Dünkirchen
(franz. Dunkerque, spr. dong- oder döngkerk), Seestadt und Arrondissementshauptort im franz. Departement Nord, an der Nordsee, von der sie durch eine Dünenreihe geschieden ist, 45 km nordöstlich von Calais, der Themsemündung fast gegenüber in öder, sandiger Umgebung, durch Eisenbahnen mit Paris, Calais und Furnes in Belgien verbunden, wichtiger Handelshafen Frankreichs sowie Kriegsplatz erster Klasse. Der Hafen umfaßt einen Vorhafen und drei Bassins mit einer Ausdehnung von 18 Hektar. Die Kais haben eine Länge von 2570 m. Zur Verbesserung des Hafens, welcher nach dem Projekt 8 km Kais erhalten soll, werden nach dem Gesetz vom Jahr 1879: 50 Mill. Frank aufgewendet. Als Kriegsplatz ist Dünkirchen sehr fest, sowohl durch seine neuerrichteten Befestigungswerke als durch die große Leichtigkeit, mit der die Umgegend weithin (bis Bergues) 1,5 m tief unter Wasser gesetzt werden kann. Dünkirchen zerfällt in drei Teile: die eigentliche Stadt, reinlich, luftig und belebt, Sitz des Handels; die Unterstadt, mit breiten, sich rechtwinkelig schneidenden Straßen, Sitz der Industrie, und die Citadelle (Docks und Entrepots), Wohnsitz der Arbeiter und Seeleute. Unter den öffentlichen Plätzen sind hervorzuheben: das gepflasterte Champ de Mars und der Große Platz mit dem Denkmal des Seemanns Jean Bart (dessen Vaterstadt Dünkirchen ist) von David d'Angers; unter den öffentlichen Gebäuden: das Rathaus (seit 1642), die St.-Eloikirche, die als Wallfahrtsort der Seeleute bekannte Kapelle Notre Dame des Dunes (1405 gegründet, 1815 neuerbaut), ferner der Belfried (60 m hoch, mit berühmtem Glockenspiel). Die Zahl der fast durchweg vlämischen Bewohner beträgt (1881) 37,307. Die Erwerbszweige derselben sind: Schiffbau und alles, was zur Ausrüstung von Schiffen gehört, Leinen-, Baumwoll- und Hanfspinnerei, Gerberei, Seifensiederei, Zucker- und Salzraffinerie, Fabrikation von Leberthran, Austernzucht und die im großen betriebene Fischerei, die vorzugsweise Dünkirchen reich gemacht hat. Jährlich gehen viele Schiffe (1883: 122 mit 11,283 Ton. und einer Bemannung von 1799 Personen) nach Island, Neufundland etc. auf den Stockfisch- und Heringsfang. Das Ergebnis war 1883 über 5,5 Mill. kg Stockfisch samt Nebenprodukten und 100,000 kg Heringe. Die Bewohner selbst sind als die furchtlosesten Seeleute bekannt. Dünkirchen treibt einen bedeutenden Handel. Im J. 1883 betrug die durch die Schifffahrt vermittelte Warenbewegung 1,555,409 Ton., wovon auf den internationalen Handel 1,3 Mill. T. und zwar auf die Einfuhr 1,2 Mill. T. im Wert von
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320,7 Mill. Fr. und auf die Ausfuhr 0,12 Mill. T. im Wert von 51 Mill. Fr. kamen. Hauptgegenstände der Einfuhr sind: Schafwolle, Melasse, Zink, Mehl, Ölsaat, Salpeter, Flachs, Baumwolle und Wein; in der Ausfuhr: Zucker, Wollwaren, Kohle, Branntwein etc. Der Schiffsverkehr belief sich 1883 auf 2647 eingelaufene (und ungefähr ebensoviel ausgelaufene) Schiffe mit 959,558 T. Von Dünkirchen gehen Dampfschiffe nach Havre, London, Hull, Southampton, Liverpool, Rotterdam, Hamburg und Petersburg. Bei der Stadt beginnt der Dünkirchener Kanal, der mit dem von Bourbourg und Bergues verbunden und bis Furnes geführt ist und die Stadt mit dem übrigen nordfranzösisch-belgischen Kanalnetz in Verbindung setzt. Dünkirchen ist der Sitz eines Handelsgerichts sowie zahlreicher Konsulate (darunter eines deutschen) und hat ein Collège, eine Schiffahrtsschule, Gemäldesammlung, ein naturhistorisches Museum und eine öffentliche Bibliothek sowie berühmte Seebäder.
Dünkirchen war anfangs ein Dorf, das um eine vom heil. Eligius auf den Dünen erbaute Kapelle entstand und vom Grafen Balduin von Flandern um 960 mit Mauern umgeben wurde. Der Ort war Jahrhunderte hindurch ein Gegenstand der Eifersucht zwischen Frankreich und England und erlitt infolgedessen mannigfache Bedrängnis. 1388 wurde Dünkirchen zum erstenmal durch die Engländer verbrannt, darauf 1400 befestigt. Mit der Grafschaft Flandern fiel es an das Haus Burgund, 1477 an Habsburg. 1558 wurde es von den Franzosen erobert, die es im Frieden von Câteau-Cambrésis 1559 den Spaniern zurückgaben. Die Stadt wurde seitdem der Zufluchtsort von Seeräubern, die den holländischen, englischen und französischen Handel arg belästigten. Der Prinz von Condé eroberte die Stadt 1646 nach siebentägiger Belagerung für die Franzosen, denen sie jedoch bald die Spanier wieder entrissen. Turenne nahm Dünkirchen 1658 von neuem und zwar nach dem Sieg in den Dünen, wo die Dünkirchen belagernden Franzosen (unter Ludwig XIV.) und Engländer (unter Lord Lockhardt) das spanische zum Entsatz anrückende Heer 14. Juni schlugen. Zufolge geschlossenen Vertrags erhielten es darauf die Engländer, denen es Ludwig XIV. 1662 um 5 Mill. Fr. wieder abkaufte. Am 23. Juni 1666 schlugen auf der Höhe von Dünkirchen die Holländer unter Ruyter die Engländer unter Work zur See. Infolge des Utrechter Friedens 1713 mußten die von Ludwig XIV. prächtig aufgeführten Festungswerke geschleift und der Hafen gefüllt werden, bis endlich der Versailler Friede von 1783 die Wiederherstellung der Werke wie des Hafens gestattete. Die Belagerung der Stadt, welche der Herzog von York mit einer englisch-holländischen Armee im Sommer 1793 unternahm, mußte nach der Schlacht bei Hondschoote (8. Sept.) aufgehoben werden. Vgl. Derode, Histoire de Dunkerque (1852).