Ei,
[* 3] diejenige besondere Zelle [* 4] der Organismen, aus welcher durch weitere Entwicklung alle mehrzelligen organischen Wesen hervorgehen. In der Regel vollzieht sich diese Entwicklung indessen nicht (Ausnahme Parthenogenesis, s. d.), ohne daß ein befruchtender männlicher Zeugungsstoff mit dem Ei in Berührung gekommen oder in dasselbe eingedrungen ist. Ihrem eigentlichen Wesen nach durch die ganze Tierreihe übereinstimmend, sind die Eier [* 5] in den verschiedenen Ordnungen und Klassen äußerlich sehr verschieden.
Das Ei der Säugetiere und des Menschen (s. beistehende [* 1] Figur) ist ein fast mikroskopisch kleines Schleimklümpchen, eine Zelle von 1/20 bis 1/10 mm Durchmesser. Diese Zelle besteht aus einer zarten, durchscheinenden Hülle (h); darin befindet sich das Dotter (d), eine fett- und eiweißhaltige Substanz, in dem Dotter der Zellenkern, hier Keimbläschen (k) genannt, der wiederum ein noch kleineres Gebilde, den Keimfleck, enthält. Durch wiederholte Teilung des Keimbläschens (Dotterklüftung) entwickelt sich eine reichliche Anhäufung von Zellen (Dotterkugeln), aus welchen die Embryonalanlage sich bildet, deren weiteres Wachsen bei den meisten Säugetieren und dem Menschen dadurch ermöglicht wird, daß das in dem Leibe der Mutter verharrende Ei aus deren Blute plastische Substanzen aufnimmt, sodaß das Ei bei der Ausstoßung (Geburt des Embryo) eine ansehnliche Größe besitzt.
Anders bei den Eiern, die in unentwickeltem Zustande abgelegt werden (Vögel, [* 6] Reptilien, Mehrzahl der Insekten [* 7] u. a.), oder die sich zwar (bei sog. ovoviviparen Formen, einigen Insekten, Fischen, Reptilien u. s. w.) im mütterlichen Leib, aber ohne sich mit ihm zu verbinden und ihm Nahrungsstoff zu entnehmen, innerhalb einer Schale entwickeln und deren Inhalt als ausgebildeter Fötus geboren wird. In diesen Fällen ist dem Ei neben dem erwähnten Bildungsdotter eine reichliche Menge sog. Nahrungsdotter beigegeben, welcher beim Wachsen des aus dem Bildungsdotter hervorgegangenen Keims verbraucht wird.
Während seines Durchgangs durch den Eileiter umwickelt sich das bis dahin nur aus dem Dotter bestehende Vogel- und Reptilienei mit dem von dem Eileiter abgesonderten Eiweiß; hierzu kommt im untern Teile des Eileiters die aus Kalksalzen gebildete Schale, ebenfalls ein Absonderungsprodukt des Eileiters. Auch die Farben, welche die Eier der Vögel oft bedecken, sind ein Produkt des untersten Abschnitts des Eileiters, beruhen aber nicht auf eigenartigen, von besondern Drüsen abgesonderten Stoffen, vielmehr auf Gallfarbstoffen, welche aus den Blutgefäßen der Eileiterwandung stammen.
[* 1] ^[Abbildung]
Der dem Säugetier-Ei entsprechende Teil des Vogeleies (s. Tafel: Eier I, [* 1] Fig. 1, Durchschnitt durch ein reifes Hühnerei) findet sich unter dem Namen des Hahnentritts [* 1] (Fig. 1, bei kms) als ein kleiner weißlicher Fleck auf der Oberfläche des in dem Eiweiß schwebenden Dotters, dessen dem Hahnentritt abgewendete Hälfte specifisch schwerer ist, sodaß der Hahnentritt, wie auch das Ei gewendet wird, stets nach oben, dem brütenden Vogel zugewendet, liegt. Das Nahrungsdotter (weißes und gelbes Dotter, [* 1] Fig. 1, wd und gd) nebst dem Eiweiß [* 1] (Fig. 1, ew) reichen hin, um den Vogelfötus bis zu seinem Auskriechen zu ernähren, während die Porosität der äußern Kalkschale [* 1] (Fig. 1, ks) - unter der sich eine eigentümliche, gleichfalls poröse, aus zwei, aus chitinartigen Fasern gewobenen, dicht aneinander liegenden Blättern bestehende Schalenhaut [* 1] (Fig. 1, sh) befindet - zugleich eine Atmung des jungen Tiers gestattet, insofern jedes bebrütete Ei Sauerstoff aus der Atmosphäre aufnimmt und Kohlensäure dafür abgiebt, ganz so wie das erwachsene Tier. Das Dotter ist gleichfalls von einer Haut, [* 8] der Dotterhaut [* 1] (Fig. 1, dm) umgeben, die sich nach den Polen in Gestalt je eines zusammengedrehten Wulstes, der Hagelschnur oder Chalaze [* 1] (Fig. 1, ch), durch das Eiweiß fortsetzt. Am stumpfen Pole des Eies weichen die beiden Blätter der Schalenhaut zur Bildung der sog. Luftkammer [* 1] (Fig. 1, ek) auseinander. (S. auch Eierkunde.)
Die Eier der Reptilien verhalten sich ähnlich den Vogeleiern, nur daß ihre Schale in der Regel nicht so starr, sondern mehr lederartig ist. Die Eier der Amphibien, z. B. der Frösche, [* 9] aber gleichen denen der meisten Fische, [* 10] und beide werden Laich benannt. Diese Eier werden meist in großer Menge entleert und sind dann in der Regel vermittelst eines zähen Schleims zu größern Klumpen vereinigt; jedes einzelne Ei ist bei den Amphibien von einer durchsichtigen gallertigen Hülle umgeben, einem Produkte des Eileiters.
Die meisten Rochen und Haie legen indessen einzelne in eine an den Ecken in der Regel in Spiralfäden ausgezogene Hornschale eingehüllte glatte viereckige Eier (sog. Seemäuse; Taf. I, [* 1] Fig. 2, Eier von Scyllium chilense Gthr.). Auch sonst zeigen die Eier dieser Knorpelfische manches Originelle, so ist das von Callorhynchus antarcticus Cuv. von einer breiten am Rande bewimperten Membrane (Taf. I, [* 1] Fig. 3, a der eigentliche Eiraum) umgeben, das von Cestracion Philippi Cuv., dem Port-Jackson-Hai (s. d., Taf. I, [* 1] Fig. 4, a, vollständig, b, im Längsschnitt), ist kegelförmig und auf der Außenseite seiner Schale verläuft eine breite spiralige Leiste.
Der Laich der im Wasser lebenden Weichtiere gleicht in vielen Punkten dem der Fische. Er ist entweder schalenlos, wie z. B. der unserer Süßwasserschnecken, oder die Eier sind gruppenweise oder einzeln von hornigen Schalen umgeben. Das erstere ist z. B. der Fall beim Kalmar (s. d., Loligo vulgaris Lamarck, Taf. I, [* 1] Fig. 5), dessen Laich aus Eischläuchen besteht, die radiär von einem Punkte ausstrahlen, bei Meeressternschnecken (Doris, Taf. I, [* 1] Fig. 9), deren Laichmassen von einer krausenartig gefaltenen, spiralig aufgerollten Schale umgeben sind, oder bei dem Laich von Pirula (s. d., Taf. 1, [* 1] Fig. 11), wo die einzelnen Laichpakete (Ootheken) als unregelmäßige Scheiben, an einer Stelle am Rande durch eine Art horniger Strebe vereinigt, etagenartig übereinander liegen. Einzelne, hornschalige Eier aber nebeneinander legen Tintenfische (Sepia officinalis L., Taf. I, [* 1] Fig. 6), Purpurschnecken (Purpura lapillus Lam., Taf. I, [* 1] Fig. 7, a natürliche Größe, b vergrößert) und Wellhörner (Buccinum, Taf. I, [* 1] Fig. 10). Die Landschnecken legen einzelne, ziemlich hartschalige Eier (z. B. Bulimus ovatus Müll., Taf. I, [* 1] Fig. 8 aufgeschnitten mit Embryo; natürliche Größe).
Die Eier der Insekten (Taf. II, [* 1] Fig. 1-14) sind mehr oder weniger hartschalig und jedes Ei hat seine eigene Schale. Dieselben sind oft am obern Ende ¶
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mit seltsamen Anhängen von nicht ganz klarer Be- deutung versehen oder sie besitzen Stiele, wie bei Schlupf- und Gall- wespen (z. B. ?imi8cn8 t68tac6U8 [* 11] Fig. 11 und Eigentümlich sind auch die Eier der Saugwürnier (s. d.), wenigstens der äußerlich schmarotzenden monogenen (Taf. II, [* 11] Fig. 15), die wenige aber große Eier legen. Die Eier entstehen bei vielen niedern Tieren an unbestimmten Stellen der Körpersubstanz, meist aber im mittelsten Keimblatt (Mesoderm), bei den böher organisierten in den Eierstöcken (s. d.) oderOva- rien.
Aus diesen gelangen sie in die Eileiter, welche entweder direkt nach außen münden oder sich in ein besonderes Organ zur Weiterentwicklung des Eies, d. h. in die Gebärmutter, [* 12] öffnen. Das Säuge- tier-Ei wurde, nachdem Regner de Graaf die im Eierstock enthaltenen Bläschen (die nach dem Ent- decker benannten Follikel), worin die Eier sich bil- den, entdeckt und für die Eier gehalten, 1826 von K. Ei von Vaer aufgefunden und hiermit die eigent- liche Grundlage für die Entwicklungsgeschichte des menschlichen Körpers gelegt.
Die Entwicklung eines Eies ist im allgemeinen nur möglich, wenn dasselbe befruchtet ist, d. b. wenn die männliche Zeugungsflüfsigkeit und insbesondere die in derselben schwimmenden geformten Teile, die Samenfäden, zu dem Ei gelangt sind. Eine solche Befruchtung [* 13] findet entweder schon im Eierstocke statt, oder aber im Eileiter und der Gebärmutter, oder endlich erst, nachdem das Ei gelegt ist. Letzternfalls darf das Ei nur von einer weichen Hülle umgeben sein, damit die Samenfäden ins Innere des Eies gelangen können, wie dies bei den Fröfchen und Fifchen der Fall ist, deren Eier in der Regel erst befruchtet werden, nachdem sie den Eileiter verlassen haben.
Die Eier vieler Insekten, die von einer derben Chitinschale umgeben sind (ähnlich die Krustaceen-Eier, von Wirbeltieren aber die Eier einiger Fische), haben an einer bestimm- ten Stelle feine kanalfö'rmige Durchbohrungen, Mikropylen (Tafel: Eier II, [* 11] Fig. 13,14) genannt, durch welche die Samenfäden bei der Befruchtung eindringen. Die Eier vieler niedern Tiere, wie z. V. diejenigen mancher Infekten, machen in betreff der Nnentbehrlichkeit der Befruchtung eine Ausnahme, indem sie sich auch ohne Hinzukommen von Samen [* 14] zu entwickeln vermögen, wobei dann die etwaige Befruchtung oder Nichtbefruchtung oft das bestim- mende Moment des Geschlechts der Nachkommen bildet. So werden die unbefruchteten Eier der Bie- nenkönigin Männchen (Drohnen), die befruchteten Weibchen (Arbeiterinnen oder Königinnen; s. Par- thenogenesis), aber aus den unbefruchteten Eiern mancher Schmetterlinge [* 15] (z. B. der Seidenspinner) [* 16] gehen gelegentlich zwar Raupen, aber dann nur weibliche hervor.
Bei den Pflanzen, bei welchen die Eier im Ovarium festsitzen und sich innerhalb desselben bis zur Reife entwickeln, fpielt der Pollen, d. i. der aus den Staubfäden entleerte Blutenstaub, die Rolle des männlichen Zcugungsstoffs. Nach- dem derfelbe auf die feuchte Narbe des Pistills ge- langt ist, wächst er zu einem langen Faden [* 17] aus, welcher in den Kanal [* 18] des Pistills hinabwächst, bis er an das Ei gelangt ist, um es zu befruchten. Außer der Befruchtung bedarf jedes Ei noch insbesondere einer gewissen Wärme [* 19] und Feuchtigkeit, um sich zu entwickeln: doch schwankt der nötige Grad beider bei verschiedenen Arten innerhalb sehr weiter Grenzen; [* 20] das Vogelei bedarf z. B. einer bei weitem höhern Brutwärme als das Frosch- oder Fischei oder als das Pflanzenei.
Sobald das Ei befruchtet ist und sich nun weiter entwickelt, wird derjenige Teil seines Inhalts, welcher den Keim des neuen Wesens bildet, Embryo (s. d.) genannt. Die Art und Weise der Entwicklung desselben im Ei lehrt die Ent- wicklungsgeschichte (s. d.). Alle Eier, insbesondere die mit Nahrungsdotter ! und Eiweiß reich ausgestatteten Eier der Vögel, ^ zen, bilden ein vorzügliches Nahrungsmittel, [* 21] weshalb ihnen auch von den Tieren außerordentlich nachgestellt wird und der Mensch besonders durch die Hühnerzucht und den Getreidebau ihre Pro- duktion zu fördern fucht. Da aus dem Ei und den es umhüllenden Stoffen ein neues Wesen entstehen kann, so ist ersichtlich, daß die Eier alles enthalten müssen, was zum Aufbau und zur Erhaltung eines Organismus nötig ist. So finden sich z. B. in den z Hühnereiern stickstoffhaltige (Eiweiß) und stickstoff- ^ lofe (Fett) Stoffe fowie die Salze gerade in dem Verhältnis gemischt, wie es für die Ernährung eines jungen Tieres nötig ist.
Die Milch, von welcher ja auch ein junges Tier ausschließlich leben kann, zeigt ähnliche Verhältnisse. Flüssiges Ei bildet deshalb einen Ersatz für die Milch für Kinder im Säuglings- alter, wenn sie die Milch nicht vertragen. Dasselbe gilt für Kranke und Schwache. Andererseits wird der Nahrungswert des Eies vielfach überschätzt. Es enthält nämlich das Hühnerei: Schale 10,7, Eiweih- stoffe 11,9, Fett 12,8, Salze 0,?, Wasser 03,9 Proz. Ein Hühnerei wiegt durchschnittlich 50 z (nur ganz abnorm große Eier erreichen ein Gewicht von 60 3). In einem Ei verzehrt der Mensch in runder Zahl 6 F Eiweißstosse, das ist aber nur der zwanzigste Teil seines täglichen Bedarfs.
Der Nahrungswert des Eies läßt sich am besten mit dem der Milch ver- gleichen, und es entspricht dann ein Ei etwa 150 g Milch. Gekochte Eier sind minder zweckmäßig, weil das hartgeronnene Eiweiß sich nur langsam im Magensaft auflöst. Daher muß man die Vorsicht gebrauchen, harte Eier sehr klein zu kauen, um der Verdauung möglichst vorzuarbeiten; Personen mit schwacher Verdauung aber dürfen nie hartgekochte Eier essen, sondern genießen sie am besten roh, viel- leicht mit etwas Zucker [* 22] gemischt, oder nachdem die Eier wenige Minuten im kochenden Wasser gelegen haben, sodaß nur die äußersten Schichten des Ei- weißes locker geronnen sind.
Ganz unzweckmäßig ist es, das Eiweiß nicht mit zu genießen, wie viele thun; es ist dasselbe ein ganz vorzügliches Nah- rungsmittel und steht dem Dotter kaum nach. Wie alle Eiweißstosse, so enthält auch das Hühnerei Schwefel. Beim Jaulen der Eier entwickelt sich daher reichlicher Schwefelwasserstoff, welcher den Übeln Geruch zur Folge hat. Etwas Schwefel- wasserstoss wird schon durch das bloße Kochen des Eies gebildet und giebt den hartgesottenen Eiern ihren eigentümlichen Geruch. Die im August ge- legten sind die schwersten. Das spec. Gewicht frischer Eier beträgt nach Leppig nicht unter 1,06; sie verlieren durchschnittlich täglich 0,0017 F an speci- fischer Schwere bei der Aufbewahrung an freier Luft, fodaß man in einer Kochsalzlösung vom spec. Gewicht 1,05, in welcher gute Eier untersinken müssen, ein brauchbares Mittel zur Beurteilung be- sitzt. Der Gehalt an Dotter beträgt 32-35 Proz., ¶