Dreißigjäh
riger
Krieg, der furchtbare, von 1618 bis 1648 auf deutschem Boden ausgefochtene Krieg, der, aus dem religiösen Gegensatz des Protestantismus und Katholicismus im Reiche entsprungen, durch die Einmischung der Außenmächte schließlich ein Kampf um rein äußere Ziele der Macht und des Besitzes geworden ist.
I. Vorgeschichte. Die Zeit seiner Vorbereitung liegt in dem mit dem Augsburger Religionsfrieden (1555) beginnenden Zeitalter der Gegenreformation. Der Religionsfrieden (s. d.) hatte dem Glaubenskampf keinen Abschluß gegeben; er war nur dem dringenden Friedensbedürfnis beider Parteien entsprungen und stellte die Lösung wichtiger Fragen ganz der Zukunft anheim, nur um für den Augenblick Ruhe gewähren zu können. Einzelne Bestimmungen wurden von jeder Partei anders ausgelegt, oder überhaupt nur von einer Partei anerkannt, so besonders der Ausschluß geistlicher Lande von der sonst den Reichsständen gewährten Glaubensfreiheit und die Frage der Gewissensfreiheit der Unterthanen in diesen geistlichen Landen. Ferner war durch den ¶
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Religionsfrieden von 1555 nur den Anhängern der Augsburger Konfession, nicht aber den Calvinisten Duldung gewährt worden. Jede Partei aber suchte natürlich den Frieden in ihrem Sinne auszulegen und durchzuführen. Die Protestanten hielten sich für berechtigt, alle in ihren Machtbereich fallenden großen und kleinen geistlichen Stifter zu säkularisieren und ihrem Bekenntnis zu gewinnen. Die Katholiken erkannten das Recht nicht an, aber auch nicht die Rechte der prot.
Unterthanen in den dauernd dem Katholicismus zugesprochenen geistlichen Landen. Während nun auf prot. Seite nach dem Aufschwung der vergangenen Jahre (s. Reformation) ein schwächliches Erlahmen folgte, zeigte sich auf kath. Seite ein Zusammenraffen aller Kräfte, um den in Deutschland [* 3] fast ganz verlorenen Boden zurückzugewinnen. Die Beschlüsse des Tridentinischen Konzils (s. d.) gaben die Waffen, [* 4] und zu ihrer Führung trat vor allem der Jesuitenorden hervor.
Die jesuitische Politik rücksichtsloser Propaganda fand Eingang an den Höfen leitender kath. Fürsten in Deutschland, vor allem beim Kaiser und in Bayern; [* 5] Schritt um Schritt wurden die in Thatenscheu und Kurzsichtigkeit befangenen prot. Fürsten zurückgedrängt. Jede prot. Regung in bisher kath. Gebieten wurde kräftig unterdrückt. 1607 ging Herzog Maximilian I. von Bayern so weit, daß er auf ein höchst parteiisches Urteil des katholischen kaiserl. Reichshofrats hin die prot.
Reichsstadt Donauwörth politisch und religiös vergewaltigte. Diese äußerste Gefahr brachte endlich mehrere prot. Fürsten zum engern Anschluß aneinander. 1608 wurde in Ahausen die bald sich erweiternde prot. Union abgeschlossen, welcher dann 2 Jahre darauf unter Führung Maximilians von Bayern die vornehmlich das kath. Süddeutschland umfassende kath. Liga gegenübertrat. Zu dem entscheidenden Ausbruch der Feindseligkeiten führte endlich der Gegensatz in den kaiserl. Erblanden.
Hier hatten 1609 Matthias in der «Konzession» den Österreichern, vor allem aber Rudolf II. den Böhmen [* 6] in dem «Majestätsbrief» große religiöse Zugeständnisse machen müssen, und diese letztern hatte Matthias bei seinem Regierungsantritt bestätigt. Es hatten damit die böhm. Stände der Herren, Ritter und Städte sowie die Unterthanen auf königl. Gütern (wozu gemeinhin auch die geistlichen Güter gerechnet wurden) nicht nur Gewissensfreiheit, sondern auch das Recht des Kirchenbaues in ihren Gebieten erhalten.
Als aber in Klostergrab und in Braunau die prot. Unterthanen wider den Willen ihrer Oberherren, des Erzbischofs von Prag
[* 7] und
des Abtes von Braunau, Kirchen zu bauen anfingen, ließ die Regierung die in Klostergrab erbaute niederreißen und die zu Braunau
schließen (1614) und setzte in die Landesregierung in überwiegender Mehrzahl Katholiken ein. So entfesselte sie die in
Böhmen längst gärende Unruhe zu wilder revolutionärer Erhebung. Die mit ihren Bitten vom Kaiser abgewiesenen
böhm. Stände traten eigenmächtig in Prag zusammen, Abgeordnete von ihnen begaben sich zu den kaiserl. Statthaltern
aufs Schloß, nach hitzigem Wortgefecht wurden die verhaßtesten derselben, Martinitz und Slavata und mit ihnen der ganz
unschuldige Sekretär
[* 8] Fabricius ergriffen und zum Fenster hinaus in den Schloßgraben gestürzt. Sie
kamen ohne erheblichen Schaden davon. Mit dem Fenstersturz aber war gleichsam die Krieg
slosung gegeben.
II. Der böhmisch-pfälzische Krieg (1618-23). Der böhmische Krieg nahm sofort mit der Erhebung der Böhmen und der Gegenrüstung der kaiserl. Regierung gegen ihre rebellischen Stände seinen Anfang. Beide Parteien sahen sich nach Bundesgenossen um. Die Böhmen unter Führung des Grafen Thurn erhielten Beistand von den Mächten der prot. Union unter Führung Mansfelds; sie drangen zuerst siegreich vor und bedrohten Wien. [* 9] Als nach Matthias' Tode Ferdinand II. (1619-37) in den Erblanden und in der Kaiserwürde folgte, erklärten die Böhmen diesen fanatischen Jesuitenzögling für abgesetzt und erhoben das Haupt der Union, den Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz, zum böhm. König (1619). Aber bei den prot.
Genossen im Reich fand dieser keine Unterstützung, ebensowenig bei seinem Schwiegervater, Jakob I. von England, auf dessen Hilfe er gerechnet hatte. Der Kaiser hingegen erhielt Hilfe von den span. Habsburgern und vor allem von der kath. Liga unter Bayerns Führung; ja die Eifersucht gegen den calvinischen Pfälzer und die Hoffnung auf Landgewinn ließ das größte prot. Territorium, Kursachsen, den Gegnern seines Glaubens beitreten. Der einzige thätige Verbündete Friedrichs V., Bethlen Gabor von Siebenbürgen, der mit Thurn vereint bis in die Nähe von Wien vordrang, richtete nichts weiter aus.
Das unter Tilly heranrückende Heer der Liga warf zunächst das mit Schlesien [* 10] und Mähren gleichfalls aufständische Erzherzogtum Österreich [* 11] nieder und schlug dann Friedrich V. und die Böhmen vollständig in der Schlacht am Weißen Berge bei Prag Friedrich floh geächtet nach Norddeutschland, bis er schließlich in Holland eine Zuflucht fand. Über die Böhmen und ihre Genossen in Mähren, Schlesien und Österreich erging ein hartes Strafgericht; Bluturteile, Verbannungen, die größten Gütereinziehungen folgten, jede Religionsfreiheit wurde vernichtet; binnen wenigen Jahren war das zuvor fast ganz prot. Land dem Katholicismus zurückgewonnen.
Die Verbindung der aufständischen Böhmen mit dem Kurfürsten von der Pfalz hatte zur unmittelbaren Folge, daß nun von den Siegern der Rachezug auch gegen Friedrichs Lande ausgedehnt wurde und damit an den böhmischen sich unmittelbar der pfälzische Krieg anschloß. Schon waren span. Truppen unter Spinola in die Rheinpfalz eingedrungen, wohin sich der Söldnerführer Mansfeld mit seinen Scharen geworfen hatte; dieser und Christian von Braunschweig [* 12] traten für den geflüchteten Pfälzer Kurfürsten ein, dessen unglückliches Land freilich schwer unter ihren zuchtlosen Banden zu leiden hatte.
Die Union aber dachte an keinen weitern Kampf und löste sich gerade in dieser entscheidenden Zeit auf. Nun rückte Tilly, um die über Friedrich V. verhängte Reichsacht zu vollstrecken, in die Oberpfalz ein. Da aber erschien der geächtete Kurfürst plötzlich wieder in der Pfalz; es kam zum Kampfe, und bei Wiesloch wurde Tilly von Mansfeld und einem dritten Pfälzer Parteigänger, dem Markgrafen Georg Friedrich von Baden-Durlach, geschlagen. Als aber die beiden Verbündeten sich gleich nach der Schlacht trennten, vernichtete Tilly mit Hilfe der Spanier zuerst das Heer des Markgrafen bei Wimpfen (6. Mai) und besiegte dann Christian von Braunschweig bei Höchst (20. Juni). Bei den nun eingeleiteten Friedensverhandlungen aber ließ sich Friedrich V. von den ¶
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gleisnerischen Versprechungen der habsburg. Diplomaten täuschen; er entließ Mansfeld und Christian von Braunschweig aus seinen Diensten. Nach dem Abzuge dieser Söldnerscharen aber war die Pfalz gänzlich in die Hände der Kaiserlichen gegeben. Sie wurde von Tilly völlig besetzt, verwüstet und ausgeplündert. Heidelberg [* 14] mit den Schätzen der Bibliotheca Palatina, Mannheim [* 15] und Frankenthal [* 16] fielen in seine Hände, und nach anfänglichem Widerstand von Brandenburg [* 17] und Sachsen [* 18] wurde auch die Kurwürde von der Pfalz genommen und auf den Bayernherzog Maximilian übertragen (1623). Zugleich erhielt dieser die Oberpfalz, und der Kurfürst von Sachsen wurde mit der Verpfändung der Lausitz für seine Hilfe gegen die Glaubensgenossen belohnt. Christian von Braunschweig, der sich zunächst nach den Niederlanden, dann nach Westfalen [* 19] gewendet hatte, wurde hier noch einmal von Tilly bei Stadtlohn geschlagen.
III. Der niedersächsisch-dänische Krieg (1625-30). Im Verlauf des pfälz. Krieges waren bereits die Lande des norddeutschen
niedersächs. Kreises durch Einlagerung der ligistischen Truppen in Mitleidenschaft gezogen worden. Da
diese Truppen jetzt nicht entlassen wurden, so dachten diese Länder besorgt an Widerstand und traten in Verbindung mit König
Christian IV. von Dänemark,
[* 20] der als Besitzer Holsteins zu den Ständen dieses Kreises gehörte. Dieser aber knüpfte weitere
Beziehungen zu den großen Außenmächten Frankreich, England und den Niederlanden an, die mit Eifersucht
den siegreichen Kraftaufschwung der verbündeten deutschen und span. Habsburger angesehen hatten;
sie alle verpflichteten sich zur Truppenhilfe in dem weiter geführten Kampf (1625). Die Aussichten der bisherigen Sieger
gegenüber einer solchen europ. Vereinigung waren trübe genug; da brachte zweierlei die Rettung: die baldige Abziehung
Frankreichs und Englands von jeder nachhaltigen Krieg
führung durch schwere innere Wirren und das Vortreten einer neuen
Macht auf kaiserl. Seite in Wallenstein.
Dieser stellte 1625 für den völlig mittellosen Kaiser ein großes Heer ins Feld und rückte mit diesem neben Tilly gegen Norddeutschland vor. Er schlug Mansfeld bei der Dessauer Elbbrücke und verfolgte ihn durch Schlesien und Mähren nach Ungarn, [* 21] wo beide Heere durch Strapazen und Entbehrungen furchtbar litten. Mansfeld selbst starb mit seinem Genossen Bethlen Gabor schloß Wallenstein Frieden. Der durch ein Wallensteinsches Hilfskorps verstärkte Tilly hatte unterdes den Dänenkönig Christian bei Lutter am Barenberge völlig geschlagen und war Herr fast des ganzen niedersächs.
Kreises geworden. 1627 rückte Wallenstein mit ihm gemeinsam bis Holstein vor; aber ihre Eifersucht ließ sie nicht zusammenbleiben: Wallenstein nahm Schleswig [* 22] und Jütland, verjagte die Herzöge von Mecklenburg, [* 23] mit deren Landen ihn der Kaiser belehnte, und ging daran, mit der Bezwingung der Ostseeplätze eine kaiserl. Meeresherrschaft anzubahnen. Seine Pläne aber scheiterten durch die heldenmütige Verteidigung von Stralsund, [* 24] dessen Belagerung er Anfang Aug. 1628 aufgeben mußte.
Nun drängte er zum Frieden mit Dänemark, der auch zu Lübeck [* 25] geschlossen wurde. Christian IV. erhielt die eroberten Länder Holstein, Schleswig und Jütland zurück, mußte aber auf seine fernere Einmischung in die deutschen Angelegenheiten verzichten. Inzwischen hatte der von fanatisch kath. Beratern geleitete Kaiser das Restitutionsedikt erlassen, das alle von den Protestanten seit 1552 in Besitz genommenen geistlichen Güter wieder zurückforderte. Gerade wurde mit der Durchführung dieser revolutionären Forderung begonnen, als Ferdinand selbst sich seiner festesten Stütze berauben ließ. Die auf Wallenstein und die von ihm verfochtene kaiserl. Souveränität eifersüchtigen Fürsten der kath. Liga nötigten auf einem Kurfürstentag zu Regensburg [* 26] 1630 den schwachen Kaiser zur Entlassung Wallensteins.
IV. Der schwedische Krieg (1630-35). Für den Sturz Wallensteins hatte in Regensburg mit besonderm Eifer der erbitterte Gegner des Hauses Habsburg, der franz. Staatsleiter Kardinal Richelieu gewirkt. Er stand damals bereits in einer bald zu förmlichem Bundesabschluß führenden Verbindung mit König Gustav Adolf von Schweden, [* 27] der sich zum eigenen Eintritt in den Krieg rüstete. Das Vordringen kaiserl. und kath. Herrschaft bis an die Ostseeküste, der von Wallenstein aufgestellte Plan einer kaiserl. Meeresherrschaft hatten den Schwedenkönig auf das empfindlichste berührt, da er selbst die Macht über die Ostsee anstrebte und bei einem Vordringen des Katholicismus in Norddeutschland seinen eigenen Thron [* 28] durch die kath. Wasas in Polen gefährdet sah.
Gustav Adolf erschien mit 13000 Mann auf der Insel Usedom; er hoffte nach seiner Landung auf den Beitritt der niedergeworfenen prot. Fürsten, als deren Befreier er erschien. Aber schon den Herzog Bogislaw XIV. von Pommern [* 29] mußte er mit Gewalt zu einem Bundesvertrage zwingen, nur Stadt und Erzstift Magdeburg, [* 30] Hessen-Cassel und Sachsen-Weimar traten ihm frühzeitig bei; vor allem widerstrebten ihm sein Schwager Georg Wilhelm von Brandenburg und Johann Georg von Sachsen.
Norddeutschland hatte Gustav Adolf schnell von den Kaiserlichen gesäubert, Frankfurt [* 31] a. O. genommen und wollte nun zum Entsatz des von Tilly mit seiner ganzen Heeresmacht umlagerten Magdeburg abrücken, sobald er der beiden Kurfürsten versichert war. Deren Zögern aber verschuldete es, daß Magdeburg von Tilly erobert und grauenvoll verwüstet wurde. Den Brandenburger zwang Gustav Adolf endlich durch Drohungen zum Anschluß, den Sachsen brachte der heranrückende Tilly dazu, seine Zuflucht beim Schwedenkönig zu suchen.
Bis zum letzten Augenblick hatten beide Kurfürsten den Gedanken gehegt, zwischen den großen kämpfenden
Parteien eine friedlich vermittelnde Stellung einnehmen zu können. Durch ihre Kontingente verstärkt trat nun Gustav Adolf
Tilly bei Breitenfeld
[* 32] gegenüber und brachte ihm eine vernichtende Niederlage bei. Der Sieg war epochemachend, weil
die neue bewegliche Taktik der Schweden und das Feldherrntalent Gustav Adolfs über die schwerfällige alte
span. Krieg
skunst, wie sie Tilly vertrat, triumphierte, und weil mit diesem Tag der Protestantismus für Norddeutschland gerettet,
das Restitutionsedikt vernichtet war. Siegreich zog der König durch Thüringen und Franken, hielt während des Winters in
Mainz
[* 33] Hof,
[* 34] brach im nächsten Frühjahr gegen Süddeutschland auf, zog sodann in Nürnberg
[* 35] ein, schlug am
Lech zum andernmal Tilly, welcher in der Schlacht tödlich verwundet wurde, nahm Augsburg
[* 36] und war im Mai Herr von München.
[* 37]
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