 3 612 295 M. Die dauernden Ausgaben und Einnahmen des ordentlichen Etats verteilen sich folgendermaßen: Wichtigste Posten Statthalterschaft Staatsrat und kaiserl. Rat, Vertretung beim Bundcs- rat, Landesausschuh . . . Ministerium Verwaltung des Unterrichts Verwaltung des Innern. . Hoch- und Wegebauverwal- tung Wasserbauverwaltung. . . Justizverwaltung Kultusverwaltung Landwirtschaftliche Verwal- tung Verwaltung der Finanzen und Domänen Ausgaben M. 332 750 180 300 912 395 5 533 685 3 483 083 1 295 060 1 508 670 3 465 975 3 120 660 Einnahmen M. 500 300 11 690 1 314 700 396 054 206 200 116 360 610 950 162 980 856 230 28 231134 49 335 995 Zu den Einnahmen der Finanzen- und Domänen- verwaltung gehören 1) die der Forstverwaltung (5871400 M.), 2) die Überschüsse der Tabakmanu- faktur (120000 M.), 3) die Zölle, indirekten Steuern und das Enregistrement (27 866 514 M.) und 4) die direkten Steuern (11796 790 M.).
Die Einnahmen aus
Zöllen, indirekten steuern und Enregistrement bestehen hauptsächlich aus:
Weinsteuer 868000 M. Viersteucr,
Übergangsabgabe von Vier 2644000 " Licenzgebühren 1503000 Stempelgebühren
137 200 » Erbschaftssteuer,
Strafen 2 200000 " Eigentliche Enregistrementsgebühren und
Strafen 4800000 » Stempelgefälle
850000 " Die direkten
Steuern fetzen sich hauptsächlich zusammen aus: Grundsteuer 4573000 M.
Personal-und Mobiliarsteuer . . . . 1794 780 »
Thür- und Fenstersteuer 1689 522 " Patentsteuer 2145436
»
Abgabe von
Gütern der
Toten Hand 382000 "
Bergwerksabgaben 107000 ' Seit 1893 ist die Finanzlage durch die ungünstige
Gestaltung der geldlichen
Beziehungen der Einzel' staaten zum
Reiche beeinflußt. Während das Etats- jahr 1892/93 noch mit
einem namhaften Überscbuß (3192411 M.) abschloß, wird dies infolge der ein^ getretenen
Erhöhung des
Matrikularbeitrags und des Rückgangs der Überweisungen zunächst voraus- sichtlich nicht mehr so sein. Der Etat 1894/95
be- schränkte sich daher auf die
Deckung von
Ausgaben sür bereits bewilligte Unternehmen und brachte neue nur in mäßigem
Umfang in Vorschlag. Die Verzinsung der in 3prozentiger
Rente bestehenden Landcsschuld (1894: 25 001600
M.) erfordert (1894/95) 750000 M. Der Matrikularbeitrag für 1894/95 beträgt 13 660949 M. Geschichte. Durch den
Frankfurter
Frieden vom wurden die franz. Departements Unter- und Oberrhein - letzteres mit
Ausnahme der Kantone
Belfort
[* 3] (32 Gemeinden),
Delle (30
Ge- meinden),
Fontaine (25 Gemeinden) und Giromagny (19
Gemeinden), zusammen 604,79 likiii-,dieArron- dissements Saarburg und
Chateau - Salins vom Meurthe-Departement, Saargemünd,
[* 4] Metz
[* 5] und
Diedenhofen
[* 6] vom Mosel-Departement, der Kanton
[* 7]
Schirmeck und ein
Teil des Kantons
Saales vom Vogesen-Departement von
Frankreich an
Deutsch- land abgetreten und durch Gesetz vom mit dem
Deutschen
Reiche vereinigt. Die vom
Bun-
desrat in dem von ihm als reichsunmittelbares Land erklärten Gebiet verlangte Diktatur wurde ihm vom Reichstag
bis zum bewilligt, mit welchem
Tage die Versassung des
Deutschen
Reichs in Elsaß
-Lothringen
[* 8] in Kraft
[* 9] trat.
Gleich nachdem die ersten
Kämpfe des
Deutsch-Fran- zösischen
Krieges auf elsäss.
Boden für
Deutschland
[* 10] siegreich ausgefochten worden
waren, hatte der König von
Preußen
[* 11] als Oberbefehlshaber des deut- schen
Heers durch Kabinettsorder vom ein Generalgouvernement
Elsaß
errichtet, dem bald darauf auch die lothr.
Arrondissements unterstellt wurden.
Generalgouverneur war
Graf
Bismarck-
Bohlen.
Am löste ihn der Ober- präsident von
Möller ab, und durch Gesetz vom erfolgte
die Neueinrichtung der
Ver- waltung nach dem
Muster einer preuß. Provinz. Der Oberpräsident von Elsaß
-Lothringen
mit dem Sitze
in
Straß- burg bildete die oberste Verwaltungsbehörde des
Reichslandes; ihm waren ein Kollegium unter dem
Namen »kaiserl.
Rat von Elsaß
-Lothringen"
beigegeben und auch eine Reihe von Befugnissen der frühern franz.
Minister übertragen, während die übrige ministerielle Thätigkeit durch den Reichskanzler aus- geübt wurde, dem zu diesem
Zweck die
Abteilung des Neichskanzleramtes für Elsaß
-Lothringen
zur Seite stand.
Die sich bald geltend machende vielseitige Fürsorge der deutschen Verwaltung für das gemeine Wohl und die geistigen Bedürfnisse des Neichslandes fan- den von feiten der Bevölkerung [* 12] keinerlei Entgegen- kommen. Die unmittelbaren Vorteile, welche die reichlichen Entschädigungen für Kriegsverluste, die Herabsetzung der Steuerlast, die Verbesserung des Verkehrswesens, die Aufhebung des Tabaksmono- pols u. a. mit sich brachten, vermochten bei der herrschenden Stimmung den unabweislichen Folgen gegenüber, welche vor allem die Einführung der all- gemeinen Wehrpflicht und die Durchführung der Optionsangelegenhcit mit sich brachten, nicht zur Geltung zu gelangen.
Die große Erregung hervor- rufende «Optionsfrage» wurzelte in den Bestim-
mungen des
Frankfurter Friedens, nach welchen alle in Elsaß
-Lothringen
geborenen oder wohnenden
Personen bis zum sich darüber
zu erklären hatten, ob sie künftig Deutsche
[* 13] oder
Franzosen sein wollten. Wer sich für letzteres entschied, mußte seinen
Wohn- sitz in Elsaß
-Lothringen aufgeben und denfelben nach
Frankreich verlegen; that er dies nicht, so wurde seine Option für
Frankreich
als ungültig angesehen und er trotz derselben in jeder
Beziehung als Angehöriger des
Deutschen
Reichs
behandelt. Von 160 878
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son^n, welche für Frankreich optierten, wanderten nur 4992 h dahin aus; die Verbleibenden wurden als Deutsche betrachtet,
und bei Entziehung von der Militärpflicht und ihrer Rückkehr nach Elsaß-Lothringen
ohne Erlaubnis ging man mit
aller Strenge gegen sie vor. Der offene Widerstand des Gemeinderats von Straßburg
[* 15] veranlaßte 1873 die Aufhebung des-
selben durch die Regierung. Die Verweigerung des Eides der Treue an den Kaiser bewirkte, daß von den 1873 gewählten 22 Kreistagen
nur 14, von den drei Bezirkstagen uur einer beschlußfähig waren.
Bei den ersten Reichstagswahlen in Elsaß-Lothringen
wurden diesen Verhältnissen entspre- chend 10 klerikale
und 5 liberale Protestier gewählt, die bei ihrem Erscheinen im Reichstag feierlich gegen
die Einverleibung E.s Verwah- rung einlegten. Nur der Bischof Näß von Strahburg gab die Erklärung ab, daß seine Glaubensgenossen
in Elsaß-Lothringen
keineswegs den Frankfurter Vertrag in Frage zu stellen gemeint seien. An den Verhandlungen des Reichstags nahmen
die elsaß-lothr.
Abgeord- neten nicht teil. Eine gemäßigtere Haltung zeigten die im Sommer 1874 gewählten Kreis- und Bezirks- tage, welche die Geschäfte sachgemäß erledigten. Das Gleiche war mit dem auf Grund kaiferl. Ver- ordnung vom aus je 10 Abgeordneten der drei Bezirkstage gebildeten Landesausfchuh der Fall, der zum erstenmal zusammen- trat. Inzwischen hatte sich die Partei der Autono- misten gebildet, welche unter Anerkennung der voll- endeten Thatsachen einem Zusammenwirken mit Negierung und Reichstag sich nicht entzog und als Endziel die Regierung des Landes durch dieses selbst, wie die übrigen deutschen Vundesstaaten, ver- folgte.
Bei den Reichstagswahlen vom siegten sie im Unterelsaß und errangen 5 Sitze, die Klerikalen
behielten 6, die Protestier 4. Von unverkennbar günstigem Einstuft auf die Stim- mung der Bevölkerung waren die Befuche
Kaiser Wilhelms I. im Neichsland in den 1.1876 (Sep- tember; Weißenburg
[* 16] und Wörth)
[* 17] und 1877 (Mai; Straßbnrg
und Metz). Die Neuwahlen zum Reichs- tag vom ergaben 4 Autonomistcn, 6 Klerikale, 5 Protestler. Dennoch wurde den
Wünschen des Landes nach größerer Selbständig- keit dnrch das Gesetz über die Verfassung und Ver- waltung des Neichslandes
vom ent- sprochen, nach welchem ein kaiserl. Statthalter an die Spitze desselben trat, ein Ministerium
und ein Staatsrat für Elsaß-Lothringen
errichtet wurden (f. S.51d). Am trat
der Feldmarfchall Edwin von Manteuffel das Statthalteramt an. Die Stelle des Staatssekretärs wurde dem bisherigen Unterstaats-
sekretär im Neichskanzleramte Herzog, nach dessen Rücktritt (1880) dem vormaligen prcuß.
Minister für Handel unoGewerbe,Staatssekretär des Innern von Hofmann übertragen. Das Bestreben Man- teuffels war darauf gerichtet, die Bevölkerung durch Schonung und Entgegenkommen zu gewinnen, im einzelnen Falle die Strenge des Gesetzes zu mildern und namentlich die höhern Stände (Notabeln) mit den neuen Verhältnissen auszusöhnen. Thatsächliche Erfolge vermochte er nicht zu erringen. Die Reichs- tagswahlen von 1881 und 1884 ergaben ausschließ- lich Klerikale und Protestler.
Das von Frankreich aus genährte, auf Untergrabung der staatsrecht- lichen Verbindung des Landes mit dem Deutschen Reiche gerichtete
Treiben erforderte kräftiges Ent- gegentreten. Den franz. Versicherungsgesellschaften, deren Vertreter
in jenem Sinne politisch
eifrig thä- tig waren, wurde 1881 der Gefchäftsbetrieb in Elsaß-Lothringen
verboten, Protestlerische
Zeitungen wurden unter- drückt, unbefugtzurückgekehrteOptantenmitStrenge ausgewiesen. Das vom Statthalter beantragte Ge- setz,
welches die deutsche Sprache zur Geschäfts- fprache im Landesausfchuß erhob, erhielt die Geuehmigung des Reichstags.
Als Man- teuffel im Sommer 1885 starb, wurde der kaiferl. Botschafter in Paris,
[* 18] Fürst Chlodwig von Hohen-
lohe-Schillingsfürst, zu seinem Nachfolger ernannt und trat sein Amt an. Unter ihm schienen zunächst die Gemeinderatswahlen,
die in ganz Elsaß-Lothringen
im Juli 1886 vorgenommen wurden, auf eine Besserung des polit. Zustandes hinzuweisen.
Die den Deutschen Reichstag zu Beginn des I. 1887 beschäftigende Vorlage der Erhöhung der Friedenspräsenzstärke
des deutschen Heers auf 7 Jahre befaß begreiflicherweife für Elsaß-Lothringen
erhöhte Be- deutung.
In dem eröffneten Landes- ausfchuß sprach sich der Staatssekretär dahin aus, daß das Reichsland bei den Neuwahlen durch eine septennatsfreundliche Reichstagswahl viel zur Er- haltung des Friedens beitragen könne. In ähn- lichem Sinne äußerte sich der Statthalter 9. Febr. Ein von ihm an die Wähler gerichteter Aufruf vom 15. Febr. legte denfelben den ganzen Ernst der Lage ans Herz. Nichtsdestoweniger wurden bei der Reichs- tagswahl vom 21. Febr. ausschließlich Protestler gewählt.
Dieses Ergebnis wurde als die Frucht der Manteusfelfchen Regierungsweise angesehen. Die Negierung beschloß, nunmehr allen gegen die Zu- gehörigkeit E.s zum Deutschen Reiche gerichteten Bestrebungen nachdrücklich entgegenzutreteu. Alle mit der franz. Patriotenliga in Verbindung stehen- den, Deutsche von der Mitgliedschaft ausschließenden Vereine wurden aufgelöst, Verordnungen gegen deutschfeiudliche Kundgebungen, den Aufenthalt franz. Militärpersonen, die Verpachtung der Jagd an Ausländer u. s. w. erlassen.
Staatssekretär von Hofmann nahm feine Entlassung. Das Amt blieb zunächst unbesetzt; die Vertretung in den Amtsgeschäften
des Staatssekretärs wurde durch kaiserl.'Erlaß vom dem Unter- staatssekretär im Ministerium für Elsaß-Lothringen
von
Putt- lamer übertragen. Bereits hatte die Regierung im Landesausschuß erklärt, daß der
Augenblick gekommen sei, welcher strengere Maßregeln zur Notwendigkeit mache. Ein Gesetz- entwurf der Neichsregierung, welcher
das Mini- sterium für Elsaß-Lothringen
ermächtigte, unter Umständen die Ämter der Bürgermeister und Beigeordneten in den Gemeinden des
Landes durch geeignete Personen zu besetzen, wurde vom Reichstag genehmigt.
Durch Gesetz vom wurde bestimmt, daß die Geschäftssprache der Gerichte fortan ausschließlich die deutsche sein solle. Die ein- greisendste Maßregel der Negierung zur Fernhaltung ruhestörender Einflüsse aber war 1888 die Einfüh- rung des Paßzwangs für alle über die deutsck-franz. Grenze in das Reichsland kommenden Ausländer, was zwar auf die Verkehrsverhältnisse der Reichs- lande mit Frankreich vielfach drückend wirkte, aber doch auch das beabsichtigte Fernhalten franz. Auf- wiegler zur Folge hatte. Bei den Neichstagswahlen von 1890 trat der eigentliche Protest mehr in den Hintergrund, und außer 8 Klerikalen, 2 Autonomisten und 1 Socialdemokraten wurden auch 4 deutsch- gesinnte Abgeordnete gewählt, die sich verschiedenen ¶