Ehrengerichte
,
im allgemeinen die zur Untersuchung und Beilegung von Ehrensachen niedergesetzten
Gerichte von Standesgenossen.
Sie kamen zuerst beim deutschen
Adel als vertragsmäßige Einrichtungen, sogen.
Ehrentafeln (judicia heroica oder equestria)
vor, wurden aus hohen Adligen zusammengesetzt und vom
Landesherrn bestätigt, urteilten nach einem eignen
Ehrenrecht und hatten einen Ehrenmarschall an ihrer
Spitze, der zuvor die
Schilde und
Ahnen dessen erprobte, der vor dem Ehrengericht
erscheinen wollte.
Die heutigen militärischen Ehrengerichte
haben den
Zweck, die gemeinsame
Ehre des Offizierstandes sowie die
Ehre des Einzelnen zu wahren,
gegen Mitglieder, deren Benehmen die Standesehre verletzt, einzuschreiten und auf die
Entfernung unwürdiger
Glieder
[* 2] aus der
Genossenschaft anzutragen. Außerdem haben die Ehrengerichte
Streitigkeiten und
Beleidigungen der
Offiziere unter sich sowie
Anreizungen zum
Zweikampf vor ihr
Forum
[* 3] zu ziehen, insofern dieselben nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit einem
Akte des
Dienstes stehen, in welchem
Fall sie als
Dienstvergehen zu bestrafen sind.
Für das
Deutsche Reich
[* 4] sind jetzt die preußischen Bestimmungen über die militärischen Ehrengerichte
maßgebend. Hiernach
bildet für die Hauptleute und
Leutnants das Offizierkorps jedes
Regiments oder selbständigen
Bataillons, für
Reserve-,
Landwehr-
und verabschiedete
Offiziere das Offizierkorps des Landwehrbataillonsbezirks, in
dem sie wohnen, für
Stabsoffiziere die
Gesamtheit der
Stabsoffiziere in einem Divisionsbereich ein Ehrengericht
, dessen jährlich gewählter Ehrenrat (je ein
Hauptmann,
Premier- und
Sekondeleutnant, resp. ein Oberst,
Oberstleutnant und
Major) vom
Kommandeur, bei
Stabsoffizieren vom Divisionskommandeur
mit der
Führung etwaniger Untersuchungen beauftragt wird.
Sind die Akten spruchreif, so spricht das Offizierkorps das Urteil, welches, abgesehen von Erklärung der Unzuständigkeit oder dem Antrag auf Vervollständigung der Untersuchung, nur lauten darf auf Freisprechung oder auf »Schuldig der Gefährdung der Standesehre und Warnung«, »Schuldig der Verletzung der Standesehre und Beantragung der Entlassung«, für letzteres bei Verabschiedeten »Verlust des Rechts, die Uniform zu tragen«, oder endlich auf »Schuldig und Beantragung der Entfernung aus dem Offizierstand«, bei Verabschiedeten »Verlust des Offiziertitels«.
Urteile bis zur Warnung bestätigt der Divisionskommandeur, die übrigen bedürfen der Bestätigung des
Königs. Bei Streitigkeiten
und
Beleidigungen soll der Ehrenrat die Vermittelung versuchen. Das Ehrengericht
hat »darüber
zu wachen, daß unnütze
Händel und mutwillige Zänkereien vermieden werden, um die
Ehre eines jeden
Offiziers
und dadurch auch des ganzen
Korps, mit Rücksicht auf die eigentümlichen Verhältnisse des Offizierstandes, fleckenlos zu
erhalten«.
Läßt sich jedoch eine Vermittelung nicht herbeiführen, und beabsichtigen die Beteiligten, die
Sache durch ein
Duell zu erledigen,
so sind dieselben auf die gesetzlichen
Strafen zu verweisen, an dem
Zweikampf selbst jedoch nicht zu hindern;
vielmehr haben Mitglieder des Ehrenrats dem
Duell als Kampfrichter beizuwohnen (Vgl. preußische
Verordnung vom Kabinettsordern
vom 3. April und neuere preußische
Verordnung vom
August 1874, von
Bayern
[* 5] angenommen und publiziert - Auch
auf
Universitäten, wo früher nur die
Burschenschaften Ehrengerichte
hatten, sind letztere in neuester Zeit in allgemeinere
Aufnahme gekommen und haben hier und da sogar gesetzliche
Sanktion erhalten.
Endlich gehören die der
Rechtsanwalte hierher. Nach der Rechtsanwaltsordnung für das
Deutsche Reich (§ 41 ff., 62 ff.) besteht
dies Ehrengericht
aus dem Vorstand derjenigen
Anwaltskammer, welcher der betreffende
Rechtsanwalt angehört.
Der Vorstand entscheidet im ehrengerichtlichen
Verfahren in der Besetzung von fünf Mitgliedern, und zwar setzt sich dies
Ehrengericht aus dem Vorsitzenden, dessen Stellvertreter und drei andern Mitgliedern des Vorstandes zusammen.
Die ehrengerichtliche Bestrafung, welche ein Rechtsanwalt, der die ihm obliegenden Pflichten verletzte, verwirkt hat, kann in Warnung, Verweis, Geldstrafe bis zu 3000 Mk. oder Ausschließung von der Rechtsanwaltschaft bestehen. Gegen die Urteile des Ehrengerichts ist das Rechtsmittel der Berufung an den Ehrengerichtshof gegeben, welcher aus dem Präsidenten des Reichsgerichts als Vorsitzendem, drei Mitgliedern des Reichsgerichts und drei Mitgliedern der Anwaltskammer bei dem Reichsgericht besteht.