Elegie
(griech.), diejenige lyrische Dichtungsart, in welcher irgend ein beliebiger Gegenstand zugleich als angenehm und als nicht gegenwärtig, obwohl als einst gegenwärtig gewesen, vorgestellt wird. (»Ich besaß es doch einmal, Was so köstlich ist, Daß der Mensch zu seiner Qual Nimmer es vergißt«; Goethe.) Erstere Vorstellung erzeugt ein Lust-, letztere dagegen ein Unlustgefühl. Da beide nicht gleichzeitig im Gemüt vorhanden sein können, so entsteht ein Gefühlswechsel (ein sogen. gemischtes Gefühl, Wehmut), indem das angenehme Gefühl der Vorstellung des Gegenstandes (der Geliebten, der Heimat, der Kindheit etc.) von dem unangenehmen der Vorstellung seiner Abwesenheit (des Verlustes der Geliebten, der Heimat, der Kindheit etc.) abgelöst wird.
Überwiegt dabei das erstere (wie z. B., wenn der Verlust des geliebten Gegenstandes nur
ein zeitweiliger, die Aussicht auf dessen Wiedererlangung nicht ausgeschlossen ist), so entsteht die eigentliche Elegie
oder
Elegie
im engern
Sinn, deren
Charakter sanfte
Trauer, süße
Wehmut, hoffnungsvolle
Zuversicht ist. Überwiegt
dagegen das Unlustgefühl (wie z. B., wenn der Verlust des geliebten Gegenstandes ein unersetzlicher,
die Geliebte,
Heimat, Kindheit etc. unwiederbringlich dahin ist), so geht die Elegie
in die
Threnodie über, deren
Charakter ungemessene
Trauer, bittere Resignation
oder Verzweiflung ist.
Beide
Formen sowohl als deren
Namen sind durch die
»Nänien« (Wehklagen) und »Threnen« (Trauerlieder) des
griechischen Dichters
Simonides in
Umlauf gebracht worden. Derselbe deutete den Gefühlswechsel, der im
Charakter des Elegischen
liegt, auch äußerlich rhythmisch in einem
Wechsel des
Metrums an, indem er sich des
Distichons als der Abwechselung des (steigenden)
Hexameters mit dem (fallenden)
Pentameter bediente. Dasselbe wird daher vorzugsweise das elegische Versmaß
genannt und ist von den
Meistern der Elegie
, wie
Mimnermos, Ovid, Tibull, Properz,
Goethe u. a., in derselben angewandt worden.
Römische Kunst

* 2
Römische.
Andre neuere (insbesondere deutsche) Elegiker bedienen sich des trochäischen, d. h. des
von der
Länge zur
Kürze absteigenden,
Maßes, um einerseits den Gefühlswechsel durch den
Wechsel langer
und kurzer
Silben wie anderseits das Überwiegen der Lust über die Unlust durch die Voranstellung der betonten
vor der unbetonten
Silbe zu versinnlichen. Liebesgenuß, als der zugleich süßeste und flüchtigste, bildet ein Hauptthema der Elegie
, Todesraub
geliebter
Personen, als der zugleich schmerzlichste und unersetzlichste, ein solches der
Threnodie. In
ersterer
Gattung sind
Goethes
»Römische
[* 2] Elegien«
klassisch. Unter den
Deutschen haben
Hölty,
Bürger,
Matthisson,
Klopstock,
Hölderlin,
Haller, Elegie
v.
Kleist,
Schiller,
Herder,
Jacobi,
Stolberg,
[* 3]
Kosegarten,
Voß,
Salis,
Tiedge u. a. Elegien
, unter den Neuesten noch mehrere
(z. B. Anast.
Grün,
Lenau, Alfr.
Meißner) elegisch ohne die äußere Form der Elegie
gedichtet.