Eiter.
Die
Frage, weshalb manche
Bakterien
Entzündung und
Eiterung erregen, ist trotz der
Darstellung der Toxine und Proteine
und selbst trotz der neuerdings gefundenen Toxalbumine nicht befriedigend beantwortet worden, weil die genannten
Bestandteile
der
Bakterien
Nervengifte sind; freilich besitzen Putrescin und Kadaverin auch eiter
erregende
Kraft,
[* 2] aber diese ist eben nur
Nebenwirkung.
Buchner, welcher diese Verhältnisse genauer untersuchte, konnte nachweisen, daß die Zersetzungsstoffe
der
Bakterien keine oder keine erhebliche Anlockung für weiße
¶
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Blutkörperchen
[* 4] (Leukocyten), welche bekanntlich den Eiter
bilden, aufweisen; und doch muß in den Bakterien, z. B. in sStaphylococcus
aureus und S. akbus, eine Substanz enthalten sein, welche die Ansammlung der weißen Blutkörperchen bewirkt. Es gelang nun
Buchner, nachzuweisen, daß der Inhalt der Bakterienzelle selbst, d. h. die Bakterienproteine, eine außerordentlich starke
Anziehungskraft für die Leukocyten besitzt. Er erhielt diese Proteine, welche alle Reaktionen der Eiweißkörper
zeigen und sich am meisten den Pflanzenkaseinen nähern, durch Züchtung der Bakterien auf festem Nährboden, Abstreifen und
Digerieren derselben mit schwacher Kalilauge, Filtrieren
[* 5] und Fällen des Proteinkörpers durch Salz- und Essigsäure.
Subkutane Einspritzung
[* 6] von einigen Milligramm des Proteins von Basillus pyocyaneus bewirkt eine erysipelatöse,
mit Lymphangitis 2c. verbundene Entzündung auf rein chemischem Wege ohne Bakterien. Koch hat angegeben, daß auch das Tuberkelbacillenprotein
ausgesprochen eiter
erregende Wirkung besitzt. Die Ähnlichkeit
[* 7] der Bakterienproteine mit den Pflanzenkaseinen veranlaßte Büchner,
letztere näher zu untersuchen, und er fand, daß dieselben, namentlich das Glutenkasein von Weizenkleber
nicht nur starke Anziehungskraft auf die Leukocyten, sondern auch Entzündung erregende Eigenschaften besitzt.
Die Überlegung, daß im menschlichen Körper das Protein nur beim Absterben der Bakterien zur Wirkung kommen könne, daß also das Absterben der Eiterung vorhergehen müsse, läßt Buchner vermuten, daß die Entzündung eins der wirksamsten Schutzmittel gegen die Bakterienwucherung sei. Die Herbeiführung einer starken entzündeten Reaktion würde demnach die Heilung eines bakteriellen Prozesses einleiten, und so scheint auch die Heilung nach Anwendung des Kochschen Mittels aufzufassen zu sein. Über Immunität gegen die Bakterien desselben s. Chirurgenkongreß, S. 152.