Drama
(griech.), »Handlung«, aber nicht vollzogene (actum), sondern im Vollzug begriffene (actio), sofern dieselbe von handelnden Personen ihrer innern Anlage (Charakter) und ihrer äußern Lage (Situation) gemäß soeben ausgeführt wird; im ästhetischen Sinn diejenige Dichtungsart, welche die Form einer solchen nachahmt, d. h. (nach Lessing) »Begebenheiten als Handlungen« darstellt, im Gegensatz zum Epos, welches »Handlungen als Begebenheiten« darstellt. Da nun jede Handlung eine Veränderung in sich schließt, zu dem Vollzug derselben aber Zeit erfordert wird, so folgt, daß beides auch bei dem Drama der Fall sein muß. Jene besteht in der (entweder betrübenden oder erfreulichen) Schicksalswendung des dramatischen »Helden« (tragischer, komischer Glückswechsel); unter dieser versteht man den Zeitraum, der zwischen Beginn und Schluß der nachgeahmten Handlung als verflossen gedacht wird (derselbe kann, wie in Schillers »Wallenstein«, einige Tage, aber auch, wie in Shakespeares »Macbeth«, mehrere Jahre betragen). Auf jener beruht, da jede im Vollzug begriffene Handlung ein kontinuierliches Geschehen, d. h. eine Reihe
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nicht bloß aufeinander (in der Zeit), sondern auseinander (als Ursachen und Wirkungen) folgender Zustände, umfaßt, die ästhetische Forderung der Einheit der Handlung im D. Der kausale Zusammenhang der in demselben nacheinander vorgeführten Reden und Thaten erzeugt den Schein, als hätten wir eine im Vollzug begriffene, also gegenwärtige Handlung vor uns. Daher dürfen die einzelnen Teile der Handlung im D. nicht bloß (zeitlich) auf-, sondern sie müssen (kausal) aufeinander folgen, d. h. durch einander motiviert sein; »die Kategorie der Kausalität ist«, wie Schiller an Goethe schreibt, »die Kategorie der Tragödie« und des Dramas überhaupt. Die Einheit der Handlung im D. ist nicht mit der Einheit der Person (des »Helden«) zu verwechseln; letztere ist bloß episch, indem dieselbe Person Gegenstand sehr verschiedener, in der Zeit nacheinander folgender Begebenheiten sein kann, ohne daß diese letztern, wie es das Drama verlangt, untereinander notwendig im Kausalzusammenhang stehen müssen. Dieselbe ist für das Drama das wichtigste Erfordernis, schließt aber weder aus, daß der Haupthandlung Nebenhandlungen (Episoden) eingewebt werden (Max und Thekla im »Wallenstein«), noch, daß neben derselben eine zweite Handlung, gleichsam ein zweites Drama, für welches seinerseits wieder die Forderung der Einheit der Handlung gilt, gleichzeitig ablaufe (das Drama im Haus Glosters neben jenem im Haus Lears bei Shakespeare). Dramen mit einer einzigen Handlung heißen einfache, solche mit doppelter und mehrfacher Handlung zusammengesetzte; von ersterer Art sind die meisten antiken und die »klassischen« Dramen der Franzosen, von letzterer die meisten spanischen (besonders im Lustspiel, wo die Handlung der Diener jene der Herren kopiert) und englischen, besonders Shakespeares. So gerechtfertigt die Forderung der Einheit der Handlung ist, die schon Aristoteles in seiner Lehre von der Tragödie allen andern voranstellte, sowenig ist es die von den französischen Ästhetikern (infolge ihres Mißverständnisses der »Poetik« des Aristoteles als angeblich von diesem stammend) aufgestellte Forderung der sogen. »Einheit der Zeit und des Ortes« im D. Unter jener verstanden sie, daß die wirkliche Dauer der nachahmenden Handlung jene der nachgeahmten entweder gar nicht, oder daß letztere doch nicht den Zeitraum eines Sonnentags (24 Stunden) überschreiten dürfe; unter dieser, daß die nachgeahmte und demgemäß auch die nachahmende Handlung, das Drama, während ihrer ganzen Dauer an demselben Ort vor sich gehen müsse. Dramen wie Shakespeares »Macbeth«, dessen Handlung seine ganze Regierungszeit (18 Jahre) umfaßt, oder »König Lear«, der teilweise in Frankreich, teilweise in England spielt, galten ihnen für unerlaubt, weil sie dem Zuschauer zumuten, in Gedanken weite Zeiträume und große Länderdistanzen zu überspringen. Der Erfolg bewies aber, daß sich die Einbildungskraft dergleichen Gedankensprünge über Zeit und Raum hinweg gern gefallen läßt, wenn die psychologischen Bedingungen der Motivierung der Handlungen der Personen durch deren Charakter und Situation genau eingehalten werden. Letztere bilden den Hebel der fortschreitenden Handlung; die durch das Frühere als Grund erregte Erwartung des Spätern als dessen Folge macht die dramatische Spannung im Zuschauer, dagegen die durch seine Handlungsweise (seine That als Ursache) auf sich gezogene Folge (sein Los als Wirkung) das dramatische Schicksal für den »Helden« aus (nach Schillers Wort: »In deiner Brust sind deines Schicksals Sterne«). Da beide auf der Voraussetzung strengen kausalen Bedingtseins aller Teile des vor unsern Augen sich vollziehenden Geschehens beruhen, so wird durch die Herrschaft des Zufalls im D. die Spannung in bloße Neugierde, durch die Aufhebung des Kausalzusammenhangs zwischen That und Los das Schicksal in Laune und Willkür verwandelt. Beides ist gleich undramatisch, im Komischen aber, dessen Charakter nach Aristoteles unschädliche Ungereimtheit ist, noch eher zulässig als im Tragischen, dessen Wesen nach ebendemselben darin besteht, daß es Furcht und Mitleid weckt. Die Aufhebung des Kausalgesetzes durch Laune und Zufall ist selbst ungereimt und kann, vorausgesetzt, daß sie keinen (zu großen) Schaden stiftet, Lachen erregen; das unverdiente, d. h. unmotivierte, Schicksal aber ist ungerecht und erzeugt, wenn es traurig ist, als grund- und zwecklose Grausamkeit Empörung (Müllners und Werners sogen. Schicksalstragödien). Da der Fortschritt im D. von den Gründen zu den Folgen (progressiv) erfolgt, so müssen zuerst jene, wie sie in den Charakteren und in der Situation der handelnden Personen gegeben sind, auseinandergesetzt und dann ihrer eignen treibenden Kraft, die zu diesen führt, überlassen werden. Jenes geschieht am Anfang (Exposition), diese erfolgen im ganzen Umfang am Schluß des Dramas (Katastrophe); der zwischen beiden gelegene Zeitpunkt, in welchem die Schicksalswendung (zum Bessern oder Schlimmern) eintritt, heißt die Peripetie. Diese drei Hauptteile der fortschreitenden Handlung, welche in keinem Drama fehlen dürfen, können je nach der größern oder geringern Ausdehnung derselben durch Abschnitte der Dichtung (Akte, bei der theatralischen Aufführung Aufzüge genannt) sichtbar gemacht oder in ununterbrochener Folge (einaktige Dramen) aneinander gereiht werden. Zwischen dieselben werden bei Erweiterung der Handlung weitere Akte eingeschoben, in der Regel in der Weise, daß die Gesamtzahl der Akte eine ungerade bleibt (meistens fünf; in den Dramen der Inder und Chinesen steigt die Zahl, bei den letztern bis zu 21). Die Erweiterung der Handlung wird durch Einführung von Elementen herbeigeführt, die den Vollzug der Handlung verzögern (retardierende), die Beschränkung derselben durch solche, die ihn beschleunigen (accelerierende Elemente). Aus dem Widerstand der erstern und dessen Besiegung durch die letztern geht das Tempo der Handlung gewöhnlich in der Art hervor, daß im ersten, dritten und fünften Akte die vorwärts dringenden, im zweiten und vierten die Widerstand leistenden Faktoren die Oberhand haben. So bilden im »Wallenstein« die immer von neuem auftauchenden Bedenken des Helden das retardierende, die Aufstachelungen seiner Genossen das accelerierende Element seines Treubruchs, seine Gewalt über das Heer das verzögernde, die Macht seiner Feinde das beschleunigende Element seines Untergangs. Die Abwechselung der beiden den vermuteten Ausgang bald aufhaltenden, bald näher rückenden Faktoren in der Zeit, die sich mit der Systole und Diastole des Blutumlaufs vergleichen läßt, gibt dem Gang des Dramas jenen Schein organischen Lebens, auf welchem hauptsächlich sein Reiz und seine anschauliche Gegenwart beruhen. Es ist, als ob wir im innersten Kern der sich entwickelnden Dinge ständen und unter gläserner Hülle ihrem Werden zuschauten. Erhöht wird der Reiz durch alles, was diesen Schein der Gegenwärtigkeit vermehrt, also nicht bloß durch die Richtigkeit der Motivierung des Verlaufs der Handlung durch die Handlungen der im Handeln begriffenen Personen sowie dieser Handlungen durch Charakter und Situation der
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letztern selbst für das geistige, sondern noch mehr durch die sichtbare Darstellung des Dramas (theatralische Aufführung) für das sinnliche Auge. Jedes echte Drama als Nachahmung einer im wirklichen Vollzug begriffenen Handlung ist daher für die Aufführung bestimmt und erlangt erst durch diese den Schein voller Gegenwärtigkeit, für den es geschaffen ist. Sogen. Lese- und Buchdramen sind gegen den Begriff des Dramas. Daraus folgt allerdings nicht, daß jedes Drama für die Aufführung auf einer bestimmten Schaubühne unter bestimmten Theaterverhältnissen bestimmt sein müsse. Wer nur die letztere, wohl gar die zufälligen Wünsche einer Bühnenleitung oder eines Theaterpublikums im Auge hat, erniedrigt das Drama zum Bühnenstück. Gehört die nachgeahmte Handlung (z. B. eine geschichtliche) nach Ort und Zeit einem bestimmt gefärbten Kulturkreis an, so muß der Schein ihrer Gegenwärtigkeit in der nachahmenden durch möglichst treue Wiedergabe des Zeitcharakters, der Örtlichkeit, der Tracht, der Redeweise etc. erhöht werden. Die Einteilung des Dramas erfolgt je nach der Beschaffenheit entweder der Form oder des Stoffs der Handlung. In jener Hinsicht unterscheidet man Charakter- und Situationsdramen, je nachdem die Motivierung des Redens und Handelns der dramatischen Personen mehr in deren innere Anlage (Charakter, Naturell) oder in deren äußere Lage (die durch Zufall oder Vorherbestimmung gegebenen Verhältnisse) verlegt wird. Das sogen. moderne Drama (Shakespeares und der Shakespearomanen, wie Hebbel, Otto Ludwig u. a.) gehört vornehmlich der erstern, das sogen. antike (der Alten und ihrer Nachahmer, z. B. Schillers im »Wallenstein«, der die größere Hälfte der Schuld desselben »den unglückseligen Gestirnen zuwälzt«, in der »Braut von Messina« u. a.) der letztern Gattung an. Nach der Zahl der handelnden Personen werden Mono-, Duo- und Polydramen unterschieden. In Bezug auf den Stoff ist bei der Einteilung entweder der Charakter oder der Ursprung der als Handlung dargestellten Begebenheit maßgebend. Ist dieselbe nach des Aristoteles Ausdruck eine ernste, so daß ihre dramatische Darstellung Mitleid (mit dem leidenden Helden: Ödipus, Hamlet, Wallenstein) und Furcht (für uns selbst als seinesgleichen: nil humani a nobis alienum!) hervorruft, so entsteht das Trauerspiel oder die Tragödie (s. d.); ist sie dagegen eine heitere, welche durch ihre dramatische Behandlung den Handelnden zwar ungereimt (für den Beschauer), aber sein Los unschädlich (für ihn selbst) und ihn (infolge beider Umstände dem Beschauer) lächerlich erscheinen läßt, so entsteht das Lustspiel oder die Komödie (s. d.). In beiden Fällen findet ein Glückswechsel vom Bessern zum Schlimmern statt, in jenem ein schädlicher (Cäsars, Wallensteins Tod), in diesem ein unschädlicher (der habsüchtige Geizige wird um seinen geträumten Gewinn, der heiratssüchtige Alte um seine erträumte Braut, der Ruhm- und Lobsüchtige um seine vermeinte Bewunderung geprellt, ohne daß er jedoch einen wirklichen Nachteil erfährt); der tragische Held wird beweint, der komische ausgelacht. Erfolgt dagegen der Glückswechsel in umgekehrter Richtung (vom Schlimmern zum Bessern), so entsteht, wenn derselbe dem Helden zum wirklichen Vorteil gereicht (sein schließliches Glück uns erfreut, wie uns sein anfängliches Unglück betrübt hat), das Schauspiel (Goethes »Iphigenia«; Lessings »Nathan«); macht dagegen sein Glückswechsel den Helden (Glückspilz) nur lächerlich (weil sein schließliches Glück nur ein vermeintliches, sein in Wirklichkeit fortbestehendes Mißgeschick übrigens nach wie vor kein so ernsthaftes ist, daß es Mitleid erregen kann), so entsteht die Posse (die verbannten staatsweisen Athener als schließliche Erbauer und Beherrscher von Wolkenkuckucksheim; der verkannte, schließlich im Korb in die Lüfte erhöhte [vermeintliche] Sophist Sokrates bei Aristophanes). Was den Ursprung der als Drama dargestellten Begebenheit (Fabel) betrifft, so kann sie entweder einer gänzlich erfundenen phantastischen Welt (poetisches Drama; Tiecks Märchendrama; Raimunds u. a. Feen- und Zauberstücke) oder der, sei es im Glauben (mythisches Drama; geistliches Schauspiel; Mysterium; Passionsspiele), sei es in der Erfahrung (realistisches Drama; weltliches Schauspiel), gegebenen Welt entnommen sein. Gehört sie in letzterer der Vergangenheit an, so entsteht das historische, gehört sie dagegen der (jeweiligen) Gegenwart (des Dichters) an, das moderne Drama. Je nachdem sie das Leben eines Individuums oder als typische das Wesen einer ganzen Gattung von solchen (eines Geschlechts, einer Altersstufe, einer Berufsklasse, eines Standes, einer Nationalität, einer Kulturstufe etc.) repräsentiert, wird das entsprechende Drama Biographie- oder Genrestück. Durch Kombination beider Einteilungen ergeben sich als Unterarten: 1) das historisch-biographische Drama (Shakespeares Historien; Goethes »Götz«, »Egmont« und »Tasso«; Schillers »Wallenstein«, »Maria Stuart«, »Tell« etc.); 2) das modern-biographische Drama (Goethes »Clavigo«, der noch bei dessen Lebzeiten erschien; Lassalle und Kaiser Max von Mexiko wurden unmittelbar nach ihrem Tod auf die Bretter gebracht); 3) das historische Genrestück (»Wallensteins Lager«; Scribes »Glas Wasser«; Laubes »Rokoko«); 4) das moderne Genrestück (das bürgerliche Trauerspiel; das Konversationsstück; das moderne Sittenbild). Weitere Abarten gehen aus der Verbindung der Einteilungen nach dem Stoff mit jenen nach der Form des Dramas hervor.
Geschichte des Dramas.
Geschichtlich sind die Anfänge des Dramas bei allen Völkern aus der Nachahmung wirklicher oder als wirklich geglaubter (wie es die Lebensumstände der Götter sind) Handlungen durch handelnde Personen hervorgegangen. Ähnliches läßt sich noch heute bei den Kindern beobachten, welche die Handlungen Erwachsener (Hochzeit, Leichenbegängnis, Krieg, Gottesdienst, Gericht etc.) im Spiel mit verteilten Rollen nachahmen. Die begleitenden Reden wurden dabei entweder (wie noch heutzutage bei den sogen. Stegreifkomödien) von den Darstellern selbst im Augenblick der Darstellung erfunden, oder denselben zugleich mit der darzustellenden Handlung von deren Erfinder (dem dramatischen Dichter) ihrem Charakter und ihrer jeweiligen Lage gemäß in den Mund gelegt. Was zunächst das außereuropäische Drama betrifft, so ziehen in China die Schauspieler gleich Seiltänzern umher und stellen Begebenheiten, meist Liebes- und Kriminalgeschichten, ohne geschlossene Handlung und sorgfältige Motivierung in dialogisierter Form dar. Als Urheber des regelrechten Dramas wird der Kaiser Hiuentsong (702-756 n. Chr.) genannt; er soll aus Wechselrede und Wechselgesang das erste Drama geschaffen haben. Ein chinesisches Schauspiel: »Die Waise von Tschao«, hat Voltaire für die französische Bühne bearbeitet; ein andres: »Der Geizige«, erinnert an Molière; auch historische Dramen sind der chinesischen Litteratur nicht fremd. Neuere Ägyptologen fassen das uralte Totenbuch der Ägypter, welches eine Darstellung der Schicksale der Seele nach dem Tod enthält, als Drama auf, welches nach dem Zeugnis der Bildwerke von den Priestern, von den
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Drama
(grch., «Handlung»), diejenige Dichtungsart, die nach bestimmten ästhetischen Gesetzen Begebenheiten der Vergangenheit als gegenwärtige Handlungen darstellt. Das Drama tritt bei allen Völkern immer nur dann hervor, wenn bereits Epos und Lyrik zu voller Ausbildung gelangt sind; es verbindet die äußere Gegenständlichkeit der epischen mit der innern Gefühlswelt der lyrischen Poesie. Mit dem Epos hat es gemein, daß es eine fremde Welt, einen äußern Vorgang darstellt. Diesen Vorgang erzählt es aber nicht als einen vergangenen: es entfaltet ihn vielmehr vor unsern Augen. Die beteiligten Personen erscheinen vor uns und setzen in dem die Handlung weiter führenden Dialog und in dem meist einen Ruhepunkt bezeichnenden Monolog den freien Erguß ihrer Empfindungen und die Beweggründe ihres Thuns und Lassens auseinander. Man unterscheidet epische von dramat. Poesie wie Erlebnisse von Thaten; diese sind das Werk des Willens, der seinem in die Zukunft gerichteten Streben einen Zweck setzt und in sich selbst den Widerstreit von Gefühlen und Pflichten durchkämpft. So ist die Welt des Epos die von äußern Umständen bestimmte Begebenheit, die des Drama die aus der Charaktereigentümlichkeit entspringende Handlung. Hieraus erwachsen alle dramat. Gesetze. Das dramat. Handeln beschränkt sich nicht auf die einfache störungslose Durchführung eines bestimmten Zwecks; sondern immer muß ein Kampf zweier Gegensätze vorhanden sein. Gerade durch den innern Konflikt, der mit Notwendigkeit zu einer entscheidenden Lösung hindrängt, unterscheidet sich die dramat. Handlung von der epischen Begebenheit. Jene ist um so tiefer, je innerlich notwendiger die Gegensätze gegeneinander gespannt sind. Daher die große sittliche Bedeutung des Drama. Es ist die Dialektik der sittlichen Weltordnung. Das Drama ist eine Gattung der Poesie, und daher darf diese Dialektik der dramat. Handlung nicht in metaphysischer Begriffsmäßigkeit, sie muß vielmehr nur als der belebende Herzschlag lebendiger Personen erscheinen; sie ist Fleisch und Blut geworden, und das Drama ist um so poetischer, je lebendiger und individueller die Personen sind, die diesen Kampf miteinander bestehen. Als Kunstwerk muß daher das Drama vor allem nach sinnlicher Illusion streben. Deshalb stellten franz. Theoretiker früher den Kanon der sog. drei Einheiten, d. h. Einheit (s. d.) der Handlung, der Zeit (Beschränkung der Handlung auf die Zeit eines Sonnenlaufs oder höchstens 3 Tage) und des Ortes, als höchstes Gesetz auf. Allein diese Forderungen finden sich weder in Aristoteles’ «Poetik», auf die sich jene beriefen, noch bei den Mustern der dramat. Kunst. Einheit der Zeit