Dünnschliffe
,
dünne Plättchen, die aus Mineralobjekten, die ihrerseits in dickern Stücken undurchsichtig oder nur durchscheinend sind, hergestellt werden, um dieselben im durchfallenden gewöhnlichen oder polarisierten Licht [* 2] unter dem Mikroskop [* 3] zu untersuchen und Aufschluß über die Zusammensetzung, feinere Struktur und das optische Verhalten zu gewinnen. Ein von einem Mineral oder Gestein abgeschlagenes dünnes flaches scherbenähnliches Stückchen oder ein von demselben mit einer Steinschneidemaschine abgesägtes dickeres Plättchen wird zunächst durch einseitiges Anschleifen mit Schmirgelpulver auf einer Eisen- oder Glasplatte mit einer möglichst glatten Fläche versehen und dann mit derselben durch Canadabalsam auf ein dickeres Glasplättchen aufgekittet; sodann wird, indem man sich dieses Glasplättchens als Handhabe bedient, das eigentliche Dünnschleifen vorgenommen, unter Anwendung von anfangs grobem Schmirgelpulver, dann ganz feinem Schmirgelschlamm, bis das Steinplättchen die wünschenswerte Dünne erlangt hat, sodaß man z. B. eine Druckschrift, auf die dasselbe gelegt wird, hindurch lesen kann.
Die durchschnittliche Dicke von wohlgelungenen Präparaten beträgt 0,025 bis 0,05 mm. Schließlich muß das Präparat nach Erwärmung und Erweichung des Balsamkitts noch auf einen reinen gläsernen Objektträger übertragen, dort in Canadabalsam eingebettet und mit einem Deckgläschen versehen werden. Am frühesten wurde das Dünnschleifen beim Studium verkieselter fossiler Hölzer angewandt (1831 von Nicol und Witham);
die ersten Dünnschliffe
eigentlicher Felsarten fertigte
H. C.
Sorby in Sheffield
[* 4] 1850 an. In
Deutschland
[* 5] brachte diese Methode der Untersuchung zuerst
Oschatz
[* 6] 1852, und zwar für
Mineralien,
[* 7] in Anwendung, ohne daß das weitere Interesse sich ihr zuwandte;
eigentlich ist dieselbe erst seit 1863, wo die «Mikroskopischen Gesteinsstudien» von F. Zirkel erschienen, und 1867, als H. Vogelsang die «Philosophie der Geologie» [* 8] veröffentlichte, allgemein geworden, und hat inzwischen einen mächtigen Aufschwung genommen;
die Wissenschaft der Petrographie,
die früher nur auf den makroskopischen Befund beschränkt war, hat dadurch eine völlige Umgestaltung
erfahren, und auch auf dem Gebiete der Mineralogie sind durch dieselbe äußerst wichtige Ergebnisse über
Krystallisation,
Struktur, Zwillingsverwachsungen u. s. w. gewonnen worden. In neuerer Zeit werden auch
Dünnschliffe
von Petrefakten
[* 9] mit größtem
Vorteil zum
Studium des feinern innern
Baues derselben verwandt.
Auf der
Tafel: Dünnschliffe
in mikroskopischer Vergrößerung sind die Abbildungen einiger Dünnschliffe von
Eruptivgesteinen
zusammengestellt worden, wie sie sich bei stärkerer Vergrößerung (30‒100mal) unter dem Mikroskop darbieten:
[* 1]
Fig. 1.Kersantit von Cierva in
Asturien, zwischen gekreuzten
Nicols im polarisierten Licht. Der Dünnschliff
zeigt größere
Leisten von Plagioklas (Feldspat) mit zonalem
Aufbau und polysynthetisch-lamellarer Zwillingsbildung, bräunlich
erscheinende Hornblende
[* 10] mit zwei schiefwinklig einander durchkreuzenden
Systemen von Spaltrissen, lamellaren
Magnesiaglimmer
(infolge des Pleochroismus je nach der Schnittlage gelblich bis dunkelbräunlich), etwas umgewandelten
Orthoklas; außerdem
enthält das Gestein noch
Apatit,
[* 11]
Titanit,
[* 12] Titaneisen.
[* 1] Fig. 2. Obsidian von der Insel Melos, Griechenland, [* 13] im gewöhnlichen Licht: eine farblose Glasmasse, darin ausgeschieden Züge von gelblichen, an den Enden manchmal keulenförmig verdickten Pyroxen-Mikrolithen, Trichite, wie schwarze Haare [* 14] aussehend und mit feinen dunkeln Magneteisenpünktchen besetzt, farblose, ranken- und pfropfenzieherartig gewundene Belonite, schwarze Magneteisenkörnchen, kettenförmig aneinander gereiht.
[* 1] Fig. 3. Leucitophyr (Leucitit) aus den Steinbrüchen des Lavastroms am Capo di Bove bei Rom, [* 15] im gewöhnlichen Licht; besteht aus einem Untergrund, der größtenteils aus einem Gewirr von grünlichen Augitmikrolithen mit schwarzen Magneteisenkörnchen gebildet wird; darin liegen als größere Durchschnitte von Mineralindividuen ausgeschieden: ¶
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farblose achteckige oder rundliche Leucite mit charakteristischen Kornkränzchen im Innern, grünliche Augite, faserige braungelbe Melilithe, von Leucitkryställchen mosaikartig durchwachsen, dunkelbrauner Magnesiaglimmer, Nephelin in farblosen Tümpeln, spärliche Leisten von farblosem Plagioklas.
[* 16] Fig. 4. Trachytpechstein von den Euganeen, im gewöhnlichen Licht: eine dunkelbräunliche Glasgrundmasse, worin zahlreiche, sehr zarte Mikrolithen eingebettet sind, deren Lage die Bewegungen in dem Schmelzfluß unmittelbar vor dessen Erstarrung veranschaulicht. Von größern Ausscheidungen erscheinen farbloser Feldspat, Hornblende in je nach der Schnittlage mehr gelblichen oder mehr bräunlichen Individuen, die einen dunkeln Rand (das Produkt der Einwirkung des Schmelzflusses auf die bereits verfestigten Krystalle) um sich besitzen; sodann schwarze Körner von Magneteisen.
[* 16] Fig. 5. Granit aus dem Morvan (Frankreich), zwischen gekreuzten Nicols im polarisierten Licht; zeigt Orthoklas-Feldspat in Karlsbader Zwillingen, blau polarisierende Plagioklase mit einfacher oder doppelter, dann einander durchkreuzender polysynthetisch-lamellarer Zwillingsbildung, graulich oder gelblich polarisierenden Quarz mit zahlreichen, wie dunkle verzweigte Linien erscheinenden Reihen von mikroskopischen Flüssigkeitseinschlüssen, blätterigen Glimmer (Biotit), lebhaft gelblich oder rötlich polarisierende Körnchen von Epidot, [* 17] außerdem noch etwas Amphibol und Apatit.
Fig. 6. Amphibol-Andesit von der Insel Santorin, im gewöhnlichen Licht. Die Grundmasse besteht aus einer Glassubstanz, deren verschiedenfarbige dunklere oder hellere Stränge in ihrem gewundenen welligen Verlauf ausgezeichnet die Fluktuationen der Schmelzmasse nach der Ausscheidung der größern Krystalle zur Anschauung bringen. Die letztern, dadurch mannigfach zerbrochen und verstümmelt, sind farblose Feldspate (Plagioklas und Orthoklas), braune, stark zerspaltene Hornblende, grüner Augit, [* 18] schwarzes Magneteisen. Rundliche und ovale Hohlräume in der Glasmasse bewirken ein etwas bimssteinähnliches Aussehen des Gesteins.