(Ebbegebirge), kammartiger, nordöstlich sich ziehender, zwischen
Lenne und
Volme liegender Teil des Sauerländischen
Gebirges im westfälischen
Kreis
[* 3]
Altena.
[* 4]
HöchsterPunkt ist die Nordhelle (633 m) mit weit reichender Aussicht.
und
Flut
(Gezeiten, lat. Aestus maris,
Fluxus et refluxus maris, franz. marées, engl. tides), diejenige
Bewegung des Steigens und
Fallens der Wasserfläche, welche von kosmischen Einflüssen und zwar von der
Anziehung des
Mondes
und der
Sonne
[* 5] herrührt. Die
Anziehung des
Gestirns wirkt in einem demselben zugewendeten
Punkte der Erdoberfläche
stärker, in einem diametral entgegengesetzten
Punkte derselben geringer als im Erdmittelpunkt. In beiden
Fällen aber ist
die
Differenz der
Anziehungen auf
Mittelpunkt und Oberfläche entgegen der irdischen
Schwerkraft gerichtet, vermindert also dieselbe
an diesen beiden
Punkten.
Unter der
Annahme eines ganz von
Wasser überdeckten Erdballes findet also dem
Gestirn zu- und abgewendet
je eine
Erhebung der Wasserfläche statt, welche infolge der 24stündigen
Rotation der
Erde diese umkreist und an einem
Punkt
an jedem
Tag zweimal eine
Erhebung und zweimal eine
Senkung des Wasserspiegels beobachten läßt. Die von der
Sonne und vom
Mond
[* 6] gemeinsam herrührende Gezeitenwelle tritt stärker oder schwächer auf, je nachdem beide
Gestirne in
gemeinsamer oder differierender
Richtung wirksam sind.
Ersteres ist der
Fall zur Zeit des Voll- und
Neumondes, und die dann erregten höchsten
Fluten sind die
Springfluten, letzteres
zur Zeit des ersten und letzten
Viertels, wo dann die niedrigsten sogen. Nippfluten auftreten. Dieser
in jedem
Monat sich zweimal vollziehende
Wechsel in der
Höhe (und, wie leicht ersichtlich, auch in der Zeit) des Flutwechsels
wird als die halbmonatliche Ungleichheit bezeichnet. Wenn
Sonne und
Mond nicht im
Äquator stehen, so befinden sich die diametral
gegenüberliegenden
Punkte größter
Erhebung zu verschiedenen Seiten desÄquators.
Die Erdrotation hat daher für einen und denselben
Punkt eines Breitenparallels zur
Folge, daß zwei
Hochwasser von ungleicher
Höhe im
Lauf eines
Tags beobachtet werden. Diese
Erscheinung bezeichnet man als die tägliche Ungleichheit. Dieselbe kann bis
zum Erlöschen des einen
Hochwassers anwachsen, so daß dann Eintagsfluten entstehen. Die halbmonatliche Ungleichheit
ist also abhängig von den Mondphasen, die tägliche Ungleichheit von der
Deklination des
Mondes und der
Sonne. Das theoretische
Verhältnis zwischen
Mond- und Sonnenflut ergibt sich aus folgender Betrachtung:
Die Anziehungskraft eines
Gestirns ist proportional seiner
Masse M, dividiert durch das
Quadrat der
Entfernung R, also M/R².
Ist dieserAusdruck gültig für den
Mittelpunkt der
Erde, so gilt für die beiden dem
Gestirn zu-, bez.
abgewendeten
Punkte der Erdoberfläche, wenn ρ den Erdradius bezeichnet: (M/(R±ρ))². Wenn man diesen
Ausdruck auflöst
und ρ² gegen R² vernachlässigt, erhält man (M/R²)±(2Mρ/R²). Es ist also die fluterzeugende
Kraft
[* 7] eines
Gestirns 2Mρ/R²,
und die eines zweiten von der
Massem und der
Entfernungr ist 2mρ/r², also das
Verhältnis beider zu einander
Mr³/(R³m). Da die Sonnenmasse 324,479,
die Mondmasse 1/81 Erdmassen beträgt, ferner die
Sonne 387mal so weit von der
Erde
entfernt ist wie der
Mond, so erhält man das
Verhältnis der fluterregenden
Kraft der
Sonne zu der des
Mondes
gleich 324479·81/387³ = 1:2,2.
Der
Theorie nach muß also das
Verhältnis von
Springflut zur Nippflut sein (1+2,2):(2,2-1) oder 3,2:1,2, und
umgekehrt muß sich aus
Beobachtung der
Spring- und Nippflut das
Verhältnis der
Mond- zur Sonnenflut finden lassen (halbe
Summe,
dividiert durch halbe
Differenz der beobachteten
Spring- und Nippfluten). Diese Untersuchung ist ein Prüfstein
geworden für die in der
Natur vorkommenden Gezeitenerscheinungen in Bezug auf ihre durch örtliche Verhältnisse (namentlich
durch
Reibung
[* 8] auf flachem
Wasser) bedingten
Anomalien.
Man kann von vornherein nicht erwarten, daß die
Gezeiten an den
Küsten so zur
Beobachtung gelangen, wie sie in
einem ununterbrochenen Weltmeer gebildet werden würden. In der That findet sich in der
Natur eine außerordentliche Mannigfaltigkeit
der
Erscheinungen, deren Zusammenhang erst zum kleinsten Teil erforscht ist. Eintrittszeit und
Höhe von u. F. sind aber für
den
Verkehr an den
Küsten und in den Seehäfen von hervorragender Wichtigkeit; man hat sich daher von
jeher bemüht, einfache Beziehungen aufzusuchen, mit
Hilfe deren eine Vorausberechnung dieser beiden
Elemente für die einzelnen
Orte zu bewerkstelligen ist.
Der Umstand, daß an den
Küsten des Atlantischen
Ozeans und besonders in
Europa
[* 9] der Zusammenhang mit den Mondphasen weitaus
in den
Vordergrund tritt und ziemlich gleichartig verläuft, hat ein sehr einfaches
Verfahren angenäherter
Vorausberechnung auffinden lassen. Das Zeitintervall zwischen der
Kulmination des
Mondes am
Tag von
Neu- und Vollmond und dem
darauf folgenden
Hochwasser nennt man die
Hafenzeit des
Ortes, dieselbe ist also als identisch zu betrachten mit der Eintrittszeit
des
Hochwassers am Nachmittag jener beiden
Tage. Um dann für einen andern
Tag die
Hochwasserzeit zu finden,
fügt man der Kulminationszeit des
Mondes die
Hafenzeit hinzu und verbessert diese
Summe für die halbmonatliche Ungleichheit
der Zeit. Der Betrag dieser
Korrektion ist aus einer kleinen
Tabelle wie die folgende zu entnehmen, welche aus einer großen
Zahl von
Beobachtungen an verschiedenen
Orten berechnet ist:
Wegen der Unsicherheit, welche dieser (in Wirklichkeit für jeden
Ort verschiedenen)
Korrektion anhaftet, hat
man statt der gewöhnlichen
Hafenzeit die verbesserte
Hafenzeit vielfach in
Gebrauch genommen, d. h. das mittlere Mondflutinterwall
^[richtig: Mondflutintervall] des ganzen
Monats. Diese letztere Zahl ist namentlich als Vergleichsgröße geeignet, erfordert
aber zu ihrer Feststellung eine längere Beobachtungsdauer.
Für die
Vorausbestimmung der
Höhe muß der Flutwechsel, d. h. der Unterschied zwischenHoch- und Niedrigwasser
für
Spring- und Nippflut, bekannt sein oder wenigstens der mittlere Flutwechsel; dieses
Element ist indessen noch weniger
zuverlässig als das der Zeit. Die für die
Küsten aller
Meere¶
mehr
zusammengestellten Tafeln der Hafenzeiten und Flutwechsel ergeben außerordentliche Verschiedenheiten der Gezeitenverhältnisse
der einzelnen Küstenpunkte. Die Konfiguration der Küsten und die Tiefenverhältnisse üben einen so komplizierten Einfluß
auf diese Verhältnisse aus, daß eine Zusammenstellung nicht viel zur Erkenntnis der Erscheinung beizutragen vermag. Die Weltkarten
mit Linien gleicher Hochwasserzeit (Isorachien, cotidal lines) geben kein richtiges Bild und lassen keinen
Schluß zu über ein Fortschreiten der Flutwelle im offenen Ozean.
Für den Verlauf der auf flachem Wasser angelangten Welle im Bereich einzelner Küstenabschnitte gewinnt man dagegen aus den
Hafenzeiten und Fluthöhen interessante Aufschlüsse. So läßt sich an den europäischen Küsten verfolgen, wie die
Flutwelle in den EnglischenKanal
[* 11] eindringt und durch die Straße von Dover
[* 12] bis zur holländischen Küste fortschreitet, während
im Norden
[* 13] eine Welle in die Nordsee eintritt, welche regelmäßig an der Ostküste von Schottland und England nach Süden fortschreitet
und bis vor die Themse gelangt. Wahrscheinlich gibt diese nördliche Welle allein den Impuls für die Gezeitenerscheinungen
der deutschen Küsten. Für die vorliegenden Inseln ergeben sich hier folgende Hafenzeiten und mittlere Fluthöhen:
Die folgenden Daten für einige deutsche Häfen lassen erkennen, wie das Eintreten des Hochwassers in flachem Wasser verzögert
wird, während der Flutwechsel bei Kontraktion der Ufer in der Regel zuerst zunimmt, weiterhin aber in den
Flüssen schnell kleiner wird:
Die höchsten Fluten an der europäischen Küste beobachtet man im Bristolschen Kanal. In Bristol selbst (CumberlandDock)
[* 14] beträgt
der Flutwechsel 9,6 m, bei Portishead sogar 12,2 m.
Nicht minder bemerkenswert ist der Flutwechsel im Golf von St.-Malo (Flutwechsel bei SpringzeitSt.-Malo 10,7, Cancale 11,3 m).
Die höchsten Fluten sind in der Fundybai (Neuschottland) beobachtet zu 15,4 m (in der Noëlbai), und an der
Ostküste von Patagonien kaum minder hohe (PuertoGallegos 14,0, SantaCruz-Fluß 12,2, Eingang der Magelhaensstraße bis 13,4
m). Auch außerhalb des Atlantischen Ozeans werden beträchtliche Fluthöhen angetroffen, so im Golf von Cambay (Vorderindien)
bis 9,1 m, an der Nordwestküste von Australien
[* 15] in der Hannoverbai bis
11,6 m, auch für die Küste von Korea
im Saleefluß wird der Flutwechsel zu 11,3 m angegeben. Dem gegenüber finden sich an den frei
liegenden Inseln inmitten des Ozeans überall nur geringe Fluthöhen, welche nur sehr vereinzelt 2 m erreichen
oder um ein Geringes übersteigen.
Die Gezeiten ganz oder teilweise abgeschlossener Wasserbecken bietenden Beleg dafür, daß der Ursprung der u. F. nicht aus
dem Südozean hergeleitet werden muß, wie man früher für erforderlich hielt, sondern daß sich dieselben auch ganz lokal
selbständig entwickeln können. Die u. F. im Michigansee sind in dieser Beziehung beachtenswert. Bei
Chicago beträgt der Flutwechsel bei Springflut 73 mm, bei Nippflut 37 mm, bei Milwaukee 27 und 10 mm. Das Verhältnis der Sonnenflut
zur Mondflut findet sich gleich 1:2,19 für Milwaukee. Die Hafenzeit beträgt ½-1 Uhr.
[* 16]
In der Ostsee sind die Gezeiten bisher nur aus sehr lückenhaftem Material nachgewiesen. Erst in neuester
Zeit ist der Anfang gemacht, mit Hilfe selbstregistrierender Pegel genauere Daten zu gewinnen. Von Kiel
[* 17] bis Memel
[* 18] ist aber das
Vorhandensein wirklicher u. F. hinlänglich nachgewiesen. Hagen
[* 19] fand die Springflutgröße von Rügen bis Memel von 7-1 cm abnehmend
und die Hafenzeiten von Westen nach Osten sich verspätend. Die halbmonatliche Ungleichheit fand Hagen größer
als im Atlantischen Ozean. Die zuverlässigsten Werte sind nach neuern Angaben:
Wie weit in der Ostsee eine selbständige u. F. vorhanden ist, läßt sich noch nicht mit Sicherheit angeben;
im westlichen Teil ist die durch die Belte zu verfolgende Flutwelle jedenfalls von überwiegendem Einfluß.
Eine besonders merkwürdige Gezeitenerscheinung ist die der brandenden Flutwelle, welche am bekanntesten ist unter der englischen
Bezeichnung bore oder der französischen mascaret, Bezeichnungen, welche speziell von den Anwohnern des
Hugli, bez. der Gironde für die in diesen Flüssen auftretenden Erscheinungen dieser Art herrühren. Im Bristolschen Kanal, in der
Seinemündung, in der Mündung des Amazonenstroms und in vielen andern Flußmündungen beobachtet man Ähnliches, sobald die
Flutwelle ein starkes Gefälle zu überwinden hat und sehr schnell auf flaches Wasser gelangt, wo die Tiefe
ihrer Geschwindigkeit nicht mehr entspricht. So beschreibt Lentz (»Flut und Ebbe und die Wirkungen des Windes auf den Meeresspiegel«,
Hamb. 1879) die Flutwelle im Bristolschen Kanal: »Die Springflutgröße bei LundyIsland
[* 22] beträgt 27 engl. Fuß und nimmt bis
Kingsroad an der Mündung des Avon unausgesetzt zu, indem der Scheitel der Flutwelle sich hebt, ihr Fußpunkt
sich senkt. Zugleich mit der Größe wächst die Geschwindigkeit der Welle und steigert sich von 36 bis auf 49 Seemeilen in der
Stunde. Bei Severn Lodge stößt die Welle auf die EnglishStones und findet auch weiter aufwärts nur einen
seichten Fluß mit starkem Gefälle. Der Wellenscheitel fährt fort, sich zu heben, der Fußpunkt kann sich nicht mehr senken,
sondern liegt bei Sharpneß schon etwa 14, bei Newnham etwa 28 Fuß höher als bei Kingsroad. Die Flutgröße hat bis Sharpneß
auf 29, bis Newnham auf 16 Fuß, die Geschwindigkeit der Welle erst auf 21 und bei Newnham auf 9 Seemeilen
abgenommen.
¶
mehr
Diesen gewaltigen Änderungen vermag sich die Flutwelle nicht zu unterziehen, ohne gleichsam Beschädigungen davonzutragen.
Auf dem steinichten Flußbett findet sie nicht das zur Bildung ihres Fußes erforderliche Wasser, der nachdrängende Teil der
Welle überholt den verkümmerten Fuß, und statt mit einer sanft geneigten Ebene beginnt die Welle mit einer schäumenden
Wassermasse von 2-4 FußHöhe, welche auf der Strecke von Sharpneß bis Newnham und weiter tosend flußaufwärts eilt. Schon
aus weiter Ferne hört man das Brausen des ankommenden Bore, es steigert sich von Sekunde zu Sekunde bis zum Geräusch eines mächtigen
Wasserfalles; endlich sieht man eine weiße, quer über den ganzen Fluß reichende Masse sich nähern, und
nach wenigen Augenblicken ist der bis dahin regungslose Wasserspiegel in eine wild bewegte See verwandelt. Von nun an steigt
das Wasser mit großer Schnelligkeit, nach wenigen Minuten verhallt das Lärmen des aufwärts rückenden Bore in großer Ferne,
und die weitere Entwickelung der Flut nimmt ihren regelmäßigen Verlauf.« Einen regen Aufschwung hat die
Untersuchung der u. F. in neuester Zeit genommen durch die Bearbeitung der mittels selbstregistrierender Pegel (Mareographen)
erhaltenen Wasserstandskurven nach einer von SirWilliamThomson angegebenen Methode, der sogen. harmonischen Analyse.
Die so aufgezeichneten Wasserstandsschwankungen lassen sich nämlich ansehen als entstanden durch Superposition
von Oszillationen verschiedener Amplitude und Dauer, die alle das Gesetz der Pendelschwingungen befolgen. Jede Oszillation entspricht
einem Element der Mond- oder Sonnenbahn; die zugehörige Dauer ist also Voraussetzung der Theorie, während die Amplitude aus
den Beobachtungen ermittelt werden muß. Wenn man nun aus einer längern Beobachtungsreihe für die wichtigsten
Bahnelemente von Sonne und Mond die Konstanten empirisch festgestellt hat, so kann man aus diesen Konstanten für eine andre
Zeit die zu erwartenden Wasserstandskurven im voraus konstruieren. Für eine große Anzahl von Orten ist diese Operation ausgeführt
zum Teil mit Hilfe eines sinnreichen Mechanismus, des Tidepredicter, welcher in der Nautical AlmanachOffice
zu London
[* 24] aufgestellt ist.
Diese Berechnungen sind für die Physiker von besonderm Interesse geworden wegen der Schlüsse, welche man aus den Gezeitenerscheinungen
auf die Konstitution des Erdinnern zu ziehen versucht hat. Sir W. Thomson hat gezeigt, daß eine elastische Kugel von der Größe
der Erde, selbst wenn sie so hart wie Stahl oder Glas
[* 25] wäre, immer noch durch die Gezeiten erregenden Kräfte
periodische Deformationen erleiden muß. Besteht nun die Erde im Innern aus einer homogen-elastischen Masse, so beobachten
wir bei der u. F. des Ozeans nur die Differenz zwischen der Deformation des Erdkörpers und der flüssigen
Hülle.
Auf einem vollkommen starren Erdkern dagegen müssen die Wassergezeiten in ihrem Verlauf in viel vollkommenerm Maß die Bewegung
des Mondes und der Sonne widerspiegeln. Wegen der unregelmäßigen Gestalt der Meeresbecken sind nun die Oszillationen kurzer
Periode von Reflexionserscheinungen zu stark beeinflußt, um für diese Untersuchungen Verwendung zu finden. Man
hat daher mit Hilfe der harmonischen Analyse nach den Oszillationen langer Periode geforscht (z. B. nach den von der wechselnden
Entfernung der Gestirne abhängigen, also halbmonatlichen und halbjährlichen). Es scheint aber bisher nicht gelungen zu sein,
solche irgendwo sicher nachzuweisen. Daraus ist der Schluß gezogen
worden, daß die Erdoberfläche sich selbst
mit dem darauf befindlichen Meer auf und ab bewegt und zwar in solchem Maß, daß man das Erdinnere nicht als starr anzunehmen
berechtigt ist. Jedoch mag es sein, daß die bisher zu Grunde gelegten Beobachtungsorte nicht genügend reine Gezeitenerscheinungen
zur Anschauung gebracht haben.
Der Reaktion der u. F. schreibt man auch die Verzögerung der Umdrehungsgeschwindigkeit, also das langsame
Wachsen der Tageslänge zu, welche aus Vergleichung astronomischer Beobachtungen neuester Zeit mit ältern konstatiert ist.
Die Flutwelle bleibt mit ihrem Scheitel hinter dem Meridian des fluterregenden Gestirns zurück wegen der Reibung. Auf dieser
Seite des Meridians ist also mehr Masse vorhanden, und indem der störende Körper dort infolgedessen kräftiger
wirkt, übt er einen verzögernden Einfluß auf die Erdrotation aus.
Ist die Deformation des Erdkörpers sehr bedeutend, so wird auch die Veränderung verhältnismäßig rasch verlaufen, und
in größerm Maß, als der Mond auf die Erde, wird die Erde auf den Mond wirken. Unter Annahme sehr günstiger
Voraussetzungen über die Konstitution des Erdinnern ist berechnet worden, daß vor 56 Mill. Jahren der Tag nur 6 Stunden 50 Minuten
lang gewesen sein, die Umlaufszeit des Mondes nur 1 Tag 14 Stunden betragen haben könne. Die Aufmerksamkeit der alten Völker
ward durch das Phänomen der u. F., da es im Mittelmeer, auf welches sich ihre Schiffahrt lange Zeit beschränkte,
nicht in auffallender Mächtigkeit aufzutreten pflegt, weit weniger angezogen als die der neuern.