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. Die neuere Rechtswissenschaft und Gesetzgebung (Sächs. Bürgert. Gesetzbuch) gebraucht diesen in
Deutschland
[* 3] seit dem 14. Jahrh,
für den röm.
Begriff des äoiniuiuni gesetzten, ursprünglich auf Grundstücke beschränkten
Ausdruck, um das
Recht auf die
vollständige und ausschließliche Herr- schaft über die Sache zu bezeichnen.
Alle sonstigen
Rechte an der Sache,
die dinglichen
Rechte, haben, wenn auch noch so ausgedehnt, einen konkreten und begrenzten
Inhalt und beschränken, soweit
dieser reicht, das Eigentum
, d. h. mit ihrem Wegfall gewinnt das Eigentum
seine
ursprüngliche Unbeschränktyeit wieder
(Kon- solidation).
Der
Besitz (s. d.) ist der thatsächliche Zustand, welcher dem
Inhalte des Eigentum
entspricht und dessen Wiederherstellung
der Eigentümer einem jeden Dritten gegenüber verlangen kann. Der frühere Sprachgebrauch (insbesondere auch des
Preuß.
Allg.
Landrechts und desOsterr.Bürgerl. Gesetzbuchs) kennt ein Eigentum
an
Rechten. Hiermit wird indessen nur das
Recht selbst im
Hinblick auf seine Verbindung mit der
Person des Berechtigten bezeich- net. Als geistiges Eigentum
bezeichnet man
die absolute Rechtsstellung des
Urhebers eines Schriftwerkes
u.
s w., nach welchem einem jeden Dritten die mechan.
Vervielfältigung
des Werkes untersagt ist.
Die Reichsgesetze reden vom
Urheberrecht (s. d.). Ferner wird mit jenem
Ausdruck auch das
Recht des paten- tierten Erfinders
umfaßt.
Andere fassendas Erfinder- patent, den
Markenschutz und den
Musterschutz als gewerbliches (industrielles)E.
zusammen. (S. Gewerbliches Eigentum.
) Seit dem Beginne dieses Jahrhunderts bestrebt sich die Gesetzgebung, der Belastung
des Eigentum
mit beschränkenden
Rechten engere Grenzen
[* 4] zu ziehen. Insbesondere wird die
Begründung von vererb- lichen und veräuherlichenNutzungsrechten
nicht ferner gestattet.
Rechte letzterer Art haben eine so weitgehende, den
Inhalt des Eigentum
fast er- schöpfende und nur ein ungewisses
Rückfallsrecht und wohl das
Recht auf gewisse
Abgaben zurück- lassende Bedeutung, daß man dem Nutzungsberech- tigten einE.
(Nutz ei gentum, äomiuiuiii utii6) im Gegensatz zudem eigentlichenE. (Obereigentum
, llouiinium äireetum) zuschreibt. Die
Agrargesetz- gebung hat, dem Umfange der beiderseitigen
Rechte
Rechnung tragend, vielfach (preuß. Gesetz
vom 2. März'i850 betr.
Ablösung der Reallasten) den Nutzeigentümer als Eigentümer proklamiert, das Obereigentum
des
Lehns-, Guts-,
Grund- und
Erb- zinsherrn und des Erbverpächters aufgehoben, das
Recht desselben auf Grundabgaben dagegen und zum
Teil auch
das Heimfallsrecht (bei
Lehn,
Erb- pacht) vorbehalten.
Fast durchgängig ist mindestens die Ablösbarkeit der Grundlasten und des Heim- fallsrechts des Obereigentümers anerkannt. Übrigens lassen sich nicht alle Konsequenzen des unbegrenzten Herrschaftsrechts über die Sache, ins- besondere die Grundstücke durchführen. Das nach- barliche Zusammenleben wird nur durch die wechsel- seitigen nachbarrechtlichen Beschränkungen ermög- licht. Im öffentlichen Interesse müssen den Grund- eigentümern eine Menge von Beschränkungen forst- rechtlicher, bergrechtlicher, wasserrechtlicher, jagd- rechtlicher, baupolizeilicher, feldpolizeilicher u. s. w. Natur auferlegt werden.
Vermöge des
Staatsnot- rechts kann auch bis zur Entziehung des Eigentum
(Enteignung, s. d.)
geschritten werden, indessen ist die Handhabung dieses
Rechts meistens durch be- sondere Enteignungsgesetze beschränkt. Man
hat die Frage nach der Berechtigung des Privateigentums
aufgeworfen. Darauf sind
theo- retische Antworten
gegeben:
1) Die natürliche
Theorie
(Stahl,
Bluntschli) erklärt die
Notwendigkeit des Privateigentums
aus der menschlichen Natur; die
menschliche Persönlichkeit verlange notwendig zu ihrer Bethätigung die Herrschaft über die Sach- güter.
2) Die Occupationstheorie, die na- mentlich von den Naturrechtslehrern des 17. und 18. Jahrh, vertreten wird,
will das Eigentum
auf den
Akt der ersten Besitzergreifung zurückführen: dem, der zuerst ein
Stück Land in
Besitz nahm, gehöre
es auch zu eigen.
3) Die Arbeitstheorie (Locke,
Thiers,
Bastiat) begründet das Eigentum
darauf, daß der
Mensch
Anspruch hätte auf die
Früchte seiner
Arbeit.
4) Die Vertragstheorie (Grotius, Pufendorf, Kant) begründet das Eigentum
auf die aus-
drückliche oder stillschweigende Einwilligung.
5) Die Legaltheorie (Hobbes, Montesquieu, Bentham, Adolf Wagner) verweist zur Begründung des Eigentum auf die Rechtsbildung, auf die staatliche Anerken- nung durch das Gesetz. Praktisch strebt die Socialdemokratie Beseitigung des Privateigentums an. Soweit diese Tendenz darauf gerichtet ist, alles Privateigentum zu be- seitigen, will sie nicht bloß die Sachgüter der freien Verfügung und dem ausschließlichen Nutzungsrecht des Einzelnen entziehen, sie will auch das Erbrecht abschaffen und die freie Vereinbarung über Leistung und Belohnung menschlicher Dienste [* 5] ausschließen.
Diesen Bestrebungen gegenüber entlehnen das Pri- vateigentum und das Privatvermögen ihre Berech- tigung der auf die sittliche, geistige und wirtschaft- liche Freiheit des Einzelnen beruhenden menschlichen Kultur. Es ist ein verhängnisvoller Irrtum, daß mit der Beseitigung dieser Freiheit auch die Übel beseitigt würden, welche eine hohe wirtschaftliche Kultur für viele zur Folge hat. Aufgabe einer rationellen Gesetzgebung bleibt es nur, die Mängel, welche jede menschliche Einrich- tung besitzt, die aber bei dem mit höherer wirtschaft- licher Kultur wachsenden Bedürfnis von zahlreichen Klassen besonders lebhaft empfunden werden, soweit es angeht, zu beseitigen.
Mit der Milderung der in unserer Zeit lebhafter als früher empfundenen socialen Übelstände hat aber die eingeleitete social- polit. Gesetzgebung bereits begonnen. (S. Kommu- nismus, Socialismus.) Litteratur. Thiers, über das Eigentum (deutsch von Obermayer, Mannh. 1848); Wagner, Die Abschaf- fung des privaten Grundeigentums (Lpz. 1870); ders., Allgemeine Volkswirtschaftslehre. Grund- legung (2. Aufl., ebd. 1879);
V. Mayer, Das Eigentum nach den verschiedenen Weltanschauungen (Freib. i. Br. 1871);
Laveleye, ve lg. propi-i"^ 6t äs 868 torin68 primitive (Par. 1874; erweiterte deutsche Bearbeitung von K. Bücher u. d. T. «Das Ureigen- tum», Lpz. 1879);
Samter, Gesellschaftliches und Privateigentum (Lpz. 1877);
ders., Das Eigentum in seiner socialen Bedeutung (Jena [* 6] 1879);
Heusler, Institu- tionen des deutschen Privatrechts, Bd. 1 u. 2 (Lpz. 1885 u. 1886);
von Inama-Sternegg, Deutsche [* 7] Wirt- schaftsgeschichte, Vd.1 (ebd.1879);
von Stein, Die drei Fragen des Grundbesitzes und seinerZukunft (Stuttg. 1881);
Felix, Entwicklungsgeschichte des Eigentum (Bd. 1: Der Einfluß der Natur auf die Entwicklung des Eigentum, Lpz. 1883; Bd. 2: Der Einfluß der Sitten und Ge- bräuche auf die Entwicklung desE.,ebd.1886);
Randa, Das Eigentumsrecht (1. Hälfte, 2. Aufl., ebd. 1893). ¶