Eisenbahnfahrpläne,
s. Eisenbahn, S. 443.
5 Wörter, 43 Zeichen
s. Eisenbahn, S. 443.
(Schienenweg, engl. Railway, Railroad, franz. Chemin de fer, ital. Strada ferrata oder di ferro, Ferrovia, span. Camino de hierro oder Ferrocarril), Straße oder Fahrbahn mit einer oder mehreren parallelen Reihen eiserner Geleise, auf denen sich hierzu besonders eingerichtete Fuhrwerke durch eine Triebkraft (Pferde, Elektrizität, Luftdruck, Eigengewicht, Dampf) bewegen lassen.
Übersicht des Inhalts. I. Geschichtliches | 428 |
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II. Stand in verschiedenen Ländern | 430 |
Statistische Übersicht | 434 |
III. Anlage d. Bahnen: | |
Topographische Feststellung; Netz | 434 |
Systemfrage: Staats- oder Privatbahnen | 435 |
Konzessionierung | 436 |
Kapitalbeschaffung; Zinsgarantien | 437 |
Eisenbahnanleihen; Eisenbahnschuld | 438 |
IV. Verwaltung: Gesetzgebende und überwachende Organe | 438 |
Ausführende Organe: | |
Staatsbahnverwaltung | 439 |
Privatbahnverwaltung | 440 |
Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen | 441 |
Eisenbahnverbände etc. | 442 |
Reichseisenbahnfrage | 442 |
Übersicht der Eisenbahnverwaltungsbehörden in Deutschland | 442 |
V. Betriebswesen: | |
Betriebsordnung; Bahnpolizeireglement | 443 |
Fahrpläne | 443 |
Die einzelnen Betriebszweige | 444 |
VI. Wirtschaftliche etc. Bedeutung | 445 |
VII. Internationale Übereinkommen | 445 |
Litteratur | 446 |
I. Geschichte der Eisenbahnen.
Als Vorläufer der heutigen Eisenbahn sind die Spurbahnen zu betrachten, deren Technik schon in althistorischer Zeit entwickelt war. Nach Curtius waren die ältesten Kunststraßen Griechenlands bereits mit Steingeleisen versehen. Wo heute das Maultier des Reisenden kümmerliche Saumpfade emporsteigt, findet man häufig die Spuren tiefer Radfurchen, deren gründliche Untersuchung zeigt, daß es sorgfältig ausgehauene, geglättete Kanäle sind, Geleise für die Räder der Fuhrwerke, um sie gesichert und leicht dahinrollen zu lassen. Die Bezeichnung für das bleibend in Fels gemeißelte Geleise war ichnos im Gegensatz zu harmatrochia, der im Sand vorübergehend sich bildenden Furche. Wo keine Doppelgeleise vorhanden waren, entstanden sogar eigne Ausweichplätze: zwei Fingerbreiten tief in den Fels eingehauene Geleise (ektropoi). Ob die Griechen zuerst steinerne Kunstgeleise schufen, oder ob sie dieselben von einem
ältern Kulturvolk erhielten, ist unbekannt. Wahrscheinlich waren die Ägypter, welche das Räderfuhrwerk schon früher benutzten, hierin ihre Lehrmeister. Mit der Ausbreitung des römischen Reichs, deren Machthaber zur Bewegung ihrer Eroberungsheere breiter Bahnen bedurften, verschwanden die Steingeleise. Erst der deutsche Bergbau griff die Idee der Spurbahn wieder auf. Chroniken aus dem 16. Jahrh. erzählen von ausgehöhlten Bahnen und Geleisen zur leichtern Fortschaffung der Förderwagen (Hunde) in den Grubengängen.
Auch die Anwendung des Eisens beim Bau der Spurbahnen in den deutschen Bergwerken wird im 16. Jahrh. schon erwähnt. Von Deutschland aus gelangten diese Spurbahnen nach England. Hölzerne Schienenwege als Ersatz für die gewöhnlichen Straßen wurden in England zwischen 1602 und 1649 zuerst angewandt. 1765 bestanden in Newcastle von den dortigen Gewerken mit für die damaligen Zeiten beträchtlichen Kosten angelegte Spurbahnen zum Transport der Kohlen von den Gruben zur Verschiffungsstelle.
Sie wurden nach vorangegangenem Nivellement und genauer Ermittelung der Trace fallend gebaut und bestanden aus 60-90 cm voneinander entfernten Querschwellen, auf welchen 16-18 cm breite, 10-13 cm starke Eichenholzlanghölzer eingezapft waren; auf diesen bewegten sich die Fuhrwerke, von Pferden gezogen, durch Räder, welche nach einwärts um 4 cm vorstehende Ränder hatten, die sie zwangen, in der Bahn zu bleiben. Wahrscheinlich wurde zur Verstärkung der Langhölzer an besonders der Abnutzung ausgesetzten Stellen, ebenso wie bei den ältern deutschen Bergwerksbahnen, auch Eisen angewandt.
Als 1767 die Eisenpreise sehr niedrig waren, goß das Eisenwerk Colebrook Dale eine bedeutende Menge vorrätigen Roheisens in Plattenform und belegte damit einen der Spurwege des Werkes, bis sich Gelegenheit zu vorteilhafterm Verkauf des Eisens finden würde. Die hierbei sich ergebenden Vorteile führten zu dem Entschluß, diese Eisenplatten nicht nur liegen zu lassen, sondern noch andre derartige Bahnen anzulegen. Von diesen Colebrook Dale-Schienen, welche eine konkave Oberfläche hatten, kamen indes die Räder, welche keine Spurkränze besaßen, leicht ab, weshalb man 1776 den Schienen an ihrer innern Seite Erhöhungen gab, wodurch die Karren im Geleise festgehalten wurden.
Diese Schienen waren unmittelbar auf Langhölzern befestigt, welche wieder auf Querhölzern ruhten. Im J. 1793 ersetzte Josua Burns auf der Lawson-Minebahn bei Newcastle die Holzunterlagen durch Steinblöcke und ließ auf diesen die Schienen mittels eiserner Nägel und Holzdübel befestigen. Um an Eisen zu sparen und den Schienen die gehörige Tragfähigkeit zu geben, ließ man sie nach der Mitte zu höher werden. Später krümmte man die untere Fläche der frei aufliegenden Schiene, um jeder Stelle gegen Bruch die gleiche Sicherheit zu geben, nach der Linie eines Fischbauchs.
Die sogen. Fischbauchschiene, auf welcher die Räder mit vorspringenden Rändern liefen, an den Enden in gußeisernen Stühlen ruhend, meist von Steinwürfeln unterstützt, war der Typus, der auf fast allen Bahnen, die vom Ende des 18. Jahrh. an in rascher Aufeinanderfolge und großer Ausdehnung auf dem Boden des nördlichen England entstanden, zur Anwendung gelangte. Seit 1808 begann man, das Gußeisen bei der Herstellung der Schienen durch das zähere und haltbarere Schmiedeeisen zu ersetzen, und Robert Stephenson machte darauf aufmerksam, daß die Festigkeitsverhältnisse, seitdem die Schiene über mehrere Stützen sich erstreckte, andre geworden waren und die Form der Ellipse entbehrlich machten. Er verwandte beim Bau der London-Birminghamer Bahn Schienen mit symmetrischem Querschnitt und parallelen Ober- und Unterflächen und war damit zu den Formen gelangt, wie wir sie heute noch bei unsern modernen Bahnen treffen.
Die Fuhrwerke waren, solange sie auf gußeisernen Schienen liefen, klein; die Lasten wurden auf größere Längen verteilt, auch die einzelnen Räder nicht sehr belastet. Letztere bestanden aus Gußeisen und waren auf den Achsen festgehalten, welche sich in am Karren befestigten Büchsen drehten. Nach der Herstellung der Schienen aus Schmiedeeisen, durch welches die Räder verhältnismäßig schnell abgenutzt wurden, erfand man die Kunst, die Radreifen hart zu gießen.
Die Bauart der Wagen war ursprünglich roh; da man Personen zu jener Zeit auf noch nicht transportierte. Menschen- und Pferdekräfte waren ursprünglich die einzigen Kräfte, womit das Fuhrwerk auf Eisenbahn und zwar zunächst nur bei der Thalfahrt in Bewegung gesetzt wurde; bei hohen Steigungen ließ man einen herabrollenden schweren Zug auf der einen Seite einen auf der entgegengesetzt Seite zu bewegenden leichtern Zug hinaufziehen. Auch wurden schon damals an solchen Stellen stehende Dampfmaschinen in Anwendung gebracht.
In den Kohlendistrikten von Wales und Schottland schafften in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts Dampfmaschinen mittels Ketten oder Seilzügen, die sich auf Trommeln wickelten, die Wagen auf steilen Steigungen empor. Auf bewegliche Dampfmaschinen zur Fortschaffung von Wagen auf Eisenbahn nahm zwar schon 1784 Watt ein Patent; seine Erfindung kam jedoch nirgends zur Ausführung. Die erste wirklich brauchbare Lokomotivmaschine, welche von Trevethik und Vivian erbaut und 1802 patentiert worden war, fand erst 1805 auf der Bahn Merthyr Tydvil Anwendung.
Diese Maschine zeigte bereits alle wesentlichsten Teile der jetzigen Lokomotiven und bewegte sich ohne gezahnte Radreifen auf den Schienen. Die damaligen Techniker glaubten aber, daß die Reibung der glatten Räder auf den Schienen nicht ausreiche, um mit schweren Wagenzügen steile Steigungen zu überwinden. Trevethik selbst konstruierte neben den Schienen noch eine Holzbahn, in welche sich hervorragende Nagelköpfe der Räder eindrücken und so ein Zurücklaufen der letztern verhindern sollten.
Blenkinsop erhielt 1811 ein Patent auf eine Maschine, die mit einem verzahnten Rad versehen war, welches in eine gezahnte Schiene eingreifen konnte. Ein Jahr später suchte Chapman das Ziel durch eine Vermehrung der Treibräder zu erreichen und brachte deren Zahl auf acht. Erst 1814 ließ George Stephenson auf den Kohlenbahnen bei Newcastle upon Tyne Maschinen mit glatten Rädern auf glatten Schienen laufen und dann in seiner Fabrik mehrere Maschinen ausführen, die seit 1815 auf den Grubengeleisen der Kohlendistrikte von Newcastle Verwendung fanden.
Die erste Eisenbahn, welche dem öffentlichen Verkehr diente, wurde 1825 zwischen Stockton und Darlington eröffnet und zeigte zuerst, daß auch andre Güter als Kohlen und auch Passagiere auf weitere Strecken und mit größerer Geschwindigkeit als seither auf Eisenbahn transportiert werden könnten. Zwischen den genannten Städten fuhr man mit der Geschwindigkeit von 16-17 km in der Stunde. Am wurde von dem Direktorium der Manchester-Liverpooler Bahn eine Belohnung von 500 Pfd. Sterl. für die Erfindung einer Lokomotivmaschine ausgesetzt, welche ihr
430 dreifaches Gewicht mit einer Geschwindigkeit von 10 engl. Meilen in der Stunde fortbewegen und keinen Rauch erzeugen würde. Bei den im Oktober 1829 in der Nähe von Rainhill angestellten Versuchen gewann die Lokomotive von G. Stephenson den Preis, indem sie die gestellten Bedingungen nicht nur erfüllte, sondern auch noch übertraf. Sie zog ihr fünffaches Gewicht und legte in der Stunde 14-20 engl. Meilen zurück. Die Ursache dieses günstigen Resultats war die Benutzung eines Röhrenkessels und die Verstärkung des Luftzugs um mehr als das Achtfache.
Mit den Wettfahrten von Rainhill und der Einführung der verbesserten Stephensonschen Lokomotive war der eigentliche Schöpfungsakt des Eisenbahnwesens selbst geschlossen. Was von nun ab im Bereich der Technik des Eisenbahnwesens geschah, war Ausbildung und Entwickelung von Keimen, die fast alle schon in Stephensons großer Schöpfung enthalten waren. Von nun ab kam der Bau der Eisenbahn rasch in Aufnahme. Nachdem schon vor 1826 das Kohlengebiet der Ruhr und Saar in Rheinpreußen über 60 km Eisenbahn erhalten hatte, wurde im J. 1830 die Bahn von Prag nach Lana von 45 km Länge eröffnet, 1832 die 127 km lange Budweis-Linzer Eisenbahn, welche indes nur mit Pferden betrieben wurde.
Belgien eröffnete seine erste mit Dampf betriebene Bahn 1835 zwischen Brüssel und Mecheln. Am bewegte sich auf deutschem Boden der erste von Lokomotiven gezogene Zug auf der von Denis erbauten Nürnberg-Fürther Bahn; 1¼ Jahr später eröffnete die Leipzig-Dresdner Bahn ihre erste Strecke; 1838 pfiff die Lokomotive in Österreich (Wien-Wagram) und in Preußen (Berlin-Potsdam). Zugleich ward die erste deutsche Staatsbahn von Braunschweig nach Wolfenbüttel eröffnet. Aus diesen Anfängen hat sich das Eisenbahnwesen binnen wenigen Jahrzehnten zu dem mächtigsten Kulturhebel der Neuzeit, welcher durch die Eisenbahn ihr charakteristisches Gepräge aufgedrückt ist, entwickelt. Wie sich ziffermäßig diese Entwickelung gestaltet hat, ist aus der nachstehenden Tabelle ersichtlich.
Gesamtlänge des Eisenbahnnetzes der Erde: | Durchschnittliche Zunahme im Jahr: | ||||
---|---|---|---|---|---|
1830 | 332 | Kilom. | 1830-40 | 826 | Kilom. |
1840 | 8591 | " | 1841-45 | 1767 | " |
1850 | 38022 | " | 1846-50 | 4120 | " |
1855 | 68148 | " | 1851-55 | 6025 | " |
1860 | 106886 | " | 1856-60 | 7748 | " |
1865 | 145114 | " | 1861-65 | 7646 | " |
1870 | 221980 | " | 1866-70 | 15373 | " |
1875 | 294400 | " | 1871-75 | 14484 | " |
1880 | 367235 | " | 1876-80 | 14567 | " |
1881 | 393232 | " | 1880-81 | 24515 | " |
1882 | 421566 | " | 1881-82 | 28334 | " |
1883 | 443441 | " | 1882-83 | 21875 | " |
II. Formen und Stand des Eisenbahnwesens in verschiedenen Ländern.
In Großbritannien entwickelte sich das Eisenbahnwesen sehr bald mit großer Intensität. Als seine ersten Keime entstanden, war die industrielle Entwickelung Englands schon auf einer sehr großen Höhe angelangt. Ein dichtes Kanal- und Straßennetz nach und von den Häfen hatte ein zahlreiches Korps hochbefähigter Techniker herangebildet, so daß, als die Dampfkraft in den Dienst des täglichen Lebens hinaustrat, eine Reihe von Meistern der Technik und alle Hilfsmittel einer entwickelten Eisen- und Kohlenindustrie bereit standen, das neue Kommunikationsmittel in jeder Weise zu stützen und zu fördern.
Die Lage Englands, das große Weltgeschäft und die relativ geringe Ausdehnung des Landes bringen es mit sich, daß die bewegten Massen enorm sind und auf kurzen Strecken möglichst rasch den Häfen zueilen. Die Bewegung der verhältnismäßig kleinen, aber zahlreichen Güterzüge ist in England nur um weniges langsamer als die der Personenzüge. Es gibt Baumwoll-, ja sogar Kohlen- und Erz-Eilzüge. Die Konstruktion der Lokomotiven trägt dem Zweck der Schnelligkeit bei nicht allzu großen Lasten Rechnung, der große Radstand ermöglicht schleuniges Anhalten und Abfahren.
Die ausgebildeten Lade- und Entladevorrichtungen, die reiche Ausstattung mit allen technischen Hilfsmitteln spiegeln das hier alles beherrschende Hauptmoment: Schnelligkeit und Zeitersparnis, überall wider, während das Vertrauen des Publikums zum Eisenbahnpersonal sich in der geringern Bequemlichkeit der Personenwagen und Gepäckbeförderungsart zeigt und die Bauart der Wagen, Gestelle und Kasten das rege Bestreben erkennen läßt, unnötiges Geräusch zu vermeiden.
Zugleich entwickelte der gewaltige Verkehr das Signalsystem in ausgezeichneter Weise. Auch verdient die vortreffliche Einrichtung Erwähnung, daß der Personenverkehr fast ausschließlich auf die Tagesstunden, der Güterverkehr dagegen auf die Abend- und Nachtstunden beschränkt ist. Hierdurch wird die hohe Präzision ermöglicht, durch welche sich die englischen Eisenbahn in Hinsicht auf die Innehaltung der von ihnen gestellten Fristen auszeichnen. Einen besondern Charakterzug des englischen Eisenbahnwesens bildet endlich das Hineinrücken der Eisenbahn in die Mittelpunkte der großen Städte und die Verwendung besonderer Eisenbahnsysteme in den großen Städten selbst.
Dadurch, daß die englischen Eisenbahn die Kosten nicht scheuten, ihre Bahnhofsanlagen in die Mitte der großen Städte zu verlegen (ein Beginnen, welches freilich den Kauf und die Niederreißung von ganzen Stadtvierteln erforderte), bemächtigten sie sich des Verkehrs, welcher im andern Fall ohne ihre Vermittelung zwischen den Städten und den Bahnhöfen stattgefunden haben würde. Da dieser Verkehr aber gleichzeitig zu einem sehr einfachen und sehr bequemen gestaltet wurde, so nahm das Wechselverhältnis zwischen den Eisenbahn und den Bevölkerungszentren, welche dieselben verbinden, Dimensionen an, welche auf dem Kontinent bisher auf nur sehr wenigen Linien vorhanden sind.
Dies aber hat wiederum zur Folge, daß die großen Anlagekosten für den Bau der englischen Bahnhöfe zu verhältnismäßig günstigen Resultaten führten, da sie, Licht und Luft schaffend, mittelbar zur Verschönerung und sanitarischen Verbesserung der Städte beitrugen. Die Anlage von Stadteisenbahnen endlich hat sich in England so gut bewährt, daß eine solche in Berlin 1874 begonnen und 1882 vollendet wurde und auch Paris und Wien eine städtische Eisenbahnanlage projektierten. Die Gesamtlänge der Eisenbahn in Großbritannien betrug 1884: 30,358 km mit einem Anlagekapital von rund 16,000 Mill. Mk.
Auf dem Kontinent mußte das Eisenbahnwesen trotz seines nächsten Zwecks, im Dienste des Handels zu stehen, doch innerhalb der großen Militärstaaten sich den unmittelbaren Staatszwecken unterordnen; die äußere Anlage wie die Verwaltung der kontinentalen Bahnen legen hiervon Zeugnis ab.
In Deutschland hat der Bau der Eisenbahn in der ersten Zeit in ganz empfindlicher Weise durch die Kleinstaaterei gelitten; in neuerer Zeit aber entwickelte sich das deutsche Eisenbahnnetz so außerordentlich schnell, daß es gegenwärtig an absoluter Länge allen übrigen europäischen Staaten voransteht, an relativer
Dichtigkeit aber nur von Belgien und England übertroffen wird. Besondere vorhandene Faktoren sind für den Bau und die Ausrüstung der Bahnen bestimmend gewesen. Der Massentransport auf große Entfernungen (Kohlen von Westfalen und Schlesien, Holz aus Galizien, Getreide aus Ungarn) erforderte Güterwagen von großer Dauerhaftigkeit und Leistungsfähigkeit, der geringere Wohlstand des Landes größte Sparsamkeit in der Konstruktion des Schienenwegs, die indes die höchste erreichbare Sicherheit nicht verhindert hat und wenn dem deutschen Eisenbahnpersonal auch vielleicht die Selbstbestimmung des englischen fehlt, so zeichnet es sich dagegen durch Disziplin, Diensttreue, Redlichkeit und Fähigkeit in der Ausführung aus.
Die politische Gestaltung läßt zwei große Gruppen hervortreten: die nördliche preußische, die einige kleinstaatliche Netze einschließt, und die der vier Mittelstaaten in staatlichem Besitz. Seit der Herstellung des Deutschen Reichs ist die Sorge für die einheitliche Gestaltung des deutschen Eisenbahnwesens Reichsangelegenheit geworden; sie ist in ihren Grundzügen durch die Reichsverfassung geregelt und geht einer gedeihlichen Zukunft entgegen. Durch Übernahme der elsässisch-lothringischen Bahnen geschah der erste Schritt zu eigner Thätigkeit des Reichs auf dem Gebiet des Eisenbahnwesens. Für einheitliche Gestaltung hat ungeachtet der Zersplitterung des Eisenbahnbesitzes der »Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen« (vgl. S. 441) vorzügliche Vorsorge getroffen. Im allgemeinen kann man für die Entwickelung des deutschen Eisenbahnnetzes vier Perioden unterscheiden: die erste, bis 1840, zeigt die ersten Anfänge von Eisenbahn bei großen Städten und auch bei kleinern Residenzen;
in der zweiten, bis 1848, entstehen schon Eisenbahnlinien zwischen den Mittelstädten;
in der dritten, bis 1866, tritt der preußische Staat als Bauunternehmer hinzu, wodurch auch zuerst wenig rentable Linien nach abgelegenen Landesteilen angelegt wurden;
in der vierten Periode, die noch jetzt andauert, herrscht das Bestreben vor, einerseits durch gerade Richtungen (Luftlinien) und Konkurrenzbahnen dem ganzen System eine größere Einheit zu geben und den Verkehr ohne Nebenrücksichten zu fördern, anderseits durch Sekundärbahnen die kleinern Orte und das Land an den großen Verkehr anzuschließen. Zu Ende der zweiten Bauperiode (1847) ward der Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen gestiftet, dem gegenwärtig, mit Ausnahme einiger kleiner Industrie- und Nebenbahnen, sämtliche deutsche und österreichische sowie einige anschließende niederländische, belgische und russische Bahnen angehören.
Die erste Bahn in Deutschland, die Ludwigsbahn (Nürnberg-Fürth), freilich nur 6 km lang, ward. eröffnet, die erste größere, von Leipzig nach Dresden, 1837-39 vollendet. 1838-40 erhielten die ersten Anfänge von Eisenbahn Berlin (nach Potsdam), Düsseldorf (nach Elberfeld), Magdeburg (nach Leipzig), Frankfurt a. M. (nach Wiesbaden), Mannheim (nach Heidelberg), Köln, München, Mülhausen im Elsaß u. a. Von Berlin aus wurde in der nächsten Zeit die Verbindung mit Stettin 1843, Hamburg, Magdeburg und Breslau 1846, Köln und Dresden 1848, etwas später mit München 1851, Frankfurt a. M. und Danzig 1852 erreicht.
In der dritten Periode kannte der Eisenbahnbau natürliche Hindernisse nur noch in geringem Maß. Waren zuvor bereits kühne Viadukte aufgeführt worden, so traten jetzt großartige Tunnels und Brücken hinzu. Unter den letztern wurden die Elbbrücke bei Wittenberge schon 1849, die Weichselbrücken bei Dirschau und Marienburg nach einer zwölfjährigen Bauzeit 1857, die Weichselbrücke bei Thorn 1873, die erste Rheinbrücke bei Köln 1859, die zweite bei Kehl 1861, die dritte bei Mainz 1862, die vierte bald darauf bei Koblenz vollendet; seitdem ist der Rhein noch mehrfach überbrückt worden.
Die Länge der im Betrieb befindlichen Eisenbahn in Deutschland betrug 1836: 6, 1837: 20, 1838: 140,5, 1839: 262,5, 1840: 548,9, 1845: 2304, 1850: 6044,3, 1855: 8289, 1860: 11,660,1, 1865: 14,806,3, 1870: 19,694,3, 1880: 33,835,6, 1883: 35,235,8 und 1885: 39,141 km. Was das Verhältnis der Ausdehnung der Eisenbahn zur Bevölkerung betrifft, so waren die 14 Großstädte, welche bei der Volkszählung vom über 100,000 Einw. zählten, schon im J. 1867 sämtlich Eisenbahnstationen.
Dagegen gab es unter den 102 Mittelstädten (20,000-100,000 Einw.) im J. 1867 noch 7 ohne Eisenbahn; bis zum Jahr 1880 sind auch diese sämtlich mit Eisenbahn versehen worden. Von den 641 Kleinstädten (5000-20,000 Einw.) waren im J. 1867 nur 340 mit, 301 dagegen ohne Eisenbahn; im J. 1880 waren bereits 509 Kleinstädte mit Eisenbahn versehen, während nur noch 132 der Eisenbahn entbehrten. Von den 1975 Landstädten (2000-5000 Einw.) hatten im J. 1867 nur 468 (24 Proz.) Eisenbahn, und 1507 waren ohne Eisenbahnverbindung; im J. 1880 gab es aber bereits 932 Landstädte (47 Proz.) mit Eisenbahn und nur 1043 ohne Eisenbahn. Im ganzen waren im J. 1880: 1557 Städte mit 14,901,579 Einw. Eisenbahnstationen und 1175 mit 3,866,676 Einw. noch ohne Eisenbahnverbindung.
Im J. 1884 belief sich die mittlere Betriebslänge der deutschen Eisenbahnen (mit Ausnahme der Schmalspur- etc. Bahnen) auf 37,098 km, so daß auf 100 qkm 6,86 km Bahnen und auf je 10,000 Einw. 8,09 km Bahnen entfielen. Die Gesamtlänge verteilte sich wie folgt: Staatsbahnen und auf Rechnung des Staats verwaltete Eisenbahn 25,836 km Hauptbahnen und 4073 km Strecken von untergeordneter Bedeutung, in Summa 29,909 km;
Privatbahnen unter Staatsverwaltung 631 km, wovon 87 km untergeordneter Bedeutung;
Privatbahnen unter eigner Verwaltung 5441 km Hauptbahnen und 1117 km Bahnen untergeordneter Bedeutung, in Summa 6558 km. Hierzu treten 249 km Schmalspurbahnen sowie etwa 1700 km Anschlußbahnen für Privatzwecke.
Das verwendete Anlagekapital für sämtliche deutsche Bahnen belief sich auf 9,459,527,092 Mk., d. h. auf 1 km Eigentumslänge 264,497 Mk. Von den verwendeten Anlagekapitalien sind beschafft worden bei Staatsbahnen durch Staatsanleihen 7,705,993,907 Mk. und aus extraordinären Fonds 595,638,484 Mk., bei Privatbahnen durch Emission von Aktien 572,083,701 Mk., von Obligationen 312,257,680 Mk., durch andre Emissionsarten 192,553,320 Mk. Auf sämtlichen deutschen Eisenbahn mit normaler Spurweite betrug die Zahl der 1884 beförderten Personen 259,085,139, das Gewicht der gegen Frachtberechnung beförderten Güter 15,747,582,150 Ton. Für 1 km durchschnittlicher Betriebslänge betrugen die Einnahmen aus dem Personenverkehr 7252 Mk. und aus dem Güterverkehr 18,612 Mk.
In Frankreich hat die Zentralisation des ganzen Staatswesens auch der Gestaltung des Eisenbahnwesens ihre Signatur verliehen. Die Linien und das ganze Netz konzentrieren sich ostensibel um Paris; vom Zentrum laufen die Radien in den Hauptrichtungen nach den Grenzen, nach welchen leicht Truppenmassen zu werfen sind. Als man mit dem Eisenbahnbau begann, stand ein zahlreiches
Kontingent wohlunterrichteter Baumeister und Techniker aus den Staatsschulen verfügbar, streng diszipliniert, aber ohne jenen englischen Geist freier Initiative. Wie im geistigen Leben, so kennt auch im Eisenbahnwesen Frankreich nur einen Brennpunkt, Paris. Die Generalinspektionen der Brücken und Chausseen denken für die Eisenbahnbeamten der Provinzen; diese führen als wohldisziplinierte Organe die Anordnungen aus, wobei der fachwissenschaftlich hoch entwickelten Tüchtigkeit des Personals die Anerkennung keineswegs zu versagen ist.
Die französischen Bahnen entstanden durch Zusammenwirken des Staats mit dem Privatkapital, welch letzteres sich allein zum Ausbau des Netzes nicht als ausreichend erwies. Die Formen der Staatsunterstützung waren mannigfaltiger Art: bare Zuschüsse in Geld oder Grund und Boden (bis 1884 in einer Gesamtsumme von mehr als 1½ Milliarden Frank), Zinsgarantie-Zuschüsse (infolge des Gesetzes vom welche mit Einschluß der Zuschüsse für die algerischen Bahnen bis 1883 den Gesamtbetrag von 700 Mill. Fr. erreichten, Begünstigung der Fusionen, lange Konzessionsdauer, milde Handhabung des staatlichen Beaufsichtigungsrechts.
Durch seine Eisenbahnpolitik hat der Staat sechs mächtige Monopolgesellschaften großgezogen, welche ihre einflußreiche Stellung den wechselnden Ministerien der Republik gegenüber vortrefflich auszubeuten verstanden, dabei aber den Verkehr schlecht bedienten und namentlich einer weitern Ausbreitung des Netzes durch Anlage wenig rentabler Nebenlinien hinderlich waren. Diese Verhältnisse gaben 1877 dem Minister de Freycinet den Anstoß zur Einleitung einer Staatseisenbahnpolitik, welche mit dem Ankauf von einigen Tausend Kilometer notleidender kleinerer Bahnen und mit der Aufstellung eines Plans für 16,000 km neuer Hauptbahnen und 40,000 km Nebenbahnen begonnen wurde.
Der Ausführung dieses Plans, welcher in wenigen Jahren eine Summe von 6½ Milliarden Fr. erfordert haben würde, stellten sich, abgesehen von finanziellen Hindernissen, namentlich auch Schwierigkeiten beim Betrieb heraus, da die zahlreichen auf Kosten des Staats erbauten kleinen Strecken isoliert innerhalb der größern Privatbahnnetze gelegen sind. Infolgedessen ist durch eine Reihe von Verträgen mit den sechs großen Gesellschaften 1884 die Ausführung der im Freycinetschen Bautenplan vorgesehenen Bahnlinien den bestehenden Gesellschaften unter finanzieller Beteiligung des Staats sowie unter gleichzeitiger Verlängerung der den Gesellschaften erteilten Konzessionen auf durchschnittlich 75 Jahre übertragen worden. Diese Verträge haben die Verwirklichung der Staatsbahnprojekte in unabsehbare Ferne verschoben. Die Gesamtlänge des französischen Eisenbahnnetzes betrug Anfang 1885 über 30,000 km.
Österreich-Ungarn (wie die Schweiz) wurde durch die natürlichen Verhältnisse gezwungen, zwei große Probleme im Eisenbahnwesen zu lösen: hohe Alpen, welche die Provinzen scheiden, waren zu durchbrechen und zugleich große Massentransporte auf weite Entfernungen zu überwinden. Die Tracierung von Gebirgsbahnen hatte bis dahin unerhörte Steigungen und Krümmungen zu überwinden. Die »Gebirgsmaschine«, deren Physiognomie in der Schmiegsamkeit des Radstandes in den Kurven, sei es durch Gelenkstellung, sei es durch verschiebbare Achsen, und durch die ein Maximum der Zugkraft erzielenden Verhältnisse von Cylindermaß, Raddurchmesser und Gewicht gegeben ist, mußte geschaffen werden, sowohl in ihren Modifikationen für Last- als für Schnellzüge. Auf diesem Gebiet der Technik ist Österreich auf dem Kontinent vorangegangen. Die relativ geringere Dichtigkeit der Bevölkerung, das Vorwiegen des Ackerbaues und die weiten Entfernungen des Reichs haben langsamere Bewegung und geringere Zahl der Züge, bez. Eilzüge veranlaßt.
Die Gesamtlänge des österreich-ungarischen Eisenbahnnetzes betrug erst 21,786 km. Der Stillstand in der Entwickelung des Bahnnetzes hat seit 1880 eine kräftige Initiative seitens des Staats zum Ankauf von Bahnen und zur Verbindung sowie zum Ausbau der in ihrer Gliederung bis dahin zum Teil noch unzusammenhängenden einzelnen Verkehrsgruppen hervorgerufen. Das Staatsbahnwesen ist namentlich in Ungarn binnen wenigen Jahren weit vorgeschritten und hat zu einer verhältnismäßigen Verdichtung des zuvor lose zusammengefügten und unvollständigen Schienennetzes geführt.
Das Eisenbahnnetz der Schweiz ist ein in hohem Grad mannigfaltiges. Normalspur, Schmalspur, Bergbahn mit gewöhnlichem Betrieb, mit Zahnrad, mit System Wetli, Straßenbahnen, Tramways etc. finden sich hier bunt durcheinander. Das hauptsächlichste Charakteristikum des schweizerischen Eisenbahnwesens bilden die Bergbahnen, deren Bau durch den mächtigen Strom der Vergnügungsreisenden, welcher sich alljährlich in die Schweiz ergießt, ungemein gefördert wurde und zuletzt in der Gotthardbahn seinen höchsten Triumph gefeiert hat. Das gesamte Netz hatte Anfang 1885 eine Länge von 2960 km, wovon nur 84 km sich in Staatsbesitz befanden.
In Italien hat der Bau der Eisenbahn seit der Wiederherstellung der staatlichen Einheit einen kräftigen Aufschwung genommen. Durch ein Gesetz vom wurde die Regierung zum Bau von 6020 km neuer Strecken im Bauwert von 1,204,500,000 Frank ermächtigt; das Gesetz bezeichnet die einzelnen Strecken und teilt sie je nach ihrer Bedeutung für den Verkehr und dem derselben entsprechenden Maß der Beteiligung der Provinzen und Gemeinden an der Beschaffung der Baumittel in vier Klassen ein.
Mit der Ausführung dieses Gesetzes ist 1880 begonnen worden und dadurch die Länge des italienischen Eisenbahnnetzes Ende 1883 schon auf 9666 km angewachsen, wovon 4525 km vom Staat betrieben wurden. In besonders ausgedehntem Maß findet seit 1877 die Benutzung öffentlicher Straßen zur Anlage von Schienengeleisen für Dampfbetrieb (tramvie a vapore) statt. Diese Benutzung erfolgt meist in der Weise, daß, wie bei den gewöhnlichen Pferdebahnen, die Schienen in den Straßenkörper versenkt werden, so daß durch dieselben der Verkehr des Lastfuhrwerks nicht behindert wird. 1883 waren bereits 1400 km dieser Dampftramways im Betrieb.
Eine durchgreifende Veränderung hat das italienische Eisenbahnwesen seit dem erfahren. Die bis dahin in Wirksamkeit gewesenen drei großen Verwaltungen, der Oberitalienischen, der Römischen und der Südbahnen, sind seit jener Zeit aufgelöst und an deren Stelle auf Grund staatsseitig abgeschlossener Pachtverträge die Betriebsgesellschaften der Mittelmeer-, Adriatischen und Sizilischen Bahnen getreten. Gleichzeitig wurde das Tarifwesen auf gesetzlichem Weg einer einheitlichen Regelung unterzogen.
In Rußland ward bis zum Tode des Kaisers Nikolaus der Eisenbahnbau in keiner Weise begünstigt. Als aber der Handelsverkehr mit dem Ausland zunahm und der Krimkrieg gezeigt hatte, wie notwendig ein ausgedehntes Eisenbahnnetz auch in militärischer Hinsicht für Rußland sei, um Truppenmassen
schnell durch große Räume zu bewegen, beschloß man, den Eisenbahnbau energisch in Angriff zu nehmen. Verhandlungen mit englischen und amerikanischen Unternehmern zerschlugen sich, französische Kapitalisten aber gründeten eine große russische Eisenbahngesellschaft. Später strömte auch aus Deutschland viel Kapital zu, so daß von 1866 ab sehr fleißig gebaut werden konnte und zahlreiche Bahnen, fast nur Privateisenbahnen, entstanden. Die Verkehrsbedingungen Rußlands haben viel Ähnlichkeit mit denen Amerikas.
Die Erdarbeiten sind wegen des ebenen Terrains billig, die Holzkonstruktion häufig, das Signalwesen einfach. Die eigentümlichen Verhältnisse des Landes und namentlich die geographische Lage der produzierenden Provinzen, endlich auch die Beschaffenheit der Export- und Importprodukte lassen eine vorzügliche Ausnutzung des Wagenraums zu, und aus diesem Grund sind auch die Bahnen mit einem geringern Fahrmittelbestand als im westlichen Europa ausgerüstet.
Eine eigenartige Entwickelung hat die wirtschaftliche Stellung der russischen Eisenbahn genommen, deren Mehrzahl sich in den Händen einzelner weniger Personen befindet, die vor persönlicher und finanzieller Verantwortung in Bezug auf ihr Unternehmen geschützt sind. Die finanziellen Mittel zum Bau und bei dem bestehenden System der Zinsgarantien teilweise auch zum Betrieb der Bahnen gab die Krone, welche für ihr Geld Privatgesellschaften schuf und sich dabei teilweise ihres Einflusses auf diese Gesellschaften beraubte.
Rentierte die Bahn, so nahmen die Gesellschaften den Vorteil für sich in Anspruch; war das Gegenteil der Fall, so mußte der Staat den Schaden tragen. So kam es, daß 1882 die Gesamtsumme der Aktien und Obligationen der russischen Eisenbahn gegen 2 Milliarden Rubel Papier betrug, wovon der Regierung 1070 Mill. Rub. gehörten, durch Zinsgarantien 720 Mill. Rub. beschafft wurden und 180,600,000 Rub. sich im Besitz von Privaten befanden. Es waren demnach neun Zehntel des Anlagekapitals von der Regierung beschafft worden, und doch war die Verwaltung vollständig in den Händen von Privaten.
Diese Verhältnisse haben seit dem Jahr 1880 auch die russische Regierung veranlaßt, der Einführung des Staatsbahnsystems näher zu treten. Als Grundlage für diese Wendung der russischen Eisenbahnpolitik ist der vom Kaiser unter dem genehmigte Bau zweier als erforderlich erachteter Linien auf Staatskosten anzusehen. Die obere Leitung der neuerbauten Staatsbahnen ist einer »provisorischen Direktion der Staatseisenbahnen« übertragen, deren Netz durch die 1883 erfolgte Übernahme des Betriebs der Militärbahnen die erste Erweiterung erfahren hat. 1885 betrug die Gesamtlänge der russischen Bahnen (mit Ausnahme von 1324 km in Finnland sowie von 231 km der Kaspischen Linie) erst 25,010 km, wovon nur 1021 km auf Staatsbahnen entfielen.
In der Türkei bauten zuerst englische Gesellschaften kurze Strecken; 1869 ward die Gesellschaft der ottomanischen Eisenbahn gegründet. Der Bau schreitet langsam voran. Besonders wichtig ist die Frage des Anschlusses der türkischen Bahnen an das europäische Netz. Die Verhandlungen darüber fanden erst ihren endgültigen Abschluß durch eine zwischen Österreich-Ungarn, der Türkei, Serbien und Bulgarien abgeschlossene Konvention, wonach die längst im Prinzip feststehenden Orientanschlüsse bis thatsächlich hergestellt werden sollen.
In Amerika erblicken wir zum erstenmal die Eisenbahn als einfache Straßen, als oft die ersten in die Wildnis gebahnten Pfade behandelt. Die Bahnen sollten hier nicht, wie in Europa, schon vorhandenen Verkehr zwischen bedeutenden Plätzen des Handels und der Macht vermitteln, beschleunigen und erleichtern, sondern man legte sie durch Urwald und Steppe, um bisher unwirtbare Gegenden aufzuschließen und die Gründung neuer Häfen, Ortschaften und Städte zu ermöglichen.
Schnelligkeit und hauptsächlich Wohlfeilheit des Baues sowie Einfachheit des Betriebs waren Hauptbedingungen bei denjenigen Bahnen, welche sich ihren Verkehr selbst schaffen sollten. Wegen des Überflusses an Bauhölzern ward überall die Holzkonstruktion angewandt; es wurden flache, leichte Schienen auf Gerüste von Lang- und Querschwellen aufgenagelt; auf diese Weise entstand das amerikanische Oberbausystem. Die Bahnen der Vereinigten Staaten entbehren der Staatsüberwachung, des Charakters, der den Bahnen Europas in Rücksicht auf Sicherheit gegeben worden ist.
Sie stehen dort in demselben Verhältnis wie in Europa früher die Straßen; mit ihnen beginnt daselbst das Verkehrsleben, wie es in der Alten Welt mit Fußpfaden und Saumtierwegen einst begonnen hat. Kurven und Steigungen wurden nicht gescheut, um andre, kostspieligere Bauten zu vermeiden. Man hat hiernach auch die Lokomotionsmittel eingerichtet; es gestatten bewegliche Gestelle den Betriebsmitteln den Lauf durch die engsten Krümmungen. Die Bewachung der Bahnen ist nur auf das Allernotwendigste beschränkt und ebenso die Einrichtungen der zu Anfang meist nur provisorischen Stationen.
Aller Glanz ist absichtlich vermieden. Die größern Linien haben einen sehr bedeutenden Verkehr und verzinsen das Anlagekapital ziemlich gut. Sechs gewaltige Bahnunternehmungen haben durch ihre Schienenwege bereits direkte Verbindungen zwischen der Ost- und Westküste hergestellt; Schienenverbindungen führen nach Mexiko und Zentralamerika und vermitteln einen großen Teil des Verkehrs, welcher vordem ausschließlich auf den Wasserweg angewiesen war. Um den Eisenbahnbau zu fördern, wurden die Eisenbahnkompanien vom Staate durch umfangreiche Konzessionen und verschiedene Gesetze nach jeder Weise unterstützt und außerdem mit Landschenkungen bedacht.
Durch diese Begünstigungen und durch den nach und nach gewonnenen Einfluß haben die amerikanischen Bahnen eine dem Staat gegenüber sehr unabhängige Stellung erlangt, die von ihnen häufig mißbraucht worden ist. Es gibt in Amerika mehrere Bahnen, deren Anlagekapital ziemlich willkürlich und ohne triftigen Grund erhöht wurde, während viele andre Bahnen ohne jede Rücksicht auf das öffentliche Interesse verwaltet werden. Durch Konkurrenzlinien und darauf folgende Verbindungen verschiedener Linien zu einem Ganzen sind einzelne große Eisenbahnverbände entstanden, welche den Handel und Verkehr ganzer Staaten in die Hand bekommen haben, und für deren Vorgehen noch keine staatliche Kontrolle gefunden werden konnte.
Infolge dieser Zustände bereitet sich in der Union eine große Bewegung vor, die dem Staat größern Einfluß auf die Eisenbahn verschaffen will. Die einzig dastehenden Landschenkungen von seiten der Union und die vielen den Eisenbahn eingeräumten Begünstigungen sind auf der andern Seite auch wieder die Ursache der riesigen Ausdehnung der Eisenbahn gewesen. Wohl die Hälfte der amerikanischen Bahnen würde ohne Subventionen, Landschenkungen und Krediterleichterung nicht gebaut und Amerikas Wohlstand dadurch nicht in so überraschend schneller Weise wie bisher gesteigert worden sein. Die Pacificbahnen
wären ohne Landschenkung heute noch nicht ausgeführt worden. Die Umstände gestatteten übrigens, die Unionsbahnen um vieles billiger als die europäischen Bahnen herzustellen. Die Verwaltung der amerikanischen Eisenbahn hat in den letzten Jahren viele und nicht unberechtigte Angriffe erfahren und rief eine große Agitation hervor, um von der Regierung strenge Gesetze zum Schutz der Rechte der Bevölkerung gegen die vorgekommenen Erpressungen von seiten der Eisenbahngesellschaften zu erlangen.
Infolgedessen wurden von den Legislativen einzelner Staaten drakonische Maßregeln getroffen, unter deren Druck seit 1876 etwa 144 bankrotte Gesellschaften unter den Hammer kamen. Bei den hierdurch entstandenen enormen Verlusten sind britische Kapitalien in besonderm Maß beteiligt. Wie beträchtlich und beklagenswert nun auch der Ruin der Einzelnen gewesen sein mag, die Ausstattung des Landes mit weitverzweigten, riesigen Transportmitteln, deren Verhältnisse sich nach erfolgter Liquidation zum Teil erst konsolidiert haben, kam der Urproduktion und dem Verkehr dennoch zu statten und bildete ein Element des rasch aufblühenden Wohlstandes. An Einwohnerzahl nur um wenige Millionen stärker als Deutschland, übertreffen die Vereinigten Staaten mit ihrem Schienennetz dasjenige Deutschlands um das Fünffache und überragen das von ganz Europa (mit 330 Mill. Einw.) gegenwärtig um 4000 km. Anfang 1884 belief sich die Länge der im Betrieb befindlichen Eisenbahn auf 194,006 km. Demnächst hat auf dem amerikanischen Kontinent Kanada mit (1885) 16,222 km das ausgedehnteste Eisenbahnnetz aufzuweisen. Hierauf folgt Brasilien mit etwa 6115 km. Nahezu ebenso bedeutend ist die Länge der Linien in Mexiko und Argentinien, und auch in Chile und den übrigen südamerikanischen Staaten ist der Bahnbau im Aufschwung begriffen.
In Asien haben (mit Ausnahme kurzer Strecken auf Java und Japan, in der asiatischen Türkei, Russisch-Asien, in jüngster Zeit auch in Französisch-Kochinchina und in China) bloß die Engländer in Ostindien Eisenbahn gebaut. Das ostindische Eisenbahnnetz, vom Ingenieur Stephenson entworfen und mit europäischem Kapital erbaut, ist nicht bloß in volkswirtschaftlicher, sondern auch in sozialer und politischer Hinsicht sehr einflußreich. Die Great Indian Peninsula gilt für einen Triumph der Ingenieurkunst.
Die Eisenbahn auf der Insel Ceylon, welche die Hauptstadt Kolombo mit dem Innern der Insel verbindet, wie die von den Holländern auf Java und Sumatra erbauten Bahnen üben ebenfalls einen großen Einfluß auf das wirtschaftliche Leben dieser Länder aus, der mit der zunehmenden Ausdehnung dieser Bahnen zu immer größerer Geltung gelangt. Unter den asiatischen Eisenbahnprojekten ragen ferner hervor die projektierte Euphratbahn (Verbindung des Bosporus mit den Euphratländern), sodann das Projekt einer Bahn aus Rußland durch Turkistan und über die Hindukuschpässe nach Indien. China, das nur eine 13 km lange Bahn nach den Kohlenminen von Kaiping besitzt, beschäftigt sich jetzt ernsthaft mit Projekten.
In Afrika wurde zuerst im Nildelta eine Eisenbahn gebaut, und allmählich ist ein (1885) 1518 km langes Eisenbahnnetz entstanden. Eine Bahn ist projektiert, welche den Sudân direkt mit dem Roten Meer verbinden und dadurch den Verkehr mit dem sudanesischen Hochland von der Wasserstraße des Nils unabhängig machen soll. Noch bedeutender sind gegenwärtig die in Algerien und Tunis von Frankreich, in Südafrika von England erbauten Bahnen, welche in hervorragender Weise die Kolonisation des Landes fördern. Ein zu wiederholten Malen aufgetauchter Plan, die Gebiete des Niger und Senegal durch eine von Algier und durch die Sahara zu legende Bahn zu erschließen, dürfte vorerst noch an den Schwierigkeiten der Durchführung scheitern. Dagegen haben die Franzosen eine von ihren Besitzungen in Senegambien ausgehende Bahn, welche zum Niger führen soll, bereits zum Teil vollendet.
Die australischen Kolonien waren Anfang 1885 bereits mit 11,962 km Eisenbahn versehen, wovon 2661 auf Victoria, 2645 auf Neusüdwales, 2512 auf Neuseeland, 1931 auf Queensland, 1680 auf Südaustralien, 344 auf Tasmania und 189 auf Westaustralien fielen. Neuerdings sind mehrere transkontinentale Bahnen von der Ost-, resp. Südküste bis zur Nordküste sowie von W. nach O. projektiert, welche nach ihrer Ausführung von großer Bedeutung werden müßten.
Das Eisenbahnnetz der Erde Anfang 1885. Länder | Kilom. |
---|---|
Deutschland | 39141 |
Großbritannien | 30358 |
Frankreich | 29607 |
Rußland | 25241 |
Österreich-Ungarn | 21786 |
Italien | 9666 |
Spanien | 8387 |
Schweden | 6600 |
Belgien | 4366 |
Schweiz | 2960 |
Niederlande | 2189 |
Dänemark | 1886 |
Türkei | 1656 |
Norwegen | 1562 |
Portugal | 1527 |
Rumänien | 1458 |
Finnland | 1324 |
Serbien | 245 |
Griechenland | 175 |
Europa: | 190134 |
Vereinigte Staaten | 194006 |
Kanada | 16222 |
Brasilien | 6115 |
Mexiko | 5958 |
Argentin. Republik | 4576 |
Peru | 2600 |
Chile | 2275 |
Cuba und Antillen | 1610 |
Zentralamerika | 536 |
Uruguay | 421 |
Kolumbien | 225 |
Venezuela | 164 |
Ecuador | 122 |
Bolivia | 80 |
Paraguay | 72 |
Britisch-Guayana | 34 |
Amerika: | 235016 |
Britisch-Indien | 17432 |
Niederländ.-Indien | 938 |
Kleinasien | 552 |
Japan | 375 |
Ceylon | 286 |
Franz.-Kochinchina | 60 |
China | 13 |
Asien: | 19656 |
Australkontinent | 9106 |
Neuseeland | 2512 |
Tasmania | 344 |
Hawai | 51 |
Tahiti | 4 |
Australien: | 12017 |
Kapland | 1952 |
Algerien und Tunis | 1824 |
Ägypten | 1518 |
Französisch-Senegambien | 263 |
Natal | 166 |
Mauritius | 148 |
Réunion | 125 |
Afrika: | 5996 |
III. Anlage der Eisenbahnen.
Die Eisenbahn zerfallen hinsichtlich ihrer Länge und größern oder geringern Bedeutung für den Verkehr in Haupt- und Nebenbahnen. Hauptbahnen erster Klasse, welche den internationalen Verkehr vermitteln sollen, haben nur die Hauptverkehrsplätze der Staaten und diese in möglichst gerader Linie und mit möglichst geringen Steigungen zu verbinden. Die Hauptbahnen zweiter Klasse, welche dem nationalen Verkehr zu dienen haben, sollen die bedeutenden Verkehrsorte eines Staats unter sich sowie mit den Hauptbahnen erster Klasse verbinden, während die Nebenbahnen (Zweigbahnen, Vizinalbahnen, Sekundärbahnen, s. d.) unter Zulassung gekrümmter Linien und stärkerer Steigungen den Lokalverkehr zu vermitteln und den Hauptbahnen zuzuführen haben. Hauptbahnen erhalten je nach der Stärke des Verkehrs zwei oder mehr Geleise, wovon anfangs oft nur eins zur Ausführung kommt, Nebenbahnen nur ein Geleise. S. Eisenbahnbau.
Die Gesamtheit der Eisenbahnlinien, welche sich über ein Land erstrecken, bezeichnet man als dessen Eisenbahnnetz. Es liegt auf der Hand, daß es dem Vorteil des Gesamtwohlseins eines Staats entspricht, wenn alle Teile des Landes auch in Hinsicht auf das wichtigste Verkehrsmittel gleichberechtigt dastehen. Um dieses Ziel zu erreichen, hat man in mehreren Ländern, vornehmlich in Frankreich, versucht, von staatlicher Seite ein Eisenbahnnetz feststellen zu lassen.
Der Umstand, ob eine vorgeschriebene Eisenbahnlinie in dieses Netz paßt oder nicht, gibt bei der Entscheidung über die Konzessionserteilung wesentlich den Ausschlag. Indessen läßt sich das unnachgiebige Festhalten an dem im voraus aufgestellten Plan vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus nicht rechtfertigen. Vielmehr erscheint es zweckentsprechender, die Ausbauung des Eisenbahnnetzes dem Bedürfnis selbst zu überlassen und, wenn man sich dennoch zur voraus gültigen Aufstellung eines Eisenbahnnetzes entschließen sollte, dasselbe nur so lange bei der Weiterentwickelung des Eisenbahnsystems eines Landes als maßgebend zu betrachten, als die Verhältnisse noch maßgebend sind, welche bei der Aufstellung des Netzes leiteten.
Aber es ist selbst unter der Voraussetzung der Kenntnis dieser Verhältnisse (und diese Voraussetzung trifft nirgends ganz zu) von der Wissenschaft noch nicht gezeigt worden, nach welchen Grundsätzen, abgesehen von strategischen Gesichtspunkten, das zweckentsprechendste Eisenbahnnetz eines Landes aufgestellt werden müßte. Denn es kommen nicht nur die Bevölkerungsmenge eines jeden Landstrichs, sondern auch deren Industrieentwickelung, die Beziehungen der verschiedenen Bevölkerungen und Industrien eines Landes zu einander, die Zukunft der verschiedenen Industrien, die für dieselben nötigen Rohstoffe, die geographische Lage etc. in Betracht. Es wäre daher nur ein Zufall, gelänge es einer Regierung, das möglichst beste System aufzustellen.
Wäre eine solche Leistung aber auch für ein gewisses Land und in einem bestimmten Augenblick möglich, so ist doch zu berücksichtigen, daß die zur Zeit maßgebenden Verhältnisse sich mit jedem Augenblick ändern können. Neue Erfindungen modifizieren die wirtschaftlichen Bedürfnisse eines Landes in so hohem Grade, daß die in früherer Zeit zu ihrer Befriedigung in Aussicht genommenen Mittel nicht mehr zureichend erscheinen. Überdies ändert jede neue Eisenbahn selbst die wirtschaftlichen Bedürfnisse eines Landes.
Aus alledem erhellt, daß die Aufstellung eines Eisenbahnnetzes a priori nicht der richtige Weg ist, um das Eisenbahnbedürfnis eines Landes zu befriedigen. Wählte man dieses System dennoch, wie das z. B. in Frankreich geschah, so erfolgte eine solche Wahl im Einklang mit zentralistischen Bestrebungen auf allen andern wirtschaftlichen Gebieten, nicht aber in Gemäßheit wirtschaftlich richtiger Grundsätze. Das beste Eisenbahnnetz wird vielmehr das sein, welches sich aus den allmählich hervortretenden Verkehrsbedürfnissen eines Landes heraus entwickelt und in seiner Entwickelung nicht durch einseitige Einwirkungen in bestimmte Formen gezwängt wird.
Hat man sich über die Herstellung einer Eisenbahnlinie für ein bestimmtes Verkehrsgebiet schlüssig gemacht, so sind zunächst Vorarbeiten zur genauen Erkundung der für die anzulegende Bahn in Betracht kommenden Verhältnisse auszuführen. Diese Vorarbeiten bezwecken die Anfertigung eines genauen Situations- und Höhenplans der Gegend, durch welche die Eisenbahn möglicherweise führen kann. In diesem Plan stellt der mit der technischen Oberleitung des Unternehmens beauftragte Ingenieur, bez. Beamte mit Berücksichtigung des Zwecks der Eisenbahnanlage deren Trace mit den nach Maßgabe des vorliegenden Terrains günstigsten Steigungs- und Krümmungsverhältnissen, bei möglichster Ausgleichung der Ab- und Auftragmassen und Kostenersparnis beim Grunderwerb, fest.
Sind die so bearbeiteten Pläne und Anschläge von seiten der bauausführenden Gesellschaft oder Behörde genehmigt worden, so werden sie den betreffenden Landesregierungen vorgelegt, die sie teils vom baupolizeilichen, teils vom allgemein technischen Standpunkt aus durch ihre technischen Organe prüfen, bez. modifizieren lassen. Erst dann erfolgt die definitive Absteckung der Linie auf dem Terrain sowie die Festlegung ihrer Scheitelpunkte auf der Karte, in welche nunmehr die geraden Strecken und Kurven samt der Bahnbreite eingetragen werden können. Um das zu der Eisenbahn erforderliche Terrain sowie die bei der Ausführung zu bewegenden Erdmassen bestimmen zu können, wird im Anschluß an die abgesteckte Linie ein Längenprofil samt allen erforderlichen Querprofilen aufgenommen, in welch letztere mit Bezug auf die projektierte Bahnhöhe sämtliche Auf- und Abträge samt Gräben, Banketten, Schutzstreifen etc. eingetragen werden.
Hieran reiht sich als nächstes Geschäft die Vermessung des erforderlichen Geländes und die auf Grund derselben nötige Expropriation oder Erwerbung von Grund und Boden. In den meisten Fällen und am zweckmäßigsten erfolgt dieselbe durch freien Kauf und Übereinkunft, und es sollte nur, wenn eine solche nicht zu stande kommt, auf Grund eines Expropriationsgesetzes von der nötigen Fläche Besitz ergriffen werden; gewöhnlich sorgen besonders dazu verpflichtete Sachverständige aller Art dafür, daß die für ein expropriiertes Grundstück zu zahlende Entschädigung allen vernünftigen Ansprüchen seitens des Besitzers entspreche.
Für die allgemeinen Erfordernisse der topographischen Gestaltung der Haupteisenbahnen bestehen im Gebiet des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen feste und einheitliche Regeln, welche in den »Technischen Vereinbarungen des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen über den Bau und die Betriebseinrichtungen der Eisenbahn« niedergelegt sind. Im Deutschen Reich sind für die Konstruktionsverhältnisse der Eisenbahn die in Gemäßheit eines Bundesratsbeschlusses vom auf Grund der Art. 42 und 43 der Reichsverfassung vom Reichskanzler festgesetzten und durch eine Bekanntmachung vom veröffentlichten »Normen für die Konstruktion und Ausrüstung der Eisenbahn Deutschlands« maßgebend.
Die Frage, ob der Staat als Bauunternehmer der Eisenbahn aufzutreten habe, oder ob der Bau und Betrieb der Privatinitiative zu überlassen sei, hat seit Einführung des Eisenbahnwesens im Vordergrund des öffentlichen Interesses gestanden. Es ist aber einleuchtend, daß dasjenige System den Vorzug verdient, welches das unmittelbare Bedürfnis der Kommunikation und des Transports, dem das Eisenbahnwesen dient, am besten befriedigt. Hieraus ergibt sich die Relativität der einzelnen Beweisgründe für und gegen Staats- und Privatbahnen: es läßt sich aus diesen Beweisgründen allein ein allgemein gültiges Gesetz nicht einmal für ein bestimmtes Land in bestimmter Zeit gewinnen, Licht und Schatten sind im einzelnen mannigfach verschieden. Sicherlich ist es ein Irrtum, zu meinen, wie es von einseitigen Parteigängern oft geschieht, gewisse Übelstände würden mit dem Wechsel des
Systems ohne weiteres verschwinden. Denn dieselben liegen oft tiefer und hängen mit dem Umstand, ob die Bahnen eines Landes Staats- oder Privatbahnen sind, oft wenig oder gar nicht zusammen. Die wirtschaftlichen Gesetze, welchen die Privatunternehmungen und Privatwirtschaften im allgemeinen folgen, lassen sich auf die Eisenbahnunternehmungen nicht ohne weiteres anwenden, und so ist auch die Bezeichnung »Privatbahnen« nicht durchaus sinnentsprechend. Die Privatbahnen sind nicht eigentliche Privatunternehmungen im gewöhnlichen Sinn, d. h. im Eigentum und in der Verwaltung eines oder weniger Privaten, sondern sie stehen im Besitz großer kapitalistischer Genossenschaften und Erwerbsgesellschaften und werden von diesen verwaltet.
Die Fragestellung ist also nicht: ob Staats- oder Privatbahnen, sondern ob Staats- oder Aktiengesellschaftsbahnen. Wie sich hiernach der Entwickelungsgang der Eisenbahn bestimmt hat, ist wesentlich durch die Besonderheit der Zustände und Verhältnisse des einzelnen Landes, durch die Eigentümlichkeiten des Nationalcharakters des Volkes und seiner staatlichen Institutionen bestimmt gewesen. In England und Nordamerika haben die gesamten Verhältnisse des staatlichen Lehens der ausschließlichen Privatinitiative im Eisenbahnwesen Raum gegeben.
Die geographische Lage von England und Nordamerika läßt die Rücksichten der Landesverteidigung bei Verwaltung und Betrieb der Eisenbahn weit zurücktreten gegenüber den Rücksichten des Verkehrs, das kaufmännische Element ist in beiden Ländern das überwiegende, die größere Selbständigkeit und Aktionsfähigkeit der Einzelnen hat der Privatthätigkeit den weitesten Spielraum gelassen und die Intervention des Staats überflüssig gemacht. Nichtsdestoweniger ist bei der zunehmenden Verdichtung des Verkehrsnetzes, welche manche Übelstände des Privatbetriebs bloßstellte, dieser Betrieb auch hier in neuerer Zeit mancher Anfechtung ausgesetzt.
In den kontinentalen Staaten haben die veränderten Verhältnisse: die geringere Leistungsfähigkeit des Einzelnen und die dadurch in größerm Maß bedingte Fürsorge des Staats auf allen Gebieten der öffentlichen Wohlfahrtspflege, vielfach von vornherein zu gunsten des reinen Staatsbetriebs den Ausschlag gegeben. Daneben hat sich aber auch in vielen Staaten der Privatbetrieb im Eisenbahnwesen kräftig entwickelt und für die Volkswohlfahrt durch Überziehung des Landes mit zahlreichen Eisenbahnlinien segensreiche Erfolge erzielt.
Das Nebeneinanderbestehen des Staats- neben dem Privatbetrieb im Eisenbahnwesen, wie es in neuerer Zeit fast in allen europäischen Staaten stattfindet, pflegt man als »gemischtes System« zu bezeichnen. Die neueste Entwickelung drängt aber hier immer mehr von dem Übergang aus dem gemischten zu dem reinen Staatsbahnsystem hin. Ausschlaggebend ist hierbei neben den ökonomischen Vorteilen, welche sich aus der Zentralisierung des Verwaltungswesens und der Beseitigung der den Eisenbahnverkehr verteuernden Zersplitterung des Betriebs ergeben, der Gesichtspunkt, daß die Summe der materiellen Interessen und daher auch die soziale Macht, welche das Eisenbahnwesen in sich vereinigt, zu groß ist, als daß die bürgerliche Gesellschaft diese Institution den Händen einiger Aktiengesellschaften überlassen kann, deren Tendenz naturgemäß darauf hinausgeht, die Rücksichten auf Ausbeutung des Betriebs im Interesse der Unternehmer in den Vordergrund zu stellen und daneben die Rücksichten auf das Gesamtinteresse zu vernachlässigen.
Man stand daher meist vor dem Dilemma: ein vom Staat beaufsichtigtes und geregeltes Privatbahnwesen, dem im Gesamtinteresse wenig Selbständigkeit, ein ungemein wertvolles Eigentumsobjekt, bei dem aber dem Eigentümer wenig Rechte bleiben durften, oder ein reines Staatsbahnwesen, bei welchem diese Konflikte zwischen dem Privatinteresse und dem öffentlichen Interesse fortfallen. In Deutschland hatten Hannover, Württemberg und Baden frühzeitig das reine Staatsbahnsystem, Bayern und Sachsen das gemischte System angenommen, während in Preußen anfänglich das Privatbahnwesen überwog.
Bayern und Sachsen gingen in den Jahren 1869-76 ebenfalls zum reinen Staatsbahnsystem über. In Preußen begann der Staat zuerst 1850 für eigne Rechnung Eisenbahn zu bauen, als die Privatinitiative zur Fortführung des Eisenbahnnetzes in die östlichen Provinzen den Dienst versagte. Nach drei Jahrzehnten des gemischten Systems, in welchem der Staatsbahnbesitz immer mehr die Oberhand gewann, wurde 1880 der prinzipielle Entschluß zur Annahme des reinen Staatsbahnsystems gezeitigt, welches nach dem Übergang der wenigen noch in den Händen größerer Gesellschaften vereinigten Eisenbahn inzwischen für alle Hauptverkehrslinien seinen Abschluß gefunden hat.
Die Staatseisenbahnpolitik hat namentlich in Preußen große Erfolge erzielt. Die Tarife wurden ermäßigt und für den Verkehr umfassende Erleichterungen herbeigeführt. Ungeachtet dessen steigerten sich infolge der Ersparnisse, welche durch die Einheitlichkeit der Verwaltung erzielt wurden, die Erträgnisse derart, daß durch dieselben nicht nur die gesamte Staatsschuld Preußens verzinst werden konnte, sondern 1884 nach erfolgter Verzinsung dieser Schuld noch ein Reinertrag von 35,200,000 Mk. abgeführt werden konnte.
Bei dem in vorstehendem erörterten Charakter der für den allgemeinen Verkehr dienenden Eisenbahn als öffentlicher Anstalt, welche den Bedürfnissen des Verkehrs gemäß gegründet und verwaltet wird, haben sich alle Regierungen, in deren Landen der Privatbahnbau überhaupt für zulässig erachtet ist, stets und überall, ohne Rücksicht auf die sonst in ihrer Gesetzgebung über Gewerbefreiheit geltenden Grundsätze, für Herstellung und Betrieb einer Eisenbahn spezielle Beeinflussung vorbehalten.
Das deshalb von der beteiligten Staatsregierung zu erwirkende Zugeständnis für die Herstellung und den Betrieb einer Eisenbahn nennt man eine Konzession. Der Natur der Sache nach geht ein so bedeutenden Kapitalaufwand beanspruchendes Unternehmen nur schrittweise vorwärts. Die Unternehmer werden daher zunächst nur um die Erlaubnis dafür einkommen, die notwendigen Vorarbeiten, die sogen. Tracierung und Vermessung, vornehmen zu dürfen. Diese erste Konzession ist die Vorkonzession; sie begreift in der Regel die vorbereitenden Maßregeln für die Bildung der Gesellschaft selbst in sich, durch welche das Unternehmen ausgeführt werden soll.
Sie erlischt mit dem Ablauf des vorgeschriebenen Zeitraums und bei Nichterfüllung der daran geknüpften Bedingungen. Den nächsten Schritt bildet der Akt, durch welchen die Gesellschaft von der Regierung zur Anlage der Bahn selbst berechtigt wird, die eigentliche Konzession. Diese setzt voraus:
1) den Nachweis der erlangten Vor- oder Projektierungskonzession;
2) die Darlegung der Vorteile der projektierten Bahn für das öffentliche Interesse;
3) den gehörig ausgearbeiteten Plan des ganzen Unternehmens sowie das Projekt nebst Kostenanschlag und Zeitangabe für den Beginn und die Vollendung des Baues;
4) die Darlegung der Art und Weise der Beschaffung
der nötigen Geldmittel;
5) die Geschäftsführung und Leitung in ihren wesentlichen Grundzügen, insbesondere, im Fall das Unternehmen ein gesellschaftliches ist, den Inhalt der Gesellschaftsstatuten. Unter Umständen kann auch die Erlegung einer Kaution sowie der Nachweis darüber gefordert werden, daß bereits ein hinlänglicher Fonds für das Unternehmen gesichert sei. Die Konzession wird in der Regel nur auf eine bestimmte Zeit gegeben, nach deren Ablauf entweder das Eigentum der Bahn (Grund und Boden und Bauwerke) mit Ausschluß des Mobiliarvermögens und der zum Betrieb erforderlichen Einrichtungen und Realitäten unentgeltlich auf den Staat übergeht, oder gegen Entschädigung von diesem erworben werden kann.
Zugleich enthält die Konzession neben andern Befugnissen namentlich das Recht der Expropriation des zum Bau und Betrieb notwendigen Areals sowie zur zeitlichen Benutzung fremden Grundeigentums für die Bedürfnisse des Bahnbaues gegen Entschädigung und das Recht der Ausübung der Bahnpolizei auf dem der Bahn zugehörigen Gebiet, während sie zugleich die den Eisenbahn im öffentlichen Interesse aufzuerlegenden Verpflichtungen, namentlich gegenüber der Postverwaltung, der Telegraphie und der Militärverwaltung, festsetzt.
Eine erteilte Konzession erlischt 1) mit Ablauf des Zeitraums, für welchen sie erteilt wurde;
2) bei Nichteinhaltung des Termins, welcher für die Vollendung der Bahn oder einzelner Bahnstrecken sowie für die Eröffnung des Betriebs in der Konzessionsurkunde ausdrücklich vorgeschrieben wurde, und bei Nichterfüllung anderweitiger in der Konzession festgesetzter Bedingungen. Auf wiederholte Vernachlässigung der Anordnungen der vorgesetzten Behörden oder auf das Zuwiderhandeln gegen wesentliche Bestimmungen der Konzessionsurkunde oder Eisenbahnbetriebsordnung kann die öffentliche Sequestration der konzessionierten Eisenbahn auf Gefahr und Kosten des Unternehmers erfolgen. In Preußen findet in diesem Fall öffentliche Versteigerung auf Rechnung des Unternehmers statt. In Bezug auf die Eisenbahnkonzessions-Gesetzgebung der einzelnen Länder ist folgendes zu bemerken.
In Preußen ist dem Staate das Recht vorbehalten, das Eigentum der konzessionierten Bahn 30 Jahre nach der Betriebseröffnung gegen vollständige Entschädigung anzukaufen (Gesetz vom Österreich besitzt ein Konzessionsgesetz vom durch welches die Konzessionen auf die Dauer von 90 Jahren verliehen werden. In England ist der Regierung durch Akte vom das Recht vorbehalten, jede Eisenbahn nach Ablauf von 21 Jahren gegen Zahlung des 25fachen Betrags der Durchschnittsdividende der letzten 3 Jahre anzukaufen. Im übrigen fällt hier die Konzession mit der Inkorporation der Gesellschaft durch Private bill (Spezialgesetzentwurf), bez. Private act (Spezialgesetz) zusammen und zwar nach vorhergegangenem Gutachten der Railway Commission, einer Abteilung des Board of trade (Handelsamts).
Vorkonzessionen kennt man in England nicht. In Frankreich besteht eine allgemeine Normativgesetzgebung für das Konzessionswesen vom (Modèle général de cahier des charges d'une concession de chemin de fer). Die Konzessionsdauer ist auf 99 Jahre festgesetzt. Außerdem hat der Staat zu jeder Zeit nach 15 Jahren das Recht, die ganze Konzession der Bahn zurückzukaufen. In Belgien werden die Konzessionen nach dem dort gültigen Normalbedingnisheft auf 90 Jahre erteilt, nach deren Ablauf die Bahn in das Eigentum des Staats übergeht.
Auch ist, wie in Frankreich, Rückkauf der Konzession vorbehalten. Ähnliche Grundsätze bestehen in Rußland. Die Konzessionsdauer schwankt hier zwischen 80 und 99 Jahren. In den Niederlanden kann jede Eisenbahngesellschaft nach 20 Betriebsjahren vom Staat erworben werden (Gesetz vom In der Schweiz ist nach dem Bundesgesetz vom die Konzessionsdauer jedesmal in der Urkunde festzusetzen. Auch ist in den Konzessionsurkunden eine Frist für die Berechtigung der Kantone zum Rückkauf vorzubehalten. Im Deutschen Reich hat die Reichsverfassung für den Umfang des Reichs einzelne Beschränkungen des einzelstaatlichen Konzessionsrechts für angezeigt erachtet, soweit es sich um strategisch wichtige Linien und deren Konzessionierung handelt.
Die Kapitalbeschaffung für den Bau der Privateisenbahnen erfolgt nach den für Aktiengesellschaften bestehenden gesetzlichen Bestimmungen durch Anleihen. Über das zum Bau und für die Beschaffung der Betriebsmittel von den Aktionären einzuzahlende Kapital werden Stammaktien, zuweilen auch Stammprioritätsaktien (welche in Bezug auf den Zinsgenuß ein Vorrecht vor den Stammaktien genießen) ausgegeben. Für den Zweck späterer Kapitalbeschaffung pflegt man, sofern die Ausgabe neuer Stammaktien auf Schwierigkeiten stößt, dem Publikum Obligationen zu verkaufen, welche, wenn sie vor den Stammaktien den Vorzug genießen, den Namen Prioritätsobligationen erhalten. Sie unterscheiden sich von den Aktien dadurch, daß sie keine schwankende Dividende, sondern festen Zins geben. Dieser Zins wird vom Ertrag abgezogen, bevor auf die Aktien Dividenden verteilt werden. Zur Sicherung der Prioritätsobligationen wird das Gesellschaftsvermögen hypothekarisch verpfändet.
Während sich in den ersten Jahrzehnten nach Einführung des Eisenbahnwesens der Privatbahnbau nur solcher Linien bemächtigte, welche einen reichlichen Zinsertrag versprachen, nahm die Privatspekulation nach erfolgtem Ausbau der Hauptverkehrslinien auch den Bau von Bahnen in minder frequenten Verkehrsgebieten in Aussicht, bei denen die Beteiligung für das Kapital mit geringerm Gewinnreiz verbunden war. Infolgedessen wurde die Beschaffung des Geldbedarfs schwieriger und mißglückte einigen Gesellschaften gänzlich, zumal das Vertrauen der Kapitalisten auch durch übertriebene Spekulationen, die an den Börsen Verluste für die Aktienbesitzer herbeigeführt hatten, vielfach erschüttert war.
Man rief daher die Intervention des Staats an, um unter Hinweis auf das Interesse, welches die Gesamtheit der Staatsangehörigen an der Erweiterung des Eisenbahnnetzes hatte, eine Garantieleistung des Staats für den Zinsertrag des Aktienkapitals zu erreichen. Auf dahin gehende Anträge fand zuerst in Preußen 1843 durch Konzessionsurkunden die Zinsgarantie (Subventionen) für einzelne Bahnen seitens des Staats statt, natürlich unter Bedingungen, die dem Staat einen gewissen Einfluß auf die Verwaltung der garantierten Bahnen sicherte. In Preußen hatte sich der Staat insbesondere vorbehalten, die Administration der ganzen Bahn und des Betriebs seinerseits zu übernehmen, sofern der Zinszuschuß in drei aufeinander folgenden Jahren zu leisten wäre, oder wenn der Zuschuß in einem Jahr 1 Proz. des gesamten Stammaktienkapitals überstiege. Diese Bestimmung ist von tief eingreifender Bedeutung für die beteiligten preußischen Bahnen geworden und hat viele Bahnen (unter andern die Oberschlesische,
Niederschlesisch-438 Märkische, Köln-Mindener, Bergisch-Märkische etc.) von vornherein zum Teil in die Verwaltung, zum Teil in das Eigentum des Staats übergeführt. Einen weit größern Umfang nahm das System der Zinsgarantien in Frankreich, wo die Zinsgarantiezuschüsse 1883 die Summe von 700 Mill. Frank erreicht hatten, sowie ferner in Rußland und in Österreich, wo die Eisenbahnsubventionen dem Staat eine von Jahr zu Jahr drückendere Verpflichtung auferlegten, an. Bis Ende 1881 waren in Österreich etwa 360 Mill. Mk. an Eisenbahnsubventionen verausgabt, eine Summe, welche hingereicht haben würde, ganze Eisenbahnkomplexe für Rechnung des Staats als dessen Eigentum zu erbauen.
Abgesehen davon, daß der dem Staate durch die Eisenbahn entstehende Nutzen nicht ziffermäßig abzuschätzen ist, das System der Zinsgarantien sich daher vom wirtschaftlichen Standpunkt aus schwer rechtfertigt, sprechen auch ökonomische Gründe gegen eine derartige Beteiligung des Staats an der Anlage der Eisenbahn. Denn während die Eisenbahn als Erwerbsgesellschaften darauf bedacht sein sollten, die Einnahmen zu erhöhen und die Ausgaben zu verringern, lehrt die Erfahrung, daß bei den vom Staat garantierten Bahnen kein Interesse, aber auch keine große Macht besteht, diese Faktoren zur Geltung zu bringen, weil die Unternehmungen meist keine Hoffnung haben, mehr als den garantierten Reinertrag zu gewinnen, dieser aber ohnehin unter allen Umständen vom Staat zu decken ist. In Österreich ist daher die aus der Zinsgarantie dem Staat erwachsene drückende Verpflichtung der eigentliche Anstoß zu einer nach dem Staatsbahnsystem zusteuernden Bewegung in der Eisenbahnpolitik geworden. Die namentlich hier mit dem System der Eisenbahnsubventionen gewonnenen Erfahrungen haben gezeigt, daß es wirtschaftlich richtiger ist, den Bau und Betrieb der betreffenden Bahnen nicht durch Zinsgarantien zu ermöglichen, sondern ihn durch den Staat selbst in Angriff nehmen zu lassen.
Bei dem Bau der Staatseisenbahnen hat die Art der erforderlichen Kapitalbeschaffung viele Ähnlichkeit mit derjenigen für Privateisenbahnunternehmungen, da die Staatsbahnen in der Regel auch nur durch erborgte Kapitalien erbaut werden können. Die Aufnahme von Staatseisenbahnanleihen ist indessen unabhängiger von dem jeweiligen Stande des Geldmarktes als diejenige der Anleihen für Privatbahnen und meist unter günstigern Bedingungen zu bewirken. In Ländern mit entwickeltem Staatseisenbahnbesitz nimmt die auf die Eisenbahnanleihen entfallende öffentliche Schuld meist eine so hervorragende Stelle ein, daß das gesamte Staatsschuldenwesen in der Eisenbahnverwaltung seinen Schwerpunkt findet.
Ein Beispiel gesunder Fundierung des Eisenbahnbesitzes bietet sich in Preußen dar. Nach dem preußischen Staatshaushaltsetat für 1884/85 beliefen sich die Einnahmen der Eisenbahnverwaltung auf 552,877,677 Mk., die Ausgaben auf 388,192,855 Mk. und der Jahresüberschuß auf 164,684,822 Mk. Das gesamte in den Bahnen niedergelegte Anlagekapital betrug 3,219,483,270 Mk., der Zinsbedarf für die Eisenbahnkapitalschuld 128,394,275 Mk. Die Reinerträge der Eisenbahn reichen in Preußen also aus zur Verzinsung der gesamten Eisenbahnkapitalschuld und gewähren noch einen Überschuß von 36,290,546 Mk. Da 1884 für die Verzinsung der gesamten Staatsschulden Preußens nur ein Betrag von 129,496,506 Mk. erforderlich war, so blieb mithin nach Verzinsung der gesamten Staatsschuld aus den Erträgen der Eisenbahnverwaltung noch eine Summe von 35,188,316 Mk. für allgemeine Zwecke des Staatshaushalts übrig. Durch ein Gesetz vom ist die Verstaatlichung der preußischen Bahnen noch mit finanziellen Garantien durch Ansammlung eines Reservefonds umkleidet, der den Staatshaushalt gegen die störenden Wirkungen etwaniger Wechsel in der Höhe der Überschüsse schützen und außerdem die Mittel bieten soll, eine allmähliche Tilgung des in den Staatseisenbahnen veranlagten Kapitals herbeizuführen.
Die Organe aller Eisenbahnverwaltungen, ohne Rücksicht darauf, ob sie einem Staat oder einer Privatgesellschaft gehören, sind 1) leitende, 2) ausübende; außerdem wird die Richtung der Verwaltung 3) durch gesetzgebende und 4) durch überwachende Organe bestimmt. Die Zusammensetzung und Wirksamkeit der Behörden ist, den abweichenden Verwaltungszwecken entsprechend, verschieden bei den Staatseisenbahnen und den Privateisenbahnen.
Oberste gesetzgebende und überwachende Behörden sind in allen Staaten die betreffenden Ressortministerien. In Deutschland ist es nicht überall das gleiche Ministerium, dem diese Aufgabe zufällt. Am passendsten hat wohl Preußen das Ministerium für öffentliche Arbeiten hierzu ausersehen; in Sachsen und Württemberg stehen die Eisenbahn unter dem Finanzministerium, in Bayern unter dem des Äußern. Zur Wahrnehmung der Staatsaufsicht über die Privatbahnen bestehen in einzelnen Staaten unter den Ministerien noch besondere Aufsichtsbehörden, denen die Aufgabe zufällt, die Überwachung der Ausführung der aus den Konzessionen und den Eisenbahngesetzen (s. Eisenbahnrecht) sich ergebenden Verpflichtungen der Eisenbahnen gegen den Staat auszuführen und den Geschäftsverkehr der Organe der Eisenbahngesellschaften mit der betreffenden Ministerialbehörde zu vermitteln.
Die Privatbahnverwaltungen sind verpflichtet, diesen Behörden Einsicht in ihre finanziellen und Betriebsangelegenheiten zu gestatten. In Preußen ist den staatlichen Aufsichtsbeamten der Titel Eisenbahnkommissare und den ihnen unterstellten Behörden die Bezeichnung Eisenbahnkommissariate beigelegt. Von den Eisenbahnkommissariaten, deren Geschäftskreis durch ein Regulativ vom geregelt ist, ressortieren die finanziellen und alle Betriebsangelegenheiten der Eisenbahngesellschaften, soweit dabei ein allgemeines Interesse obwaltet, desgleichen die Fürsorge für die Aufrechterhaltung des Gesellschaftsstatuts und der den Gesellschaften auferlegten Bedingungen.
In England wird die staatliche Eisenbahnaufsicht außer durch das Parlament, von dem die Erteilung der Konzession ausgeht, durch den Board of trade (Handelsamt) wahrgenommen. Die Beamten des Board of trade haben die neuhergestellten Eisenbahn, bevor sie dem öffentlichen Verkehr übergeben werden, in Bezug auf Sicherheit des Betriebs abzunehmen und später für Abstellung von Mißständen in Bezug auf den Beförderungs- (Betriebssicherheit) und Verkehrsdienst zu sorgen.
In Frankreich ressortiert die Staatsaufsicht vom Minister der öffentlichen Arbeiten. Ihm stehen als Hilfsorgane zur Seite: für Tracierung und Bau der Bahnen ein Conseil général des ponts et chaussées, für Verkehrs- und Tarifangelegenheiten ein Comité consultatif des chemins de fer und für technische Betriebsfragen ein Comité de l'exploitation technique. Unter dem Minister versehen den
Aufsichtsdienst für jedes der sieben großen Eisenbahnnetze je ein Inspecteur général des ponts et chaussées oder ein Inspecteur général des mines, denen für diesen Zweck je ein Chef de service untergeordnet ist.
In den Vereinigten Staaten von Nordamerika liegt die Eisenbahnaufsicht den einzelnen Staaten ob, welche für diesen Zweck vielfach besondere, den betreffenden Landesvertretungen untergeordnete Kommissare ernannt haben. So ist im Staat New York durch Landesgesetz seit als ständige Aufsichtsbehörde ein Board of railroad commissioners eingesetzt. Die Mitglieder, denen das erforderliche Unterpersonal zur Seite steht, beziehen festen Gehalt (8000 Doll. = 34,000 Mk. jährlich), dürfen aber mit den Eisenbahn keine finanziellen Beziehungen unterhalten.
Für das Deutsche Reich ist durch Gesetz vom zur Ausübung der Befugnisse, welche die Reichsverfassung dem Reich in Bezug auf das Eisenbahnwesen vorbehalten hat (s. Eisenbahnrecht), in dem Reichseisenbahnamt (s. Eisenbahnamt) eine besondere Zentralbehörde geschaffen worden.
Als Muster einer Staatseisenbahnverwaltung hat die durch einen Erlaß vom ins Leben getretene Organisation der Verwaltung der preußischen Staatsbahnen die wichtigste Bedeutung, sowohl mit Rücksicht auf den Umfang des preußischen Staatsbahnnetzes als auch, weil dieselbe andern Staatsbahnverwaltungen als Vorbild gedient hat. Dieselbe beruht auf dem Prinzip der Dezentralisation mit drei Verwaltungsinstanzen: dem Minister in der Zentralinstanz, den Eisenbahndirektionen als Mittelbehörden und den Eisenbahnbetriebsämtern als Bezirksverwaltungsbehörden.
Der Minister hat die obere Leitung der Verwaltung; er entscheidet über die gegen die Verfügungen und Beschlüsse der Direktionen erhobenen Beschwerden. Seiner besondern Genehmigung sind aber nur diejenigen Sachen vorbehalten, welche ihrer Natur nach zur Zuständigkeit der Ministerialbehörde gehören oder ihrer besondern Wichtigkeit oder finanziellen Tragweite halber einer einheitlichen Regelung bedürfen. Neue Eisenbahnlinien dürfen nicht eher eröffnet werden, bevor hierzu nicht nach ihrer Revision und Abnahme die Genehmigung des Ministers erteilt ist.
Die Eisenbahndirektionen fungieren unmittelbar unter dem Minister für die obere Verkehrsleitung der ihrem Bezirk zugewiesenen Strecken. Ihrer Fürsorge unterliegen die gemeinsamen Interessen des von ihnen vertretenen Verkehrsgebiets sowie solche Angelegenheiten, bei welchen, wie z. B. bei der Bearbeitung der Fahrplan- und Tarifangelegenheiten, des Kassen- und Rechnungswesens der Zentralverwaltung, der Feststellung der Projekte, der allgemeinen Regelung des Betriebsdienstes etc., die Berücksichtigung lokaler Interessen und Verhältnisse dem Gesichtspunkt einheitlicher und gleichmäßiger Regelung für das ihnen unterstellte Verwaltungsgebiet gegenüber zurücktritt. In einzelnen Angelegenheiten minder wichtiger Art bilden sie die letzte Instanz für die gegen die Anordnungen der Betriebsämter erhobenen Beschwerden.
Die Direktionen bestehen aus einem Präsidenten, den Abteilungsdirigenten und der erforderlichen Anzahl von Räten und Hilfsarbeitern. Die Geschäfte sind für gewöhnlich auf drei Abteilungen, mit je einem Abteilungsdirigenten an der Spitze, verteilt, und zwar sind dem Ressort der ersten Abteilung die allgemeinen Organisationsangelegenheiten, Kassen- und Personalsachen, der zweiten Abteilung die Fahrplan-, Tarif-, Betriebs- und Expeditionsangelegenheiten und der dritten Abteilung das Bau-, Bahnunterhaltungs- und das Maschinenwesen zugeteilt.
Der Präsident ist zugleich Dirigent der ersten Abteilung und hat außerdem die Entscheidung in wichtigern Angelegenheiten der andern Abteilungen. Im übrigen werden die Geschäfte in den Abteilungen unter der Entscheidung der Abteilungsdirigenten wahrgenommen. Jedem Abteilungsdirigenten steht zur Bearbeitung der einzelnen Geschäftszweige die nach dem Geschäftsumfang sich richtende Zahl von Räten und Hilfsarbeitern zur Seite. Letztern ist das erforderliche Büreaupersonal (Eisenbahnsekretäre, Büreauassistenten etc.) zugeteilt, welches sich zu einzelnen Bureaus (betriebstechnisches Büreau, Verkehrsbüreau, maschinentechnisches Büreau, Materialienbüreau etc.) zusammensetzt.
Die Eisenbahnbetriebsämter fungieren unter den Direktionen für die Geschäfte der laufenden Betriebsverwaltung sowie als Lokalbehörden für lokale und personelle Angelegenheiten. Sie erledigen ihre Geschäfte nach den Direktiven und Anweisungen der Direktion derart, daß ihre Anordnungen nur in besonders vorgeschriebenen Fällen der höhern Genehmigung bedürfen, daß sie im übrigen aber innerhalb ihrer Geschäftsbezirke in den zu ihrer Zuständigkeit gehörenden Angelegenheiten die Verwaltung selbständig vertreten und auch ohne besondern Auftrag durch ihre Rechtshandlungen, Verträge, Prozesse, Vergleiche etc. für die Verwaltung Rechte erwerben und Verpflichtungen übernehmen.
Vorstand des Betriebsamts ist der Betriebsdirektor, welcher die Geschäfte unter die ihm zur Seite stehenden technischen und juristischen Hilfsarbeiter verteilt. Die Vermittelung des geschäftlichen Verkehrs der Eisenbahnbetriebsämter erfolgt durch die Betriebskasse und das Betriebsbüreau. Für die Beaufsichtigung und Revision des Fahr- und Stationsdienstes stehen unter dem Betriebsamt Betriebskontrolleure, für diejenige des Expeditions- und Kassendienstes Verkehrskontrolleure.
Als nachgeordnete Beamte fungieren unter den Betriebsämtern: für den Stationsdienst die Stationsvorsteher, Stationsaufseher, Stationsassistenten, Telegraphisten, Portiers, Rangierer und Weichensteller;
für den Zugdienst die Zugführer, Packmeister, Schaffner, Bremser und Schmierer nebst dem betreffenden Arbeitspersonal;
für den Expeditionsdienst die Billet-, Gepäck- und Güterexpedienten nebst den Boden- und Lademeistern mit dem erforderlichen Arbeitspersonal.
Zum Teil unter, zum Teil neben den Eisenbahnbetriebsämtern bestehen für einzelne technische Dienstzweige besondere Dienststellen und zwar: für die Bahnunterhaltung und Bahnaufsicht Eisenbahnbauinspektoren und Eisenbahnbaumeister, denen innerhalb ihres Geschäftsbereichs die Bahnpolizei obliegt, und denen die Bahnmeister und die denselben unterstellten Weichensteller, Bahnwärter, Hilfswärter und Streckenarbeiter untergeordnet sind;
für den Betriebsmaschinendienst Maschineninspektoren und Maschinenmeister mit den ihnen untergebenen Lokomotivführern, Heizern, Wagenmeistern und Arbeitern;
für den Hauptwerkstättendienst ebenfalls (Werkstatts-) Maschineninspektoren und Maschinenmeister, welchen die für die betreffende Werkstätte angestellten Werkmeister, Werkführer, Portiers, Nachtwächter, Dampfmaschinenwärter und Arbeiter zugewiesen sind;
für den Telegraphendienst Telegrapheninspektoren, denen die Beaufsichtigung der Leitungen und Telegraphenapparate obliegt, und welche die Telegraphisten und
Stationsbeamten in Bezug auf die technische Behandlung der Apparate überwachen.
Eine der preußischen Verwaltung eigentümliche und jetzt auch von andern Staatsbahnverwaltungen nachgeahmte Einrichtung ist endlich die Organisation von Beiräten, durch welche eine Mitwirkung der Transportinteressenten an der Verwaltung der Eisenbahn zur möglichsten Sicherung einer den Verkehrsbedürfnissen entsprechenden Lösung ihrer Aufgaben stattfindet. Zu diesem Zweck sind durch Gesetz vom bei der Zentralverwaltung der preußischen Staatsbahnen ein Landeseisenbahnrat und bei den Staatsbahndirektionen Bezirkseisenbahnräte zur beirätlichen Mitwirkung eingesetzt.
Der Landeseisenbahnrat besteht aus einem vom König zu ernennenden Vorsitzenden und dessen Stellvertreter, aus zehn von den Ministerien der öffentlichen Arbeiten, der Finanzen, des Handels und der Landwirtschaft zu ernennenden Mitgliedern (dieselben dürfen nicht unmittelbare Staatsbeamte sein) und aus Vertretern der Provinzen und einiger größerer Städte; die Wahl dieser Mitglieder wird aus Vertretern der Land- und Forstwirtschaft, der Industrie und des Handels von den Bezirkseisenbahnräten bewirkt.
Durch den Landeseisenbahnrat werden alle das öffentliche Verkehrswesen betreffenden wichtigern Fragen begutachtet; außerdem werden ihm alle Angelegenheiten, betreffend Zulassung oder Versagung von Ausnahme- und Differentialtarifen (s. Eisenbahntarife, S. 465), allgemeine Tarifbestimmungen und die dem Staatshaushaltsetat jährlich beizufügende Übersicht der Normaltransportgebühren, vorgelegt. Die Bezirkseisenbahnräte werden aus einer entsprechenden Zahl von Vertretern des Handelsstandes, der Industrie und der Land- und Forstwirtschaft zusammengesetzt, welche von den Provinzialausschüssen nach Anhörung der Handelskammern und landwirtschaftlichen Zentralvereine auf die Dauer von drei Jahren gewählt werden. Sie bilden ein beratendes Organ der Staatsbahndirektionen in allen die Verkehrsinteressen des engern Bezirks berührenden wichtigern Fragen, namentlich auch der Fahrplan- u. Tarifangelegenheiten.
Nachdem die österreichisch-ungarischen Staatsbahnen eine größere Abrundung erfahren haben, ist auch für diese eine neue Organisation ins Leben getreten, in deren Gestaltung das Vorbild der preußischen Verwaltung unschwer wiederzuerkennen ist. Die Organisation in Österreich datiert von einem Erlaß vom Nach demselben steht unter dem Handelsministerium eine k. k. Direktion für Staatseisenbahnbetrieb in Wien, welcher ein Staatseisenbahnrat beigegeben ist.
Unter derselben fungieren Oberbahnbetriebsämter, denen innerhalb eines bestimmten Bezirks die Überwachung des Betriebsdienstes, des Baues, der Bahnerhaltung und die Zugbeförderung zugewiesen ist. In Ungarn liegt die Zentralverwaltung in den Händen einer Direktion in Pest mit einem Direktor an der Spitze, welchem für die einzelnen Dienstzweige Subdirektoren zur Seite stehen. Letztere üben innerhalb ihres Wirkungskreises die Verwaltung mit einer gewissen Selbständigkeit aus und fungieren in dem Direktionsrat zugleich als Referenten. Der Betriebsdienst, der Bau, die Bahnerhaltung und die Zugbeförderung für abgegrenzte Dienstbezirke von 150-600 km werden durch Betriebs- und Verkehrsleitungen (entsprechend den Eisenbahnbetriebsämtern in Preußen) wahrgenommen.
In Frankreich ist die Staatseisenbahnverwaltung durch ein Reglement vom betreffend die neue Organisation des Arbeitsministeriums, der unter dem Namen Eisenbahnabteilung bestehenden dritten Abteilung des genannten Ministeriums zugewiesen.
Die Organisation der Verwaltung der Privatbahnen in Deutschland und Österreich ist so sehr verschieden, daß auf eine selbst nur oberflächliche Darstellung derselben hier um so mehr verzichtet werden muß, als dieselbe eigentlich auch nur historischen Wert hat. Die Organisation mancher Verwaltungen ist nur als Ausfluß einer Individualität anzusehen und nur als solche zu beurteilen. Die heute für die Verwaltung gesellschaftlicher Eisenbahnunternehmungen bestehenden gesetzlichen Grundlagen sind aus den von 1861 und 1870 datierenden Bestimmungen des in Deutschland geltenden Handelsgesetzbuchs zu entnehmen.
Nach denselben muß jede Aktiengesellschaft einen Vorstand und einen Aufsichtsrat haben, zwei Organe, deren Funktionen im allgemeinen dahin zu definieren sind, daß dem Vorstand die Geschäftsführung, dem Aufsichtsrat aber die Leitung und Überwachung obliegt. Diesem Prinzip gemäß sind den betreffenden Organen durch Gesellschaftsstatuten auch abweichende Benennungen (Direktion, Direktorium, Spezialdirektor, Verwaltungsrat, Administrationsrat etc.) mit mehr oder minder abweichenden Funktionen beigelegt worden.
Die Berufsstellung (Jurist, Verwaltungsmann, Techniker) der Mitglieder der Direktion pflegt eine ähnliche wie bei den Staatsbahnverwaltungen zu sein, mit der Abweichung, daß bei den Privatverwaltungen in der Regel dem kaufmännischen Element eine größere Geltung eingeräumt wird. Grundsätzlich abweichend von der Organisation der Staatseisenbahnverwaltung pflegt bei den Verwaltungen der Privateisenbahnen die Wahrnehmung des exekutiven Dienstes zu sein, welchem für gewöhnlich in den einzelnen Dienstzweigen besondere Oberbeamte als Organe der Zentraldirektion vorstehen.
Der Regel nach stehen dem exekutiven Dienst vor:
1) ein Betriebsdirektor (Spezialdirektor, Oberinspektor, Bahn- oder Betriebsinspektor) für den Stationsdienst und Personentransport, die Disposition über die Beförderungsmittel, das Fahrplanwesen etc.;
2) ein Obergüterverwalter (Chef des Güterwesens, Güterverwalter, Güterdirigent) für den Gütertransport, das Güterexpeditions- und Kassenwesen;
3) ein Chef der Bahnerhaltung (Oberingenieur, Betriebsingenieur) für die bauliche Unterhaltung mit Ingenieuren und Bahnmeistern (unter letztern die Bahnwärter) als nachgeordneten Organen;
4) ein Chef des Maschinen- und Transportdienstes (Obermaschinenmeister, Maschinenmeister, Maschinendirektor etc.) für den Maschinen- und Werkstättendienst und die Verwaltung der für den Bahnbetrieb erforderlichen Materialien.
In England, wo die Eisenbahnen wie alle andern industriellen Unternehmungen und mit wenigen Ausnahmen als Erwerbsgeschäfte durch Aktiengesellschaften ins Leben gerufen wurden, sind die meisten Eisenbahnverwaltungen den verfügbaren Personen angepaßt und haben sich meistens in solchen Traditionen erhalten. An der Spitze der Gesellschaft steht in der Regel eine Direktion (board of directors), diese unter Umständen auch unter einem höhern Gesellschaftsorgan. Die Direktoren arbeiten nach dem in Deutschland gebräuchlichen Sinne nicht selbst, sondern versammeln sich nur in längern oder kürzern Zeiträumen zu Beratungen unter einem Vorsitzenden (chairman). Unter einem General