Drehkrankheit
oder
Drehsucht, auch
Kopfdrehe,
Taumelsucht, Blasenschwindel,
Tölpischsein genannt, eine
Krankheit, die
fast ausschließlich Schafe,
[* 2] in seltenen Fällen auch Rinder
[* 3] und Ziegen befällt. Die Drehkrankheit
kennzeichnet sich
durch ausgesprochene Bewegungsstörungen. An
Stelle eines normalen
Ganges bemerkt man sog.
Zwangsbewegungen, denen die
Tiere
willenlos unterworfen sind. Je nach der Eigenart dieser
Zwangsbewegung unterscheidet man in der Praxis
Dreher, wenn sie sich im
Kreise
[* 4] bewegen (Manègebewegung),
Traber und Würfler, wenn sie hochtrabend und den
Kopf gesenkt sich
nach vorn bewegen und dabei häufig stolpern und fallen, ferner
Taumler, Schwindler, Seitlinge, wenn sich die
Tiere beim
Gehen
seitlich zu unterstützen suchen, das
Gleichgewicht
[* 5] aber häufig verlieren und dabei nach der Seite umfallen.
Schließlich beobachtet man noch die Zeigerbewegung, bei der die Schafe sich um einen festgestellten Fuß drehen. Alle diese Bewegungsstörungen werden herbeigeführt durch die Einwanderung des blasenartigen Drehwurmes in das Gehirn. [* 6] Durch Einwanderung desselben in das Rückenmark entsteht die sog. Kreuzdrehe, bestehend in Kreuzschwäche, Schwanken im Hinterteil (Kreuzdreher, Kreuzschläger) und schließlicher Lähmung eines oder beider Hinterfüße. Der Drehwurm (Gehirnblasenwurm, Gehirnquese) ist die ungeschlechtliche Vorstufe des Quesenbandwurmes (Taenia coenurus Siebold., s. Bandwürmer), der hauptsächlich im Darm [* 7] von Schäfer- und Fleischerhunden schmarotzt.
Mit dem Kote solcher Hunde [* 8] gelangen die Bandwurmeier auf die Weidegräser, werden mit diesen von den Schafen aufgenommen und entwickeln sich in denselben nach erfolgter Wanderung vom Magen [* 9] bis zum Gehirn oder Rückenmark zu dem Blasenwurm. Umgekehrt werden die Hunde durch Verfüttern des Gehirns drehkranker Schafe mit Bandwurmbrut infiziert. Auf der Innenwand des Gehirnblasenwurms entwickeln sich nämlich mehrere hundert Stück stecknadelkopfgroßer Gebilde, sog. Ammen, die im Darme von Hunden und Füchsen zu Quesenbandwürmern sich umbilden.
Die Drehkrankheit
der Schafe und der übrigen Haustiere ist eine unmittelbare Folge des Druckes des heranwachsenden
Drehwurmes auf die umgebenden Gehirnteile. Durch Anbohren des Schädeldaches (Trepanieren) oder Anstechen (Troikarieren)
läßt sich mitunter eine Entfernung des Drehwurmes und damit
Heilung bewerkstelligen. Vorgebeugt aber
wird dem Übel dadurch, daß man den Schäferhunden regelmäßig ein
Bandwurmmittel (z. B. Farnkrautextrakt 2‒8 g oder Arekanuß
10‒20 g) verabreicht und die
Exkremente hierauf gründlich beseitigt, sodaß ihr
Inhalt an Bandwurmeiern von den Schafen
nicht zufällig genossen werden kann, und andererseits dadurch, daß man die
Köpfe drehkranker
Tiere durch
Verbrennen vernichtet
und sie nicht den
Hunden als Leckerbissen vorwirft. –
Vgl. Zürn, Die tierischen Parasiten in und auf dem Körper der Haussäugetiere (2. Aufl., Weim. 1882).