die für die Fahrpläne der
Eisenbahnen maßgebende Zeit.
Um den einheitlichen Betrieb
eines Eisenbahnsystems zu sichern, ist es nötig, daß derselbe nach einer gemeinschaftlich angenommenen Zeit geregelt werde.
Im andern
Fall würden störende Umständlichkeiten oder Mißverständnisse in der Feststellung des Fahrplans und im Betrieb
unvermeidlich sein, da die Angaben der
Uhr
[* 2] des Lokomotivführers eines in der
Bewegung begriffenen
Zuges
bei Passierung jedes Längengrades um je 4
Minuten gegen die betreffende mittlere Ortszeit abweichen würden.
Um den Anforderungen
des
Eisenbahnbetriebs Rechnung zu tragen, ohne dem
Publikum die Unbequemlichkeit einer jedesmaligen Umrechnung der Zeitangaben
auf den Fahrplänen in mittlere Ortszeit zuzumuten, hat
man in Norddeutschland verschiedene
Zeitmaße für
die zu Eisenbahndienstzwecken aufgestellten und für die zum
Gebrauch für das
Publikum bestimmten Fahrpläne eingeführt.
In den Dienstfahrplänen (s.
Eisenbahn, S. 444) sind die Zeitangaben in
Berliner
[* 3] Zeit enthalten, während die Fahrpläne für
das
Publikum in die betreffenden Ortszeiten
übertragen sind. Um die Rechnung mit doppelten Zeitangaben
zu vermeiden, hat man jetzt in vielen
Staaten eine sogen.
Normalzeit, welche nicht
nur für den Eisenbahnverkehr, sondern auch
für das bürgerliche
Leben gültig ist, eingeführt. In der nachstehenden Aufzählung der
Normalzeiten ist in
Klammern
[* 4] die
Abweichung gegen die
»Berliner Zeit« angegeben. (Beispielsweise -20 = 20
Min. weniger als
Berliner Zeit;
+31 = 31 M. mehr als
Berliner Zeit.) Die
Aufstellung der Fahrpläne in
Normalzeiten ist erfolgt in
Baden
[* 5] nach Karlsruher (-20
M.),
Bayern
[* 6] nach
Münchener (-7 M.), bayrische
Pfalz nach
Ludwigshafener (-20 M.),
Württemberg
[* 7] nach
Stuttgarter (-17 M.),
Österreich
[* 8] nach
Prager (+4
¶
Im Interesse des Verkehrs werden die Eisenbahnfahrpläne in vielen Ländern nach der Zeit eines meist möglichst
zentral gelegenen Ortes dieser Länder aufgestellt. So gilt für einen großen Teil Deutschlands
[* 20] die Berliner Zeit, für Österreich
die Prager Zeit und für Frankreich die Pariser Zeit als Normaleisenbahnzeit (vgl. Eisenbahnzeit, Bd.
5). Die Festsetzung von Normalzeiten für möglichst große Ländergebiete und die Anwendung derselben nicht nur auf den Eisenbahnbetrieb,
sondern auch auf das bürgerliche Leben stellt sich als die zunächst erstrebenswerte Aufgabe und zugleich als der erste vorbereitende
Schritt zur Einführung einer einheitlichen Weltzeitrechnung (vgl. Universalzeit,
¶
mehr
Bd. 15) dar. Amerika
[* 22] hat diesen Schritt 1883 gethan. Vom 60. Längengrad westlich von Greenwich aus, dem ersten, welcher um
volle 4 Stunden von dem voraussichtlichen Ausgangspunkt der Weltzeitrechnung (Greenwich) entfernt, Amerika durchschneidet, ist
dieser Erdteil in 5 Stundenzonen geteilt worden, bestehend aus je 15 Längengraden (zu 4 Zeitminuten = 1 Stunde),
wobei die von Greenwich um volle Stunden entfernten Längengrade: 60,75,90, 105 und 120 nicht die Grenzen,
[* 23] sondern die Mittellinien
besagter Zonen bilden. Der Differenz gegen Greenwich entsprechend, werden in der östlichsten Zone 4 volle, in der anstoßenden 5 volle
Stunden etc. weniger gerechnet als gleichzeitig in Greenwich; dies hat den großen Vorteil, daß, weil
eben nur um volle Stunden verschieden, die Minuten und Sekunden mit Greenwich überall und jederzeit gleichartig sind.
Beim Übertritt aus einer Zone in die andre wird, je nach der Richtung gegen W. oder O., stets eine volle Stunde abgezogen oder
hinzugegeben; man hat sich daher nicht, wie bei uns, mit schwer zu merkenden Minuten und event. Sekunden
zu plagen. Bahnen, deren Linien etwa in die benachbarte Stundenzone reichen, behalten, um nicht mit verschiedenen Zeiten zu
rechnen, die ihnen ihrer ursprünglichen Zone nach eigentümlich zukommende Zeitrechnung bei.
Durch Einführung dieses Zonensystems hat Nordamerika
[* 24] den ersten und entscheidenden Schritt zur einheitlichen
Zeit gethan. Seitdem ist noch die östlichste Stundenzone mit der zunächst liegenden Zone vereint worden, so daß in der
Ausdehnung
[* 25] von ursprünglich 2 Stundenzonen gegenwärtig nur Eine Zeit Geltung hat und derzeit in ganz Nordamerika nur vier
voneinander um je eine ganze Stunde abweichende Zeiten bestehen.
Auch Japan
[* 26] hat dieses Stundenzonensystem eingeführt, und da dort der 135. Längengrad östlich von Greenwich als Grundlage
der Zeitrechnung genommen wird, ist die Zeit in Japan um 9 Stunden der Greenwicher voraus.
Dieses System erscheint auch für Europa
[* 27] als das zweckentsprechendste. Die erste Zone bildet jene, deren
Mittellinie der Meridian von Greenwich ist, und die von den Längengraden 7° 30' westlich und 7° 30' östlich von Greenwich
begrenzt wird. Die Breite
[* 28] der Zone beträgt 15 Längengrade, was, in der Zeit ausgedrückt, einer Stunde entspricht. Die Einführung
der Weltzeit kann in dieser Zone am einfachsten vor sich gehen, indem der Mittelmeridian mit dem Ausgangspunkt
der Weltzeitrechnung zusammenfällt. In England wird übrigens die Greenwicher Zeit schon seit langem angewendet. In diese
Zone fallen ganz Frankreich, die Niederlande, Belgien; Spanien und Portugal überragen die Zonengrenze im W. um ein Geringes. Dies
hindert jedoch nicht, diese hinausreichenden kleinen Gebiete in die Zeitrechnung der Stundenzone von Greenwich
einzubeziehen, um so mehr, als dieselben weiter westlich an das Meer angrenzen. Auf diese Weise erschiene bezüglich Spaniens
und Portugals die Vereinigung zweier Stundenzonen, gleichwie in Amerika, zu einer mit gleichartiger Zeitrechnung vollzogen.
Unser Kontinent erscheint hinsichtlich der Weltzeit weit günstiger gelegen als Amerika. Während nämlich
in Amerika bei Annahme der Greenwicher Zeit als Basis für die östlichste Zone ein Sprung von 4 Stunden gemacht werden muß, genügt
hier für die Einführung der Weltzeit die einfache Berücksichtigung der wirklichen Zeitdifferenz. Die zunächst östlich
von Greenwich liegende
Stundenzone von 7° 30' bis 22° 30' östliche Länge umfaßt ganz Mitteleuropa
und ist gegen Greenwich mit einer vollen Stunde voraus.
Österreich-Ungarn reicht wohl östlich über die Zonengrenze hinaus, und es müßten in diesem Falle,
gleichwie in Amerika, mit Umgehung der theoretischen Grenzen, um einer Zweiteilung der Bahnzeit vorzubeugen, die außerhalb
der Zone fallenden Teile in die Stammzone einbezogen werden, was wohl ebensowenig Schwierigkeiten begegnen wird wie in Amerika.
Die Direktion der ungarischen Staatseisenbahnen hat die Anregung zur Einführung einer auf der Zonenteilung
beruhenden einheitlichen Eisenbahnzeit im Bereich des VereinsDeutscherEisenbahnverwaltungen gegeben, und auf ihren Antrag wurde
in der 1890 in Dresden
[* 32] abgehaltenen Vereinsversammlung beschlossen, die oben erörterte Zonenzeit im innern Eisenbahndienst
und zwar mit Beginn der nächstjährigen Sommerfahrplanperiode (1891) zur Einführung zu bringen sowie die allgemeine Einführung
der Zonenzeit auch im bürgerlichen Leben als empfehlenswert zu bezeichnen. Die Annahme der einheitlichen
Zonenzeit für die Post- und Telegraphenverwaltung würde uns diesem Ziele sehr schnell näher bringen.