Titel
Eisenbahn
(Schienenweg, engl. Railway, Railroad, franz. Chemin de fer, ital. Strada ferrata oder di ferro, Ferrovia, span. Camino de hierro oder Ferrocarril), Straße oder Fahrbahn mit einer oder mehreren parallelen Reihen eiserner Geleise, auf denen sich hierzu besonders eingerichtete Fuhrwerke durch eine Triebkraft (Pferde, [* 2] Elektrizität, [* 3] Luftdruck, Eigengewicht, Dampf) [* 4] bewegen lassen.
Übersicht des Inhalts. I. Geschichtliches | 428 |
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II. Stand in verschiedenen Ländern | 430 |
Statistische Übersicht | 434 |
III. Anlage d. Bahnen: | |
Topographische Feststellung; Netz | 434 |
Systemfrage: Staats- oder Privatbahnen | 435 |
Konzessionierung | 436 |
Kapitalbeschaffung; Zinsgarantien | 437 |
Eisenbahnanleihen; Eisenbahnschuld | 438 |
IV. Verwaltung: Gesetzgebende und überwachende Organe | 438 |
Ausführende Organe: | |
Staatsbahnverwaltung | 439 |
Privatbahnverwaltung | 440 |
Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen | 441 |
Eisenbahnverbände etc. | 442 |
Reichseisenbahnfrage | 442 |
Übersicht der Eisenbahnverwaltungsbehörden in Deutschland | 442 |
V. Betriebswesen: | |
Betriebsordnung; Bahnpolizeireglement | 443 |
Fahrpläne | 443 |
Die einzelnen Betriebszweige | 444 |
VI. Wirtschaftliche etc. Bedeutung | 445 |
VII. Internationale Übereinkommen | 445 |
Litteratur | 446 |
I. Geschichte der Eisenbahnen.
Als Vorläufer der heutigen Eisenbahn sind die Spurbahnen zu betrachten, deren Technik schon in althistorischer Zeit entwickelt war. Nach Curtius waren die ältesten Kunststraßen Griechenlands bereits mit Steingeleisen versehen. Wo heute das Maultier des Reisenden kümmerliche Saumpfade emporsteigt, findet man häufig die Spuren tiefer Radfurchen, deren gründliche Untersuchung zeigt, daß es sorgfältig ausgehauene, geglättete Kanäle sind, Geleise für die Räder der Fuhrwerke, um sie gesichert und leicht dahinrollen zu lassen. Die Bezeichnung für das bleibend in Fels gemeißelte Geleise war ichnos im Gegensatz zu harmatrochia, der im Sand vorübergehend sich bildenden Furche. Wo keine Doppelgeleise vorhanden waren, entstanden sogar eigne Ausweichplätze: zwei Fingerbreiten tief in den Fels eingehauene Geleise (ektropoi). Ob die Griechen zuerst steinerne Kunstgeleise schufen, oder ob sie dieselben von einem ¶
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ältern Kulturvolk erhielten, ist unbekannt. Wahrscheinlich waren die Ägypter, welche das Räderfuhrwerk schon früher benutzten, hierin ihre Lehrmeister. Mit der Ausbreitung des römischen Reichs, deren Machthaber zur Bewegung ihrer Eroberungsheere breiter Bahnen bedurften, verschwanden die Steingeleise. Erst der deutsche Bergbau [* 6] griff die Idee der Spurbahn wieder auf. Chroniken aus dem 16. Jahrh. erzählen von ausgehöhlten Bahnen und Geleisen zur leichtern Fortschaffung der Förderwagen (Hunde) [* 7] in den Grubengängen.
Auch die Anwendung des Eisens beim Bau der Spurbahnen in den deutschen Bergwerken wird im 16. Jahrh. schon erwähnt. Von Deutschland [* 8] aus gelangten diese Spurbahnen nach England. Hölzerne Schienenwege als Ersatz für die gewöhnlichen Straßen wurden in England zwischen 1602 und 1649 zuerst angewandt. 1765 bestanden in Newcastle [* 9] von den dortigen Gewerken mit für die damaligen Zeiten beträchtlichen Kosten angelegte Spurbahnen zum Transport der Kohlen von den Gruben zur Verschiffungsstelle.
Sie wurden nach vorangegangenem Nivellement und genauer Ermittelung der Trace fallend gebaut und bestanden aus 60-90 cm voneinander entfernten Querschwellen, auf welchen 16-18 cm breite, 10-13 cm starke Eichenholzlanghölzer eingezapft waren; auf diesen bewegten sich die Fuhrwerke, von Pferden gezogen, durch Räder, welche nach einwärts um 4 cm vorstehende Ränder hatten, die sie zwangen, in der Bahn zu bleiben. Wahrscheinlich wurde zur Verstärkung [* 10] der Langhölzer an besonders der Abnutzung ausgesetzten Stellen, ebenso wie bei den ältern deutschen Bergwerksbahnen, auch Eisen [* 11] angewandt.
Als 1767 die Eisenpreise sehr niedrig waren, goß das Eisenwerk Colebrook Dale eine bedeutende Menge vorrätigen Roheisens in Plattenform und belegte damit einen der Spurwege des Werkes, bis sich Gelegenheit zu vorteilhafterm Verkauf des Eisens finden würde. Die hierbei sich ergebenden Vorteile führten zu dem Entschluß, diese Eisenplatten nicht nur liegen zu lassen, sondern noch andre derartige Bahnen anzulegen. Von diesen Colebrook Dale-Schienen, welche eine konkave Oberfläche hatten, kamen indes die Räder, welche keine Spurkränze besaßen, leicht ab, weshalb man 1776 den Schienen an ihrer innern Seite Erhöhungen gab, wodurch die Karren [* 12] im Geleise festgehalten wurden.
Diese Schienen waren unmittelbar auf Langhölzern befestigt, welche wieder auf Querhölzern ruhten. Im J. 1793 ersetzte Josua Burns auf der Lawson-Minebahn bei Newcastle die Holzunterlagen durch Steinblöcke und ließ auf diesen die Schienen mittels eiserner Nägel [* 13] und Holzdübel befestigen. Um an Eisen zu sparen und den Schienen die gehörige Tragfähigkeit zu geben, ließ man sie nach der Mitte zu höher werden. Später krümmte man die untere Fläche der frei aufliegenden Schiene, um jeder Stelle gegen Bruch die gleiche Sicherheit zu geben, nach der Linie eines Fischbauchs.
Die sogen. Fischbauchschiene, auf welcher die Räder mit vorspringenden Rändern liefen, an den Enden in gußeisernen Stühlen ruhend, meist von Steinwürfeln unterstützt, war der Typus, der auf fast allen Bahnen, die vom Ende des 18. Jahrh. an in rascher Aufeinanderfolge und großer Ausdehnung [* 14] auf dem Boden des nördlichen England entstanden, zur Anwendung gelangte. Seit 1808 begann man, das Gußeisen bei der Herstellung der Schienen durch das zähere und haltbarere Schmiedeeisen zu ersetzen, und Robert Stephenson machte darauf aufmerksam, daß die Festigkeitsverhältnisse, seitdem die Schiene über mehrere Stützen sich erstreckte, andre geworden waren und die Form der Ellipse [* 15] entbehrlich machten. Er verwandte beim Bau der London-Birminghamer Bahn Schienen mit symmetrischem Querschnitt und parallelen Ober- und Unterflächen und war damit zu den Formen gelangt, wie wir sie heute noch bei unsern modernen Bahnen treffen.
Die Fuhrwerke waren, solange sie auf gußeisernen Schienen liefen, klein; die Lasten wurden auf größere Längen verteilt, auch die einzelnen Räder nicht sehr belastet. Letztere bestanden aus Gußeisen und waren auf den Achsen festgehalten, welche sich in am Karren befestigten Büchsen drehten. Nach der Herstellung der Schienen aus Schmiedeeisen, durch welches die Räder verhältnismäßig schnell abgenutzt wurden, erfand man die Kunst, die Radreifen hart zu gießen.
Die Bauart der Wagen war ursprünglich roh; da man Personen zu jener Zeit auf noch nicht transportierte. Menschen- und Pferdekräfte waren ursprünglich die einzigen Kräfte, womit das Fuhrwerk auf Eisenbahn und zwar zunächst nur bei der Thalfahrt in Bewegung gesetzt wurde; bei hohen Steigungen ließ man einen herabrollenden schweren Zug auf der einen Seite einen auf der entgegengesetzt Seite zu bewegenden leichtern Zug hinaufziehen. Auch wurden schon damals an solchen Stellen stehende Dampfmaschinen [* 16] in Anwendung gebracht.
In den Kohlendistrikten von Wales und Schottland schafften in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts Dampfmaschinen mittels Ketten oder Seilzügen, die sich auf Trommeln wickelten, die Wagen auf steilen Steigungen empor. Auf bewegliche Dampfmaschinen zur Fortschaffung von Wagen auf Eisenbahn nahm zwar schon 1784 Watt ein Patent; seine Erfindung kam jedoch nirgends zur Ausführung. Die erste wirklich brauchbare Lokomotivmaschine, welche von Trevethik und Vivian erbaut und 1802 patentiert worden war, fand erst 1805 auf der Bahn Merthyr Tydvil Anwendung.
Diese Maschine [* 17] zeigte bereits alle wesentlichsten Teile der jetzigen Lokomotiven und bewegte sich ohne gezahnte Radreifen auf den Schienen. Die damaligen Techniker glaubten aber, daß die Reibung [* 18] der glatten Räder auf den Schienen nicht ausreiche, um mit schweren Wagenzügen steile Steigungen zu überwinden. Trevethik selbst konstruierte neben den Schienen noch eine Holzbahn, in welche sich hervorragende Nagelköpfe der Räder eindrücken und so ein Zurücklaufen der letztern verhindern sollten.
Blenkinsop erhielt 1811 ein Patent auf eine Maschine, die mit einem verzahnten Rad versehen war, welches in eine gezahnte Schiene eingreifen konnte. Ein Jahr später suchte Chapman das Ziel durch eine Vermehrung der Treibräder zu erreichen und brachte deren Zahl auf acht. Erst 1814 ließ George Stephenson auf den Kohlenbahnen bei Newcastle upon Tyne Maschinen mit glatten Rädern auf glatten Schienen laufen und dann in seiner Fabrik mehrere Maschinen ausführen, die seit 1815 auf den Grubengeleisen der Kohlendistrikte von Newcastle Verwendung fanden.
Die erste Eisenbahn, welche dem öffentlichen Verkehr diente, wurde 1825 zwischen Stockton und Darlington eröffnet und zeigte zuerst, daß auch andre Güter als Kohlen und auch Passagiere auf weitere Strecken und mit größerer Geschwindigkeit als seither auf Eisenbahn transportiert werden könnten. Zwischen den genannten Städten fuhr man mit der Geschwindigkeit von 16-17 km in der Stunde. Am wurde von dem Direktorium der Manchester-Liverpooler Bahn eine Belohnung von 500 Pfd. Sterl. für die Erfindung einer Lokomotivmaschine ausgesetzt, welche ihr ¶
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430 dreifaches Gewicht mit einer Geschwindigkeit von 10 engl. Meilen in der Stunde fortbewegen und keinen Rauch erzeugen würde. Bei den im Oktober 1829 in der Nähe von Rainhill angestellten Versuchen gewann die Lokomotive [* 20] von G. Stephenson den Preis, indem sie die gestellten Bedingungen nicht nur erfüllte, sondern auch noch übertraf. Sie zog ihr fünffaches Gewicht und legte in der Stunde 14-20 engl. Meilen zurück. Die Ursache dieses günstigen Resultats war die Benutzung eines Röhrenkessels und die Verstärkung des Luftzugs um mehr als das Achtfache.
Mit den Wettfahrten von Rainhill und der Einführung der verbesserten Stephensonschen Lokomotive war der eigentliche Schöpfungsakt des Eisenbahnwesens selbst geschlossen. Was von nun ab im Bereich der Technik des Eisenbahnwesens geschah, war Ausbildung und Entwickelung von Keimen, die fast alle schon in Stephensons großer Schöpfung enthalten waren. Von nun ab kam der Bau der Eisenbahn rasch in Aufnahme. Nachdem schon vor 1826 das Kohlengebiet der Ruhr und Saar in Rheinpreußen über 60 km Eisenbahn erhalten hatte, wurde im J. 1830 die Bahn von Prag [* 21] nach Lana von 45 km Länge eröffnet, 1832 die 127 km lange Budweis-Linzer Eisenbahn, welche indes nur mit Pferden betrieben wurde.
Belgien [* 22] eröffnete seine erste mit Dampf betriebene Bahn 1835 zwischen Brüssel [* 23] und Mecheln. [* 24] Am bewegte sich auf deutschem Boden der erste von Lokomotiven gezogene Zug auf der von Denis erbauten Nürnberg-Fürther Bahn; 1¼ Jahr später eröffnete die Leipzig-Dresdner Bahn ihre erste Strecke; 1838 pfiff die Lokomotive in Österreich [* 25] (Wien-Wagram) und in Preußen [* 26] (Berlin-Potsdam). Zugleich ward die erste deutsche Staatsbahn von Braunschweig [* 27] nach Wolfenbüttel [* 28] eröffnet. Aus diesen Anfängen hat sich das Eisenbahnwesen binnen wenigen Jahrzehnten zu dem mächtigsten Kulturhebel der Neuzeit, welcher durch die Eisenbahn ihr charakteristisches Gepräge aufgedrückt ist, entwickelt. Wie sich ziffermäßig diese Entwickelung gestaltet hat, ist aus der nachstehenden Tabelle ersichtlich.
Gesamtlänge des Eisenbahnnetzes der Erde: | Durchschnittliche Zunahme im Jahr: | ||||
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1830 | 332 | Kilom. | 1830-40 | 826 | Kilom. |
1840 | 8591 | " | 1841-45 | 1767 | " |
1850 | 38022 | " | 1846-50 | 4120 | " |
1855 | 68148 | " | 1851-55 | 6025 | " |
1860 | 106886 | " | 1856-60 | 7748 | " |
1865 | 145114 | " | 1861-65 | 7646 | " |
1870 | 221980 | " | 1866-70 | 15373 | " |
1875 | 294400 | " | 1871-75 | 14484 | " |
1880 | 367235 | " | 1876-80 | 14567 | " |
1881 | 393232 | " | 1880-81 | 24515 | " |
1882 | 421566 | " | 1881-82 | 28334 | " |
1883 | 443441 | " | 1882-83 | 21875 | " |
II. Formen und Stand des Eisenbahnwesens in verschiedenen Ländern.
In Großbritannien [* 29] entwickelte sich das Eisenbahnwesen sehr bald mit großer Intensität. Als seine ersten Keime entstanden, war die industrielle Entwickelung Englands schon auf einer sehr großen Höhe angelangt. Ein dichtes Kanal- und Straßennetz nach und von den Häfen hatte ein zahlreiches Korps hochbefähigter Techniker herangebildet, so daß, als die Dampfkraft in den Dienst des täglichen Lebens hinaustrat, eine Reihe von Meistern der Technik und alle Hilfsmittel einer entwickelten Eisen- und Kohlenindustrie bereit standen, das neue Kommunikationsmittel in jeder Weise zu stützen und zu fördern.
Die Lage Englands, das große Weltgeschäft und die relativ geringe Ausdehnung des Landes bringen es mit sich, daß die bewegten Massen enorm sind und auf kurzen Strecken möglichst rasch den Häfen zueilen. Die Bewegung der verhältnismäßig kleinen, aber zahlreichen Güterzüge ist in England nur um weniges langsamer als die der Personenzüge. Es gibt Baumwoll-, ja sogar Kohlen- und Erz-Eilzüge. Die Konstruktion der Lokomotiven trägt dem Zweck der Schnelligkeit bei nicht allzu großen Lasten Rechnung, der große Radstand ermöglicht schleuniges Anhalten und Abfahren.
Die ausgebildeten Lade- und Entladevorrichtungen, die reiche Ausstattung mit allen technischen Hilfsmitteln spiegeln das hier alles beherrschende Hauptmoment: Schnelligkeit und Zeitersparnis, überall wider, während das Vertrauen des Publikums zum Eisenbahnpersonal sich in der geringern Bequemlichkeit der Personenwagen und Gepäckbeförderungsart zeigt und die Bauart der Wagen, Gestelle und Kasten das rege Bestreben erkennen läßt, unnötiges Geräusch zu vermeiden.
Zugleich entwickelte der gewaltige Verkehr das Signalsystem in ausgezeichneter Weise. Auch verdient die vortreffliche Einrichtung Erwähnung, daß der Personenverkehr fast ausschließlich auf die Tagesstunden, der Güterverkehr dagegen auf die Abend- und Nachtstunden beschränkt ist. Hierdurch wird die hohe Präzision ermöglicht, durch welche sich die englischen Eisenbahn in Hinsicht auf die Innehaltung der von ihnen gestellten Fristen auszeichnen. Einen besondern Charakterzug des englischen Eisenbahnwesens bildet endlich das Hineinrücken der Eisenbahn in die Mittelpunkte der großen Städte und die Verwendung besonderer Eisenbahnsysteme in den großen Städten selbst.
Dadurch, daß die englischen Eisenbahn die Kosten nicht scheuten, ihre Bahnhofsanlagen in die Mitte der großen Städte zu verlegen (ein Beginnen, welches freilich den Kauf und die Niederreißung von ganzen Stadtvierteln erforderte), bemächtigten sie sich des Verkehrs, welcher im andern Fall ohne ihre Vermittelung zwischen den Städten und den Bahnhöfen stattgefunden haben würde. Da dieser Verkehr aber gleichzeitig zu einem sehr einfachen und sehr bequemen gestaltet wurde, so nahm das Wechselverhältnis zwischen den Eisenbahn und den Bevölkerungszentren, welche dieselben verbinden, Dimensionen an, welche auf dem Kontinent bisher auf nur sehr wenigen Linien vorhanden sind.
Dies aber hat wiederum zur Folge, daß die großen Anlagekosten für den Bau der englischen Bahnhöfe [* 30] zu verhältnismäßig günstigen Resultaten führten, da sie, Licht [* 31] und Luft schaffend, mittelbar zur Verschönerung und sanitarischen Verbesserung der Städte beitrugen. Die Anlage von Stadteisenbahnen endlich hat sich in England so gut bewährt, daß eine solche in Berlin [* 32] 1874 begonnen und 1882 vollendet wurde und auch Paris [* 33] und Wien [* 34] eine städtische Eisenbahnanlage projektierten. Die Gesamtlänge der Eisenbahn in Großbritannien betrug 1884: 30,358 km mit einem Anlagekapital von rund 16,000 Mill. Mk.
Auf dem Kontinent mußte das Eisenbahnwesen trotz seines nächsten Zwecks, im Dienste [* 35] des Handels zu stehen, doch innerhalb der großen Militärstaaten sich den unmittelbaren Staatszwecken unterordnen; die äußere Anlage wie die Verwaltung der kontinentalen Bahnen legen hiervon Zeugnis ab.
In Deutschland hat der Bau der Eisenbahn in der ersten Zeit in ganz empfindlicher Weise durch die Kleinstaaterei gelitten; in neuerer Zeit aber entwickelte sich das deutsche Eisenbahnnetz so außerordentlich schnell, daß es gegenwärtig an absoluter Länge allen übrigen europäischen Staaten voransteht, an relativer ¶
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Eisenbahn.
Die in neuerer Zeit entstandenen Bergbahnen wurden bei kürzern, geraden Strecken meist als Seilbahnen, [* 36] bei größern, gekrümmten Strecken meist als Zahnradbahnen ausgeführt. Ein Beispiel der erstern Gattung gibt die Drahtseilbahn auf den Neroberg bei Wiesbaden, [* 37] welche von dem am Fuß des Bergs gelegenen Vergnügungsort Beausite ausgeht und bei einer Längenausdehnung von 430 m nach Überschreitung eines über das Nerothal führenden, aus fünf Bogen [* 38] bestehenden, 110 m langen Viadukts den Gipfel des Bergs ersteigt.
Die Fahrt wird mit einer Geschwindigkeit von 1,6-2 m in der Sekunde in zwei Wagen mit je 38 Sitz- und 12 Stehplätzen bewerkstelligt. Das Übergewicht des bergab gehenden Wagens wird durch Wasser hergestellt, welches durch eine Dampfmaschine [* 39] in das auf dem Berg befindliche, die Seilscheibe [* 40] enthaltende Betriebsgebäude gepumpt wird. Eine bemerkenswerte Zahnradbahn, nach dem System Abt, auf den Monte Generoso geht von der Gotthardbahnstation und Dampferlandungsstätte Capolago, dem Südende des Luganer Sees, aus, wird eine Länge von 8,5 km erhalten und einen Höhenunterschied von 4368 m überwinden, welcher den der Arth-Rigibahn um 39 und den der Viznau-Rigibahn um 58 m übertrifft. In Entfernungen von 2414 m und 5800 m vom Thal [* 41] aus erreicht die Bahn die bez. in 780 m und 1222 m Meereshöhe liegenden Zwischenstationen San Nicolau und Albergo, worauf sie die auf 1695 m liegende Bergkuppe erklimmt, welche eine großartige Aussicht auf die Alpen [* 42] und die lombardische Ebene gewährt. Das Baukapital beträgt 2 Mill. Frank. Auch für die Befahrung der Schmittenhöhe von Zell am See aus ist eine Zahnradbahn geplant, welche die ansehnliche Höhe von 1195 m zu überwinden hat. Durch Einlegung von Kurven soll die gerade Strecke im Verhältnis von 7,75 : 4,5 km verlängert werden, um eine Ermäßigung der größten Steigung auf 0,21 Proz. zu erzielen. Unter die kühnsten neuern Bergbahnen gehört die Pilatusbahn (s. d.). - Über weitere Fortschritte im Eisenbahnwesen s. die folgenden Artikel.
Neuere Litteratur: Röll u. a., Encyklopädie des gesamten Eisenbahnwesens (Wien 1889 ff.);
Ulrich, Das Eisenbahntarifwesen (Berl. 1886);
Endemann, Das Recht der Eisenbahnen (Leipz. 1886);
Riegels, Verkehrsgeschichte der deutschen Eisenbahnen (Elberf. 1889);
v. Mayer, Geographie und Geschichte der deutschen Eisenbahnen (Berl. 1889 ff.);
Kupka, Die Eisenbahnen Österreich-Ungarns 1822-67 (Leipz. 1888).