Drâvida
,
Drawida,
Volks- und
Sprachstamm
[* 2]
Indiens, welcher eine von der mittelländischen (kaukasischen) und von der hochasiatischen
(mongolischen) verschiedene Rasse bildet. Der
Name Drâvida
wird von den europ. Gelehrten in ganz anderm
Sinne gebraucht als von
den indischen. Diese kennen fünf Dravida
stämme (Pantschadrâvidam
), nämlich
Telinga, Karnâtakat,
Marâthi,
Gurjara, Drâvida
(Tamil), womit die Kulturvölker des
Dekan zusammengefaßt werden. Die europ. Gelehrten dagegen bezeichnen mit
dem Worte diejenigen
Völker, welche
vor der Einwanderung der
Arier
Indien bewohnten.
Anthropologisch sind sie gleichartig, sprachlich (s.
Dekanische Sprachen) aber zerfallen sie in zwei scharfgetrennte
Teile:
die Drâvida
im engern
Sinne und die Kolarier (s. d.), zu denen auch die jetzt
fast ganz hinduisierten
Stämme Radschastans (die Bhi,
Mina u. s. w.) gehörten. Die Gegensätze zwischen den
Ariern und «der
schwarzen
Haut»
[* 3] (Rigveda) war auch den Alten (Herodot) wohl bekannt. Der
Einbruch der
Arier (des sog. Sanskritvolks) mag um 2000
v. Chr.
stattgefunden haben, da die ältesten litterar.
Denkmäler der Arier, die vedischen Hymnen, von ihrem Leben im heutigen Pandschab und von dem allmählichen Vordringen ins Gangesland Kunde geben, aber vom Dekan so gut wie nichts wissen. Die immer kraftvoller vordringenden Arier unterwarfen die dunkelfarbige Urbevölkerung und reihten sie als dienende Kaste den drei alten freien Kasten der Priester, Krieger und Landbebauer an, während andere Teile in die Wälder flohen, wo sie als vogelfreie Barbaren galten. Am tiefsten gedrückt wurde die alte Bevölkerung [* 4] Bengalens.
Ganz anders vollzog sich die Brahmanisierung des Dekans, wo einerseits die wilden Stämme durch das gebirgige Terrain besser geschützt waren, andererseits aber vielleicht schon älterer Kultur gegenüber trat. So hat das Tamil ein altes eigenes Wort für «schreiben». Daß zwischen dravidischen Priestergeschlechtern und den Ariern Kompromisse stattfanden, wodurch die erstern als Brâhmana anerkannt wurden, ist bekannt. Das Vordringen der arischen Kultur geschah hauptsächlich durch die Waldsiedeleien der Brâhmana auf durchaus friedlichem Wege.
Deswegen haben die Drâvida
(im engern
Sinne) trotz der
Annahme des Hindutums, das sie in eigener
Weise fortbildeten, ihre eigenen
Sitten und ihre Muttersprachen bewahrt. Wahrscheinlich bei dem ersten
Einbruch der
Arier zur Seite geschoben sind die im Berglande
Belutschistans wohnenden
Brahui (s. d.). Da die Kulturvölker unter den Drâvida
(Tamulen, Malabaren,
Telugu,
Kanaresen)
mehr oder weniger Blutmischungen mit den
Ariern eingegangen sind, so ist der relativ reinste physische
Typus bei den Bergvölkern
zu suchen. –
Vgl. Lassen, Ind. Altertumskunde, Bd. 1 (2. Aufl., Lpz. 1854–56);
Duncker, Geschichte des Altertums, Bd. 3: Die Arier am Indus und Ganges (5. Aufl., ebd. 1879);
Graul, Reise nach Ostindien [* 5] (5 Bde., ebd. 1854–58);
Oppert, On the ancient inhabitants of Bharatavarsha (Madras [* 6] 1889);
Risley, Tribes and castes of bengal (2 Bde., Kalk. 1892).