Streng genommen, lassen sich insofern alle nicht zu hohen und richtig verteilten
Steuern als Einkommensteuern
betrachten, als sie vom
Einkommen entrichtet werden. Dem
Gedanken, daß die
Steuer eine
Quote vom
Einkommen ausmachen soll, entspricht
die Einkommensteuer vollständig. Man hat sie deshalb auch als einzige
Steuer empfohlen. Doch würde sie als einzige
Steuer
(Einsteuer) keineswegs
allen
Zwecken der
Besteuerung entsprechen, einmal, weil nicht alle
Abgaben nach dem
Einkommen zu bemessen
sind, dann, weil eine allen
Grundsätzen genügende praktische
Durchführung der Einkommensteuer nicht allein schwierig, sondern geradezu
unmöglich ist.
Aus diesem
Grund kann die Einkommensteuer nur die
Rolle einer die Steuerlasten ausgleichenden oder dem
Interesse der Finanzverwaltung besonders
dienenden Ergänzungssteuer spielen. Für die Finanzverwaltung bietet sie nämlich den Vorteil, daß
ihr mit wachsender
Bevölkerung
[* 10] und
zunehmender Wohlhabenheit steigender
Ertrag sicher vorauszubestimmen ist und je nach
Bedarf
durch Änderung des
Steuerfußes eine
Erhöhung oder Minderung gestattet. Wenn richtig zu veranlagen, ermöglicht die Einkommensteuer eine
gerechte, der Steuerfähigkeit sich anschließende Steuerverteilung, indem sie alle trifft, ohne übergewälzt
werden zu können. In politischer Beziehung wird zu ihren gunsten geltend gemacht, daß sie mit
Bewußtsein gezahlt werde,
hiermit das Pflichtgefühl gegen den
Staat stärke, gleichzeitig auch zu genauerer
Kontrolle der Verwendung anreize.
Sie würde ferner weder
Produktion noch Verteilung und
Verkehr stören und bei geringen Umlagekosten dieErhebung
in passenden
Zeiten und Teilbeträgen gestatten. Doch lassen sich nicht alle der Einkommensteuer zugeschriebenen Vorteile in der
Praxis voll erzielen und zwar im wesentlichen deswegen, weil das
Objekt der Einkommensteuer nicht genügend erkennbar und erfaßbar ist.
Die sich an äußere Merkmale haltende Einschätzung durch Dritte (Einschätzungskommission, welche aus mit örtlichen
und persönlichen Verhältnissen möglichst vertrauten Mitgliedern zusammenzusetzen wäre) würde nur bei kleinern
Einkommen
brauchbare Ergebnisse liefern, bei größern aber um so mehr von der Wirklichkeit abweichen, je mehr es an sichern
Thatsachen
zur
Schätzung und
Kontrolle fehlt.
Verläßt man sich dagegen auf das meist unkontrollierbare
Bekenntnis
(Deklaration,
Fassion, Selbsteinschätzung) der
Pflichtigen, so setzt man eine
Gewissenhaftigkeit voraus, die gerade in Steuersachen nur ganz ausnahmsweise zu finden ist.
Infolgedessen ist die Einkommensteuer wenig einträglich und in großen
Staaten unzureichend für
Deckung des gesamten Staatsbedarfs. Wollte
man sie hierfür benutzen, so müßte man den
Steuerfuß bis zu einer solchen
Höhe hinaufschrauben, welche
nur deswegen (denn in irgend einer
Weise muß ja doch die
Steuer getragen werden) unerträglich werden würde, weil damit die
Ungleichheit der Belastung vermehrt würde.
Dazu kommt, daß die Einkommensteuer als echt direkte
Steuer weit mehr als besondere
Last empfunden wird und damit zur Unzufriedenheit
Anlaß
gibt als eine in kleinern Beträgen und mit
Umgehung von Steuereinnehmer und
Exekutor erhobene
Aufwandsteuer.
Der
Reichere kann durch die Einkommensteuer nicht voll besteuert werden, weil seine Einnahmequellen nicht genügend
offen zu
Tage liegen; die untern
Klassen sind durch dieselben schwer zu erfassen, wenn sie häufig den Wohnort wechseln. Die
Steuer in ganz kleinen Beträgen zu erheben, ist zu kostspielig und umständlich.
Andernfalls fällt die Ansammlung und Zurücklegung bis zum jeweiligen Zahlungstermin schwer. Infolgedessen führt die Einkommensteuer bei
kleinen
Einkommen zu zahlreichen harten und für die
Verwaltung meist fruchtlosen
Exekutionen. Aus diesem
Grund hat
man inPreußen
auf die Einkommensteuer in den unterstenKlassen (bis zu 420 Mk.) verzichtet, wie auch in
EnglandEinkommen unter 150 Pfd. Sterl.
frei bleiben. Der Einwand, daß das
Einkommen ein falscher
Maßstab
[* 11] für Beurteilung der Steuerfähigkeit sei, indem individuelle
Vorteile und Schwierigkeiten in
Produktion und
Haushalt (Kinderzahl,
Krankheiten, Unterhaltspflichten, Standesbedürfnisse,
Preisverschiedenheiten, Naturgefahren etc.) bei der
Besteuerung nicht berücksichtigt würden, ist dagegen
nicht stichhaltig. Im allgemeinen würde, sofern man nur das
Einkommen wirklich kennt, die Einkommensteuer doch eine gerechtere Steuerverteilung
ermöglichen als
Verkehrs- und
Aufwandsteuern, bei denen man den thatsächlichen
Wirkungen nicht nachgehen kann und sich deshalb
mit dem
Gedanken tröstet, daß dieselben den obersten
¶
mehr
Grundsätzen der Besteuerung auch entsprechen. Bei der Veranlagung der Einkommensteuer können übrigens solche Umstände, welche
eine Ermäßigung des Steuerfußes als gerechtfertigt erscheinen lassen, immer berücksichtigt werden, wie z. B.
bei mittlern und kleinen Einkommen die Kopfzahl der Familie, individuelles Mißgeschick, wie Krankheiten u. dgl. Dann könnte
für das offenkundige Einkommen, da das unbekannte doch nie zu hoch, aber fast immer zu niedrig geschätzt
wird, ebenso für das infundierte Einkommen ein niedrigerer Steuerfuß angesetzt, bez. das fundierte dadurch hoher getroffen
werden, daß man neben der noch eine besondere Vermögenssteuer erhebt.
Der Steuerfuß der Einkommensteuer ist ein feststehender, wie in Preußen, wo von den Einkommen über 3000 Mk. 3 Proz.
erhoben werden, oder er ist, wie in England, ein nach dem Staatsbedarf wechselnder; er ist ein progressiver, wenn er bei höhern
Einkommen größer ist als bei niedrigern; man nennt ihn degressiv, wenn für ihn allgemein ein bestimmter Normalsatz
angenommen ist und für die geringern Einkommen eine nach unten zunehmende Ermäßigung eintritt, wie
dies in Preußen bei den Einkommen von 3000 bis 420 Mk. der Fall ist.
Zur Erleichterung der Einschätzung und Erhebung werden Einkommensklassen mit von unten nach oben steigenden Abstufungen gebildet.
So gehören in Preußen in die erste Stufe, welche 3 Mk. Steuer zu zahlen hat, alle Einkommen von 420 bis 660 Mk.,
in die elfte Stufe, welche 60 Mk. entrichten die Einkommen von 2400 bis 2700 Mk. Von 3000 Mk. ab steigen die Stufen anfänglich
um 600 Mk. und von 300,000 Mk. ab um 60,000 Mk. (daher der Name klassifizierte Einkommensteuer, vgl. auch Klassensteuer).
Vgl. Held, Die Einkommensteuer (Bonn
[* 13] 1872);
In der Steuerlehre standen von jeher zwei Forderungen einander gegenüber, nach welchen die Steuern
für den Pflichtigen zu bemessen und somit die gesamte Steuerlast auf alle Staatsangehörigen zu verteilen seien. Nach der
einen soll die Steuer dem Grundsatz entsprechen, daß Leistung und Gegenleistung einander gleich oder doch verhältnismäßig
gleich seien, nach der andern wäre, ganz unabhängig davon, welche Vorteile dem Pflichtigen aus der Staatsverbindung erwachsen,
die Steuer nach der Steuerfähigkeit zu bemessen.
Nun kann weder der einen noch der andern Forderimg in der Wirklichkeit ausschließlich genügt werden.
Die Größe der Staatsleistungen festzustellen, ist meist schlechterdings unmöglich. Man hat sich deswegen gern mit einem
Ausweg beholfen, welcher unmittelbar zum Ziel der zweiten Forderung hinführt, indem man einfach unterstellte, daß die Vorteile,
welche man aus dem Staatsleben zieht, im Verhältnis zu den Mitteln stünden, welche man zur Verbesserung
seiner wirtschaftlichen Lage und zur Erzielung persönlicher
Genüsse
verwenden könne. Auf der andern Seite würde es in manchen Fällen unwirtschaftlich und unbillig sein, zu fordernde
Vergütungen lediglich nach der Leistungsfähigkeit abzustufen. Wer dem Staate durch sein eignes Verhalten Veranlassung zu
Aufwendungen gibt, soll auch hierfür nach Thunlichkeit aufkommen, und zwar um so mehr, je mehr ihm vornehmlich
oder ausschließlich die Leistung des Staates zum Vorteil gereicht. Das Verlangen einer Gegenleistung bietet dann gleichzeitig
einen Schutz gegen übermäßige und unwirtschaftliche Inanspruchnahme, wie sie eintreten würde, wenn sie kostenlos erfolgen
könnte. Die Praxis und auch die Theorie haben deswegen jene beiden Forderungen in zweckmäßiger Weise miteinander
zu verbinden gesucht, indem man die Gebühren den Steuern gegenübersetzte; letztere sollten nach der Steuerfähigkeit bemessen
werden, bei den erstern Leistung und Gegenleistung einander entsprechen.
Nun ist allerdings der Begriff der Steuerfähigkeit kein feststehender. Im allgemeinen kann man wohl sagen, daß dieselbe
sich durch das in Geld bezifferbare Einkommen ausdrücken lasse. Wenigstens gibt es keinen andern Maßstab, welcher als brauchbarer
und zutreffender zu bezeichnen wäre. Doch würde dieser Satz nicht bedingungslos gelten. Denn es kann in der That bei gleichem
Geldeinkommen die Leistungsfähigkeit eine sehr verschiedene sein. Derjenige, welcher eine zahlreiche Familie
zu ernähren, mit kostspieligen Krankheiten 2c. zu kämpfen hat, ist weniger steuerkräftig als ein andrer, welcher eine kleinere
oder gar keine Familie besitzt und welchem Widerwärtigkeiten der gedachten Art erspart bleiben. Besondere Umstände, welche
bei gegebenem Einkommen die Steuerfähigkeit mindern, wären demnach, insoweit sie äußerlich genügend zu Tage treten, in
billiger Weise zu berücksichtigen.
Hiermit wären aber noch nicht alle grundsätzlichen Schwierigkeiten beseitigt. Denn es bleibt noch die Frage zu beantworten,
ob unter sonst gleichen Umständen mit steigendem Einkommen die Steuerfähigkeit in gleichem oder in einem andern Verhältnis
zunehme als dieses. Meist nimmt man das erstere an. Nach dieser Anschauung würde die Steuer einen festen
Prozentsatz von jedem Einkommen zu bilden haben, oder der Steuerfuß, d. h. das Verhältnis von Steuer zu Einkommen, wäre für
alle gleich hoch.
Nach der andern Ansicht wächst die Steuerkraft in einem höhern Maß als das Einkommen. Gibt auch der Reichere für Nahrung,
Kleidung und Wohnung mehr aus als der Ärmere, so bleibt ihm doch eine verhältnismäßig größere Summe
für anderweite Genüsse oder zum Zweck der Kapitalisierung übrig, eine Summe, von welcher er, ohne daß der Druck dadurch ein
empfindlicherer würde, auch einen größern Bruchteil für öffentliche Zwecke abgeben könnte. Auf der andern Seite ist
es klar, daß derjenige, welcher unterstützungsbedürftig ist, ebenso derjenige, welcher gerade hat,
was er notwendig zum Leben braucht, auch keine Steuern entrichten kann.
Wer aber nur wenig mehr hat als das Notwendige, dessen Gesamteinkommen kann nicht mit dem Prozentsatz getroffen werden,
wie er für größere Einkommen angewandt wird. Allenfalls könnte er infolgedessen unterstützungsbedürftig
werden, oder es wäre doch die Steuerlast für ihn eine empfindliche. Von einem Einkommen von 400 Mk. 40 Mk. abzugeben ist
drückender als die Besteuerung von 1 Mill. Mk. mit 100,000 Mk. Zu alledem kommt noch der
in Theorie und Praxis immer wieder in den Vordergrund tretende Gedanke,
¶
mehr
daß die Vorteile des öffentlichen Lebens dem Wohl-habenden und Reichen in erheblich höherm Maße zufließen, als dem Ärmern.
Erwägungen der angedeuteten Art führten zum Verlangen nach einer progressiven Besteuerung, d. h. nach einer solchen Einrichtung,
bei welcher mit wachsendem Einkommen nicht allein die Steuer, sondern auch der Steuerfuß sich erhöhe.
Nun kann aber der progressive Steuerfuß nicht in gleichem Maße Zunehmen wie das Einkommen. Man wäre alsdann
bei 100 Proz. angelangt, d. h. bei einem Satz, bei welchem das gesamte Einkommen durch die Steuer verschluckt würde, und andern,
welche so unglücklich wären, viel zu erwerben, würde nach der Steuerzahlung weniger verbleiben als
manchen von denen, welche ein geringeres Einkommen beziehen.
90 Proz. Steuer lassen bei 9000 Mk. nur 900 Mk. übrig, während bei einem Einkommen von 4900 Mk., welches mit 49 Proz. belastet
wird, noch 2499 Mk. verbleiben. Die höchste, überhaupt nur zulässige Grenze für den Steuerfuß wären 50 Proz. Praktisch
wird man aber auch nicht bis zu dieser Höhe sich erheben können. Schon die notwendige Rücksicht auf
den Steuerdruck andrer Länder würde dies verbieten. Dann würden bei dieser Grenze andre Nachteile, wie Minderung des Reizes
zum Mehrerwerb, Zunahme des Bestrebens, solchen Mehrerwerb zu verheimlichen 2c., in so hohem Maße zu Tage
treten, daß man schon deswegen gezwungen wäre, einen niedrigern Prozentsatz als unüberschreitbar zu bezeichnen und, wenn
derselbe einmal erreicht ist, ihn auch für alle höhern Einkommen gelten zu lassen. In Preußen würden hierbei auch noch
die Kommunalzuschläge eine Rolle spielen.
Erheben, wie dies thatsächlich vorkommt, Gemeinden 500 und 600 Proz. an solchen Zuschlägen, so könnte
die Staatssteuer unmöglich über 7 oder 8 Proz. hinaus steigen, solange wenigstens das Steuerwesen
der Gemeinden nicht geändert würde. Theoretisch könnte die Sache allerdings so eingerichtet werden, daß vom höchsten vorkommenden
Einkommen jener höchste Prozentsatz entrichtet wird, und daß der Steuerfuß für jedes andre Einkommen
niedriger ist, und zwar um so mehr, je kleiner das Einkommen ist.
Doch würde eine solche Unterschiedlichkeit in der Steuerbemessung in vielen Fällen unpraktisch werden. Die kleinern Einkommen
sind überall in großer Masse vertreten, die sehr hohen und höchsten nur durch eine kleine Zahl. So sind in Preußen nach
der Veranlagung für 1890/91 von der Einkommensteuer befreit, weil bei ihnen ein Einkommen von weniger als 900 Mk.
unterstellt wird, 8,357,037 Personen, während nur 1,850,855 Personen, also nur 18 Proz. der Gesamtzahl, Klassen- und Einkommensteuer entrichten.
Und diese Steuerpflichtigen verteilen sich in folgender Weise:
Die kleinern und mittlern Einkommen bis zur Höhe von 6000 Mk. entrichten demnach 59 Proz. der gesamten
Steuer. Durch Erhöhung desSteuerfußes bei den höhern Einkommen könnte zwar schon ein ansehnlicher Mehrbetrag erzielt werden,
doch darf man sich über die Größe desselben keinen Täuschungen hingeben. Nach
Soetbeer verteilen sich die Einkommen
in folgender Weise:
Sind diese Zahlen auch nicht ganz zutreffend, so geben sie doch ein Bild über die Verteilung, welches in dem Maß annähernd
richtig ist, daß aus denselben der Schluß gezogen werden darf, die Hauptmasse der Steuer müsse aus den
kleinern und mittlern Einkommen gezogen werden. Man wird also schon bei einem nicht allzu hohen Betrag bei der Steuer beginnen
und mit Erhöhung der Einkommen schon frühzeitig mit dem Steuerfuß ziemlich start ansteigen müssen. Infolgedessen nähert
man sich aber schon bald der unüberschreitbaren Grenze, und zwar derart, daß es später unpraktisch
sein würde, den Prozentsatz innerhalb enger Grenzen
[* 15] noch weiter steigen zu lassen.
Ob man von 10,000 Mk. 5,9 Proz., von 20,000
Mk. 5,99 Proz. und von 100,000 Mk. 6 Proz.
oder von allen diesen Einkommen 6 Proz. erhebt, ist praktisch gleich. Demnach kann in der Wirklichkeit die progressive
Steuer nur eine derartige sein, daß, wenn die kleinsten Einkommen frei bleiben, von irgend einer Einkommenshöhe ab mit einem
Bruchteil eines Prozentsatzes begonnen wird, daß der Prozentsatz dann steigt, bis er einen bestimmten, von da ab gleich
bleibenden Betrag erreicht.
Diese Steuer nennt man die degressive, indem unterstellt wird, der höchste Prozentsatz sei der normale,
und von einer gewissen Einkommenshöhe ab werde er nach untenhin mehr und mehr vermindert, während man bei dem Gebrauch des
WortesProgression mehr an das Steigen von unten nach oben denkt. Sachlich liegt kein Unterschied vor, das Verhältnis ist vielmehr
ein ähnliches wie bei dem lateinischen Worte altus, welches je nach dem Standpunkt des Beschauers sowohl
»hoch« als »tief« bedeuten
kann.
Hat man sich nun über die Frage des Steuerfußes schlüssig gemacht und auch einen solchen festgestellt, von dem man annehmen
darf, daß er eine der wirklichen Steuerfähigkeit entsprechende Belastung bewirke, so wird doch die
wirkliche Durchführung der Besteuerung hinter dem Ideal zurückbleiben. Die Bemessung des Einkommens ist nicht leicht, teils
weil dasselbe oft unregelmäßigen Schwankungen unterliegt, teils weil manche Aufwendungen und Bezüge nur schwer zu verrechnen
sind, wie z.B. bei der Eigengewinnung von Gütern, welche nicht marktgängig
¶
mehr
sind 2c. Dann ist der Staatsbedarf ein so hoher, daß es bei der gegebenen Lage der Dinge geradezu unmöglich wäre, denselben
ausschließlich durch eine einzige Einkommensteuer zu decken. Bei den obern und obersten Klassen kann man nun einmal über einen gewissen
Prozentsatz nicht hinausgehen, so daß hier bald eine Schranke für die Steigerung der Einnahme gesetzt
ist; bei den untern aber ist die Erhebung praktisch mit einer Reihe von solchen Übelständen verbunden, daß hier auf die
Einkommensteuer verzichtet werden muß und erst von gewisser Grenze an mit einem mäßigen Steuerfuß begonnen werden kann. Da nun aber
doch einmal die Masse beisteuern muß, so bleibt nichts andres übrig, als dieselbe auf dem wenigst empfindlichen
und technisch vorteilhaftesten Wege heranzuziehen. Hierfür bietet sich das Mittel der indirekten Besteuerung, welche in allen
großen Staatshaushalten eine wichtige Rolle spielt und mit steigendem Staatsbedarf gerade in der neuern Zeit immer mehr an
Bedeutung gewonnen hat.
Die indirekten Steuern belasten die Pflichtigen gerade nicht nach Maßgabe der Steuerfähigkeit. Eine große Zahl von Gegenständen
zu erfassen, ist steuertechnisch nicht von Vorteil. Man begnügt sich deshalb auch in der Praxis mit einer kleinern Zahl von
Gütern, und zwar solchen, welche in groben Massen verbraucht werden und dabei nicht gerade unentbehrlich
sind. Infolgedessen trifft die Steuer individuell ungleich, indem der eine mehr von den versteuerten Gegenständen verbraucht
als der andre. Dann ist der Verbrauch nicht gerade um so größer, je größer das Einkommen ist. Somit ist die Belastung
im großen ganzen eine umgekehrt progressive. Was die Reichern an Steuern für Kaffee, Zucker,
[* 17] Bier, Branntwein,
Salz,
[* 18] Tabak
[* 19] 2c. bezahlen, macht einen geringern Prozentsatz von ihrem Einkommen aus als das, was die weniger Reichen und Ärmere
entrichten von deren Einkommen.
Führt aber auf diese Weise die praktische Notwendigkeit zu einer Steuerverteilung, welche die Theorie und die Anschauungen des
praktischen Lebens nicht für billig erachten, so muß auf einem andern Gebiet nach einer Ausgleichung
gesucht werden. Dies Gebiet ist dasjenige der direkten Steuern, wenn wir hierzu noch einige Verkehrssteuern rechnen, insbesondere
dasjenige der Einkommensteuer. Die Praxis hat denn auch in der neuern Zeit in einigen Ländern, als man sich zu einer Erhöhung
der indirekten Steuern veranlaßt sah, die direkten Steuern zu reformieren gesucht.
Die direkten Steuern sind teils Ertrags- oder Real-, teils Personalsteuern. Dieselben in der Weise systematisch auszubauen und
zu veranlagen, daß weder Doppelbesteuerungen noch einseitige Befreiungen vorkommen, und daß die Besteuerung eine vollständig
gleichmäßige ist, ist bei der Mannigfaltigkeit und Beweglichkeit unsrer heutigen Wirtschafts-, Verkehrs-
und Kreditverhältnisse sowie bei der Unvollkommenheit der zu Gebote stehenden Hilfsmittel der Besteuerung nicht allein schwierig,
sondern geradezu unmöglich. Die bestehenden Steuersysteme sind in der That sämtlich unvollkommen und lückenhaft, insbesondere
diejenigen, welche Ertrags- und Personalsteuern in unvollständiger Weise miteinander verbinden.
Die Ertragssteuern fassen die Erträge an ihren Quellen ohne Rücksicht auf deren Verteilung an verschiedene
Personen, und zwar nach allgemeinen Durchschnittssätzen, also ohne Rücksicht auf die individuellen Verhältnisse, individuelle
Leistungsfähigkeit, günstigere oder ungünstigere wirtschaftliche Stellung des Eigentümers 2c. Infolgedessen belasten die
Ertragssteuern schon
von Haus aus ungleichmäßig. Die Tüchtigern sowie diejenigen, welche die Konjunkturen
besonders begünstigen, zahlen nicht mehr als diejenigen, welchen das Glück weniger hold ist.
Dazu kommt die Schwierigkeit, Roherträge und Kosten zu bemessen. Oft muß man sich an äußere Merkmale halten, welche nur
sehr unsichere Schlüsse zulassen, wie bei der Gewerbesteuer. Oder es kann wegen der hohen Kosten die Steuer nicht
alljährlich neu veranlagt werden; dieselbe wird alsdann im Laufe der Zeit, wenn die Grundlagen der Besteuerung sich geändert
haben, mehr und mehr ungleich, wie z. B. die Grundsteuer; Schulden kommen bei der Ertragssteuer nicht in Abzug.
Die Zinsen, welche der Gläubiger zieht, werden demnach, wenn auch nicht genau nach ihrer wirklichen Höhe,
bereits bei dem Schuldner besteuert. Nun werden aber bei unsern heutigen Kreditverhältnissen auch Zinsen bezogen, welche noch
nicht besteuert worden sind, wie Zinsen aus Staats-, Gemeindeanleihen 2c. Dieselben müßten demnach besonders belastet werden,
was bei den vorhandenen internationalen Kreditbeziehungen und der Mannigfaltigkeit der Steuersysteme und der Steuerveranlagung
verschiedener Länder mit nicht geringen Schwierigkeiten verbunden ist, sofern Ungleichmäßigkeiten vermieden
werden sollen. Die Bezahlung für fremde Arbeitsleistungen kommt bei den Ertragssteuern unter den Kosten in Anrechnung und in
Abzug. Dafür ist die Arbeit als besondere Ertragsquelle durch eine eigne Steuer zu treffen, und zwar nicht nach den wirklichen
Erträgen in jedem gegebenen Fall, sondern nach Durchschnitten je für eine Klasse von Fällen.
Ausschließlich durch Personalsteuern den gesamten öffentlichen Bedarf zu decken, ist heute nicht durchführbar. Die Realsteuern
haben sich meist derart eingelebt, daß ihre Aufhebung oft einem Geschenk an den augenblicklichen Besitzer gleichkäme. Dann
sind Wohnort des Besitzers und Lage seines Besitztums oft voneinander getrennt; dort würde die Personalsteuer
entrichtet, während hier zu gunsten des Besitzers öffentliche Aufwendungen gemacht werden müssen.
Aus diesem Grunde würden insbesondere Gemeinden die Realertragssteuer nicht entbehren können. Durch Verbindung beider Arten
von Steuern hat man wohl einige Lücken ausgefüllt und Unvollkommenheiten beseitigt, ist aber trotzdem überall
von einer gleichmäßigen Belastung noch weit entfernt. Bayern hat drei Ertragssteuern (Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer),
welche nach Durchschnitten und äußern Merkmalen bemessen und zum Teil (Grundsteuer) vor Jahren veranlagt sind.
Daneben besteht eine Kapitalrentensteuer, welche zum Teil eine Doppelbesteuerung bildet und nur deswegen wenig als solche empfunden
wird, weil die Ertragssteuern, welche keine Rücksicht auf die Schulden nehmen, nur sehr roh veranlagt
sind. Alle durch eine dieser direkten Steuern noch nicht getroffenen Einkommen werden durch eine sogen. Einkommensteuer getroffen, welche
im Wesen eine Ertragssteuer ist, sich aber einer Personalsteuer insofern nähert, als sie der jeweiligen Einkommenshöhe angepaßt
wird.
In Preußen besteht kein vollständiges Ertragssteuersystem. Es gibt nur eine Gebäude-, eine Grund- und eine Gewerbesteuer.
Neben denselben wird der Ertrag der Arbeit nicht besonders getroffen. Dann besteht in Preußen keine Kapitalrentensteuer, durch
welche wenigstens diejenigen Zinseinnahmen belastet werden müßten, welche noch nicht bereits durch die
Ertragssteuern mitgetroffen worden sind. Dagegen
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