[* 2]Kraftübertragung, die
Fortpflanzung mechanischer
Arbeit auf größere
Entfernung mittels des elektrischenStroms, unterscheidet sich von den in der
Mechanik sonst gebräuchlichen
Transmissionen hauptsächlich dadurch, daß sie die
mechanische
Energie nicht als solche weiterführt, sondern dieselbe zunächst in elektrische umwandelt und von der Erzeugungsstelle
mittels Drahtleitung zur Verwendungsstelle fortpflanzt, wo dann die Zurückverwandlung von elektrischerEnergie in mechanische vor sich geht.
Als
Mittel zur Umwandlung von mechanischer
Energie in elektrische und umgekehrt dienen die elektrischen
Kraftmaschinen (magnet-
oder dynamoelektrischeMaschinen). Verbindet man zwei derartige Stromerreger durch eine Leitung und setzt einen derselben
durch irgend welche mechanische Triebkraft, z. B.Dampf- oder Wasserkraft, in
Bewegung, so wird der von
ihm erzeugte
Strom die zweite
Maschine
[* 3] durchlaufen und ebenfalls in
Bewegung setzen, doch so, daß beide
Maschinen sich in entgegengesetztem
Sinn drehen.
Die
Bewegung der zweiten
Maschine kann nun wieder zu technischen Arbeitsleistungen nutzbar gemacht werden, wobei die mechanische
Arbeit, welche die stromerzeugende oder primäre
Maschine von dem
Motor abnimmt, nach Abzug der unvermeidlichen
Energieverluste in der stromempfangenden oder sekundären
Maschine wiedererhalten wird.
Die e. K. zeichnet sich vor jeder andern
Transmission
[* 4] vorteilhaft durch ihre geringe Abhängigkeit von der
Entfernung aus,
da man theoretisch die Verbindungsleitung
zwischen der primären und sekundärenMaschine beliebig groß wählen kann, während
Transmissionen andrer
Art immer nur auf beschränkte
Abstände verwendbar sind. In der
Praxis erleidet nun freilich die Wirkungsweite der elektrischenKraftübertragung eine erhebliche Einschränkung, weil die in
Frage kommenden elektrischenGrößen thatsächlich nicht bis
ins Unendliche steigerungsfähig sind, sondern innerhalb gewisser durch die Unvollkommenheit unsrer technischen
Hilfsmittel gebotener
Grenzen
[* 5] gehalten werden müssen.
Der in der primären
Maschine erzeugte
Strom hat zunächst den
Widerstand des gesamten Stromkreises, also die beiden Maschinenwiderstände
und den
Widerstand der Verbindungsleitung, zu überwinden und bedarf hierzu einer gewissen
MengeEnergie, welche vorab geliefert
werden muß, ehe von einer äußern Arbeitsleistung der sekundären
Maschine die
Rede sein kann. Die
Arbeit,
welche der
Strom bei der Überwindung dieses
Widerstandes leistet, erzeugt keine
Bewegung, sondern setzt sich nach einem bekannten
Grundgesetz der
Mechanik in
Wärme
[* 6] um und geht als solche für die technische Verwertung verloren.
Bezeichnet man die in der primären
Maschine erzeugteelektrischeArbeit mit A1 ^[A1], die in der sekundären
Maschine zurückverwandelte mit A2 ^[A2] und den Energieverlust durch Erwärmung des Stromleiters, die sogen.
Stromwärme, mit S, so ist A1 ^[A1] = A2 ^[A2] + S, woraus sich der elektrischeNutzeffekt der
Kraftübertragung = ^[img]
ergibt. Für die
Praxis kommt jedoch nicht der elektrische, sondern der mechanische
Nutzeffekt in Betracht,
d. h. das
Verhältnis der von der primären
Maschine aufgenommenen
Arbeit des
Motors zu der nützlichen Arbeitsleistung der sekundären
Maschine; derselbe ist bedeutend niedriger, weil auch die
Maschinen durch Zapfenreibung, Luftwiderstand u. dgl.
zu Verlusten
Anlaß geben, die in jeder
Maschine bis zu 20 Proz. betragen. Ein mechanischer
Nutzeffekt von 50 Proz.
ist deshalb bei einer elektrischenKraftübertragung schon als ein günstiges Ergebnis zu
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mehr
bezeichnen, obwohl derselbe nicht unter allen Umständen ausreichen dürfte, um die Rentabilität einer solchen Einrichtung
außer Frage zu stellen.
Für jede elektrische Kraftübertragung entspricht eine bestimmte Belastung der sekundären Maschine, d. h. eine bestimmte Arbeitsleistung derselben
bei jeder Umdrehung, auch einer bestimmten Stromstärke, welche durch Schwankungen in der Geschwindigkeit der Maschinen
nicht verändert werden kann. Nach dem Ohmschen Gesetz ist aber die Stromstärke direkt proportional der elektromotorischen
Kraft
[* 8] und umgekehrt proportional dem Leitungswiderstand. Wächst dieser letztere, wie es bei zunehmender Leitungslänge
der Fall ist, so muß man, um die gleiche Stromstärke zu erzielen, auch die elektromotorische Kraft in demselben Verhältnis
steigern, mit andern Worten, man muß, um große Entfernungen zu überwinden, mit beträchtlichen Spannungen
arbeiten.
Hochgespannte Elektrizität
[* 9] läßt sich aber erfahrungsmäßig schlecht isolieren; die gewöhnlichen Isolationsmittel reichen
schon bei Spannungen von einigen TausendVolt, wie sie bei den Kraftübertragungsversuchen der letzten Jahre, namentlich denjenigen
von Deprez, erzeugt wurden, kaum noch aus; eine weitere Steigerung würde auf das Isolationsmaterial und
die Maschinen entschieden nachteilig wirken. Ein ferneres erhebliches Bedenken gegen die Erzeugung noch höherer Spannungen
liegt in dem Umstand begründet, daß der menschliche Organismus die Wirkungen derselben nicht auszuhalten vermag.
Die bei der elektrischenBeleuchtung
[* 10] zur Anwendung kommenden geringern Spannungen haben schon mehrere Menschenleben
zum Opfer verlangt; es läßt sich also mit Bestimmtheit annehmen, daß die hochgespannten Ströme der elektrischen Kraftübertragung
auf große Entfernungen noch weit gefährlicher sind und jeden Menschen vernichten, der durch Unkenntnis oder Fahrlässigkeit
seinen Körper in ihren Weg einschaltet. Will man dagegen die hohen Spannungen durch Verringerung des Leitungswiderstandes
vermeiden, etwa indem man dicke Drähte von gutem Leitungsvermögen anwendet, so wachsen dadurch wieder die Anlagekosten der
elektrischen Kraftübertragung in solchem Maß, daß ihre Benutzung nicht mehr rentabel erscheint.
Aus dem Gesagten geht hervor, daß die Aussichten für die auf elektrische Kraftübertragungauf weite Entfernungen (mehr als 50 km) vorläufig
nicht sehr günstig sind, vielmehr ihre Anwendung sich zunächst auf solche Fälle beschränken dürfte, wo außergewöhnlich
billige Triebkräfte, wie Wasserfälle u. dgl., auf mäßige Entfernungen fortzuleiten sind. Alle darüber hinausgehenden Projekte
erscheinen fürs erste noch nicht lebensfähig. So hat man bereits an die Verwendung der im Rheinfall, in den Niagarafällen
etc. verloren gehenden ungeheuern Arbeitskräfte gedacht und beispielsweise berechnet, daß
sich die ganze Kraft der Niagarafälle in einem einzigen Telegraphendraht werde nach New York leiten lassen, falls es gelingen
sollte, diesen Draht
[* 11] genügend zu isolieren.
Bei den in Frage kommenden außerordentlich hohen Spannungen ist aber eine solche Voraussetzung als vollständig
illusorisch zu betrachten. Ein andres Projekt schlägt vor, die Steinkohlen in der Nähe ihrer Lagerplätze unter riesigen Dampfkesseln
zu verbrennen und die erzeugte Kraft auf elektrischem Weg im Land zu verbreiten, wodurch einerseits die Kohlentransporte erspart
und anderseits die Fabrikstädte von dem schädlichen Kohlendunst befreit würden.
Auch dieser kühne Gedanke scheint bis jetzt nicht mehr Aussicht auf Verwirklichung zu haben als der vorige,
mit welchem er dieselbe durch unsre gegenwärtigen technischen Hilfsmittel nicht
realisierbare Voraussetzung gemein hat,
daß sich die Leitungen, welche zur Übertragung der Arbeitskraft dienen sollen, genügend werden isolieren lassen. Von diesen
ins Große gehenden Projekten abgesehen, hat die elektrische Kraftübertragung bereits recht befriedigende
praktische Ergebnisse geliefert.
Dahin gehören die elektrischen Eisenbahnen (s. d.) und der elektrische Aufzug
[* 12] (s. Aufzüge).
[* 13] Große Wichtigkeit für den Bergbau
[* 14] dürfte der Betrieb von Gesteinsbohrmaschinen
[* 15] mittels dynamoelektrischer Maschinen erlangen. Bisher war man genötigt, die
Bohrmaschinen
[* 16] entweder mit der Hand
[* 17] zu betreiben, oder in der Grube, dem Tunnel
[* 18] etc. Arbeitsmaschinen aufzustellen,
welche durch komprimierte Luft oder Wasserdruck betrieben wurden und die Anbringung von Luftbehältern oder Wasserleitungen
nötig machten, mithin viel Platz für sich in Anspruch nahmen, während die elektrische Kraftübertragung mit
ihren dünnen und schmiegsamen Leitungen und kompendiösen Maschinen den vorhandenen Raum nicht merklich einengt
und überall angebracht werden kann.
Daß endlich auch das Kleingewerbe von der elektrischen Kraftübertragung Nutzen ziehen kann, wenn Einrichtungen getroffen
werden, welche die Abgabe der zum Betrieb von Bewegungsmaschinen erforderlichen geringen Kraftmengen von
einer Zentralstelle aus auf elektrischem Weg ermöglichen, ist mehrfach praktisch dargethan worden; ja, es scheint, als ob
diese Art der elektrischen Kraftübertragung die meiste Aussicht auf baldige Einführung in die Industrie habe, da sie nicht
bloß an die Isolation der Leitungen keine zu hohen Anforderungen stellt, sondern auch hinsichtlich der
Rentabilität bessere Ergebnisse verspricht als die immerhin kostspielige Übertragung größerer Arbeitskräfte auf beträchtliche
Entfernungen.
Kraftübertragung bezweckt, die an einem bestimmten Orte
verfügbare mechanische Energie auf elektrischem
Wege nach einem andern, von dem ersten entfernten Orte zu übertragen, so daß sie dort zu Arbeitsleistungen verwendet werden
kann. Von allen Arbeitsübertragungen auf größere Entfernungen ist die auf elektrischem Wege nicht nur
die billigste, sondern auch jeder andern Übertragung insofern weit überlegen, als sie ohne nennenswerte Verluste ganz bedeutende
Entfernungen bewältigt und einfache Kupferdrähte die Energie von dem einen zum andern Orte führen.
Durch die Arbeitsübertragung auf elektrischem Wege ist es allererst möglich, die Arbeit, welche in der Natur nutzlos
geleistet wird, die Energie der Wasserfälle, auszunutzen, während man dieselbe bisher, wo sie nicht ganz dicht an der Verwendungsstelle
lag, brach liegen lassen mußte. Es kann jetzt nicht mehr wundernehmen, wenn man inVorschlag bringt, die Kohlen unmittelbar
an der Förderungsstelle unter gewaltigen Kesseln zu verbrennen, Dynamomaschinen zu treiben und ihren
Strom nach allen Windrichtungen hin zur Beleuchtung, Arbeitsleistung etc. zu leiten.
Aber auch schon für große Fabriken, deren Gebäulichkeiten und Arbeitsstätten viel verzweigt sind, wird man mehr und mehr
zum elektrischen Betrieb greifen, da mit den mechanischen Transmissionen oder gar einer weitverzweigten Dampfleitung ganz ansehnliche
Verluste verbunden sind. Diese Verluste können bei großen Fabriken 50 und mehr Prozent der gesamten Betriebskraft
ausmachen. Wie anders, wenn wir mit der Dampfmaschine zunächst eine Dynamomaschine treiben und den Strom nach den einzelnen
Arbeitssälen senden, wo er dann, zu kleinern Elektromotoren geführt, wieder in mechanische Arbeit umgesetzt wird.
Die Elektromotoren bedürfen keiner Wartung, nehmen unter allen bekannten Betriebsmaschinen den weitaus
kleinsten Raum in Anspruch und haben einen Wirkungsgrad bis zu 92 Proz. Außerdem aber sind dann die
einzelnen Arbeitssäle völlig unabhängig voneinander; jede einzelne Transmission kann nach Bedürfnis in Gang
[* 25] gesetzt und
abgestellt werden, ohne daß der übrige Betrieb in Mitleidenschaft gezogen wird. Endlich aber kann an
dasselbe Netz noch die Beleuchtung angeschlossen werden.
Aber auch die jetzigen, fast ausschließlich für den Lichtbedarf errichteten Zentralstationen werden demnächst ein andres
Bild zeigen. Während sie bei Tage zum größten Teil brach liegen, werden sie gar bald durch Abgabe voll Strom zu motorischer
Arbeit auch des Tages über voll in Betrieb sein können. Der gesamte Kleinbetrieb in den Städten wird
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sich nach und nach anschließen, sobald die Thatsache mehr und mehr gewürdigt wird, daß der elektrische Betrieb weitaus
billiger ist, daß die Elektromotoren bei gleicher Leistung nur ein Bruchteil der Anlagekosten sonstiger Betriebsmittel ausmachen
und überall in dem kleinsten Winkel
[* 27] aufzustellen sind. In Berlin
[* 28] scheint sich diese Thatsache bereits Bahn
gebrochen zu haben; es ist heute schon eine ganze Anzahl kleinerer und auch größerer Betriebe (LudwigLöwe, Gewehrfabrik)
angeschlossen.
Unter anderm wird in Berlin auch bereits eine große Zahl Nähmaschinen
[* 29] elektrisch betrieben (Mantelfabrik Mannheimer), wodurch
eine Arbeiterin nunmehr das Doppelte leisten kann. Die elektrische Arbeitsübertragung hat also auch ein ethisches
Moment, sie rüstet den kleinen Handwerker mit allen Mitteln aus, um mit der Massenfabrikation in Wettbewerb zu treten. Was
Wunder, daß nunmehr die Städte, welche mit der Errichtung von Zentralen umgehen, ein Hauptaugenmerk auf die Leistung motorischer
Arbeit legen, haben sie doch die Pflicht, bei allen kommunalen Unternehmungen alle Berufsklassen zu berücksichtigen;
dies können sie aber nur, wenn sie neben dem elektrischen Licht, welches vorläufig doch nur den Wohlhabendern zugänglich
ist, vor allem auf die Arbeitsleistung des elektrischen Stromes Bedacht nehmen und so auch den kleinen Leuten die Wohlthaten
des Unternehmens zukommen lassen.
Diese sind von gleicher Bauart wie die Dynamos. AlleMaschinen sind hintereinander geschaltet. Bei gleichbleibender Tourenzahl
der primären Maschinen bleibt selbst bei stark wechselnder Belastung auch die Tourenzahl der Motoren einigermaßen konstant.
Der Wirkungsgrad der Anlage ist im Mittel 75 Proz., in der That eine großartige Leistung. Die Anlage ist
seit Dezember 1886 in dauerndem Betrieb. Nachstehende Tabelle verzeichnet die weitern Kraftübertragungsanlagen, die von der
Maschinenfabrik Örlikon bisher ausgeführt worden sind:
Eine
Arbeitsübertragung, welche gleichzeitig für Beleuchtung und Arbeitsleistung dient, wurde in Weidenbach
a. d. Tristing von Siemens u. Halske, Wien, ausgeführt. Von augenblicklich projektierten Anlagen ist zu nennen die elektrische Kraftübertragung von
Lauffen am Neckar nach Heilbronn
[* 30] zwecks Beleuchtung und Arbeitsleistung. Es sind ca. 1000 Pferdekräfte verfügbar. Eine außerordentlich
großartige elektrische Kraftübertragung aber ist für die elektrotechnische Ausstellung zu Frankfurt
[* 31] a. M. (1891) geplant. Es
sollen von Lauffen am Neckar bis nach Frankfurt a. M. 300 Pferdekräfte mittels eines 5 mm starken Kupferdrahtes übertragen werden.
Die Entfernung beträgt 75 km. Geplant ist eine Betriebsspannung von 30,000 Volt. Mit Rücksicht auf die maßlose Spannung mochte
man geneigt sein, von vornherein Zweifel in dieses Unternehmen zu setzen. Von Fabriken, deren Betrieb vollkommen
elektrisch ist, nennen wir die der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft zu Berlin; außerdem wird das Charlottenburger Werk
von Siemens u. Halske demnächst vollkommen elektrisch betrieben sein.
Einesteils diente sie zur elektrischen Illumination der Firmaschilder der beiden Unternehmer, nämlich der Maschinenfabrik
Örlikon und der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft (Berlin), anderseits wurde sie mittels eines 100pferdigen Dreiphasenmotors
mit Zentrifugalpumpe in ihre ursprüngliche Gestalt, und zwar in einen feenhaft beleuchteten, prächtigen
Wasserfall übergeführt, und so erzeugte die Wasserkraft am Neckar eine zweite Wasserkraft: einen Wasserfall zu Frankfurt a. M.
Nicht weniger als 530,000 m Kupferdraht von 4 mmDurchmesser wurden zur Leitung benötigt, was einem Gewicht von ca. 60,000 kg
Kupfer
[* 33] gleichkommt und einen ungefähren Wert von 120,000 Mk. repräsentiert.
Die Befestigung dieser Leitungen beanspruchte ca. 3000 Leitungsstangen mit ca. 9000 Ölisolatoren. Die KraftübertragungLauffen-Frankfurt
a. M. hatte schon beim ersten Auftauchen des Projekts ein begreifliches Aufsehen erregt; namentlich wurde allenthalben die
Frage erörtert, ob sich so gewaltig hohe Spannungen, ohne welche eine Energieübertragung mit relativ
dünnen Leitungen auf so beträchtliche Entfernungen undenkbar ist, auch betriebssicher isolieren lassen - dies war die Kardinalfrage.
Das Ergebnis hat gezeigt, daß selbst bei den ungünstigsten Witterungsverhältnissen die Übertragung tadellos und ohne Verluste
infolge von Erdableitungen vor sich ging, obwohl man die Spannung bis zu 22,000 Volt steigerte. Ungeachtet der
großen Entfernung wurden von 100 Pferdekräften zu Lauffen 70 bis nach Frankfurt a. M. gebracht. Dieser großartige Erfolg hat
neuerdings die Amerikaner veranlaßt, für die ChicagoerWeltausstellung (1893) eine Energieübertragung von den Niagara-Fällen
nach Chicago (eine Entfernung von 800 km) zu planen. Es bestehen zwei Projekte, von welchen das eine die
Übertragung mit Mehrphasenstrom ins Auge
[* 34] faßt, während das andre Gleichstrom von etwa 30,000 Volt verwenden will.
Das erste Projekt rührt von der Maschinenfabrik Örlikon her, das zweite von dem Ingenieur Turetini. Letzterer will die hohe
Gleichstromspannung dadurch erzeugen, daß er zehn Gleichstrommaschinen zu 3000 Volt hintereinander schaltet. Dieses System
ist unzweifelhaft das schwierigste, um nicht zu sagen das bedenklichste. Jedenfalls würde aber die Ausführung
desselben Klarheit darüber bringen, ob man bei Gleichstrom auf die angegebene Weise betriebssicher solche Spannungen erzeugen
kann - dies wird vorläufig von den bedeutensten Ingenieuren noch verneint.
Die unmittelbare Folge der LauffeuerKraftübertragung war, daß alles, was nur einigermaßen nach einer
Wasserkraft aussah, sofort als ein großes Wertobjekt angesehen wurde und demgemäß im Preise stieg. Hierdurch aber werden
meistens die Vorteile einer Fernübertragung derart verringert, daß sie gegen Dampfmaschinenbetrieb an Ort und Stelle unterliegen
müssen. Die Kohlen sind denn doch noch nicht so teuer, und eine Wasserkraft bietet um so weniger Vorteile,
je höher ihr Preis und je weiter sie von der
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Konsumstelle entfernt ist; es gibt auch hier eine Grenze. Eine von der Lauffener etwas abweichende Kraftübertragung, jedoch
auch mit Mehrphasenstrom, hatte die Firma Schuckert u. Komp. in Nürnberg auf der FrankfurterAusstellung vorgeführt; sie bestand
im wesentlichen aus einer selbsterregenden Mehrphasenstrommaschine mit vier Fernleitungen, welche den Strom vom Palmengarten
zu Frankfurt a. M. nach der Ausstellung überleiteten; dort wurde der Strom mittels eines Mehrphasenstrom-Gleichstromtransformators
in Gleichstrom verwandelt und dieser zur Speisung einiger Gleichstrommotoren in den Werkstätten der Ausstellung benutzt.
Kraftübertragung *. Die Elektrische Kraftübertragung gelangt in immer steigendem Maße zur Anwendung, so daß die dazu benötigten
Maschinen und Apparate den Hauptbestandteil der Fabrikation in den großen elektrotechnischen Werkstätten bilden. Nicht aber
die Kraftübertragung auf große Entfernungen, die nur vereinzelt vorkommt, sondern die Kraftverteilung auf mittlere und
geringe Entfernungen ist bisher am meisten ausgebildet.
In erster Linie sind es die Bergwerke, die sich mit großem Vorteil der Elektrische Kraftübertragung bedienen (s. Bergbau).
Die großen Hüttenwerke und chem. Fabriken, auf deren ausgedehnten Grundstücken bisher viele kleine
und unwirtschaftlich arbeitende Dampfmaschinen
[* 36] (20-30 kg Dampf
[* 37] pro Stundenpferdestärke) im Betrieb waren, centralisieren
ihren Betrieb, d. h. sie stellen große ökonomisch arbeitende Dampfdynamos von 1OO-11OO Pferdestärken
mit einem Dampfverbrauch von 5-8 kg pro Stundenpferdestärke auf und ersetzen die kleinen Dampfmaschinen
durch Elektromotoren, die trotz des Verlustes von 20-30 Proz. in der elektrischen Übertragung immer noch
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wesentlich günstiger arbeiten als jene. Auch die Zuckerfabriken und Raffinerien, die nicht selten 20-40 Dampfmaschinen in
Betrieb hatten, gehen zur elektrischen Kraftverteilung über, und zwar geht hier die Teilung so weit, daß jede Centrifuge
ihren Motor erhält. Der große Wasserverbrauch dieser Fabriken zwingt sie häufig, Brunnen
[* 39] in ziemlicher Entfernung von
den Gebäuden anzulegen, und da lange Saugleitungen für Pumpen
[* 40] meistens Schwierigkeiten im Betriebe machen, ist der Elektromotor
wieder die beste Aushilfe; in Brauereien liegen die Verhältnisse ähnlich.
Häufig wird von der elektrischen Kraftverteilung auch da Gebrauch gemacht, wo die üblichen Übertragungsmittel: Transmission
mit Riemen-, Seil- oder Zahnradübertragung, Schwierigkeiten bieten, oder im Verhältnis zu den Arbeitsmaschinen
zuviel Kraft absorbieren. In großen Buchdruckereien, z. B. Giesecke & Devrient und J.J.Weber in Leipzig,
[* 41] Oldenbourg in München,
[* 42] sind in letzter Zeit vielfach derartige Anlagen ausgeführt worden. Die größern
Buchdruck- und Steindruckpressen, Kalander
[* 43] u. s. w. werden einzeln durch Motoren angetrieben,
und da diese jede beliebige Veränderung der Umdrehungsgeschwindigkeit ermöglichen, so fallen alle Wellenleitungsteile
weg, was für die Reinlichkeit und Übersichtlichkeit der Arbeitsräume von großer Bedeutung ist; die Unabhängigkeit von
jeder Transmission kommt auch der Aufstellung der Maschinen bezüglich Licht, Luft und Bedienungsraum zu gute.
Die kleinern Maschinen erhalten meist Gruppenantrieb, d. h. mehrere Maschinen werden in üblicher Weise
durch eine gemeinsame Transmission betrieben, die ihrerseits durch einen Elektromotor angetrieben wird. Während sich der
Einzelantrieb in den Buchdruckereien, mechan. Werkstätten u. s. w.
auch in wirtschaftlicher Beziehung sehr gut bewährt bat, ist man in Webereien wieder davon zurückgekommen (Neugersdorf und
Mittweida), weil die vielen hundert kleinen Motoren von weniger als ½ Pferdestärke bei sehr hohem
Anschaffungswert einen zu geringen Wirkungsgrad ergeben haben. In Geschäftshäusern, Industriewerkstätten, wo Kraft an
Kleingewerbtreidende abgegeben wird, findet die elektrische Kraftverteilung ebenfalls sehr zweckmäßig Anwendung, weil man,
abgesehen von den sonstigen Vorzügen, für die Bezahlung nicht mehr auf die immerhin unsichern Schätzungen, sondern auf
die Angaben des Elektricitätszählers angewiesen ist; z. B. Geschäftshaus
K. F. Köhler in Leipzig.
Auch in der Landwirtschaft, wo man mit kleinen und mittlern Entfernungen zu thun hat, bewährt sich die Elektrische Kraftübertragung zum
Betrieb verschiedener Arten von Maschinen, wie Dreschmaschinen,
[* 44] Häckselmaschinen, Rübenschneider, Schrotmühlen u. s. w.
Auch für das Pflügen ist der Elektromotorantrieb mit Vorteil zu verwenden, wie verschiedene Versuche,
z. B. in Diedrichshagen bei Warnemünde, ergeben haben. Dort wurde ein Kipppflug nach Art
des Zweimaschinensystems der Dampfbodenkultur (s. d., Bd.
4) von zwei an den Seiten des Feldes aufgestellten fahrbaren Windwerken hin und her bewegt, die ihren Antrieb von Wechselstrommotoren
erhielten. Dieses elektrische Pflügen stellte sich beinahe doppelt so billig als das Pflügen durch
Pferde.
[* 45]
Die Vielseitigkeit der Anwendung der elektrischen Kraftverteilung illustriert die beigeheftete Tafel: Elektromotorischer Antrieb,
in welcher bei jedem einzelnen Beispiel der Elektromotor mit E bezeichnet ist. Bei feststehenden Arbeitsmaschinen, von denen
[* 38]
Fig. 2, 4 und 5 der TafelBeispiele geben, werden durch den elektromotorischen Antrieb die lästigen und
für den Arbeiter
gefahrvollen Treibriemen sowie die übrigen geräuschvollen, teuren und raumbeengenden Transmissionsteile
vermieden. Bei Arbeitsmaschinen, die ihren Ort oft wechseln, wie die in
[* 38]
Fig. 1, 3 und 6 dargestellten, macht
eine Ortsveränderung beim elektrischen Antrieb wegen der leicht verlegbaren Zuleitungsdrähte bedeutend
weniger Umstände als bei andern Kraftübertragungssystemen, wo schwere Transmissionen oder Rohrleitungen abzuändern waren.
Es werden jetzt auch vielfach Projekte bearbeitet, die den Fortfall des Kohlentransportes bezwecken; am Fundort der Kohlen
sollen große Dampfanlagen errichtet und den in der Nähe liegenden Fabriken die nötige Kraft in elektrischer Form zugeführt
werden. Da der Kohlentransport für minderwertige Kohle mit geringem Heizwert erheblich ins Gewicht fällt
(z. B. zahlen einige große Etablissements mehrere hunderttausend Mark Fracht für Kohlen im Jahre), so erscheinen die Projekte
nicht so aussichtslos, als es im ersten Augenblick erscheinen mag.