(Ebbegebirge), kammartiger, nordöstlich sich ziehender, zwischen
Lenne und
Volme liegender Teil des Sauerländischen
Gebirges im westfälischen
Kreis
[* 3]
Altena.
[* 4]
HöchsterPunkt ist die Nordhelle (633 m) mit weit reichender Aussicht.
und
Flut
(Gezeiten, lat. Aestus maris,
Fluxus et refluxus maris, franz. marées, engl. tides), diejenige
Bewegung des Steigens und
Fallens der Wasserfläche, welche von kosmischen Einflüssen und zwar von der
Anziehung des
Mondes
und der
Sonne
[* 5] herrührt. Die
Anziehung des
Gestirns wirkt in einem demselben zugewendeten
Punkte der Erdoberfläche
stärker, in einem diametral entgegengesetzten
Punkte derselben geringer als im Erdmittelpunkt. In beiden
Fällen aber ist
die
Differenz der
Anziehungen auf
Mittelpunkt und Oberfläche entgegen der irdischen
Schwerkraft gerichtet, vermindert also dieselbe
an diesen beiden
Punkten.
Unter der
Annahme eines ganz von
Wasser überdeckten Erdballes findet also dem
Gestirn zu- und abgewendet
je eine
Erhebung der Wasserfläche statt, welche infolge der 24stündigen
Rotation der
Erde diese umkreist und an einem
Punkt
an jedem
Tag zweimal eine
Erhebung und zweimal eine
Senkung des Wasserspiegels beobachten läßt. Die von der
Sonne und vom
Mond
[* 6] gemeinsam herrührende Gezeitenwelle tritt stärker oder schwächer auf, je nachdem beide
Gestirne in
gemeinsamer oder differierender
Richtung wirksam sind.
Ersteres ist der
Fall zur Zeit des Voll- und
Neumondes, und die dann erregten höchsten
Fluten sind die
Springfluten, letzteres
zur Zeit des ersten und letzten
Viertels, wo dann die niedrigsten sogen. Nippfluten auftreten. Dieser
in jedem
Monat sich zweimal vollziehende
Wechsel in der
Höhe (und, wie leicht ersichtlich, auch in der Zeit) des Flutwechsels
wird als die halbmonatliche Ungleichheit bezeichnet. Wenn
Sonne und
Mond nicht im
Äquator stehen, so befinden sich die diametral
gegenüberliegenden
Punkte größter
Erhebung zu verschiedenen Seiten desÄquators.
Die Erdrotation hat daher für einen und denselben
Punkt eines Breitenparallels zur
Folge, daß zwei
Hochwasser von ungleicher
Höhe im
Lauf eines
Tags beobachtet werden. Diese
Erscheinung bezeichnet man als die tägliche Ungleichheit. Dieselbe kann bis
zum Erlöschen des einen
Hochwassers anwachsen, so daß dann Eintagsfluten entstehen. Die halbmonatliche Ungleichheit
ist also abhängig von den Mondphasen, die tägliche Ungleichheit von der
Deklination des
Mondes und der
Sonne. Das theoretische
Verhältnis zwischen
Mond- und Sonnenflut ergibt sich aus folgender Betrachtung:
Die Anziehungskraft eines
Gestirns ist proportional seiner
Masse M, dividiert durch das
Quadrat der
Entfernung R, also M/R².
Ist dieserAusdruck gültig für den
Mittelpunkt der
Erde, so gilt für die beiden dem
Gestirn zu-, bez.
abgewendeten
Punkte der Erdoberfläche, wenn ρ den Erdradius bezeichnet: (M/(R±ρ))². Wenn man diesen
Ausdruck auflöst
und ρ² gegen R² vernachlässigt, erhält man (M/R²)±(2Mρ/R²). Es ist also die fluterzeugende
Kraft
[* 7] eines
Gestirns 2Mρ/R²,
und die eines zweiten von der
Massem und der
Entfernungr ist 2mρ/r², also das
Verhältnis beider zu einander
Mr³/(R³m). Da die Sonnenmasse 324,479,
die Mondmasse 1/81 Erdmassen beträgt, ferner die
Sonne 387mal so weit von der
Erde
entfernt ist wie der
Mond, so erhält man das
Verhältnis der fluterregenden
Kraft der
Sonne zu der des
Mondes
gleich 324479·81/387³ = 1:2,2.
Der
Theorie nach muß also das
Verhältnis von
Springflut zur Nippflut sein (1+2,2):(2,2-1) oder 3,2:1,2, und
umgekehrt muß sich aus
Beobachtung der
Spring- und Nippflut das
Verhältnis der
Mond- zur Sonnenflut finden lassen (halbe
Summe,
dividiert durch halbe
Differenz der beobachteten
Spring- und Nippfluten). Diese Untersuchung ist ein Prüfstein
geworden für die in der
Natur vorkommenden Gezeitenerscheinungen in Bezug auf ihre durch örtliche Verhältnisse (namentlich
durch
Reibung
[* 8] auf flachem
Wasser) bedingten
Anomalien.
Man kann von vornherein nicht erwarten, daß die
Gezeiten an den
Küsten so zur
Beobachtung gelangen, wie sie in
einem ununterbrochenen Weltmeer gebildet werden würden. In der That findet sich in der
Natur eine außerordentliche Mannigfaltigkeit
der
Erscheinungen, deren Zusammenhang erst zum kleinsten Teil erforscht ist. Eintrittszeit und
Höhe von u. F. sind aber für
den
Verkehr an den
Küsten und in den Seehäfen von hervorragender Wichtigkeit; man hat sich daher von
jeher bemüht, einfache Beziehungen aufzusuchen, mit
Hilfe deren eine Vorausberechnung dieser beiden
Elemente für die einzelnen
Orte zu bewerkstelligen ist.
Der Umstand, daß an den
Küsten des Atlantischen
Ozeans und besonders in
Europa
[* 9] der Zusammenhang mit den Mondphasen weitaus
in den
Vordergrund tritt und ziemlich gleichartig verläuft, hat ein sehr einfaches
Verfahren angenäherter
Vorausberechnung auffinden lassen. Das Zeitintervall zwischen der
Kulmination des
Mondes am
Tag von
Neu- und Vollmond und dem
darauf folgenden
Hochwasser nennt man die
Hafenzeit des
Ortes, dieselbe ist also als identisch zu betrachten mit der Eintrittszeit
des
Hochwassers am Nachmittag jener beiden
Tage. Um dann für einen andern
Tag die
Hochwasserzeit zu finden,
fügt man der Kulminationszeit des
Mondes die
Hafenzeit hinzu und verbessert diese
Summe für die halbmonatliche Ungleichheit
der Zeit. Der Betrag dieser
Korrektion ist aus einer kleinen
Tabelle wie die folgende zu entnehmen, welche aus einer großen
Zahl von
Beobachtungen an verschiedenen
Orten berechnet ist:
Wegen der Unsicherheit, welche dieser (in Wirklichkeit für jeden
Ort verschiedenen)
Korrektion anhaftet, hat
man statt der gewöhnlichen
Hafenzeit die verbesserte
Hafenzeit vielfach in
Gebrauch genommen, d. h. das mittlere Mondflutinterwall
^[richtig: Mondflutintervall] des ganzen
Monats. Diese letztere Zahl ist namentlich als Vergleichsgröße geeignet, erfordert
aber zu ihrer Feststellung eine längere Beobachtungsdauer.
Für die
Vorausbestimmung der
Höhe muß der Flutwechsel, d. h. der Unterschied zwischenHoch- und Niedrigwasser
für
Spring- und Nippflut, bekannt sein oder wenigstens der mittlere Flutwechsel; dieses
Element ist indessen noch weniger
zuverlässig als das der Zeit. Die für die
Küsten aller
Meere¶
mehr
zusammengestellten Tafeln der Hafenzeiten und Flutwechsel ergeben außerordentliche Verschiedenheiten der Gezeitenverhältnisse
der einzelnen Küstenpunkte. Die Konfiguration der Küsten und die Tiefenverhältnisse üben einen so komplizierten Einfluß
auf diese Verhältnisse aus, daß eine Zusammenstellung nicht viel zur Erkenntnis der Erscheinung beizutragen vermag. Die Weltkarten
mit Linien gleicher Hochwasserzeit (Isorachien, cotidal lines) geben kein richtiges Bild und lassen keinen
Schluß zu über ein Fortschreiten der Flutwelle im offenen Ozean.
Für den Verlauf der auf flachem Wasser angelangten Welle im Bereich einzelner Küstenabschnitte gewinnt man dagegen aus den
Hafenzeiten und Fluthöhen interessante Aufschlüsse. So läßt sich an den europäischen Küsten verfolgen, wie die
Flutwelle in den EnglischenKanal
[* 11] eindringt und durch die Straße von Dover
[* 12] bis zur holländischen Küste fortschreitet, während
im Norden
[* 13] eine Welle in die Nordsee eintritt, welche regelmäßig an der Ostküste von Schottland und England nach Süden fortschreitet
und bis vor die Themse gelangt. Wahrscheinlich gibt diese nördliche Welle allein den Impuls für die Gezeitenerscheinungen
der deutschen Küsten. Für die vorliegenden Inseln ergeben sich hier folgende Hafenzeiten und mittlere Fluthöhen:
Die folgenden Daten für einige deutsche Häfen lassen erkennen, wie das Eintreten des Hochwassers in flachem Wasser verzögert
wird, während der Flutwechsel bei Kontraktion der Ufer in der Regel zuerst zunimmt, weiterhin aber in den
Flüssen schnell kleiner wird:
Die höchsten Fluten an der europäischen Küste beobachtet man im Bristolschen Kanal. In Bristol selbst (CumberlandDock)
[* 14] beträgt
der Flutwechsel 9,6 m, bei Portishead sogar 12,2 m.
Nicht minder bemerkenswert ist der Flutwechsel im Golf von St.-Malo (Flutwechsel bei SpringzeitSt.-Malo 10,7, Cancale 11,3 m).
Die höchsten Fluten sind in der Fundybai (Neuschottland) beobachtet zu 15,4 m (in der Noëlbai), und an der
Ostküste von Patagonien kaum minder hohe (PuertoGallegos 14,0, SantaCruz-Fluß 12,2, Eingang der Magelhaensstraße bis 13,4
m). Auch außerhalb des Atlantischen Ozeans werden beträchtliche Fluthöhen angetroffen, so im Golf von Cambay (Vorderindien)
bis 9,1 m, an der Nordwestküste von Australien
[* 15] in der Hannoverbai bis
11,6 m, auch für die Küste von Korea
im Saleefluß wird der Flutwechsel zu 11,3 m angegeben. Dem gegenüber finden sich an den frei
liegenden Inseln inmitten des Ozeans überall nur geringe Fluthöhen, welche nur sehr vereinzelt 2 m erreichen
oder um ein Geringes übersteigen.
Die Gezeiten ganz oder teilweise abgeschlossener Wasserbecken bietenden Beleg dafür, daß der Ursprung der u. F. nicht aus
dem Südozean hergeleitet werden muß, wie man früher für erforderlich hielt, sondern daß sich dieselben auch ganz lokal
selbständig entwickeln können. Die u. F. im Michigansee sind in dieser Beziehung beachtenswert. Bei
Chicago beträgt der Flutwechsel bei Springflut 73 mm, bei Nippflut 37 mm, bei Milwaukee 27 und 10 mm. Das Verhältnis der Sonnenflut
zur Mondflut findet sich gleich 1:2,19 für Milwaukee. Die Hafenzeit beträgt ½-1 Uhr.
[* 16]
In der Ostsee sind die Gezeiten bisher nur aus sehr lückenhaftem Material nachgewiesen. Erst in neuester
Zeit ist der Anfang gemacht, mit Hilfe selbstregistrierender Pegel genauere Daten zu gewinnen. Von Kiel
[* 17] bis Memel
[* 18] ist aber das
Vorhandensein wirklicher u. F. hinlänglich nachgewiesen. Hagen
[* 19] fand die Springflutgröße von Rügen bis Memel von 7-1 cm abnehmend
und die Hafenzeiten von Westen nach Osten sich verspätend. Die halbmonatliche Ungleichheit fand Hagen größer
als im Atlantischen Ozean. Die zuverlässigsten Werte sind nach neuern Angaben:
Wie weit in der Ostsee eine selbständige u. F. vorhanden ist, läßt sich noch nicht mit Sicherheit angeben;
im westlichen Teil ist die durch die Belte zu verfolgende Flutwelle jedenfalls von überwiegendem Einfluß.
Eine besonders merkwürdige Gezeitenerscheinung ist die der brandenden Flutwelle, welche am bekanntesten ist unter der englischen
Bezeichnung bore oder der französischen mascaret, Bezeichnungen, welche speziell von den Anwohnern des
Hugli, bez. der Gironde für die in diesen Flüssen auftretenden Erscheinungen dieser Art herrühren. Im Bristolschen Kanal, in der
Seinemündung, in der Mündung des Amazonenstroms und in vielen andern Flußmündungen beobachtet man Ähnliches, sobald die
Flutwelle ein starkes Gefälle zu überwinden hat und sehr schnell auf flaches Wasser gelangt, wo die Tiefe
ihrer Geschwindigkeit nicht mehr entspricht. So beschreibt Lentz (»Flut und Ebbe und die Wirkungen des Windes auf den Meeresspiegel«,
Hamb. 1879) die Flutwelle im Bristolschen Kanal: »Die Springflutgröße bei LundyIsland
[* 22] beträgt 27 engl. Fuß und nimmt bis
Kingsroad an der Mündung des Avon unausgesetzt zu, indem der Scheitel der Flutwelle sich hebt, ihr Fußpunkt
sich senkt. Zugleich mit der Größe wächst die Geschwindigkeit der Welle und steigert sich von 36 bis auf 49 Seemeilen in der
Stunde. Bei Severn Lodge stößt die Welle auf die EnglishStones und findet auch weiter aufwärts nur einen
seichten Fluß mit starkem Gefälle. Der Wellenscheitel fährt fort, sich zu heben, der Fußpunkt kann sich nicht mehr senken,
sondern liegt bei Sharpneß schon etwa 14, bei Newnham etwa 28 Fuß höher als bei Kingsroad. Die Flutgröße hat bis Sharpneß
auf 29, bis Newnham auf 16 Fuß, die Geschwindigkeit der Welle erst auf 21 und bei Newnham auf 9 Seemeilen
abgenommen.
¶
mehr
Diesen gewaltigen Änderungen vermag sich die Flutwelle nicht zu unterziehen, ohne gleichsam Beschädigungen davonzutragen.
Auf dem steinichten Flußbett findet sie nicht das zur Bildung ihres Fußes erforderliche Wasser, der nachdrängende Teil der
Welle überholt den verkümmerten Fuß, und statt mit einer sanft geneigten Ebene beginnt die Welle mit einer schäumenden
Wassermasse von 2-4 FußHöhe, welche auf der Strecke von Sharpneß bis Newnham und weiter tosend flußaufwärts eilt. Schon
aus weiter Ferne hört man das Brausen des ankommenden Bore, es steigert sich von Sekunde zu Sekunde bis zum Geräusch eines mächtigen
Wasserfalles; endlich sieht man eine weiße, quer über den ganzen Fluß reichende Masse sich nähern, und
nach wenigen Augenblicken ist der bis dahin regungslose Wasserspiegel in eine wild bewegte See verwandelt. Von nun an steigt
das Wasser mit großer Schnelligkeit, nach wenigen Minuten verhallt das Lärmen des aufwärts rückenden Bore in großer Ferne,
und die weitere Entwickelung der Flut nimmt ihren regelmäßigen Verlauf.« Einen regen Aufschwung hat die
Untersuchung der u. F. in neuester Zeit genommen durch die Bearbeitung der mittels selbstregistrierender Pegel (Mareographen)
erhaltenen Wasserstandskurven nach einer von SirWilliamThomson angegebenen Methode, der sogen. harmonischen Analyse.
Die so aufgezeichneten Wasserstandsschwankungen lassen sich nämlich ansehen als entstanden durch Superposition
von Oszillationen verschiedener Amplitude und Dauer, die alle das Gesetz der Pendelschwingungen befolgen. Jede Oszillation entspricht
einem Element der Mond- oder Sonnenbahn; die zugehörige Dauer ist also Voraussetzung der Theorie, während die Amplitude aus
den Beobachtungen ermittelt werden muß. Wenn man nun aus einer längern Beobachtungsreihe für die wichtigsten
Bahnelemente von Sonne und Mond die Konstanten empirisch festgestellt hat, so kann man aus diesen Konstanten für eine andre
Zeit die zu erwartenden Wasserstandskurven im voraus konstruieren. Für eine große Anzahl von Orten ist diese Operation ausgeführt
zum Teil mit Hilfe eines sinnreichen Mechanismus, des Tidepredicter, welcher in der Nautical AlmanachOffice
zu London
[* 24] aufgestellt ist.
Diese Berechnungen sind für die Physiker von besonderm Interesse geworden wegen der Schlüsse, welche man aus den Gezeitenerscheinungen
auf die Konstitution des Erdinnern zu ziehen versucht hat. Sir W. Thomson hat gezeigt, daß eine elastische Kugel von der Größe
der Erde, selbst wenn sie so hart wie Stahl oder Glas
[* 25] wäre, immer noch durch die Gezeiten erregenden Kräfte
periodische Deformationen erleiden muß. Besteht nun die Erde im Innern aus einer homogen-elastischen Masse, so beobachten
wir bei der u. F. des Ozeans nur die Differenz zwischen der Deformation des Erdkörpers und der flüssigen
Hülle.
Auf einem vollkommen starren Erdkern dagegen müssen die Wassergezeiten in ihrem Verlauf in viel vollkommenerm Maß die Bewegung
des Mondes und der Sonne widerspiegeln. Wegen der unregelmäßigen Gestalt der Meeresbecken sind nun die Oszillationen kurzer
Periode von Reflexionserscheinungen zu stark beeinflußt, um für diese Untersuchungen Verwendung zu finden. Man
hat daher mit Hilfe der harmonischen Analyse nach den Oszillationen langer Periode geforscht (z. B. nach den von der wechselnden
Entfernung der Gestirne abhängigen, also halbmonatlichen und halbjährlichen). Es scheint aber bisher nicht gelungen zu sein,
solche irgendwo sicher nachzuweisen. Daraus ist der Schluß gezogen
worden, daß die Erdoberfläche sich selbst
mit dem darauf befindlichen Meer auf und ab bewegt und zwar in solchem Maß, daß man das Erdinnere nicht als starr anzunehmen
berechtigt ist. Jedoch mag es sein, daß die bisher zu Grunde gelegten Beobachtungsorte nicht genügend reine Gezeitenerscheinungen
zur Anschauung gebracht haben.
Der Reaktion der u. F. schreibt man auch die Verzögerung der Umdrehungsgeschwindigkeit, also das langsame
Wachsen der Tageslänge zu, welche aus Vergleichung astronomischer Beobachtungen neuester Zeit mit ältern konstatiert ist.
Die Flutwelle bleibt mit ihrem Scheitel hinter dem Meridian des fluterregenden Gestirns zurück wegen der Reibung. Auf dieser
Seite des Meridians ist also mehr Masse vorhanden, und indem der störende Körper dort infolgedessen kräftiger
wirkt, übt er einen verzögernden Einfluß auf die Erdrotation aus.
Ist die Deformation des Erdkörpers sehr bedeutend, so wird auch die Veränderung verhältnismäßig rasch verlaufen, und
in größerm Maß, als der Mond auf die Erde, wird die Erde auf den Mond wirken. Unter Annahme sehr günstiger
Voraussetzungen über die Konstitution des Erdinnern ist berechnet worden, daß vor 56 Mill. Jahren der Tag nur 6 Stunden 50 Minuten
lang gewesen sein, die Umlaufszeit des Mondes nur 1 Tag 14 Stunden betragen haben könne. Die Aufmerksamkeit der alten Völker
ward durch das Phänomen der u. F., da es im Mittelmeer, auf welches sich ihre Schiffahrt lange Zeit beschränkte,
nicht in auffallender Mächtigkeit aufzutreten pflegt, weit weniger angezogen als die der neuern.
und Flut. Die Beobachtungen, welche über die Gezeiten (Tiden) im Atlantischen Ozean angestellt worden sind, haben
ein solches Material zu Tage gefördert, daß wir nunmehr eine bessere Vorstellung vom Verlauf der ganzen verwickelten Erscheinung
gewonnen haben, als es früher möglich war. Was das Auftreten und Fortpflanzen der atlantischen Tiden
im allgemeinen betrifft, so findet man durch einen Vergleich der Eintrittszeiten des Hochwassers an einer Reihe von Küstenpunkten,
daß sowohl auf der östlichen als auf der westlichen Seite des Ozeans das Hochwasser für die nördlicher gelegenen Punkte
successive später eintritt als für die südlichen, daß also das Hochwasser von S. nach N. fortschreitet;
gleichzeitig nimmt die Höhe der Flut oder die Differenz des Wasserstandes bei Hoch- und Niedrigwasser von S. nach N. wenigstens
bis zu einer gewissen Breite
[* 29] zu, bei weiterm Vorrücken vermindert sich dieselbe aber wieder.
An der östlichen Seite des Ozeans ist dieses Fortschreiten von S. nach N. ein regelmäßiges, derart,
daß Orte, welche etwa 50-65 Breitengrade voneinander entfernt liegen, gleichzeitig Hochwasser haben, woraus man auf die Existenz
zweier Wellen
[* 30] schließen kann, die sich nach N. fortpflanzen. An der westlichen Seite tritt diese Erscheinung nicht mit derselben
Regelmäßigkeit hervor, sondern wird an der Küste der Vereinigten Staaten
[* 31] infolge ihrer Erstreckung in
einem Bogen
[* 32] verdeckt.
Ein großer Teil der Küste hat nämlich gleichzeitig Hochwasser, ja dasselbe tritt weiter im N. früher an den östlich gelegenen
Punkten als an den südlicher, aber westlicher liegenden ein. In zwei Punkten weisen jedoch die Tiden an der amerikanischen
Seite des nordatlantischen Ozeans und an der europäischen einen merkwürdigen Unterschied auf. In den
amerikanischen Häfen ist nämlich die halbmonatliche Ungleichheit sowohl in Zeit als in Höhe nur etwa halb so groß wie
in den europäischen Küstenplätzen, oder was dasselbe heißt, die Sonnenflut ist im Verhältnis zur Mondflut auf
der Westseite
nur halb so groß wie an der Ostküste. Der mittlere Wert dieser Ungleichheit beträgt für die
Das sind die Mittelwerte aus je 10 Küstenstationen von beiden Ufern. In Einzelfällen sinkt die Ungleichheit wie in
Charleston in Zeit bis 18 Minuten, in Philadelphia
[* 33] in Höhe bis 4 cm, während gegenüber in Plymouth
[* 34] sie in Zeit bis 45 Minuten
und im Shannonfluß bei Kilbaha bis 12,2 cm in Höhe erlangt. Der zweite Punkt betrifft die tägliche Ungleichheit. Diese ist
in den nördlichen Häfen der Ostküste der Union ebenso unbedeutend wie in Europa (in Liverpool
[* 35] 24, in
Wilhelmshaven
[* 36] 16 cm), die gewöhnliche halbtägige Flut wird dadurch kaum beeinflußt. Je näher die Stationen aber der Floridastraße
liegen, und noch mehr im Busen von Mexiko,
[* 37] gewinnt die eintägige Flutwelle an Einfluß, und endlich übertrifft sie die gewöhnlichen
halbtägigen Gezeiten so an Größe, daß diese an manchen Orten ganz verschwinden und man nur Eintagsfluten
beobachtet. Folgende Zahlen, welche den Flutwechsel in Zentimetern ausdrücken, veranschaulichen die Verhältnisse am besten:
Man sieht daraus, wie an der Nordküste des Golfs von Mexiko die eintägigen Gezeiten so groß werden, daß sie die halbtägigen
beinahe völlig unterdrücken und für diese Orte meist nur einmal des TagesHochwasser und Niedrigwasser auftritt.
Zum Verständnis dieser Erscheinungen ist es nötig, sich die Hauptpunkte der Wellenlehre zu vergegenwärtigen.
Es handelt sich nur um die Wellen, welche unter der Einwirkung von Kräften in Kanälen, bez. auf dem Ozean entstehen können.
Die Anziehung von Sonne und Mond ruft zweierlei Arten von Wellen hervor, die eine hat gleiche Periode mit der
erzeugenden Kraft, ihre Länge ist aber eine unveränderliche durch die Lage des Kanals auf der Erde, nicht aber durch seine Gestalt,
Tiefe etc. bedingte, und ihre Höhe ist der Tiefe des Wassers, in welchem sie entsteht, proportional. So wird z. B. in einem
rings um die Erde in einem größten Kreise
[* 38] sich erstreckenden Kanal durch die Anziehung des Mondes eine Welle
erzeugt, deren Periode gleich einem halben Mondtage und deren Länge gleich dem halben Umfang der Erde ist; die Höhe der Welle
ist abhängig von der Tiefe des Kanals. Die Existenz dieser Welle ist unauflöslich an die Existenz der Kraft
gebunden. Man nennt daher diese Welle die gezwungene oder auch primäre Flutwelle. Neben dieser Welle und als Folge ihrer Existenz
und des Vorhandenseins
¶
mehr
von Bewegungshindernissen wird meistens eine freie Welle vorhanden sein, welche mit der gezwungenen gleiche Periode hat, deren
Länge aber eine andre ist und in einem bestimmten, von der Tiefe des Wassers abhängigen Verhältnis zu der Periode steht, deren
Höhe gleichfalls von äußern Umständen abhängt. Diese Welle ist in ihrem Fortschreiten nicht mehr durch
die erzeugende Kraft bedingt, hört auch nicht auf zu existieren, wenn die Kräfte aufhören, sondern unterliegt nur dem Einfluß
der Reibung, wodurch sie bald verlöscht. Diese Wellen werden freie Flutwellen oder sekundäre genannt, und sie sind es, welche
man an den Küsten des Ozeans und in Flüssen beobachtet.
Neuerdings hat nun Börgen den Versuch gemacht, auf Grund von AirysWellentheorie die Eintrittszeiten der Hochwasser in ihrer
Abhängigkeit vom Bodenrelief des Atlantischen Ozeans zu erklären. Die Voraussetzung der Wellentheorie ist die, daß das Wasser
sich in Kanälen befindet, deren verschiedene Gestaltung die in ihnen erzeugten Wellen in verschiedener
Weise beeinflußt. In einem rings um die Erde sich erstreckenden Kanal von überall gleichmäßiger Tiefe und Breite werden Flutwellen
nur als gezwungene Wellen auftreten. Wo aber irgend ein Hindernis ihrer Fortpflanzung entgegentritt, da wird die bis dahin
gezwungene Welle ihren Weg als freie Welle fortsetzen.
Diese Wellen werden ebenfalls wie die gezwungenen sowohl nach der Längsrichtung als nach der Richtung
der Breite des Ozeans vorhanden sein. Da aber die Höhe der gezwungenen Flutwellen der Tiefe des Wassers direkt proportional ist,
so sieht man, daß dieselben in der Nähe der Küsten verschwinden und dort nur die freien Wellen zur Geltung kommen
werden, welche umgekehrt gerade im flachen Wasser zur höhern Entwickelung gelangen; im tiefen Ozean werden sich dagegen neben
diesen letztern auch die gezwungenen Wellen geltend machen.
Wenn nun auf einer in horizontaler Richtung ausgedehnten Wasserfläche mehrere sich kreuzende Systeme von Wellen existieren,
so treten Interferenzen auf, durch welche bewirkt wird, daß die Linien gleicher Hochwasserzeit oder die
Flutstundenlinien nicht mehr in einfacher Beziehung zu den erzeugenden Wassersystemen stehen, so daß man nicht unmittelbar
aus dem Verlauf der Flutstundenlinien einen Schluß auf den Verlauf der Wellen ziehen kann. Wenn nicht mehr als zwei Systeme
von Wellen vorhanden sind, so verlaufen die Flutstundenlinien in diesem Falle nicht mehr geradlinig, sondern
erhalten wellenförmige Einbuchtungen.
Die zu einer bestimmten Stunde gehörige Linie verläuft in der Richtung, nach welcher sich die kleinere der beiden Wellen fortpflanzt,
und der lineare Abstand zweier gleichartig liegender Punkte derselben, die in der Richtung der Fortpflanzung dieser kleinern
Welle liegen, ist gleich der Länge oder dem ganzen Vielfachen der Länge der kleinern Welle. Kann man also
den Verlauf der Flutstundenlinien genau nachweisen, so darf man annehmen, daß die kleine Welle sich annähernd nach der Richtung
dieser Linien fortpflanzt.
Aus dem Umstand, daß die Flutstundenlinien sich quer über den Atlantic erstrecken, kann man also schließen,
daß das kleinere der auf demselben bestehenden Wellensysteme sich in der Richtung Ostwesten fortpflanzt. Die Breite des Ozeans
ist aber zu gering, d. h. kleiner als eine Wellenlänge, um die volle Ausbildung der Flutstundenlinien zu gestatten, so daß
man keine homologen Punkte aufsuchen kann, um daran die Wellenlänge zu prüfen. Ferner ist der Abstand
zweier Punkte auf zwei verschiedenen Flutstundenlinien, die zu Zeiten gehören, welche um die Periode der Welle voneinander abweichen,
und die in der Richtung der Fortpflanzung der größern
Welle liegen, gleich der Länge der größern Welle.
Findet man also auf zwei solchen Flutstundenlinien zwei Punkte, deren Abstand der aus der mittlern Tiefe
berechneten Wellenlänge gleich ist, so kann man schließen, daß dies die Richtung des Fortschreitens des größern der beiden
Wellensysteme ist. Es kommt also darauf an, zwei Orte aufzusuchen, an welchen die beobachteten Hafenzeiten um die Periode der
Flutwellen (τ = 12h 25m gesetzt) voneinander verschieden sind, dann ist die mittlere Tiefe p des
Wassers zu ermitteln, daraus nach der Formel λ = τ sqrt (2 gp) die dieser Tiefe entsprechende Wellenlänge zu berechnen und
diese mit der Entfernung beider Orte auf dem größten Kreise zu vergleichen. Folgende Tabelle gibt eine Übersicht über
die von Börgen ausgeführte Rechnung.
Das erste Beispiel zeigt eine so große Differenz zwischen D und λ, daß in dieser Richtung sich die Flutwelle nicht über
den Ozean bewegen kann. Im zweiten Falle ist die wirkliche Entfernung der beiden Orte um ein Siebentel größer
als die berechnete Wellenlänge. Man kann nun annehmen, daß die der brasilischen Küste vorgelagerte Bank die Flutwelle verzögert,
so daß im tiefen Ozean die Flutstundenlinie von 5h 59m jedenfalls erheblich nördlicher liegt als bei Sta.
Catharina; ebenso würden auch die Grunde vor Irland wirken, daher die Distanz, im tiefern Wasser gemessen,
jedenfalls der berechneten Wellenlänge λ näher kommen würde. Hierdurch gewinnt die Annahme, daß das Hauptsystem der atlantischen
Flutwellen sich von S. nach N. fortpflanzt, an Wahrscheinlichkeit, denn auch bei diesen wirken die flachen Küstenbänke im
allgemeinen verzögernd.
Bei der Erklärung der Einzelerscheinungen sind nun die Wassertiefen in ihrer Rückwirkung auf den Lauf der Wellen zu berücksichtigen,
denn die Geschwindigkeit solcher Wellen, deren Länge im Vergleich zur Wassertiefe groß ist, ist der Quadratwurzel aus der Wassertiefe
direkt proportional. Danach lassen sich die Hafenzeiten im Nordatlantic folgendermaßen erklären. Die
Welle, welche bei ihrem Fortschreiten nach N. durch die Enge zwischen Afrika
[* 40] und Brasilien
[* 41] in den nördlichen Teil des Atlantic
tritt, hat zwei tiefere Längsmulden vor sich, die Kapverdenrinne im O. und die Brasilische Rinne, welche zur westindischen
Tiefe führt, im W. Letztere läßt
¶
mehr
den westlichen Teil des Flutwellenkammes sehr schnell nach NW. passieren, während der mittlere Teil des Wellenkammes durch
das atlantische Plateau aufgehalten wird. Im großen und ganzen kann durch die größere Tiefe im W. der längere Weg als
kompensiert angesehen werden, so daß der Wellenkamm sich hier entlang den Breitenparallelen erstrecken
dürfte. Nördlich von der westindischen Tiefe läßt nun der tiefe nordatlantische Kessel zwischen KapHatteras und KapCod die
Welle rasch nach NW. vorrücken, so daß sie mit ihrer ganzen Fronte auf die Küste aufläuft.
Nach Überschreitung dieses Kessels und der westlichen Azorenrinne gelangt die Welle an den Südrand der
Neufundlandbank. So kann es geschehen, daß die Südküste der Sable-Insel und das Südostkap von Neufundland, KapRace, welche
nahe an das tiefe Wasser herantreten, früher ihr Hochwasser haben als die südlicher gelegenen Teile der Vereinigten Staaten,
weil hier die Welle erst den 200-250 km breiten Gürtel
[* 43] von 200 m Wassertiefe zu überwinden hat. Auf der
östlichen Seite des Ozeans bis hinauf zu den europäischen Küsten nehmen die Tiefen je weiter nach N. desto mehr ab, so daß
die Flutwelle langsamer vorrückt.
Durch die beträchtliche Breite der vorgelagerten Küstenbänke erklärt sich die Thatsache, daß die europäische Küste durchweg
später Hochwasser hat als die gegenüberliegende amerikanische; ferner daß die Fluthöhen im O. überall
bedeutend höher sind als im W., endlich daß im Umkreis des Viscayagolfs überall gleichzeitig Hochwasser eintritt, da die
von S. um KapFinistère gekommene Welle in der Mitte sehr tiefes Wasser vorfindet, aber die größere Entfernung bis in die
südöstliche Ecke des Golfes durch die große Tiefe kompensiert scheint.
Im vorstehenden handelt es sich nur um die nordatlantischen Gezeiten, für deren Verlauf eine befriedigende Erklärung von
Börgen geliefert ist. Indessen ist es noch nicht möglich, für irgend einen Küstenpunkt die absolute Hafenzeit voraus zu
berechnen. Dies kann nur durch Beobachtungen gefunden werden. Um in das Wesen der Gezeiten einen bessern
Einblick zu erhalten, hat nun WilliamThomson eine eigenartige Methode der Analyse der Gezeitenbeobachtungen vorgeschlagen.
Diese Methode heißt die harmonische Analyse, ist von Thomson zuerst veröffentlicht worden und von Börgen mit Zugrundelegung
der Airyschen Wellentheorie umgearbeitet. Unter einer einfachen harmonischen Bewegung versteht man eine
periodische geradlinige Bewegung eines Punktes, welcher um eine mittlere Lage in der Weise oszilliert, daß sein Abstand von dieser
Mitte stets dem Cosinus eines Winkels proportional ist, der im Verhältnis zur Zeit wächst. Rotiert z. B. ein Punkt auf einer
Kreisbahn um ein Zentrum, so sieht das Auge,
[* 44] wenn es in der Ebene dieser Bahn, aber außerhalb derselben
in einigem Abstand davon sich befindet, scheinbar den Punkt sich in gerader Linie hin und zurück bewegen in der Form einer
solchen einfachen harmonischen Bewegung.
Den größten von der Mittellage erreichten Abstand nennt man die Amplitude (a), der ganze einmal zwischen
den beiden extremen Lagen zurückgelegte Weg ist also die doppelte Amplitude (2 a); Epoche (ε) nennt man den vom Beginn der
Rechnung bis zu dem Augenblick verstrichenen Zeitraum, wo der bewegliche Punkt zum erstenmal die größte Entfernung von seiner
Mittellage nach der als positiv angenommenen Richtung hin erreicht, oder denjenigen Winkel,
[* 45] der während
des eben als Epoche begrenzten Zeitraums vom Radius vector in einem Kreise beschrieben wird.
Die Geschwindigkeit, mit welcher der Körper seine Bahn durchmißt, ist am größten, wenn er die Mittellage passiert, und nimmt
ab, je näher den extremen Lagen. Wenn eine Reihe von Punkten, die bei der Ruhelage in einer geraden Linie
liegen, in gleichen Zeitintervallen nacheinander eine solche einfache harmonische Bewegung von bestimmter Periode und Amplitude
beginnen, so werden dieselben nach einiger Zeit in einer Wellenkurve gelegen erscheinen, welche aus Wellen von gleicher Periode,
Länge und Amplitude besteht.
Man denke sich nun dieselben Punkte darauf gleichzeitig noch einer zweiten Wellenbewegung
[* 46] unterworfen,
welche in Periode, Länge, Amplitude und Epoche verschieden sein mag, dann werden die Punkte eine Kurve liefern, welche nach dem
Gesetz der Überlagerung der Wellen gestaltet ist. Man kann nun sehr viele und verschieden hohe Wellen miteinander Interferenzen
bilden lassen, es wird immer eine Kurve entstehen, welche nach mehr oder minder langer Zeit die gleichen
Formen periodisch wiederholt. Die Flutkurven (s. Flutmesser, Bd. 17) denkt man sich zusammengesetzt aus vielen
Einzelwellen von verschiedener Periode und Amplitude, die in Interferenzen übereinander liegen, also aus 1) den halbtägigen
Gezeiten des Mondes und der Sonne, 2) den eintägigen Gezeiten, 3) den halbmonatlichen, einmonatlichen und
einjährigen Gezeiten.
Dazu kann man noch die Wirkung der Ungleichheiten als Wellen von entsprechender Periode und Amplitude in Betracht ziehen. Thomsons
harmonische Analyse hat nun den Zweck, aus der komplizierten Flutkurve den Wert der zahlreichen Einzelwellen abzuleiten; die
Argumente der letztern, als Cosinus eines von der Zeit abhängigen Winkels ausgedrückt, kennt man aus
der Theorie, ihre Epoche muß durch Beobachtung ermittelt werden. Neben den kosmischen Gezeiten kommen aber noch »zusammengesetzte«
vor.
Wenn nämlich die Amplitude der Schwingungen in der Welle einen namhaften Betrag der Wassertiefe erlangt, so gilt das Gesetz
der einfachen Superposition der Wellen nicht mehr, es treten alsdann, entsprechend den Kombinationstönen
bei Schwingungen der Luft, Kombinationswellen auf; sie besitzen vielfach die gleiche Periode wie einige kosmische Gezeiten, andre
eine längere Periode als die halbtägigen Gezeiten. Ein zweites Analogon zum Verhalten der Schallwellen liefern die den Obertönen
vergleichbaren, von Börgen »Nebengezeiten« genannten,
die auch nur im flachen Wasser entstehen, und deren Perioden ganze Bruchteile der einfachen halbtägigen Sonnen- und Mondfluten
sind. Außer diesen kosmischen und Seichtwassergezeiten unterscheidet man noch meteorologische Gezeiten, welche von periodischen
und meteorologischen Erscheinungen abhängen, wie Wind, Luftdruck und Niederschlagsmenge.
Auf Anregung von W. Thomson wurde von seiten der British Association for the advancement of science im
J. 1867 ein Komitee niedergesetzt zur Beförderung der Ausbreitung, Vervollkommnung und harmonischen Analyse von Gezeitenbeobachtungen.
Dasselbe hat nicht nur eine große Anzahl älterer Beobachtungen gesammelt und berechnet, sondern auch direkte und indirekte
Veranlassung zur Aufstellung selbstschreibender Pegel und zur Anstellung regelmäßiger Flutaufzeichnungen
gegeben. Die Berichte, welche vom Komitee jährlich erstattet werden, lassen erkennen, daß die harmonische Methode der Gezeitenbeobachtungen
sich immer ausbreitet. Zur Vorausberechnung der Gezeiten für einen bestimmten Hafen haben W. Thomson und EbbeRoberts eine Maschine,
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