Dynamit
,
zusammenfassende Bezeichnung für über 100 verschiedene
Sprengstoffe mit den verschiedensten
Namen; sie haben alle das Gemeinsame, daß das
Nitroglycerin (s. d.) ihren wirksamsten
Bestandteil bildet. Hervorgegangen ist
diese ganze
Klasse der Dynamit
aus dem Bestreben, dem flüssigen
Nitroglycerin eine feste Form zu geben und zugleich damit seine
große Gefährlichkeit und Empfindlichkeit zu vermindern. Erst hierdurch ist es möglich geworden, die
für die Sprengtechnik so überaus wichtigen Eigenschaften des
Nitroglycerins ausnutzen zu können, denn erst die feste Form
der Dynamit
erlaubte eine Versendung auf Eisenbahnen und eine gefahrlosere Handhabung beim Gebrauch.
Das Nitroglycerin hatte sich sofort nach Beginn seiner Herstellung im großen durch die verschiedensten furchtbaren Unglücksfälle als derart gefährlich herausgestellt, daß die meisten Staaten seine Einfuhr untersagten. Der schwed. Chemiker Alfred Nobel, der mit dieser fabrikmäßigen Herstellung begonnen hatte, sann auch zuerst auf Abhilfe und löste die sich gestellte Aufgabe 1867 dadurch, daß er poröse Infusorienerde bis zur Sättigung mit Nitroglycerin durchtränkte.
Die hierdurch entstandene plastische
Masse, die an brisanter Wirksamkeit dem reinen
Nitroglycerin nicht
nachsteht, dasselbe aber an
Unempfindlichkeit erheblich übertraf, nannte er Dynamit.
Im Laufe der Zeit wurden statt der Infusorienerde
eine Anzahl anderer, einfacher oder zusammengesetzter Körper als Aufsaugungsmittel
(Basis) für das
Nitroglycerin in Anwendung
gebracht, sodaß jetzt schon, um eine Übersicht über die verschiedenen Dynamit
zu erhalten,
eine Klassifizierung derselben nach der Art des Aufsaugungsmittels notwendig ist.
Zunächst unterscheidet man solche Dynamit
, deren
Basis
bei der Explosion keine Rolle spielt, sondern lediglich als Aufsaugungsmittel
dient (Dynamit
mit neutraler
Basis) und solche, deren
Basis bei der Explosion zur
Erhöhung der Wirkung beiträgt, oft sogar selbst
Sprengkörper bildet (Dynamit
mit wirksamer
Basis). Zu erstern gehören:
Nobels
Kieselgur-Dynamit oder
Nobels Dynamit
Nr. 1 (s. unten),
Fulgurit, Wetter-Dynamit
und alle die Sorten, bei denen an
Stelle der Infusorienerde, der örtlichen Verhältnisse oder der
Billigkeit halber, andere Erdsorten, Kreide,
[* 2]
Gips,
[* 3] Sand, Koks, Ziegelmehl, Zucker
[* 4] u. s. w. getreten ist.
Die größere Zahl der Dynamit
und namentlich die neuern und kräftigern sind Dynamit mit
wirksamer
Basis. Diese sind:
a. Salpetersaures Kalium, Natrium oder
Baryum bei
Nobels Dynamit
Nr. 2, 3, 4 (s.
Nobels Dynamit), Herkulespulver, Vulkanpulver, Coloniapulver,
Nobels Sprengpulver,
Lithofracteur, Giant Powder,
Judsonpulver, Virit, Pantopollit, Fulminatin,
Stonit.
b. Ammoniumnitrat, beim Ammoniakrut, Seranin, Fowlerschen Sprengstoff.
c.
Chlorsäure oder
Pikrinsäure
Salze bei Horsley-Dynamit
,
Brains Sprengpulver,
Castellanospulver.
dynamit
Cellulose, beim
Cellulose-Dynamit,
Titanit,
[* 5] Rendrock, Rhexit, Petralit.
e.
Nitrocellulose, mittels deren das
Nitroglycerin in gelatinösen Zustand übergeführt wird; hiernach heißt die ganze
Klasse
Nitrogelatine. Es gehören hierher
Glyoxylin,
Trauzls Dynamit
, Dualin, Sebastin,
Sprenggelatine,
Nobels rauchschwaches Pulver
(Ballistit),
Gelatine-Dynamit, Vigorit, Extra-Dynamit,
Nitrolit, Meganit. (Näheres über alle genannten
Arten s. die Einzelartikel, sowie
Kohlendynamit,
Weißes
[* 6] Dynamit.) Neuerdings ist zu Ehren der beiden berühmten Chemiker
Nobel und
Abel der
Vorschlag zu einer
andern Klassifizierung der Dynamit gemacht worden, nämlich die letzterwähnte
Klasse der
Nitrogelatine (unter e) als
Abelite und
sämtliche übrigen Dynamit (unter a bis d, sowie diejenigen mit neutraler
Basis) als
Nobelite zu bezeichnen.
Das gewöhnliche Dynamit oder Kieselgur-Dynamit besteht aus 75 Teilen Nitroglycerin und 25 Teilen Kieselgur, i. feine lockere Infusorienerde. Als letztere wird in Deutschland [* 7] die bei Oberlohe in Hannover [* 8] vorkommende Kieselgur benutzt; in Frankreich wird eine ganz ähnliche Erde, Randanit, bei Randan im Puy-de-Dôme gefunden, zu gleichem Zwecke verwandt. Durch Glühen wird die Kieselgur von Wasser und organischen Beimengungen befreit und sodann durch Walzen und Sieben gekleint; dem hierdurch entstandenen feinen Mehl [* 9] wird in hölzernen Bottichen das gereinigte und völlig säurefreie Nitroglycerin allmählich zugesetzt; das Mengen beider Bestandteile geschieht durch Kneten mit der Hand. [* 10]
Das Dynamit bildet dann eine rötliche oder graubraune geruchlose, fette, teigige Masse von 1,6 bis 1,8 spec. Gewicht. Gegen Druck und Stoß ist es weniger empfindlich als Nitroglycerin. Nur gefrorene Dynamitpatronen können durch bloßes Hinfallen explodieren. Beim Anzünden brennt eine kleinere Menge Dynamit ruhig ab. Als Sprengmittel bedarf es einer künstlichen Zündung durch explodierendes Knallquecksilber oder den überspringenden elektrischen Funken, wobei es eine solche heftige Wirkung ausübt, daß selbst ohne Verdämmung die größten Eisenblöcke zersprengt werden. Bei seiner Verbrennung entwickelt es nur Kohlensäure, Wasserdampf und Stickstoff. Vorzüge des Dynamit gegen das Sprengpulver sind: es ¶