Eisenbahnbau.
[* 2] Auf der Pariser Weltausstellung 1889 hat eine eigentümliche Eisenbahn ohne Räder Aufsehen erregt, welche als Girards Schlitteneisenbahn oder Gleiteisenbahn bezeichnet wird. Die Erfindung dieser Eisenbahn datiert aus dem Anfang der 60er Jahre. Die Ausführung einer geplanten Bahn dieses Systems von Paris [* 3] nach Argenteuil wurde durch den Krieg 1870/71 verhindert. Nach dem Tode Girards wurde die Erfindung von Barre erworben und weiter ausgebildet.
Die Erfindung zerfällt in zwei Teile, die sich nicht gegenseitig bedingen. Die Hauptsache an ihr ist die eigentümliche Gleitvorrichtung, erst in zweiter Linie kommt die Vorwärtsbewegung durch Wasserstrahlen, welche auch durch andre Betriebsmittel ersetzt werden kann. Die Gleitvorrichtung besteht aus Schuhen a, welche zu 4-6 unter jedem Wagen angebracht sind [* 1] (Fig. 4). Sie haben die Form von nach unten offenen eisernen Kasten [* 1] (Fig. 1-3) und laufen auf breiten, auf Langschwellen c gelagerten Schienen h von ebener Oberfläche, jedoch findet eine direkte Berührung von Schuh und Schiene nicht statt, vielmehr werden die Schuhe durch fortwährend in sie hineingedrücktes Preßwasser, welches sich langsam zwischen den breiten Auflagerrändern d der Schuhe und den Schienen b hindurchdrängt, ein wenig von der Schiene abgehoben, so daß sich zwischen Auflagerrändern und Schienen eine ganz dünne Wasserschicht befindet, auf welcher die Schuhe gewissermaßen schwimmen.
Hierdurch wird eine außerordentliche Verminderung der Reibung [* 4] herbeigeführt, da die Reibung zwischen Eisen [* 5] und Wasser ganz bedeutend geringer ist als zwischen Eisen und Eisen, so daß der Kraftbedarf zur Fortbewegung ein geringer ist und große Fahrgeschwindigkeiten erreicht werden können (nach Barre bis 200 km pro Stunde, was aber wohl noch zu bezweifeln sein möchte). Die Auflagerränder sind behufs Verminderung der Durchtrittsgeschwindigkeit des Wassers, also zur Erzielung einer Ersparnis an Druckwasser, mit Nuten e versehen.
Der Wagen f wird mittels Blattfedern g von senkrechten Stützen h getragen, welche in Vertiefungen i der obern Wandung der Schuhe ruhen. Damit die Schuhe nicht von den Schienen seitwärts hinablaufen, sind sie mit je 4 Führungsleisten k versehen. Der Wasserzufluß erfolgt durch ein vom ersten Wagen des Zuges ausgehendes Röhrensystem und zwar unter einem Drucke von 10 Atmosphären. Das abfließende Wasser gelangt in die Rinnen l und wird zum Wiedergebrauch angesammelt.
Soll der in Bewegung befindliche Zug angehalten werden, so wird einfach der Wasserzufluß abgestellt, so daß durch die nunmehr zwischen Schuhen und Schienen auftretende bedeutende Reibung eine kräftige Bremsung erreicht wird, welche den Zug bald zum Stehen bringt. Der Betrieb soll vollkommen geräuschlos vor sich gehen. Die Vorwärtsbewegung wurde bei der in Paris ausgestellten Versuchsstrecke von 300 m Länge ebenfalls durch Wasser bewirkt, welches von feststehenden Leitschaufelapparaten aus in schrägem Strahle gegen Schaufelsysteme traf, die an den Wagen befestigt waren, und zwar waren für jede Bewegungsrichtung besondere Schaufelsysteme vorhanden.
Das Wasser kommt dadurch zur Wirkung, daß der Wagen im Vorbeistreichen ein Ventil [* 6] öffnet, welches dem Wasser den Durchgang durch den gerade dem betreffenden Schaufelsystem des Wagens gegenüberstehenden Leitschaufelapparat gestattet, so daß der Wagen durch den austretenden Wasserstrahl einen Antrieb erhält. Ist das Schaufelsystem des Wagens an diesem Leitschaufelapparat vorbeigegangen, so wird das Ventil zu letzterm wieder geschlossen und dasjenige des nächstfolgenden geöffnet etc. Als Vorzug dieses Eisenbahnsystems wird neben der außerordentlichen Geschwindigkeit, der ruhigen, gleichmäßigen und geräuschlosen Fahrt, dem Fortfallen von Dampf, [* 7] Rauch u. dgl. auch die Wohlfeilheit der Anlage und des Betriebs und eine große Betriebssicherheit geltend gemacht. Jedenfalls bedürfen diese Angaben der Bestätigung durch eine für den wirklichen praktischen Betrieb bestimmte Ausführung.
Radreifenbrüche. Vom deutschen Reichseisenbahnamt werden für jedes Betriebsjahr über die auf den Eisenbahnen Deutschlands [* 8] vorgekommenen Radreifenbrüche Erhebungen angestellt und deren Ergebnisse den Eisenbahnverwaltungen mitgeteilt, um zur Vornahme von Verbesserungen und Schutzmaßregeln Anregung zu geben. Während der letzten Jahre läßt die Anzahl der in den Sommermonaten vorgekommenen Radreifenbrüche eine stetige Abnahme erkennen, dagegen zeigt die Gesamtzahl der Brüche ein wechselndes Sinken und Steigen, was auf die ver-
[* 1] ^[Abb.: Fig. 1,2 und 3. Girards Gleitschuh.]
[* 1] ^[Abb.: Fig. 4. Girards Gleiteisenbahn mit Wagen.] ¶
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schiedenen Temperaturverhältnisse in den Wintermonaten der einzelnen Jahre, durch welche das Eintreten der Radreifenbrüche in hohem Maße beeinflußt wird, zurückzuführen ist. Im J. 1889 sind auf 41 selbständigen Bahnnetzen mit 39,682,89 km Betriebslänge 4187 Radreifenbrüche vorgekommen; auf je 1000 km einfachen Geleises entfielen 72 Reifenbrüche gegen 87 pro 1888 und auf je 100 Mill. der geförderten Achskilometer 35 Radreifenbrüche gegen 40 pro 1888. Auf die 3 Monate Januar bis März allein kamen im J. 1889 beinahe 64 Proz. aller Radreifenbrüche.
Durch die Radreifenbrüche wurden 21 Entgleisungen und 171 Zugverspätungen herbeigeführt. An 320 Rädern wurden die Radreifenbrüche alsbald nach ihrer Entstehung bemerkt, während die Entdeckung des Bruches bei den übrigen erst erfolgte, nachdem die gebrochenen Reifen noch kürzere oder längere Strecken durchlaufen hatten. Auf Schnellzüge kamen 167, auf Personenzüge 461, auf gemischte Züge 229, auf Güter- und Arbeitszüge 2360, auf Rangierzüge 118 und auf leere Züge 87 Radreifenbrüche. In 765 Fällen war die Art des Zuges nicht festzustellen.
Die Bruchfläche zeigte in 2656 Fällen (63,43 Proz.) gesundes, in 1095 Fällen (26,16 Proz.) fehlerhaftes und in 26 Fällen (0,62 Proz.) mangelhaft geschweißtes Material. Ursachen des Radreifenbruchs waren fehlerhaftes Material bei 1312 Radreifenbrüchen (31,34 Proz.), sprödes Material bei 796 (19,01 Proz.) und Temperatureinfluß bei 652 Radreifenbrüchen (15,57 Proz.). Auf je 10,000 Radreifen kamen an Radreifenbrüchen vor bei Lokomotiven 43, bei Tendern 41, bei Personenwagen 35, bei Postwagen 53, bei Gepäckwagen 35 und bei Güterwagen 25. Das Material der Radreifen ist von wesentlichem Einfluß auf die Häufigkeit der Radreifenbrüche. Bei Schweißstahl kamen 1889 auf je 10,000 Reifen 68 Brüche, bei Fluß- und Schweißschmiedeeisen 47, bei Flußstahl nur 27 Brüche vor. Sehr erheblich ist ferner der Einfluß der Art der Befestigung des Reifens am Rade.
Achsbuchsendichtungsring. Das Heißlaufen der Eisenbahnachsen, welches, wenn nicht rechtzeitig bemerkt, die schwersten Unfälle (Wagenbrand, Entgleisung) herbeiführen kann, wird verursacht durch Überladung der Wagen, gänzliche Vernachlässigung der Schmierung, unzweckmäßiges Material der Lagerschalen, mangelhaften Zustand der Schmiervorrichtungen, [* 10] aber auch durch undichten Abschluß der Achsbuchsen. Ist das Lager [* 11] gegen die Achse nicht vollständig abgeschlossen, so wird die Wirkung der besten Lager und Schmiervorrichtungen dadurch gestört, daß Öl herausgeschleudert wird und Sand und Staub eindringt, welcher sowohl ein die Abnutzung stark vermehrendes Schleifmittel bildet, als auch unmittelbar durch Vergrößerung der Reibung das Heißlaufen in hohem Grade begünstigt.
Die gewöhnlichen Dichtungsringe bestehen in einem um die Achse gelegten, geschlossenen Filzring, welcher mit seinem äußern Umfang in einen hölzernen Rahmen eingelassen ist, der in eine ringsum laufende Nute des Lagerkastens eingreift. Diese Dichtungsringe wirken jedoch nur kurze Zeit und werden bald so stark ausgescheuert, daß dem Austritt von Öl, bez. Eintritt von Staub nichts im Wege steht (nach 30,000 km Fahrt zeigten sie 7-8 mm starke Spielräume). Nicht selten auch zerbrechen die Holzringe, wodurch noch größere Spielräume entstehen.
Seit einigen Jahren ist der Lösewitzsche Achsbuchsendichtungsring versuchsweise auf mehreren Strecken eingeführt worden und hat sich da vollkommen bewährt. Derselbe besteht aus einem schräg aufgeschnittenen Filzring, welcher durch eine eingelegte kreisförmig gebogene Feder stets so zusammengedrückt wird, daß er die Achse dicht umschließt, wobei die schrägen Schnittflächen des Ringes übereinander greifen. Dieser Ring greift nicht in einen Holzrahmen, sondern direkt in die Lagerkastennute ein, in welcher die Abdichtung dadurch begünstigt wird, daß der Ring durch das aufgesaugte Öl aufquillt.
Die Drehung des Ringes mit der Achse wird dadurch verhindert, daß die Enden der Kreisfeder in entsprechende Schlitze eingreifen. Auf der Außenseite des Ringes ist noch eine ebenfalls aufgeschnittene Ledermanschette aufgenäht, deren übereinander greifende Enden durch eine Spiralfeder zusammengehalten werden. Diese hat sich als außerordentlich wirksam gegen eindringenden Staub bewährt. Bei Wagen, die 30,000 km durchlaufen hatten, zeigte sich an der Innenfläche des Filzrings keine Spur von Staub, während die Manschette dick mit Staub bedeckt war. Ferner war bei Wagen, die 150,000 km durchlaufen hatten, der Schluß der Ringe noch völlig tadellos. Eine allgemeine Verbreitung der Lösewitzschen Dichtungsringe erscheint daher für den Eisenbahnbetrieb sehr empfehlenswert. G. Maaß in Duisburg [* 12] liefert den einfachen Ring ohne Manschette für 0,60 Mk., den Ring mit Manschette für 1 Mk.
Um einerseits die Störungen der Eisenbahnreisenden zu vermeiden, welche durch Anzünden und Auslöschen der Gasflammen vom Wageninnern aus entstehen, anderseits zu vermeiden, daß die Arbeiter beim Anzünden und Auslöschen von außen auf die Wagen zu klettern und von einem Wagen zum andern zu springen brauchen, wodurch schon mehrfach Unfälle herbeigeführt worden sind, hat W. Schmid in München [* 13] eine Vorrichtung zum Anzünden vorgeschlagen, welche vom Perron aus gehandhabt wird. Zulassen und Absperren des Gases, Anzünden und Löschen der Flammen geschieht, ohne daß der Wagen betreten zu werden braucht. Bei den bayrischen Staatseisenbahnen sollen einige Züge zu Versuchen mit diesem Apparat eingerichtet werden.
Eisenbahnschlafwagen laufen auf allen Hauptreisewegen in den Nachtzügen; sie werden teils von den Eisenbahnverwaltungen selbst, teils von der internationalen Schlafwagengesellschaft (Sitz in Brüssel) [* 14] gestellt und unterhalten. Die Eisenbahnschlafwagen bestehen gewöhnlich aus mehreren Abteilungen erster und zweiter Klasse zu je 2 und 4 Plätzen, welche für die Nacht zu Betten hergerichtet werden. Die Eisenbahnschlafwagen stehen den Reisenden erster und zweiter Klasse gegen Zulösung entsprechender Schlafwagenkarten zur Verfügung.
Vorausbestellung von Schlafwagenkarten kann auf allen Stationen gegen Zahlung einer bestimmten Gebühr, bez. der Depeschenkosten erfolgen. Erfrischungs- (Restaurations-) Wagen laufen auf einzelnen längern Reisewegen in bestimmten Zügen und haben den Zweck, den Reisenden die Einnahme von Mahlzeiten, bez. Erfrischungen zu ermöglichen, ohne daß es dazu eines längern Aufenthalts auf den Eisenbahnstationen bedarf. Diesem Vorteil, welcher eine Beschleunigung des Zugverkehrs gestattet, stehen die Nachteile einer stärkern Belastung der schnell fahrenden Züge durch die meist vierachsigen Restaurations- und die dazugehörigen Küchenwagen sowie der Inanspruchnahme doppelter Plätze durch einen Teil der die Restaurationswagen benutzenden Reisenden gegenüber. Die Benutzung der Restaurationswagen ist teils ohne Nachzahlung, teils gegen Zahlung einer geringen Gebühr gestattet. Aussichtswagen sind Wagen, welche gewöhnlich ¶
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nur aus 1-2 größern Räumen bestehen, deren Wände nach allen Seiten hin mit großen, herunterzulassenden Fenstern versehen sind. Solche Wagen werden auf Bahnstrecken, welche sich durch besondere Naturschönheit auszeichnen, an das Ende der Züge gestellt und stehen den Reisenden erster Klasse ohne Nachzahlung, den Reisenden zweiter Klasse gegen Zahlung einer Zuschlagsgebühr zur Verfügung.