Eiter
(Pus) und
Eiterung
(Suppuratio). Der sogen. gesunde Eiter
stellt im reinen und frischen Zustand
eine gelbliche, geruchlose oder schwach süßlich riechende
Flüssigkeit von schwach alkalischer
Reaktion dar, welche gewöhnlich
eine rahmähnliche
Konsistenz hat, unter Umständen aber auch dünnflüssig, wasserähnlich oder umgekehrt breiartig eingedickt
erscheint. Das
spezifische Gewicht des gesunden, rahmartigen Eiters
ist 1,03. Läßt
man größere
Mengen von Eiter
in einem tiefen
Gefäß
[* 2] stehen, so scheidet er sich in zwei
Schichten: die obere (Eiter
serum) ist
wasserhell, fast farblos, dünnflüssig, die untere dagegen gelb gefärbt, opak, zähflüssig und besteht aus den sogen.
Eiter
körperchen.
Das Eiter
serum ist identisch mit dem Blutserum. Die Eiterkörperchen sind kleine, nur mit
Hilfe des
Mikroskops
wahrnehmbare
Zellen, welche in allen ihren
Eigenschaften mit den farblosen Blutkörperchen
[* 3] (s.
Blut) übereinstimmen und in
ganz frischem Eiter
wie die Blutkörperchen amöbenartige, mit dem
Mikroskop
[* 4] erkennbare
Bewegungen ausführen. Bisweilen ist der
Eiter
nicht gelb gefärbt, sondern er hat eine rötliche, bläuliche oder grüne
Farbe. Die rote
Farbe rührt
von der Beimengung roter Blutkörper, die orangerote
Farbe davon her, daß in den Eiter
zellen mikroskopische
Kristalle
[* 5] von
Hämatoidin (verändertem
Blutfarbstoff) enthalten sind.
Die blaue und grüne
Farbe des Eiters
scheint verursacht zu werden durch
Vibrionen, welche sich namentlich auf dem Verbandzeug
massenhaft entwickeln und dieses
blau färben.
Alle diese Färbungen jedoch haben durchaus keine praktische
Bedeutung, und man darf sich dadurch nicht in Besorgnis versetzen lassen. Von alters her hat man den Eiter
als ein
Exsudat, als eine
Ausschwitzung angesehen, welche infolge der
Entzündung aus den
Blutgefäßen des erkrankten Teils hervortrete;
erst
Cohnheim wies 1868 unzweifelhaft nach, daß die Eiter
zellen nichts andres sind als farblose Blutkörper,
welche durch die
Wände der
Blutgefäße, namentlich der kleinsten
Venen und der
Haargefäße, herausgetreten sind. Dieser Vorgang
der
Auswanderung der farblosen Blutkörper, welche nun als Eiter
zellen in den
Geweben sich ansammeln, läßt sich am lebenden
Tier mit
Hilfe des
Mikroskops direkt verfolgen.
Eiterung entsteht nach heftigen chemischen oder mechanischen
Reizungen, sehr oft sind
Bakterien als
Ursache anzusehen.
Der Eiter wird entweder von Wundflächen abgesondert, die frei am Tag liegen, oder von solchen, die inmitten eines Organs eine Höhle (Absceß) bilden, oder er steckt in den Maschen des Gewebes als diffuse eiterige Infiltration (Phlegmone). Es bleibt nur die Frage offen, ob es andre Entstehungsweisen des Eiters gibt. Vorläufig scheint es, als ob diese Frage bejaht werden müßte. Wenn der Eiter nicht alsbald nach seiner Entstehung auf natürlichem oder künstlichem Weg (durch Eröffnung mit dem Messer [* 6] etc.) aus dem Körper entfernt wird, so gehen weitere Veränderungen mit demselben vor. Im günstigsten Fall erfolgt die Resorption, welche durch Umwandlung der Zellen in feinste Fetttröpfchen erfolgt. In andern Fällen wird der Eiter durch Resorption des Serums eingedickt, während die Eiterkörperchen zurückbleiben, zu einer feinkörnigen Masse zerfallen und eine dicke, trockne oder schmierige, käseähnliche Substanz von graugelber Farbe darstellen. Man nennt dies die Verkäsung, weniger passend auch wohl die Tuberkulisierung des Eiters. Solche verkäste Eitermassen werden nicht selten durch nachträgliche Ablagerung von Kalksalzen in denselben zu steinähnlichen Konkrementen umgewandelt. Der am meisten gefürchtete Vorgang ist die Verjauchung oder die Fäulnis des Eiters. Sie kommt sowohl im Innern als auf der Oberfläche des Körpers vor und besteht darin, daß der Eiter durch Vermittelung von ¶
mehr
Fäulnispilzen zu einer dünnen, schmutzig bräunlich gefärbten, trüben Flüssigkeit von sehr üblem Geruch sich umwandelt, welche bei ihrer Aufnahme ins Blut Wundfieber (Septichämie) erzeugt.
Die Folgen der Eiterung für den Organismus sind abhängig von der Dauer derselben und von der Menge des Eiters, welcher für den Körper gewöhnlich verloren geht, ferner von dem Sitz der Eiterung und dem Grade der Zerstörung, welche die betreffenden Organe durch die Eiterung erleiden. Langdauernde und sehr reichliche Eiterverluste haben Blutarmut und Verwässerung des Bluts mit Neigung zur Wassersucht, nicht selten Amyloidentartung der Unterleibsdrüsen zur Folge; sie führen durch fortschreitende Erschöpfung allmählich den Tod herbei. Im engen Zusammenhang mit der alten falschen Ansicht, daß der Eiter eine krankhafte, dem Organismus fremdartige Materie sei, deren sich der Körper entledigen müsse, steht die Lehre [* 8] von der Eiterresorption und Eitervergiftung des Bluts.
Man hielt früher den Übergang von Eiter in das Blut für einen höchst verhängnisvollen Vorgang. Dies ist er jedoch keineswegs. Die Resorption des guten, gesunden und frischen Eiters ist nicht bloß vollständig gefahrlos, sondern in gewissem Sinn selbst ein Gewinn, weil dem Blute damit Stoffe wieder zurückgegeben werden, welche ihm durch die Eiterung entzogen worden sind, und nur die Aufnahme zersetzten Eiters erregt die sogen. Pyämie (Septichämie). Unter spezifischem Eiter versteht man einen solchen, welcher zugleich Träger [* 9] eines Ansteckungsstoffs ist, und durch welchen man daher bestimmte Krankheiten von einem Individuum auf ein andres übertragen kann (z. B. Trippereiter, syphilitischer Eiter, Pockeneiter etc.). In morphologischer und chemischer Beziehung ist der spezifische Eiter durchaus nicht von dem gewöhnlichen Eiter zu unterscheiden. Vgl. Entzündung, Absceß.