Edelsteins
chleiferei,
die Gesamtheit der Arbeiten, wie Spalten, Zersägen, Grauen, Rundieren, Facettieren und Polieren, die den Zweck haben, dem Edelstein eine neue Form, umschlossen von glänzenden Flächen (Facetten), zu geben. Die natürlichen Formen der Mineralien [* 2] genügen nur in den seltensten Fällen, um jene Charaktere, die man von einem Schmucksteine verlangt, namentlich Farbe und Durchsichtigkeit, in vorteilhaftester Weise dem Beschauer kenntlich zu machen.
Meist treten diese Eigenschaften nur dann deutlich und rein hervor, wenn dem rohen Steine durch Schleifen neue Begrenzungsformen gegeben und deren Glätte und Glanz durch Polieren erhöht wurde. Die verschiedenen Schmucksteine besitzen aber wechselnde optische Eigenschaften; die Schliffformen müssen daher immer dem Charakter des zu bearbeitenden Materials angepaßt werden. Man unterscheidet zwei Gruppen von Schliffformen, solche, deren Gestalt allseits durch vollkommen ebene Flächen begrenzt ist, und andererseits mugelig, mit erhaben gekrümmter Oberfläche geschliffene Steine.
Die ebenflächigen Schliffformen imitieren im allgemeinen die an natürlichen
Krystallen so häufig zu
beobachtende Gestalt einer vierseitigen Doppelpyramide (s. beistehende
[* 1]
Fig.
1). ^[Abb. Fig. 1: Doppelpyramide] Man unterscheidet hierbei
den Oberteil (Pavillon,
Krone), der auch in der Fassung den obern, dem
Beschauer zugewendeten
Teil des Edelsteins
bildet, und
den Unterteil (Culasse), der beim Fassen nach unten, abgewendet zu liegen kommt. Rundiste (Rand,
Einfassung)
nennt man diejenige horizontale Kante r, in der die Facetten von Pavillon und Culasse sich schneiden. Die Ebene der Rundiste
ist der breiteste
Teil des Juwels. Einzelnen Formen fehlt eine symmetrisch facettierte Culasse und statt dessen sind sie nach
unten zu durch eine breite
Tafel begrenzt.
Die einfachste Schliffform ist der Spitzstein [* 1] (Fig. 1). Unvollkommen geschliffene alte ind. Diamanten, namentlich aber die ältesten europ. Juwelen des Mittelalters zeigen diese Gestalt. Sie ist identisch mit dem Oktaeder, der natürlichen Spaltungsform des Diamanten und unterscheidet sich von dieser nur durch die nachträgliche künstliche Politur der Flächen sowie durch die teilweise Abrundung der Kanten. Ist am Spitzstein die obere Ecke durch die Ebene t t und die untere Ecke durch die Ebene k k abgestumpft, so heißt er Dickstein, dessen Seitenflächen auch gerundet sein können ¶
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[* 3] (Fig. 2). Der obere Teil hat meist nur die halbe Höhe der Culasse; auch findet man an alten ind. Schnitten die vier Kanten des Pavillons eben abgestumpft, wodurch sich die Zahl der obern Facetten verdoppelt. Die optische Wirkung ist gering.
Aus der Form des Dicksteins hat sich durch den geistigen Einfluß von Kardinal Mazarin, der solche Steine umschleifen ließ, die allgemein gültige Form des Brillant entwickelt. Sowohl Pavillon als Culasse sind reich facettiert. Die obere Begrenzungsfläche des Pavillons heißt Tafel, die untere weit kleinere Begrenzungsfläche der Culasse wird Kalette genannt. Die Facetten, die an der Rundiste liegen, heißen Querfacetten, die an die Tafel grenzenden nennt man Sternfacetten.
Sie sind dreieckig und stoßen mit ihren Spitzen aneinander. Je nach Größe und Schönheit des rohen Materials (Brut genannt) giebt man mehr oder weniger Facetten. Einfaches Gut oder «einmal gemacht» heißen jene Steine, an denen nur der Oberteil facettiert ist. ^[Abb: Fig. 2] ^[Abb: Fig. 3a] ^[Abb: Fig. 3b] Zweimal gemachte Brillanten [* 3] (Fig. 3a, von oben, 3b von der Seite) haben am Pavillon nur 16 dreieckige Facetten in zwei Reihen angeordnet. Diesen unvollständigen Brillantschliff erhalten nur kleine Steine von 1/16 bis ⅛ Karat und 1½ bis 2 mm Durchmesser (die sog. «kleine Ware») oder fehlerhafte unschöne Steine.
Alle bessern Steine werden als dreimal gemachter Brillant (dreifaches Gut) in den Handel gebracht, und eigentlich nur diese als Brillant bezeichnet. Sie haben am Oberteil drei Reihen von Facetten. Am dreifach gemachten Brillanten zählt man 56 Flächen [* 3] (Fig. 4a von oben, 4b von unten, 4c von der Seite), und bei sehr großen Steinen, wie beim Regent (s. Tafel: Diamanten, [* 3] Fig. 3), erhöht sich diese Zahl noch um 16, indem die Querfacetten halbiert werden. Die regelmäßige alte Form des Brillanten besitzt eine quadratische, nur an den Ecken abgestumpfte ^[Abb: Fig. 4a] ^[Abb: Fig. 4b] ^[Abb: Fig. 4c] Tafel und eben solchen Querschnitt der Rundiste. Doch es kommen auch Abweichungen von dieser Symmetrie vor, meist verursacht durch eine ungewöhnliche Gestalt des rohen Steins. Die Rundiste ist manchmal oval wie am Kohinoor (s. Tafel: Diamanten, [* 3] Fig. 9) oder auch birnförmig. Das Farbenspiel wird dann wesentlich begünstigt durch einen zugeschärften Schnitt der Querfacetten nach engl. Mode, während der gewöhnliche holländ. Schnitt die Querfacetten des Oberteils breiter läßt.
Eine wichtige Neuerung des Brillantschliffs führte Caire ein; von ihr ist auch der heutige Modeschliff des Brillanten beeinflußt. Der von ihm ersonnene Sternschnitt (taille à étoile, [* 3] Fig. 5) erfordert große Höhe von Culasse und Pavillon. Die Tafel ist sehr klein und regelmäßig sechseckig. Am Unterteil sind drei Facettenreihen, die im Zickzack verlaufen. ^[] Dieser Schliff zeichnet sich aus sowohl durch ein sehr günstiges Farbenspiel, als auch durch eine Maximalverwertung des Rohmaterials.
Der Gewichtsverlust des Brut beim Schleifen dieser Form beträgt nur 33 Proz. (gegen 45 Proz. beim niedern Brillanten), sie bedarf aber einer sehr sorgsamen Ausführung, um Effekt zu machen. Die Amsterdamer Faktoreien vermeiden jetzt ebenfalls wegen des großen Materialverlustes die ältere niedere Brillantform und machen ähnlich wie Claire ^[Anmerkung: oben stand Caire - was ist richtig?] den Oberteil höher. Während die Höhe des Oberteils der Brillanten der ersten Hälfte unsers Jahrhunderts [* 3] (Fig. 1, zwischen t und r) 4/18 der Gesamthöhe des Oktaeders ausmachte, wird der Oberteil jetzt bis zu 6/18 hoch geschnitten.
Ferner ist die Tafel weit kleiner, früher 4/9, jetzt nur genau 3/9 des Durchmessers der Rundiste. Sie ist ferner ein regelmäßiges Achteck, alle Mittelfacetten gleich, die Rundiste selbst ein regelmäßiges Achteck [* 3] (Fig. 6). Durch diese Anordnung ist es möglich, Brillanten herzustellen von vollständig symmetrischer Gestalt, mit überaus lebhaftem Feuer, ohne daß mehr als 40 Proz. des Brut beim Schleifen unverwendbar wird. Ist ein Brillant möglichst regelmäßig geschliffen, so kann man sein Gewicht ermitteln, ohne den Stein zu ^[Abb: Fig. 5] ^[Abb: Fig. 6] ^[Abb: Fig. 7] wiegen, und zwar durch Messung entweder einer Rundistenseite, oder des größten Durchmessers des Steines selbst. [* 3] Fig. 7 zeigt die Größenverhältnisse verschieden schwerer Diamanten von der ältern Form, wobei die Zahlen die Karate bedeuten; die neuern Steine sind bei gleichem Gewicht etwas größer in der Rundiste. In Brillantform wird nicht nur der Diamant [* 4] geschliffen, sondern auch alle übrigen durchsichtigen Schmucksteine, Zirkon, [* 5] Phenakit, Topas, [* 6] selbst Quarz und die Imitationen aus Straß.
Die farbigen Juwelen, denen ohnehin meist eine oktaedrische Spaltbarkeit fehlt, erhalten häufig eine vom Brillanten verschiedene Form. Dünne Rubine und Saphire, die in der Natur ohnehin meist tafelförmig vorkommen, zeigen oft den Tafelschnitt. Meist findet man ihn am Brut, der halbfertigen Ware, die mit dem unvollkommenen ind. Schliff auf den europ. Markt kommt. Ober-und Unterteil sind durch eine breite Tafel begrenzt; am Oberteil sind 8, 12, 16 willkürlich, aber symmetrisch liegende Quer- und Sternfacetten, am Unterteil 4 - 6 breite Facetten oder eine gerundete Fläche [* 3] (Fig. 8a von der Seite, 8b von oben). ^[Abb: Fig. 8a] ^[Abb: Fig. 8b]
Bei dickern farbigen Steinen erzielt man durch den Treppenschnitt die günstigste Wirkung, bei welchem die eigentümliche Anordnung der Facetten des Unterteils das Zurückstrahlen des Lichts unterstützt. Alle Facetten laufen treppenartig, immer stumpfer werdend, von Rundiste gegen Tafel und Kalette zu; der Querschnitt des Steins kann teils ¶
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oval, teils 4-, 8-, 12seitig sein. Die Zahl der Facettenreihen ist oben zwei, unten vier; selten und nur bei lichtern Steinen werden unten fünf Reihen geschliffen. Für schön gefärbte und doch hell durchsichtige Steine wird mit Vorteil Brillant- und Treppenschliff kombiniert. Der Schliff «mit doppelten Facetten» [* 7] (Fig. 9) hat oben symmetrische Brillantfacetten, unten den Treppenschliff. Eine solche Form kann wegen der großen Anzahl von Facetten manche Fehler des Steins, dunkle Punkte, Risse, Federn im Innern, verdecken.
Ist der Stein für diese Gestalt nicht ^[Abb: Fig. 9.] ^[Abb: Fig. 10.] genügend dick, so werden die Mittelfacetten verlängert (s. Fig. 10);
man sagt, der Stein ist mit «verlängerten Brillantfacetten» geschnitten.
Diese Form giebt man dem Rubin und Saphir jetzt in Paris [* 8] am häufigsten, sie macht die Schmucksteine modern und verkäuflich. Das Verhältnis der Dicke von Ober- und Unterteil ist auch bei diesen letztgenannten Formen durch die Erfahrung festgestellt. Meist giebt man dem Pavillon ⅓, der Culasse ⅔ der Gesamthöhe. Nur bei Nuancen in der Stärke [* 9] der Farbe sind Abweichungen von dieser Regel gestattet. Ist die Farbe schwach, so kann der Unterteil bis ¾ der Gesamthöhe dick sein; ist hingegen die Farbe dunkel, so müssen die Steine viel dünner geschliffen werden. Zu dick belassene Steine haben kein Farbenspiel, weil die tiefer liegenden Facetten nicht mehr auf das einfallende Licht [* 10] wirken können.
Die zweite Gruppe von Schliffformen besitzt nur einen facettierten Oberteil, den nach unten zu eine breite Tafel abschließt. Die wichtigste Gestalt in dieser Gruppe ist die Rose, Raute oder Rosette. Sie wird vorzüglich jenen Diamantstücken gegeben, die beim Brillantieren größerer Individuen abfallen, oder die schon von Natur aus größere Breite [* 11] als Dicke besitzen. Die regelmäßige Rose ist ein Rundstein und hat doppelt so großen Durchmesser als Höhe. Zwei Reihen dreieckiger Facetten werden angeschliffen, die obern, die in eine Spitze zusammenstoßen, bilden die Krone. Die einfach gemachte Rose [* 7] (Fig. 11) hat 6 + 12, die holländische oder Brabanter [* 7] (Fig. 12) hat 6 + 18; ^[Abb: Fig. 11.] ^[Abb: Fig. 12] die dreifach gemachte französische (rose recoupée), an größern Stücken angewendet, 12 + 24 Facetten.
Die Neigung der Quer- und Sternfacetten ist bei der Rose meist symmetrisch gleich, und dann ist der Durchmesser der Krone halb so groß wie jener der Rundiste. Das Größenverhältnis Brabanter Rosetten von 1 bis 5 Karat stellt die [* 7] Fig. 13 dar. ^[Abb: Fig. 13] Diejenigen großen Diamanten, die einst in Indien geschliffen wurden, haben eine Rosen- und Treppenschliff kombinierende Gestalt. (S. Tafel: Diamanten, [* 7] Fig. 1, Großmogul; [* 7] Fig. 2, Orlow.) Größern Steinen wird heutzutage nie diese Form ^[] gegeben;
nur ausnahmsweise und gelegentlich die Pendeloquesform.
Diese ist der eines birnförmigen Brillanten ähnlich, besitzt jedoch weder Tafel noch Kalette und gleicht deshalb zweien an der Grundfläche vereinigten Rosetten. Diejenigen großen Diamanten, die zuerst (1470) in Europa [* 12] geschliffen wurden, z. B. der Florentiner [* 13] (s. Tafel: Diamanten, [* 7] Fig. 4), zeigen diese das Farbenspiel sehr begünstigende Art des Schliffs.
Die tiefgefärbten Pyrope und Granaten [* 14] werden häufig in Rosettenform geschnitten, weil diese ermöglicht, durch Unterlage einer glänzenden Metallfolie im geschlossenen Kasten der Fassung den Stein von innen heraus zu erhellen. Eine hierzu verwendbare interessante Abart des Rosettenschliffs ist die stumpfe und spitze Kreuzrosette ^[Abb: Fig. 14.] ^[Abb: Fig. 15.] ^[Abb: Fig. 16.] [* 7] (Fig. 14 und 15 von der Seite, [* 7] Fig. 16 von oben), die sich an Granaten des österr. Schatzes, die schon im vorigen Jahrhundert geschliffen wurden, findet. Sie wird von 8 vierseitigen Sternfacetten und 16 Querfacetten begrenzt.
Undurchsichtige Schmucksteine, die natürliches Farbenspiel zeigen, werden nicht eben, sondern mugelig geschliffen. Gelegentlich erhalten aber selbst farbige Schmucksteine ersten Ranges, wie Rubin und Saphir, den gleichen Schnitt. Sie werden teils nach beiden Seiten hin mit gewölbter Oberfläche gemacht, teils nur auf einer Seite konvex geschliffen [* 7] (Fig. 17). ^[Abb: Fig. 17] Im letztern Falle ist dann die Unterseite entweder durch eine ebene Tafel abgeschlossen, oder konkav, ausgehöhlt, man sagt «ausgeschlägelt».
Letzteres begünstigt, namentlich wenn in dieser vertieften Kalette einige ^[Abb: Fig. 18] unregelmäßige Furchen eingeschliffen sind, das Zurückwerfen des Lichts von der Innenseite, dient also dazu, den Stein zu erhellen, und wird bei durchscheinenden Arbeitsstücken angewendet. Die gewölbte Oberfläche ist manchmal auch an der Rundiste flach facettiert [* 7] (Fig. 18). Je nach der Natur des Steins muß der Wölbung verschiedene Höhe gegeben werden: je schwächer das natürliche Farbenspiel, desto mugeliger muß die Oberfläche sein. Opale mit lebhafter Farbenwandlung werden daher flach, Asterien, Rubin, Saphir sehr konvex geschliffen, weil dadurch die Lichtwirkung auf einen Punkt konzentriert und der Glanz des Juwels erhöht wird. Alle diese Steine werden so gefaßt, daß die konvexe Seite dem Beschauer zugewendet ist. Nur Halbedelsteine oder zu gewissen Zwecken dienende Schmucksteine, z. B. Siegelringsteine, werden nach oben zu eben und nach unten zu mugelig geschliffen.
Die gewünschte Form erhält jeder Stein durch das Schleifen. Wenn die zu erzeugende Schliffform sich beträchtlich unterscheidet von der natürlichen Gestalt des Schmucksteins, so wird dem Mineral in erster Linie durch Spalten, Zersägen, Grauen, Rundieren eine der Schliffform ähnliche Gestalt gegeben. ¶