Einzelhaft
,
diejenige Vollstreckungsart der
Freiheitsstrafen, bei welcher jeder Gefangene in unausgesetzter Trennung
von seinen Mitgefangenen gehalten wird. Das
Institut der Einzelhaft
verdankt seine Entstehung dem
Streben nach einer den
Grundsätzen
der
Humanität angemessenen Gefängnisreform, welches in der Mitte des vorigen
Jahrhunderts seinen Anfang nahm und namentlich
die Besserung der Sträflinge bezweckte. Seine
praktische
Durchführung aber hat das
System der Einzelhaft
zuerst
in
Philadelphia
[* 2] in der daselbst 1791 gegründeten Gefängnisanstalt gefunden, weshalb dasselbe auch das
pennsylvanische System
genannt wurde.
Nach dem ältern pennsylvanischen
System aber bestand die Einzelhaft
in vollständiger Trennung des Gefangenen von allem menschlichen
Verkehr; auch ließ man denselben ohne Beschäftigung, damit er um so eher zu religiösen und reumütigen
Betrachtungen angeregt werden könne. Allein die Gefährlichkeit dieses
Systems für physische und geistige
Gesundheit des
Inhaftierten zeigte sich nur zu bald und führte zu dem sogen. neuern pennsylvanischen
System, welches den Sträfling nur
von seinen Mitgefangenen trennt, aber dessen angemessene Beschäftigung sowie den
Verkehr mit den Beamten
und dem
Geistlichen der Anstalt nachläßt.
Unter den verschiedenen
Strafanstalten, welche zum
Zweck der Einzelhaft
nach amerikanischem Vorbild in
Europa
[* 3] eingerichtet wurden, sind
die zu Pentonville in
London,
[* 4]
Moabit bei
Berlin,
[* 5]
Bruchsal in
Baden,
[* 6]
Löwen
[* 7] in
Belgien,
[* 8] zu
Nürnberg
[* 9] und zu
Christiania
[* 10] in
Norwegen
[* 11] die bekanntesten. Auch die europäische
Gesetzgebung hat das
Prinzip der Einzelhaft
berücksichtigt, nachdem in der Litteratur
namentlich
Ducpétiaux in
Brüssel
[* 12] und
Mittermaier in
Heidelberg
[* 13] sowie neuerdings (wenn schon mit Einschränkungen)
Holtzendorff
dafür aufgetreten waren.
Dabei wird jedoch in der
Theorie darüber gestritten, ob die Einzelhaft
als besondere Strafart oder nur als eine
eigentümliche Strafvollstreckungsart, oder ob sie als eine der
Gattung nach härtere
Strafe aufzufassen sei als die
Gefängnisstrafe
ohne Einzelhaft.
Nach dem deutschen
Reichsstrafgesetzbuch (§ 22), welches die Einzelhaft
bei Verbüßung von
Zuchthaus- und
Gefängnisstrafen
statuiert, erscheint dieselbe nur als besondere Strafvollstreckungsart, welche nach Ermessen der Gefängnisverwaltung
eintreten kann.
Auch faßt das deutsche
Strafgesetzbuch die Einzelhaft
nicht als einen härtern Strafmodus auf und zieht dieselbe bei Berechnung der
Strafdauer ebendeshalb nicht in besondere Berücksichtigung. Übrigens pflegt die moderne Strafgesetzgebung regelmäßig
eine bestimmte Zeit festzusetzen, über die hinaus die Einzelhaft
ohne Zustimmung des Sträflings nicht ausgedehnt
werden darf. Nach dem deutschen
Strafgesetzbuch ist dies
Maximum auf 3, in
Belgien auf 10 und
Holland auf
3, in
Schweden auf 1½, in
Dänemark
[* 14] auf 3½ und in
Norwegen auf 4 Jahre bestimmt.
Übrigens kommt die Einzelhaft
auch als Disziplinarstrafmittel gegenüber besonders widerspenstigen Gefangenen und
wegen
Verletzungen der Hausordnung vor. Neuerdings überwog auf den internationalen Gefängniskongressen
zu
London (1872) und zu
Stockholm
[* 15] (1875) die Meinung, daß Einzelhaft
vornehmlich für Untersuchungsgefangene
und auf kurze Zeit Verurteilte Vorteile verspricht, für lange Zeitfristen dagegen bedenklich wird. Am allgemeinsten und
konsequentesten ist die Einzelhaft
in
Belgien durchgeführt.
Abgesehen von grundsätzlichen Bedenken, ist es die Kostspieligkeit der Gefängnisbauten, die ihrer allgemeinen Durchführung im Weg steht. S. Gefängniswesen.
Vgl. Mittermaier, Die Gefängnisverbesserung etc. (Erlang. 1860);
Füßlin, Die
Einzelhaft
nach fremden und sechsjährigen eignen
Erfahrungen (Heidelb. 1855);
Ducpétiaux, Des conditions d'application du système de l'emprisonnement séparé ou cellulaire (Brüss. 1857);
v. Holtzendorff, Gesetz oder Verwaltungsmaxime (Berl. 1861);
Hänell, System der Gefängniskunde (Götting. 1866), insbesondere auch die Gutachten von d'Alinge, Valentini u. a. in den Protokollen des deutschen Juristentags. ¶