Elektrische
[* 2]
Lokomotive.
[* 3] Die Fortbewegung von Fahrzeugen, sei es auf gewöhnlicher
Straße, sei es auf dem Gleis der
Eisenbahnen, gehört mit zu den frühesten Anwendungsversuchen des Anfang der dreißiger Jahre erfundenen
Elektromotors (s. d.). Die ersten Versuche waren wohl die von Stratingh &
Becker in Groningen und von Botto in
Turin
[* 4] 1836, einen elektrisch
betriebenen Wagen zu konstruieren, von denen «Poggendorsfs
Annalen» (Bd. 47, S. 78) berichten; die ersten Elektrische Lokomotive
bauten 1842 Davidson
und 1844 Little, von denen die des erstern eine Zeit lang auf der Edinburgh-Glasgower
Bahn Dienst that; 1851 baute
Page mit Unterstützung des
Kongresses der
Vereinigten Staaten
[* 5] eine solche für die
Bahn Bladensburg-Washington.
Da aber alle diese Versuche als Stromquelle galvanische Batterien benutzten, so war es nur zu natürlich, daß sie wegen übermäßiger Kosten bald wieder aufgegeben wurden. Ein rationeller Betrieb mittels Elektromotoren bedingte eben neben einer Vervollkommnung des Motors selbst vor allem eine billige Stromquelle. Beides war gegeben mit der Erfindung und Vervollkommnung der Dynamomaschinen, die in ihrer Umkehrung ja auch als Motor diente. Der Betrieb von Fahrzeugen bot aber noch eine besondere Schwierigkeit in dem Umstände, daß es galt, einen lokomobilen Motor mit Strom zu versorgen.
Diese zu lösen gab es nur zwei Wege und beide werden heute angewandt. Entweder mußte auch die Stromquelle lokomobil gemacht, d. h. die Batterie mitgeführt werden, oder es war mittels Schleifkontaktes oder dergleichen in Verbindung mit einem längs der Bahnlinie liegenden Leiter der Strom von einer feststehenden Stromquelle aus zuzuführen. Ersteres war erst möglich, nachdem die Fabrikation der Accumulatoren [* 6] (s. d.) so weit vorgeschritten war, daß ihre Anwendung lohnte und ihre Konstruktion sich auch den hohen Anstrengungen des lokomobilen Betriebes dauernd gewachsen zeigte, was mit völliger Sicherheit auch heute noch nicht der Fall ist; letzteres - heute vorzugsweise angewendet - wurde zuerst ausgeführt von Siemens bei der Ausstellungsbahn der Berliner [* 7] Gewerbeausstellung 1879, und diese ist folglich als die Geburtsstätte der heutigen Elektrischen Eisenbahnen (s. d.) anzusehen.
Von einer Elektrische Lokomotive
im eigentlichen
Sinne des Wortes kann man bei der heutigen
Technik der elektrischen
Bahnen
freilich nur in Ausnahmefällen reden. Nur in einigen wenigen Fallen,
[* 8] wie z. B. bei der
Londoner
Untergrundbahn und bei den
Bahnen für
Bergbau
[* 9] und andere industrielle Zwecke, handelt es sich um die
Bewegung von ganzen Zügen, die durch einen besondern,
nur diesem Zwecke dienenden
Motorwagen, dessen
Triebräder zu dem Ende mit dem nötigen Adhäsionsgewicht
zu belasten sind, gezogen werden. Meist handelt es sich nur um den Betrieb von Einzelwagen, oder höchstens von
Motorwagen
mit einem oder zwei Anhängewagen; meist ist also der Motor am Wagen selbst angebracht, der mithin zwei Zwecken dient: als
Motorwagen und gleichzeitig auch als Raum zur
Aufnahme der Last, und es dürfte wohl gerade einer der Hauptvorzüge
des elektrischen
Betriebes sein, daß man nur eine sehr geringe tote Last mitzuschleppen braucht und die
Nutzlast zur Erhöhung des Adhäsionsgewichts heranziehen kann.