Ekklesia
,
im alten
Athen
[* 2] die
Volksversammlung, d. h. die
Vereinigung aller im
Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte befindlichen
attischen
Bürger vom 20. Altersjahre an, welcher die souveräne
Entscheidung über alle durch den
Rat (die
Bule, s. d.) vorbereiteten
und an die Ekklesia
gebrachten oder auch durch eigene
Initiative aus dem
Kreise
[* 3] der versammelten
Bürger angeregten
Angelegenheiten der innern und äußern Politik
(Krieg und Frieden, Bündnisse und
Verträge, Gesandtschaften, Ehrenbezeigungen
an einzelne und Korporationen), des öffentlichen
Kultus, der
Finanzen und der Gesetzgebung, die
Wahl der
Beamten (soweit solche
nicht durchs Los bestimmt wurden), Erledigung etwaiger
Beschwerden gegen diese
u. dgl., in gewissen Ausnahmefällen
(bei den sog. Eisangelien) auch richterliche
Entscheidung zustand.
Die Einrichtung, daß innerhalb bestimmter Zeiträume regelmäßig solche Versammlungen stattfanden, wird auf Solon zurückgeführt. Er setzte vier Ekklesien für jedes Jahr fest, Kleisthenes (um 509 v. Chr.) zehn. Mit der Erweiterung ihres Wirkungskreises durch die Entwicklung der Demokratie wurde die Zahl nochmals vermehrt, sodaß zur Zeit der höchsten Blüte [* 4] der demokratischen Verfassung vier regelmäßige Ekklesien in jeder der zehn Prytanieen, also 40 im Jahre stattfanden, von denen jede ihren bestimmten Geschäftskreis hatte. Dazu kamen noch in dringenden Fällen außerordentliche Versammlungen, welche meist von den obersten Beamten des Kriegsdepartements (den Strategen) einberufen wurden.
Das Lokal dieser Versammlungen war seit alter Zeit die Pnyr (s. d.), an deren Eingängen 6 Lexiarchen mit 30 Gehilfen die Kontrolle übten. Jeder zur Teilnahme an der Versammlung Berechtigte erhielt beim Eintritt eine Marke, gegen deren Vorzeigung ihm seit der Zeit des Perikles, als Entschädigung für die aufgewandte Zeit, der Versammlungssold (Ekklestiastikos misthos, früher 1 Obolos, später 3 Obolen) ausbezahlt wurde. Anstatt der unbequemen und abgelegenen Pnyr wurden besonders seit der macedon.
Zeit lieber die bequemen Räume des Dionysischen Theaters am Südostabhange der Akropolis, [* 5] bisweilen auch der Markt, ja selbst Lokale außerhalb der Stadt (z. B. im Peiraieus) zur Abhaltung der Versammlungen benutzt. Der Beginn der Versammlungen wurde durch ein auf der Agora sichtbares Zeichen (wahrscheinlich Ausziehen einer Fahne) angezeigt. Sie begann regelmäßig früh am Morgen mit einem Reinigungsopfer und einem vom Herold gesprochenen Gebet; darauf trug der Vorsitzende oder ein anderer Referent die Anträge (Probuleumata, d. i. Vorbeschlüsse) des Rats vor, und wenn die Versammlung durch Procheirotonie (vorläufige Abstimmung) beschlossen hatte, auf die Verhandlung darüber einzutreten, so wurde die Debatte eröffnet, bei welcher nach alter, aber zur macedon.
Zeit bereits veralteter Sitte die über 50 J. Alten den Vorrang hatten. Die auftretenden Redner waren während der Dauer ihrer Ansprache zum Zeichen der Unverletzlichkeit bekränzt. Nach Schluß der Debatte wurde über jeden Antrag einzeln durch Erheben der Hände (Cheirotonie) oder auch durch Stimmtäfelchen abgestimmt. Der Schluß der Versammlung mußte jederzeit vor Sonnenuntergang, sonst auch bei plötzlich eintretendem Regen, Gewitter u. dgl. erfolgen; war die Tagesordnung nicht erschöpft, so wurde die Versammlung auf den folgenden Tag vertagt.
Ihre Beschlüsse wurden regelmäßig in das Archiv der Stadt eingetragen, in wichtigern Fällen auch in Erz oder Stein eingegraben und dann öffentlich aufgestellt. Den Vorsitz in der Versammlung führte in der ältern Zeit der Epistates, d. h. der Vorsitzende des geschäftsleitenden Ausschusses des Rats (der Prytanen); später wurden jedesmal neun Proëdroi aus der Zahl der übrigen nicht zum Ausschuß gehörigen Ratsmitglieder durchs Los ernannt, die wieder unter sich den Proëdros erlosten. Zur Aufrechterhaltung der Ordnung standen diesem eine Anzahl Polizeidiener (toxotai, Bogenschützen) zu Gebote. -
Vgl. Schömann, De comitiis Atheniensium libri III (Greifsw. 1819). -
über Ekklesia
in der Bedeutung von
Kirche s. Ecclesia.