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wo die Eisenbahnen vielfach durch ausgedehnte unwirtliche Gegenden führen und den Reisenden auf den tagelangen Fahrten sonst
keine Gelegenheit zur Übernachtung und
Verpflegung geboten ist. Die amerik.
Pullman-Palastwagengesellschaft versorgt
Eisenbahnlinien
in einer Länge von rund 190000 km mit ihren Wagen und beschäftigt über 11000
Personen mit einem jährlichen Kostenaufwand
von 25½ Mill. M. Auf den europ.
Eisenbahnlinien ist seit 1873 zwischen allen größern Orten durch die
Internationale Eisenbahn-Schlafwagengesellschaft
zu
Brüssel
[* 3] Schlaf- und Restaurationswagendienst eingeführt; dieselbe hat auch die sog. Luxusexpreßzüge
zwischen
Paris
[* 4] einerseits und
Bukarest
[* 5] und
Konstantinopel
[* 6] andererseits
(Orient-Expreßzug, s. Eisenbahnzüge
) wöchentlich einmal
nach
Bukarest in etwa 53
Stunden und zweimal nach
Konstantinopel in etwa 70
Stunden, sowie zwischen
Paris
über Madrid
[* 7] nach Lissabon
[* 8]
(Süd-Expreßzug, wöchentlich dreimal nach Madrid in 28, nach Lissabon in 44
Stunden) eingerichtet.
Außerdem verkehren noch Luxusexpreßzüge zwischen Paris und Rom, [* 9] Paris und Pau, [* 10] Paris und Ventimiglia (Mittelmeer-[Méditerranée-]Expreßzug) und zwischen Paris und Brindisi (Péninsulaire-Expreßzug). Anschlußverbindungen zwischen Paris und London [* 11] über Calais [* 12] werden durch die sog. Klubzüge und Schnelldampfer binnen etwa 8 Stunden vermittelt. Die Luxusexpreßzüge bestehen gewöhnlich aus 2 oder 3 Schlafwagen zu 20 Plätzen, die wiederum in Abteilungen zu 2 oder 4 Plätzen eingeteilt sind, aus einem Salonrestaurationswagen mit Speisesaal (für 36 Personen) und einem Küchen- und Gepäckwagen; in dem Gepäckwagen befindet sich ein Kabinett mit kalter und warmer Douche sowie eine Ersatzküche.
Alle Wagen, die mit Gas oder elektrischem Licht [* 13] beleuchtet werden, sind durch fortlaufende Gänge und an den Enden befindliche Plattformen verbunden und gestatten den Verkehr von einem Ende des Zuges bis zum andern. Die Einnahmen der Gesellschaft betrugen 1892: 5628653 Frs., der Reingewinn 650995 Frs., der die Verteilung einer Dividende von 5 Proz. gestattete. Im Betrieb waren 1889: 251 Eisenbahnwagen und 32 Gepäckwagen im Wert von 16053946 Frs. Bestellt wurden 19 Wagen und 1 Gepäckwagen.
Der Orient-Expreßzug hat 42,34 Proz. und der Süd-Expreßzug 50,6z Proz. mehr als im Vorjahr erbracht, dagegen haben die inzwischen eingestellten Klubzüge über Calais ungünstige Ergebnisse geliefert. Auf den preuß. Staatsbahnen [* 14] werden jetzt Schlafwagen von den betreffenden Verwaltungen gestellt, die Schlafwagen der Gesellschaft verkehren nur noch auf Grenzstrecken größerer Linien, so z. B. zwischen Köln [* 15] und Brüssel, Köln und Paris, Köln und Ostende, [* 16] Berlin [* 17] und Wien, [* 18] Frankfurt [* 19] a. M. und Paris u. s. w. Eisenbahnwerkstätten, zur Herstellung und Unterhaltung der Betriebsmittel (s. d.), der Werkzeuge [* 20] u. s. w. dienende Arbeitsräume.
Der Neubau von
Lokomotiven und Wagen wird gewöhnlich nicht in den Eisenbahnzeit
bewirkt, die Beschaffung erfolgt meist durch
Ankauf bei den bestehenden
Lokomotiv- und Wagenbauanstalten. Dagegen werden in den der Königl. Sächs.
Staatseisenbahnen (etwa 1450
Arbeiter) zu
Chemnitz
[* 21] auch neue Wagen gebaut sowie ältere
Lokomotiven in Compoundsystem umgebaut.
Die Hauptthätigkeit der Eisenbahnzeit
ist auf Reparaturen beschränkt, sie heißen daher auch kurzweg Reparaturwerkstätten.
Je nach ihrem Umsang unterscheidet man
Haupt- und Nebenwerkstätten: in den Betriebswerkstätten werden
nur die kleinern Reparaturen für den laufenden Betriebsdienst ausgeführt.
Eisenbahnzeit
, die sich auch mit der Ausbildung von Lehrlingen befassen, werden
Lehrwerkstätten genannt. (S. Eisenbahnschulen.)
Bei den
preuß. Staatsbahnen sind 1894/95 insgesamt 60 Haupt-, 19 Neben- und 199 Betriebswerkstätten,
zusammen 278 Werkstätten, vorhanden; die meisten Hauptwerkstätten waren auch
Lehrwerkstätten. Eisenbahnzeit
,
die Zeit, nach der im Betrieb der Eisenbahnen gerechnet wird, insbesondere auch die Fahrpläne (s.
Eisenbahnfahrpläne) aufgestellt werden.
Die durch die Bewegung der Erde von Westen nach Osten bedingte Linderung der sog. mittlern Ortszeit (s. Zeitdifferenz) hatte bei Ortsveränderungen in der Richtung der geographischen Länge (s. d.) für den Verkehr so lange nichts Störendes, als man an einem Tage Entfernungen von nur 40 bis 50 km zurücklegen konnte. Als es aber möglich wurde, mit der Eisenbahn in wenigen Stunden Strecken von mehrern 100 km zu durcheilen, wurde die stete Veränderung des Zeitmaßes unbequem empfunden.
Die Notwendigkeit einer einheitlichen Zeitrechnung (Normalzeit) trat daher im Eisenbahnbetrieb schon frühzeitig hervor, indem es sich schon bei verhältnismäßig kurzen Linien als unthunlich erwies, den Fahrbetrieb nach den verschiedenen mittlern Ortszeiten der einzelnen Stationen einheitlich zu gestalten. Fährt z. B. ein Zug von Berlin ab in östl. Richtung und hat der Zugführer bei der Abfahrt seine Dienstuhr («Kursuhr») nach mittlerer Berliner [* 22] Zeit gestellt, so wird die Angabe dieser Uhr [* 23] mit jedem Längengrad, um den der Zug in östl. Richtung vorrückt, um -4 Minuten von der betreffenden mittlern Ortszeit abweichen.
Die nach mittlern Ortszeiten aufgestellten Fahrpläne erwiesen sich daher für den Dienstgebrauch als nicht geeignet; insbesondere waren daraus die Fahrzeiten zwischen den einzelnen Stationen nicht ohne weiteres zu entnehmen, man mußte vielmehr erst jedesmal die mittlere Ortszeit der Stationen durch Zu- oder Abrechnung des zwischen ihnen und der Ausgangsstation bestehenden Zeitunterschiedes auf die mittlere Ortszeit der letztern zurückführen. Es wurden deshalb Dienstfahrpläne aufgestellt, in denen diese Arbeit ein für allemal gemacht und die mittlere Ortszeit der Ausgangsstation oder einer sonstigen Station des betreffenden Verwaltungsbezirks durchweg beibehalten wurde.
Später wählte man zur Herbeiführung einer Zeiteinheit für noch weitere Gebiete die Hauptstadt des betreffenden Landes als «Normalzeit» für den Eisenbahnbetrieb. In manchen Ländern wurde die gleiche Normalzeit auch für das bürgerliche Leben, in andern Ländern wenigstens für das gesamte Verkehrsleben (Eisenbahn-, Post- und Telegraphenwesen) eingeführt. In den Ländern, in denen nur für den innern Eisenbahndienst eine Normalzeit besteht, werden daher die Dienstfahrpläne nach dieser, die Fahrpläne für das Publikum dagegen nach mittlerer Ortszeit aufgestellt. Dienstfahrpläne und Fahrpläne für das Publikum decken sich daher nur in denjenigen Staaten, in denen für das bürgerliche oder doch wenigstens für das Verkehrsleben eine einheitliche Zeit besteht, während in letzterm Falle die Fahrpläne für das Publikum immer noch von der bürgerlichen Zeit abweichen. Mit der fortschreitenden ¶
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lung des Eisenbahnnetzes machte sich immer dringender das Bedürfnis geltend, die Normalzeit mindestens für den innern Eisenbahndienst auf noch weitere, möglichst große Ländergebiete auszudehnen, da die verschiedenen Zeitrechnungen der einzelnen Länder und Bahnverwaltungen nicht nur den gegenseitigen Verkehr und insbesondere die Aufstellung der Fahrpläne ungemein erschwerten, sondern auch die Sicherheit des Betriebes gefährdeten. In Deutschland [* 25] wurde (1874) eine Einigung dahin erzielt, daß wenigstens die graphischen Fahrpläne (s. Eisenbahnfahrpläne, S. 870 a) der deutschen Bahnen nach mittlerer Berliner Ortszeit aufgestellt wurden.
Später nahmen einzelne Bahnverwaltungen die Berliner Zeit überhaupt für den innern Dienst an. In nachfolgender Übersicht
ist der Zustand dargestellt, der sich hinsichtlich der Normalzeiten für den innern Eisenbahndienst in
Deutschland und den übrigen europ. Hauptländern bis zum entwickelt hatte.
Berliner Zeit Mittlere Ortszeit der Hauptstädte der einzelnen Länder Besondere Zeit Auf allen Hauptbahnen Norddeutschlands,
mit Ausnahme von Oldenburg,
[* 26] und auf den Reichseisenbahnen (s. d.). Auf allen
Bahnen in Baden,
[* 27] Bayern
[* 28] (Pfalz: Ludwigshafener Zeit), Belgien,
[* 29] Dänemark,
[* 30] Frankreich, Irland, Italien,
[* 31] Niederlande,
[* 32] Norwegen,
[* 33] Oldenburg,
Portugal,
[* 34] Rumänien,
[* 35] Rußland (Petersburger und Moskauer Zeit), Schweiz,
[* 36] Serbien, Spanien, Türkei,
[* 37] Ungarn,
[* 38] Württemberg. Auf allen
Bahnen in England und Schottland-Greenwicher Zeit), in Österreich-Ungarn
[* 39] (westlich von Krakau:
[* 40] Prager, östlich von Krakau:
Budapester Zeit), in Schweden (nach einem westlich vom Meridian des Stockholmer Observatoriums belegenen
Meridian). In Baden, Bayern und Württemberg,
[* 41] in England, Schottland und Irland, in Frankreich und Algerien
[* 42] (seit sowie
in Schweden galt die Eisenbahnzeit
zugleich für das bürgerliche Leben, in Belgien, Dänemark, Italien, Niederlande, Österreich-Ungarn,
Rußland, Schweiz und Spanien dagegen nur für das Verkehrswesen, während im sonstigen bürgerlichen Leben
nach mittlerer Ortszeit gerechnet wurde. In Nordamerika
[* 43] sind 1881 unter Aufhebung der zahlreichen, etwa 75 verschiedenen
Eisenbahnzeit
zunächst für das Verkehrswesen 5 Zeiten eingeführt worden, die Städte und Ortschaften haben indes nach und nach ihre
Ortszeit aufgegeben und für das gesamte bürgerliche Leben die Eisenbahnzeit
angenommen.
Seitdem sind die 5 verschiedenen Zeiten noch auf 4 verringert worden, sodaß in ganz Nordamerika nur 4 - um je eine volle Stunde voneinander abweichende - Zeiten bestehen. Hieraus ergiebt sich, daß nur in Baden, Bayern, Württemberg, England, Schottland, Irland, Frankreich, Schweden und Nordamerika die Fahrpläne der Eisenbahnen mit der bürgerlichen Zeitrechnung übereinstimmten, während sie in allen übrigen Ländern von der maßgebenden mittlern Ortszeit abweichende Angaben enthielten.
In den Ländern, in denen die Eisenbahnzeit
für das Verkehrswesen galt, enthielten daher auch die für das Publikum bestimmten Fahrpläne
lediglich die Zeitangaben für den betreffenden, der Zeitrechnung zu Grunde gelegten Ort; nur im Deutschen
Reich (ausschließlich Bayern, Württemberg und Baden), wo die Eisenbahnzeit
lediglich für die Verwaltungen selbst, nicht auch für das
bürgerliche Leben oder das Verkehrswesen galt, wurden für das Publikum besondere Fahrpläne nach mittlerer Ortszeit
aufgestellt.
Es leuchtet ein, daß die außerordentliche Verschiedenheit der Zeitrechnungen, die hiernach immer noch
im innern und in noch größerm Umfange im äußern Eisenbahndienst (dem Publikum gegenüber) bestehen geblieben war, für
die Eisenbahnverwaltungen selbst und für das Publikum große Unzuträglichkeiten und Unbequemlichkeiten mit sich bringen
mußte.
Wer z. B. von Petersburg
[* 44] nach Paris fahren wollte, mußte auf den Übergangsstationen, wo eine andere Zeitrechnung
beginnt, seine Uhr erst genau nach dieser stellen und bei der Fahrt durch Norddeutschland und Elsaß-Lothringen
[* 45] außerdem
noch die maßgebende, auf jeder Station verschiedene mittlere Ortszeit berücksichtigen. Auf der kurzen Strecke Straßburg-Ulm
hatte er seine Uhr viermal zu stellen, wenn er mit der Eisenbahnzeit
gleichgehen wollte. Um wenigstens derartige
Unbequemlichkeit zu vermeiden und die Rechnung nach einer Zeit zu ermöglichen, war gewöhnlich an den Bahnhofsuhren der preuß.
Stationen kenntlich gemacht, um wieviel Minuten die Ortszeit von der Berliner Zeit abweicht.
Zur Beseitigung der vorbezeichneten Übelstände hatte die Direktion der königlich ungar. Staatseisenbahnen
im Nov. 1889 bei der geschäftsführenden Direktion des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen (s. Eisenbahnverein)
einen Antrag auf Einführung einer einheitlichen Eisenbahnzeit
innerhalb des Vereinsgebietes gestellt. Der Antrag schloß sich an den
Vorschlag der Europäischen Gradmessungskommission in der Sitzung zu Rom vom an, wonach der Meridian von Greenwich
den Anfangsmeridian für eine, wissenschaftlichen Zwecken dienende Weltzeit (s. d.) bilden sollte, und
beruhte auf der in Nordamerika 1884 zuerst praktisch gewordenen Annahme von Stundenzonenzeiten, nach der die Zeitberechnung
auf dem ganzen Erdball nach 24 je um eine volle Stunde voneinander entfernten Zonenzeiten geregelt werden soll.
Bei der schon obenerwähnten Zeitrechnung in Nordamerika wurden die um 75, 90, 105 und 120 Grad westlich von Greenwich liegenden, also um je 15 Längengrade (zu 4 Zeitminuten = 1 Stunde) voneinander entfernten und von Greenwich um 5, 6, 7 und 8 Stunden abweichenden Meridiane als zeitbestimmend für 4 Zonen eingeführt. Zugleich wurde festgestellt, daß die genannten Meridiane nicht die Grenz-, sondern die Mittellinien der einzelnen Zonen bilden sollen, sodaß eine Stundenzone - abgesehen von geringen, durch die polit.
Einteilung der Länder begründeten Abweichungen - stets durch die 7½ Grad westlich und 7½ Grad östlich von dem betreffenden
Meridian belegenen Längengrade begrenzt wird. Von den hiernach in Nordamerika bestehenden vier Eisenbahnzeit
Pacific
Time, Mountain Time, Central Time und Eastern Time) umfaßt die östl. Zeit (75. Meridian) die östl. Staaten und Canada, die Mittelzeit
(90. Meridian) die mehr westlich in den mittlern Staaten und Canada belegenen Bahnen, während für die noch mehr westl. Gebiete
die Zeit des 105. und 120. Meridians (Gebirgs- und Pacific-Zeit) gilt. Japan
[* 46] hat 1888 ebenfalls diese Zonenanordnung
eingeführt und den 135. Längengrad östlich von Greenwich als Grundlage der Zeitrechnung angenommen. Die erste Zone dieser
auf das Stundenzonensystem begründeten Zeitrechnung würde jene bilden, deren Mittellinie der Meridian von Greenwich ist,
und die von den Längengraden 7° 30' westlich und 7° 30'
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