Duft,
der Geruch der Pflanzen;
auch der zarte, staubartige, weißliche oder bläuliche Anflug auf reifem Obst;
auch s. v. w. Rauchfrost.
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Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
der Geruch der Pflanzen;
auch der zarte, staubartige, weißliche oder bläuliche Anflug auf reifem Obst;
auch s. v. w. Rauchfrost.
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
und Riechstoffe, die Elementarstoffe oder chemischen Verbindungen, welche, wenn auch in unwägbaren Mengen der Atemluft beigemischt, auf die! Nasenschleimhaut eine Wirkung äußern, die als ein bestimmter, oft sehr charakteristischer Geruch empfunden wird. Aus dieser Erklärung geht hervor, daß jeder Riechstoff flüchtige Teile an die Luft abgeben muß, obgleich die Thatsache dem Chemiker zuweilen unbegreiflich bleibt, wie z. B. bei der feuerbeständigen Thonerde, die angefeuchtet den charakteristischen Töpfergeruch entsendet. Auch bei manchen organischen Verbindungen, wie z. B. dem Moschus, sind die verflüchtigten Teile so unendlich klein, daß eine Probe, die seit Jahren ein Zimmer mit dem kräftigsten Geruch angefüllt hat, kaum eine merkliche Gewichtsverminderung erkennen läßt. Die R. finden sich im Mineral-, Pflanzen- und Tierreich und spielen in den beiden letztern eine erst in neuerer Zeit gewürdigte, äußerst wichtige Rolle.
Unter den Elementen besitzen einige einen eigentümlichen Geruch, wie namentlich die Hlogene: Chlor, Jod und Brom, welche anderseits dadurch ausgezeichnet sind, daß sie üble Gerüche organischen Ursprungs zerstören, also desodorisierend wirken. In ihren einfachen Verbindungen, z. B. mit Wasserstoff oder Sauerstoff, besitzen sie noch einen starken, mehr chemisch als stechender Schmerz auf die Nase wirkenden Geruch, während zusammengesetztere Verbindungen, wie z. B. Chloroform, Jod- und Bromäthyl, ätherisch-obstartig riechen.
Eine andre Gruppe von Elementen, wie Stickstoff, Schwefel, Phosphor, Selen, Tellur und Arsen, besitzt im Gegenteil die Eigentümlichkeit, im reinen Zustand nur wenig oder gar nicht auf die Geruchsnerven zu wirken, aber in zahlreichen Verbindungen eine Skala der übelsten Gerüche zu ergeben. Schwefelwasserstoff duftet nach faulen Eiern, Phosphorwasserstoff nach faulen Rüben und Seefischen, die Verbindungen des Selens, Tellurs und Arsens mit Wasserstoff riechen überaus widerwärtig, und alle Wasserstoffverbindungen dieser Gruppe sind gleichzeitig starke Gifte.
Die Verbindung des Stickstoffs mit Wasserstoff, das bekannte Ammoniak, istl zwar von stechendem, aber nicht eigentlich widrigem oder giftigem Geruch; dagegen besitzen zusammengesetztere flüchtige Stickstoffverbindungen vom Ammoniaktypus, wie z. B. das Trimethylamin, einen äußerst widrigen Geruch nach Heringslake, und mehrere der hier genannten Verbindungen, wie Schwefelwasserstoff, Phosphorwasserstoff, Ammoniak, Trimethylamin, Propylamin etc., bilden einen Hauptbestandteil der Kloaken- und Abortgase, die sich bei der Zersetzung organischer Körper oder Auswurfstoffe bilden oder bei der Zerstörung stickstoffhaltiger organischer Körper durch Hitze entstehen. Wenn der Stickstoff sich mit Kohlenstoff zu Cyan verbindet, so ergeben sich Gerüche, die an die Hufschmiede, an verbranntes Horn, Haare, Federn u. dgl. erinnern, doch entsteht unter Zutritt von Wasserstoff der im verdünnten Zustand nicht unangenehme Geruch der bittern Mandeln.
Der Schwefel tritt in einer langen Reihe organischer Verbindungen als Duftfärber, wenn man so
sagen dürfte, kürzer gesagt als Duftverderber auf. Seine Vereinigungen mit den Molekülen der Alkoholreihe, die sogen. Merkaptane, sind durchgängig sehr übelriechend. Die riechenden Bestandteile der Zwiebel- und Laucharten sowie der Asa foctida sind analoge Vereinigungen von Schwefel mit Kohlenwafserstoffverbindungen, u. merkwürdigerweise üben diese der Nase ziemlich unangenehmen Gewürze auf den Gaumen einen so angenehmen Reiz, daß Lauch und Zwiebeln bei den entferntest wohnenden Völkern als Zuspeise geschätzt werden und Asa foetida dazu dienen muß, noch den verwöhntesten Pariser Gaumen zu kitzeln.
Diese Sympathie für schwefelhaltige, stark riechende Genußmittel bleibt dieselbe, wenn der Schwefel in Verbindung mit dem eben erwähnten Cyan an die Kohlenwasserstoffverbindungen tritt. Enthielten die Lauch-, Zwiebel- und Knoblaucharten Schwefelallyl als Aroma, so tritt uns Schwefelcyanallyl oder Rhodanallyl als der Geschmack und Duft verleihende Bestandteil fast aller Angehörigen der großen Pflanzenfamilie entgegen, der die Mehrzahl unsrer Gemüsepflanzen angehört, nämlich der Kruciferen.
Die unzähligen Kohl-, Rüben- und Retticharten, Senf, Kresse, Meerrettich und viele andre hierher gehörige Pflanzen, enthalten sämtlich mehr oder minder große Mengen von Schwefelcyanallyl oder sehr ähnlichen Verbindungen, und wir haben hier ein recht merkwürdiges Beispiel, wie ein bestimmter Geruchsstoff zum Familiencharakter einer größern Pflanzengruppe gehört und sogar noch auf einige nahe verwandte Familien, die man von ihr abgezweigt hat, wie der Kapparideen, Tropäoleen und Fumariaceen, übergreift.
Noch viel schlimmere Duftverderber als der Schwefel sind Arsen und Tellur. Tritt einer dieser Stoffe an Stelle des Schwefels in die Verbindungen der Alkoholreihe ein, so entstehen Stoffe von wahrhaft unerträglichem Geruch, z. B. das Arsenmethyl oder Kakodyl, dessen Verbindung mit Sauerstoff zur Füllung von Stinkbomben vorgeschlagen worden ist, die allen Ernstes als Ersatzmittel der chinesischen Stinktöpfe im Krieg dienen sollten. Und dasselbe gilt von all den andern Kakodylen, die eine würdige Parallele zu den Merkaptanen darstellen.
Hinsichtlich des Tellurs hat man die Erfahrung gemacht, daß höchst geringe Mengen desselben, wenn sie in Form geschmack- und geruchloser Verbindungen eingenommen wurden, dem Atem, der Hautausdünstung und allen Ausscheidungen des Körpers wochenlang einen so entsetzlichen Geruch mitteilten, daß der Betreffende sich nicht in menschliche Gesellschaft wagen konnte. Mehrere Metalle, die an sich geruchlos sind und häufig zu Werkzeugen und Küchengeräten Verwendung finden, wie Zinn, Kupfer (Messing) und selbst Eisen, erzeugen schon beim bloßen Anfassen mit feuchten Fingern merkbare Gerüc he.
Den aufgezählten Geruchsverderbern gegenüber können Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff als indifferente Elemente bezeichnet werden. Der Sauerstoff ist vielleicht nicht ganz vorwurfsfrei, da er die sauren Gerüche erzeugt, die ihm seinen Namen gaben, während Kohlenstoff und Wasserstoff mit und ohne Sauerstoff zahlreiche angenehm duftende Verbindungen ergeben, die in der Parfümerie und Konditorei Anwendung finden. So bildet die Molekülgruppe C6H6 den Kern der sogen. aromatischen Körper, so genannt, weil ihrer Reihe viele wohlriechende Stoffe angehören, wie z. B. diejenigen, denen Zimt, Benzoe, Gewürznelken, viele Harze und Blumen ihren Duft verdanken.
Eine andre Gruppe bilden die ätherischen Öle von der allgemeinen Formel C10H16 , die sogen. Kamphene, zu denen Terpentin-, Wacholder-, Rosmarin-, Zitronen-, Bergamott-, Pomeranzen-, Neroliöl und viele andre aus Holz, Rinden, Blättern, Blüten und Früchten gewonnene ätherische Öle gehören, die meistens angenehm duften, wenn auch manche, wie das Terpentinöl, nur in stark verdünntem Zustand. Eine dritte hierher gehörige Gruppe bilden die Ätherarten, namentlich die zusammengesetzten, welche aus einem Äther und einer organischen oder unorganischen Säure bestehen und einen häufig sehr angenehmen obstartigen Geruch besitzen, so daß sie als sogen. Fruchtessenzen in der Likörfabrikation eine ausgedehnte Verwendung finden. So duften bereits der Essig- und Salpeteräther recht angenehm, und durch Verbindung vieler organischer Säuren, wie der Ameisensäure, Baldriansäure, Buttersäure und andrer für sich nicht gerade angenehm duftender Säuren, mit Methyl-, Äthyl- und Amyläther hat man Verbindungen erzeugt, die in starker Verdünnung täuschend den Geruch verschiedener Obstarten (wie Äpfel, Birnen, Ananas, Erdbeeren etc.) besitzen und möglicherweise in den betreffenden Früchten auch in kaum nachweisbaren Spuren vorhanden sein mögen.
Über den chemischen Charakter der tierischen Geruchsstoffe kann bisher wenig Allgemeingültiges gesagt werden, da sie noch zu wenig untersucht sind und zum Teil eine ziemlich komplizierte Zusammensetzung zeigen. Vor einigen Jahren hat man Skolopender kennen gelernt, die stark nach Bittermandeln rochen und wirkliche Blausäure aushauchten, ja man hat von am Meer lebenden Bombardierkäfern behauptet, daß ihre stark riechenden und die Finger gelb färbenden Schußwölkchen freies Jod enthalten sollten. Doch klingt das ziemlich unwahrscheinlich.
Über die Bedeutung der Riechstoffe für das Leben der aromatischen Pflanzen tappte man vor wenigen Jahrzehnten so völlig im Dunkeln, daß Moleschott meinte, der Blumenduft sei am nächsten den stark duftenden Exkrementen der Tiere zu vergleichen und nicht einer Seele der Pflanzen«, wovon poetisch gestimmte Pflanzenfreunde und Botaniker, wie Th. Fechner und Ph. v. Martius, geträumt hatten. Tyndall suchte vor einigen Jahrzehnten nach einer physikalischen Erklärung des Reichtums fast aller Lippenblütler (Labiaten) an ätherischen Ölen, die er darin zu finden glaubte, daß diese Pflanzen, welche meist an trocknen Bergwänden oder auf kahlen Felslehnen der Mittelmeerländer wachsen, eine Duftwolke über sich verbreiten, welche die Strahlen der brennenden Sonne mildern und ihre ausdörrende Kraft von ihnen abhalten sollte. Er hatte nämlich festgestellt, daß sie in Dampfform ein außerordentlich großes Aufsaugungsvermögen für strahlende Wärme besitzen, so daß z. B. Luft, die durch einen mit Thymianöl getränkten Papiercylinder hindurchgesaugt wurde, 68mal, bei Rosmarinöl 75 mal und bei Änisöl gar 350mal soviel Sonnenwärme verschluckte als reine Luft. Allein nach und nach sind so viel verschiedenartige Vorteile der Duftabsonderung für die Pflanzen ans Licht getreten, daß wir die Fälle gesondert betrachten müssen.
Niederste Pilzformen, wie die Bakterien, scheiden sehr häufig stark riechende Stoffe aus ihrer Nährflüssigkeit aus, und die penetranten Gerüche mancher Fäulnisvorgänge beruhen offenbar auf Abspaltung von Ammoniak und andern stark riechenden Verbindungen durch den Lebensprozeß der Spaltpilze. Da dieser je nach den verschiedenen Arten derselben
ein sehr verschiedener sein kann, so erklärt sich dadurch auch die große Verschiedenheit der Fäulnisgerüche. Ein im Berliner hygienischen Institut ausgebildeter japanischer Arzt, Kitasato, hat sogar im vorigen Jahr einen besonders leicht auf Brot, Reis- oder Kartoffelbrei zu ziehenden Moschuspilz der Gattung Fuxisporium entdeckt, dessen rötliche, später ziegelrot werdende Kulturen einen deutlichen Moschusgeruch verbreiten, der sich auch durch Alkohol ausziehen läßt. Es ist nicht wahrscheinlich, daß diese niedern Organismen von ihren Duft- u. Farbstoff-Entwickelungen irgend einen Vorteil haben können, im Gegenteil erzeugen viele von ihnen stark riechende Stoffe, die, wenn sie sich in der Nährflüssigkeit anhäufen, den Erzeuger töten, so z. B. hat E. Baumann Spaltpilze beobachtet, welche Phenol (Karbolsäure), den ärgsten Feind ihres Lebens, hervorbrachten. Man kann in solchen Fällen nur sagen, daß durch die Verschiedenheit der erzeugten Duftstoffe Verschiedenheiten des Lebensprozesses schon bei diesen ureinfachen Wesen angedeutet werden, und dieselbe Bewandtnis hat es auch wohl mit dem Dufte, den gewisse Algen verbreiten, wie z. B. die Veilchen-Alge (Chroolepus hercynicus), welche auf dem bekannten Veilchenstein lebt.
In den eigentümlich aromatischen oder auch für unsre Nasen abstoßenden Düften gewisser höherer Pilze hat man dagegen bereits Anlockungsmittel für Fliegen, Käfer und andre Insekten vermutet, die in einer bestimmten, bisher noch nicht ermittelten Weise entweder bei der Befruchtung oder der Verbreitung der Sporen mitwirken. Viele Pilze bilden den ständigen Versammlungsort zahlreicher Insekten und den Wohnort ihrer Larven, die von dem Fleisch zehren, und manche, wie z. B. der bekannte Gichtschwamm (Phallus impudicus), verbreiten einen so fürchterlichen Aasgeruch, daß sie ihren Standort schon auf weite Entfernungen verraten. Im besondern unentbehrlich erscheint die Mitwirkung lebender Tiere für die Verbreitung gewisser unter der Erdoberfläche wachsender Pilze, wie der Trüffeln und der Hirschbrunst (Elaphomyces cervinus), und dieselben verraten sich in der That den Wildschweinen, Hirschen und gewissen Fliegen durch ihren aus der Erde empordringenden Duft, so daß sie herausgewühlt oder auch von den Fliegenlarven in der Erde besucht werden.
Was man bei den Pilzen bisher nur durch Analogieschlüsse vermuten konnte, daß ihre Duftabsonderung Vermittler für ihre Befruchtung und Verbreitung heranzuziehen bestimmt ist, unterliegt bei den Blütenpflanzen keinem Zweifel mehr. Lebhafte Farben und Düfte unterstützen sich hierbei gegenseitig, und der Zweck oder Nutzen verrät sich offen dadurch, daß Pflanzen, deren Blüten vom Wind befruchtet werden, wie die Gräser, Kätzchenbäume u. a., in ihren Blüten weder eine besondere Farbenpracht noch Duftreichtum entwickeln.
Die Wechselbeziehung verrät sich noch weiter darin, daß Blumen, die der Honigausbeutung durch Abend- und Nachtinsekten angepaßt sind, erst des Abends zu duften beginnen und meist trübe oder schneeweiße, allenfalls hellblaue Farben zeigen, wie Zaunwinde, Nachtviole, Türkenbund, Waldhyazinthe (Platanthera bifolia) u. v. a. Dabei zeigt sich eine enge Anpassung der Duftfarbe an den betreffenden Besucherkreis. So verbreiten viele Aristolochiaceen, Balanophoreen, Stapeliaceen, Aroideen, Rafflesiaceen u. a. Aasgerüche und locken dadurch zu ihren Blüten, die obendrein häufig wie faules Fleisch gefärbt oder gefleckt sind, Scharen von Aasfliegen und andre Aasliebhaber herbei, welche die Befruchtung vollziehen.
Andre Fliegen- und Käferpflanzen haben einen eigentümlichen Stallgeruch, wie z. B. die Eryngium-Arten. Die Bienen und Wespen scheinen Pflanzen mit scharfen Gerüchen, wie die Lippenblütler, die wir als Küchenkräuter verwenden, zu bevorzugen; die dem Besuch der Schmetterlinge angepaßten langröhrigen Blumen haben vielfach einen besonders würzigen Lilien-, Nelken- oder Vanilleduft. Auch viele Früchte duften sehr stark, namentlich solche, die ungenießbare Steinkerne besitzen und durch ihr duftendes Fruchtfleisch Tiere anlocken, welche zur Verbreitung der Samen beitragen.
Daß aber die Pflanzendüfte nicht einzig der Anlockung von Tieren dienen, geht schon aus dem Umstand hervor, daß nicht bloß die Blumen, sondern häufig die ganze Pflanze, Blätter, Rinde und Wurzeln, duften und mit kleinen Behältern voller streng riechender ätherischer Öle durchsetzt sind. In Bezug auf diese Stoffe wie auf die giftigen Alkaloide, die viele Pflanzen enthalten, schloß bereits Erasmus Darwin im vorigen Jahrhundert, daß sie den Pflanzen als Schutzmittel gegen gefräßige Insektenlarven und Wiederkäuer dienen möchten.
In der That sind die starken Düfte mancher Pflanzenblätter vielen Insekten widerlich und sogar tödlich; man braucht nur an den stark aromatischen Walnußbaum zu denken, dessen Laub unter allen unsern Bäumen von Insektenfraß am wenigsten leidet, oder auch an die Insektenpulverpflanze. An den scharfen Duft und Geschmack der Kiefern- und Tannennadeln haben sich freilich viele Insekten gewöhnt. In ähnlicher Weise hat man die scharfen Duftstoffe der Rinden und Wurzeln vieler Pflanzen gedeutet, und in anbetracht des Umstandes, daß namentlich die Wurzeln vieler Sumpfpflanzen scharfe aromatische Stoffe enthalten, wie z. B. die Kalmus-, Ingwer-, Galanga- und Cypergraswurzeln, manche Allium-Arten u. a., hat man geschlossen, daß sie namentlich gegen die im Sumpfboden besonders mächtigen Fäulnisorganismen Schutz bieten dürften. Die streng aromatischen Harzflüsse unsrer Nadelhölzer und andrer Bäume sind in ähnlichem Sinn, da sie sich an Wundstellen ergießen, von denen gewöhnlich die Angriffe der krank machenden Parasiten ausgehen, als natürliche Wundbalsame gedeutet worden.
Auch im Tierreich fällt den Duftstoffen offenbar die doppelte Rolle der Anziehung und Abstoßung zu, natürlich mit dem Unterschied, daß es sich hier nicht mehr um eine Wechselbeziehung zwischen Tier und Pflanze, sondern lediglich um eine Wirkung zwischen den Tieren unter sich, um sogen. sympathische und antipathische Wirkungen handelt, von denen die erstern vornehmlich in der geschlechtlichen Anlockung und für das gegenseitige Sichfinden aus der Entfernung eine wichtige Rolle spielen dürften.
Noch bei den Wirbeltieren zeigt die ungemeine, allen übrigen Gehirnsinnesteilen in der untern und ältern Gruppe vorauseilende Entwickelung der Riechlappen, wie der Geruchssinn ehemals die erste Stellung unter den Sinnesorganen einnahm. Bei den Wasserwirbeltieren freilich fiel Geruchs- und Geschmackssinn noch in eins zusammen, da sich bei den stets unter Wasser lebenden Tieren dampfförmige Duftstoffe nicht geltend machen können, obwohl, wie sogleich zu erwähnen sein wird, auch den Wassertieren riechende Absonderungen eigentümlich sind. Im allgemeinen aber bezieht sich das hier zu Bemerkende auf Lufttiere, bei denen der Wirkungskreis der Düfte naturgemäß erst zur vollen Ausdehnung gelangt.
Übelriechende antipathische
Riechstoffabsonderungen dienen in weiten Kreisen der Tierwelt als bequemste Verteidigungs- und Abschreckungsmittel. Sehr viele Tiere, namentlich Amphibien und Reptilien, strömen, wenn sie gefangen werden, den übeln Knoblauchsduft aus, welcher der Knoblauchkröte ihren Namen gegeben hat, und einen solchen, vermutlich von der ganzen Oberhaut abgesonderten Angstduft hat man auch häufig bei vor Gericht stehenden menschlichen Verbrechern beobachtet. Sehr zahlreiche Tiere haben aber einen besondern Apparat ausgebildet, um Stoffe, die einen lange anhaftenden und unerträglichen Geruch besitzen, in größerer Menge in Vorrat zu halten und im Augenblick der Gefahr in bald flüssiger, bald dunstförmiger Gestalt auszustoßen. Am meisten bekannt und verrufen in dieser Richtung sind die Stinkmarder- (Putorius-), Stinkdachs- (Mydaus-) und Stinktier- (Mephitis-) Arten, welche aus neben dem After liegenden Drüsen dem Angreifer manchmal mehrere Meter weit eine Flüssigkeit entgegenspritzen, die so übelduftend ist, daß ein von ihr besudelter Mensch am besten thut, die Kleider gleich wegzuwerfen.
Nächstdem sind die Bombardierkäfer (Brachinus-Arten) am bekanntesten, kleine Raubkäfer, die im stande sind, durch explosionsartig aus dem After hervorgeschossene Wölkchen eines blauen, salpetrig riechenden und ätzenden Dunstes ihre Verfolger wiederholt zurückzuschrecken. Man hat beobachtet, daß ein solches kleines Tier (Brachinus crepitans) seinen 100mal größern Verfolger, den Puppenräuber (Calosoma inquisitor), 20mal nacheinander zum Stillstehen brachte, und dadurch entgeht er ohne Zweifel oft der Gefahr, ergriffen zu werden.
Aber diese nämliche Fähigkeit ist den meisten Raubkäfern eigen und dient somit Tausenden von Käferarten zum Schutz, die nicht so hörbar bombardieren. Die größern Laufkäfer-(Carabus-)Arten senden den Schuß auch auf erhebliche Entfernungen, während verschiedene Wasserraubkäfer, z. B. die Schwimmkäfer (Dyticus-Arten), aus feinen Poren der Flügeldecken einen höchst unangenehm riechenden und erst durch mehrmaliges Waschen von den Fingern zu entfernenden Stoff absondern.
Bei den kleinen Drehkäferchen unsrer Wasserflächen (Gyrinus natator) ist der Duft so stark, daß, wenn ein Sammler mehrere Stück in ein offenes Glas gethan hat, man den Geruch auf 500-600 Schritt spüren soll. Übrigens ist die Duftabsonderung wohl bei allen Raubkäfern für menschliche Nasen unangenehm, und der oben erwähnte Puppenräuber verbreitet, wenn man ihn fängt, einen fast betäubend zu nennenden Geruch nach Bittermandelöl oder Nitrobenzol. Unter den übrigen Käfern führt die ganze Abteilung der Dämmerungskäfer (Tenebrionidae) im Volksmund den Namen der Stinkkäfer; sie stoßen aber die übelriechende Flüssigkeit vielfach nicht aus dem Hinterteil, sondern aus dem Mund hervor.
Bei mehreren Arten der kleinen Marienschäfchen (Coccinella) tritt, wenn man sie angreift, eine gelbe, unangenehm nach Opium duftende Flüssigkeit aus den Fußgelenken, und ähnlich verhalten sich die Maiwürmer (Meloë-Arten), die dieserhalb auch Ölmutter genannt werden. Von den übrigen Insektenklassen sind besonders die Wanzen verrufen, doch gibt es auch unter den Fliegen, Ameisen, Schmetterlingen und Geradflüglern, namentlich unter den Schaben, viele Arten, die ihrer Ausdünstung wegen von allen Insektenfressern gemieden werden und dann Anlaß zu Nachahmungen ihrer Tracht, geben (Mimikry-Erscheinungen).
Unsre Widderchen-(Zygaena-)Arten besitzen solche Aussonderungen. Auch bei vielen Insektenlarven findet sich dieses Verteidigungsmittel bereits ausgebildet. Rührt man die Larve unsers gemeinen Pappelkäfers (Chrysomela populi) an, so treten aus 18 kegelförmigen Erhöhungen auf dem Rücken ihrer mittlern Ringe ebenso viele Tröpfchen einer höchst unangenehm riechenden milchweißen Flüssigkeit hervor, die nach vorübergegangener Gefahr wieder aufgesaugt werden.
Der schon grün und schwarz geringelten Raupe unsers Schwalbenschwanzes wächst, wenn man sie beunruhigt, plötzlich ein schön orangerotes Gabelhorn aus dem Hinterkopf, welches einen starken Fenchelgeruch verbreitet und jedenfalls ein Verteidigungsmittel gegen kleine Feinde, wie Mücken und Schlupfwespen, vorstellt. Andre Raupen haben gleich den Schaben und den kurzflügeligen Raubkäfern (Staphyliniden) solche hervorstülpbare Dufthörner am hintern Leibesende. Diese Beispiele ließen sich ins Unendliche vermehren.
Viel weniger bekannt als die antipathischen Gerüche sind die sympathischen Duftstoffe, welche namentlich die Weibchen in bestimmten Zeiten aussondern und damit die Männchen aus weiten Entfernungen zu sich heranlocken; sie sind in vielen Fällen viel zu schwach, um von unsern Nasen wahrgenommen zu werden. Daß es indessen in vielen Fällen doch nur der von den Weibchen ausgestreute Geruch sein kann, welcher die Männchen herbeizieht, sieht man schon daraus, daß vielfach nur die Männchen stärker entwickelte Geruchswerkzeuge und zwar bei den Insekten stärker entwickelte Fühler haben als die Weibchen.
Man kann dies besonders schön unter den Schmetterlingen bei den Spinnern und unter den Käfern bei den Lamellikorniern sehen, sofern die Fühlerblätter, die den Duft auffangen, z. B. bei unsern Maikäfermännchen und noch auffallender bei dem sogen. Walker (Polyphylla Fullo), viel größer entwickelt sind als bei den Weibchen. Bei Nachtschmetterlingen kann man die Sache auch praktisch erproben, indem man ein Weibchen in einem Käfig aufhängt, welches in der Regel dann bald von Männchen umschwärmt wird, so daß die Methode der seltenern Arten zum Fang benutzt werden kann.
Bei manchen Insekten sind die Weibchen ungeflügelt, und in einzelnen Fällen kommen sie gar nicht aus der Erde oder ihren sonstigen Schlupfwinkeln heraus, sondern strecken nur einen kleinen Teil ihres Körpers hervor; dennoch wissen die Männchen sie zu finden. Selbst im Puppenzustand ist dieser Geruch bei manchen Schmetterlingen schon ausgeprägt, und man hat wiederholt beobachtet, daß weibliche Chrysaliden, z. B. Seidenraupenpuppen, schon vor dem Ausschlüpfen Männchen anlockten.
Umgekehrt sind bei den Tagschmetterlingen oft die Männchen mit einem deutlichen, selbst der menschlichen Nase erkennbaren Duft versehen, ja sie besitzen, wie Fritz Müller 1876 entdeckte, besondere Duftorgane, die aus pinselartigen Anhäufungen von Haar- und Schuppengebilden der Flügel bestehen, die für gewöhnlich nicht offen der Luft ausgesetzt sind, sondern in einem Umschlag des innern Flügelrandes oder mitten auf der Oberseite der Flügel in kleinen Furchen oder Taschen liegen, aber daraus hervortreten und sich sträuben können, wo sie dann als die denkbar besten Verbreiter solcher Duftstoffe in die Luft thätig sein können. Sind die Gebilde aus eigentlichen Schuppen zusammengesetzt, so pflegen diese doch verlängert und am obern Ende fransenartig zerteilt zu sein, um den wahrscheinlich in flüssiger Form aufsteigenden Duftstoff besser zu verdunsten. In vielen Fällen ist dieser Duft bisam- und moschusartig,
wie bei mehreren unsrer Schwärmer, in einzelnen Fällen aber schön vanilleartig und bei den Männchen von Papilio Grayi so angenehm würzig, daß dieser Falter den von Jean Paul den Schmetterlingen im allgemeinen beigelegten Namen »Blumen der Duft« mit doppeltem Recht verdient und dazu einladet, wie ein duftender Blumenstrauß verwendet zu werden. Die Duftpinsel der europäischen Arten wurden namentlich von Dalla Torre untersucht. Auch aus den andern Insektenklassen sind einzelne sehr angenehm duftende Arten bekannt, z. B. eine prächtig nach Rosen duftende Hummel (Bombus fragrans) aus Südeuropa.
Unter den Wirbeltieren besitzen viele Arten in der Nähe der Geschlechtsteile Drüsen, welche Duftstoffe absondern; bei einigen Säugetieren, wie den verschiedenen Arten der Zibetkatzen und bei den Männchen der Biber und Moschustiere, erfolgt die Absonderung so reichlich in besondere Taschen, daß sie seit alten Zeiten daraus entnommen und als Arzneimittel verwendet werden. Sie haben einen außerordentlich durchdringenden und andauernden Geruch, der aber beim Moschus und Zibet in starker Verdünnung selbst der menschlichen Nase annehmbar wird, weshalb sie in der Parfümerie eine gewisse Rolle spielen. In der Medizin gelten Moschus, Zibet und Bibergeil als drei sehr kräftige Nervenmittel; die erstern beiden wurden gebraucht, wenn es galt, die Kräfte eines an großer Schwäche daniederliegenden Kranken zu beleben oder die Lebensgeister eines Sterbenden noch für einige Stunden zurückzuhalten; das Bibergeil gilt als vorzügliches Krampfmittel.
Feinsinnige Beobachter haben schon längst ähnliche Beziehungen wie bei den Tieren auch beim Menschen wahrgenommen, und Goethe hat bekanntlich sowohl im ersten als im zweiten Teil des »Faust« mehrfache Anspielungen auf die berauschende und berückende Wirkung des weiblichen Dunstkreises auf Männer wie des männlichen auf Personen weiblichen Geschlechts gemacht. Im J. 1821 veröffentlichte Cadet-Devaux eine »Dissertation de l'athomosphère de la femme et de sa puissance«, worin allerlei Beispiele von der Wirkung der weiblichen Atmosphäre auf Männer und ihrer Veränderung durch Krankheiten angeführt wurden, worauf A. Galopin 1885 ein Buch: »Le parfum de la femme et le sens olfactif dans l'amour« herausgab. G. Jäger in Stuttgart hatte sich mit diesen Verhältnissen näher beschäftigt und dabei gefunden, daß, ähnlich wie bei den Schmetterlingen, auch bei dem Menschen die Haargebilde als eigentliche Träger und Verbreiter des Individualgeruchs zu betrachten seien. Er glaubte dies sogar durch den Versuch beweisen zu können, indem er durch Meßinstrumente eine Erhöhung der Nerventhätigkeit bei Leuten nachwies, die an dem Haar oder Kopfputz geliebter Personen gerochen hatten.
Ähnliche Ansichten sind schon in alten Zeiten ausgesprochen worden. In der Bibel lesen wir, daß der alternde König David von der Gesellschaft eines jungen Mädchens Verjüngung hoffte, und als ein gewisser Gommarus ein römisches Denkmal fand, nach dessen Aufschrift ein gewisser Hermippus durch das Anhauchen junger Mädchen ein Alter von 115 Jahren erreicht haben sollte, entwickelte der Neuplatoniker Marsilius Ficinus (gest. 1499) eine Theorie, nach welcher in den Ausdünstungen von Pflanzen, Tieren und Menschen ein Lebendiges enthalten sei, »Geisterchen«, die von einem Lebewesen durch Nase und Mund auf das andre übergehen könnten und alle jene Erscheinungen des Gesellschaftslebens, wie Liebe und Haß, Sympathie und Antipathie, Gleichheit der Gefühle bei Freunden, Liebenden, Ehegatten, bei verschiedenem Alter Verjüngung der ältern Hälfte etc. erzeugen sollten.
Diese Ansichten wurden von vielen Philosophen, z. B. von Bacon von Verulam, adoptiert und auch im Volk sehr populär, wie die bekannte Volksheilmethode des Einhüllens einzelner kranker Glieder oder des ganzen Körpers in das Fett frisch geschlachteter Tiere beweist. Bacon wies als Beweis auf das hohe Alter, welches Lehrer durch den beständigen Verkehr mit frischer Jugend zu erreichen pflegen, und sprach von einem Überströmen der Lebensgeister dabei. Auch der Mißbrauch, den man in frühern Jahrhunderten mit dem frischen Blut Enthaupteter trieb, und die ganze Paracelsische Theorie von der Zauberwirkung der »Mumie«, h, irgend welcher animalischen Körperstoffe, gehört in diesen Ideenkreis.
Bekanntlich hat Jäger in Stuttgart diese Ansichten neu belebt und ist dabei von der bekannten Thatsache ausgegangen, daß die Fleisch- und Albuminstoffe der verschiedenen Tiere einen verschiedenen Geschmack und Geruch besitzen, der besonders hervortritt, wenn dieselben mit starken Säuren oder Alkalien behandelt werden. Es entwickelt sich dann in der Regel der Geruch, welchen die Fäkalien des betreffenden Tiers besitzen, und es läßt sich in diesem Sinn von Klassen-, Gattungs-, Art- und Individualgerüchen sprechen, sofern z. B. das Fleisch der Fische bei aller Verschiedenheit im einzelnen durch solche Behandlung Gerüche von einer gewissen Gemeinsamkeit dem Vogel- oder Säugetierfleisch gegenüber liefert.
Daher präge sich in diesen von dem Eiweißmolekül abspaltbaren Art- und Gattungsgerüchen die durch kein andres chemisches Verfahren nachweisbare Spezifizität des lebenden Körpers aus, und so unterschieden sich wieder die Rassen einer Art, z. B. des Menschen, durch einen besondern Duft (Völkergeruch), der den Angehörigen der fremden Rasse mehr und unangenehmer auffällt als denen der eignen, die ihn nicht mehr bemerken. Dadurch erklärten sich aber auch manche Erscheinungen des Rassenhasses, gerade so wie verschiedene Instinkte der Tiere durch den bloßen Geruch geweckt werden, z. B. die Wut einer Katze, wenn man sie mit der Hand berührt, die unmittelbar zuvor das Fell eines Hundes gestreichelt hat.
Das geht nun weiter, sofern die Ausdünstungsstoffe wieder bei einer und derselben Person durch Alter, Konstitution, Befinden und namentlich durch Affekte beeinflußt werden. Ein lebender Körper dufte besser, wenn derselbe sich in gehobener, fröhlicher Stimmung als unter dem Einfluß deprimierender Affekte, wie Furcht, Angst, Wut, Haß etc., befindet. Es spiegle sich demnach auch die ganze seelische Individualität mit allen ihren Stimmungen in den ausgesonderten Duftstoffen, und diese Ansicht äußerten schon die alten Juden, indem sie aus Jes. 11, 3-4. schlossen, der Messias werde die Gerechten und Ungerechten nach ihrem Geruch unterscheiden.
Sie sollen sogar einen falschen Messias, Bar-Kochba, im 2. Jahrh. unsrer Zeitrechnung verleugnet haben, weil er diese Fähigkeit nicht besessen habe und nicht einmal schwere Verbrecher von rechtlichen Leuten nach dem Geruch unterscheiden konnte. Offenbar hat sich aus diesen und ähnlichen Anschauungen auch die bekannte, oftmals auf Märtyrergebeine übertragene Lehre von dem »Geruch der Heiligkeit« entwickelt, welchen Görres in seiner »Christlichen Mystik« von der völligen Harmonie des geistigen und körperlichen Lebens der Heiligen ableiten wollte.
Jäger ging dann noch einen bedeutenden Schritt weiter. Während die neuere Schule der Zoochemie längst angenommen hatte, daß die Spezifizität des Lebens durch diejenige der Eiweißstoffe gegeben sei, die durch ihre riechenden Abspaltprodukte unmittelbar erkennbar wird, suchte er, anknüpfend an die Ansicht der Juden, daß die Seele im Blut wohne, in dem spezifischen Dufte die Seele selbst, welche dem wachsenden Körper die Form mitteile, so daß z. B. eine Duftpflanze die Nachbarpflanze in ihrer gestaltlichen Ausbildung beeinflussen könne. Da nun das Haar als der hauptsächlichste Träger der individuellen Duftstoffe von ihm angesehen wurde, so schlug er vor, aus dem Haar in irgend einer Richtung, z. B. im Gesang, leistungsfähiger Personen, sogen. Anthropinpillen zu bereiten, welche diese Vorzüge auf andre Personen zu übertragen im stande sein sollten. Er nimmt auch an, daß die Affektdüfte dieselben Affekte in andern Personen wieder erzeugen konnten, und spricht in diesem und ähnlichem Sinn von Lust- und Unluststoffen, Appetit- und Ekelstoffen, welche Sympathie und Antipathie, ganz wie nach der oben erwähnten Platonischen Theorie, erzeugen sollten. Er glaubte auch viele Fälle von Übelbefinden und Kranksein auf die Anhäufung von Unluststoffen im Körper zurückführen zu sollen, welche durch eine unzweckmäßige Bekleidung zurückgehalten würden, und begründete darauf sein bekanntes Wollregime, dessen Hauptgrundsatz in der Ausschließung jeglichen pflanzlichen Faserstoffes aus den Bekleidungsstoffen besteht. Die Wolle habe das Vermögen, alle Unluststoffe entweichen zu lassen und daher den Körper beständig zu entgiften, eine Ansicht, die bekanntlich eine große Anhängerschaft gefunden hat und den Haupterfolg der Jägerschen Bestrebungen darstellt.
So hoch man auf der einen Seite auch Jägers Verdienst der Pfadfindung auf einem bisher brach gelegenen Feld anschlagen mag, so wenig läßt sich verhehlen, daß seine Deutungen oft durchaus verfehlt sind, und daß zum mindesten eine Begriffsverwirrung besteht, sofern der Jägersche Seelenbegriff von dem historisch entwickelten völlig verschieden ist. Aber auch die Lehre, daß die spezifischen Düfte das Wesen und die Ursache der Körperzustände darstellen sollen, beruht auf einer Verwechselung von Ursache und Wirkung.
Nehmen wir die Jägersche Lehre von dem Angststoff, der entbunden wird, wenn, durch quälende geistige Prozesse angeregt, eine Zersetzung der Eiweißstoffe in bestimmter Richtung beginnt. Die Angst entsteht doch offenbar meist durch äußere Veranlassung, ohne daß sogen. Angststoffe vorher vorhanden waren, ihr Auftreten ist eine Folge- oder sagen wir Begleiterscheinung, aber nicht die Ursache. Sie stellen die Ausscheidung, gleichsam die Fäces des physiologischen und psychologischen Vorganges dar, und wenn sie (was nicht geleugnet zu werden braucht) in manchen Fällen auf andre Individuen wirken, so geschieht das wahrscheinlich auf Umwegen, aber nicht so, daß das, was eben Wirkung war, nun sofort als Ursache auftreten könnte.
Vgl. Jäger, Die Entdeckung der Seele (3. Aufl., Leipz. 1885), 2 Bde.);
R. Andree, Über Völkergeruch (in »Ethnographische Parallelen und Vergleiche«, das. 1889).