Dramaturgie
(Dramaturgik
, griech.), bei den Griechen Bezeichnung für die
Darstellung eines
Dramas sowie für die Verfertigung
eines solchen, während sie
Schriften über dramatische
Dichtungen und deren Aufführung Didaskalien nannten. In neuerer Zeit
hat das
Wort Dramaturgie
eine wesentlich andre und sehr dehnbare Bedeutung erhalten, so daß man jetzt
die ganze
Lehre
[* 2] vom
Drama darunter versteht, des dichterischen Teils sowohl als der theatralischen Ausführung in
Darstellung
und szenischen
Mitteln, obschon es zur Zeit noch fast ganz an
Schriften fehlt, die diesem umfassenden
Sinn des
Wortes entsprächen.
Die meisten dramaturgi
schen
Schriften beschäftigen sich nur mit einzelnen Teilen einer solchen
Lehre.
Für ein zusammenfassendes Werk bietet besonders das
Verhältnis der
Musik zum
Drama eine
¶
mehr
beträchtliche Schwierigkeit. Lessing war der erste, welcher für das, was die Griechen Didaskalia (s. d.) genannt haben würden,
die Bezeichnung Dramaturgie
gebrauchte, obschon die »Hamburger Dramaturgie«
keineswegs die erste dramaturgische
Schrift war. Als die älteste
darf die »Poetik« des Aristoteles bezeichnet werden, die sich jedoch auf die Tragödie beschränkt. Die Dunkelheit
und Mehrdeutigkeit einzelner Stellen derselben hat viel zu der Verwirrung beigetragen, der wir auf dem Gebiet des Dramas im
Lauf seiner historischen Entwickelung begegnen.
Lessing hat sich um die Aufklärung einiger der am meisten mißverstandenen Punkte große Verdienste erworben, ohne sie doch überall endgültig entschieden zu haben. Von den römischen Schriftstellern hat unter andern Horaz in seinem meist als »Ars poetica« bezeichneten zweiten Brief an die Pisonen auch Ansichten über das Drama niedergelegt. Unter den Spaniern verdienen besonders Lope de Vega (»Neue Kunst, in jetziger Zeit Komödie zu schaffen«),
Tirso de Molina, Cristoval Juarez de Figueroa, Ignacio de Luzan und Blas Nasarre als Theoretiker des Dramas angeführt zu werden. In Frankreich legte der ältere Corneille den Grund zu der Lehre von den drei Einheiten, die von Boileau in seiner »Art poétique« zum Gesetz erhoben wurde und für die Entwickelung des französischen Dramas, besonders der Tragödie, verhängnisvoll war. D'Aubignac (»Pratique du théâtre«) trieb die akademischen Regeln auf die Spitze, indem er sogar die Zahl der Verse des Dramas festsetzen wollte.
Molière und später Diderot reagierten gegen diese und ähnliche Satzungen zu gunsten der Natur und der künstlerischen Freiheit.
Von den Italienern mag hier nur Riccoboni (»L'art du théâtre«) genannt werden. In
Deutschland
[* 4] trat Gottsched für die französischen Regeln, Lessing für eine natürliche Auffassung des Aristoteles, für Shakespeare,
doch leider auch zu sehr für Diderot ein. Seine »Hamburger Dramaturgie«
(mit Kommentar hrsg. von Schröter und Thiele, Halle
[* 5] 1877-1878)
war epochemachend und grundlegend für alles, was nach ihm hier über das Drama geschrieben wurde.
Tiecks dramaturgische Schriften, A. W. Schlegels »Vorlesungen über dramatische Kunst« treten neben Lessing glänzend aus der Menge der hierher gehörigen Schriften hervor. Daneben verdienen auch Engels »Mimik«, [* 6] Goethes »Regeln für Schauspieler«, Ifflands »Fragment über Menschendarstellung« u. a. genannt zu werden. Von neuern Werken vgl. Rötscher, Kunst der dramatischen Darstellung (2. Aufl., Leipz. 1864);
die Sammlungen dramaturgischer Aufsätze von Lindau, [* 7] Bulthaupt, Wedde u. a.;
ferner G. Freytag, Technik des Dramas (4. Aufl., das. 1881);
R. Prölß, Katechismus
der Dramaturgie
(das. 1877).
S. auch Schauspielkunst.