Die Sage erzählt von einer Verteilung des eroberten Landes unter die drei Heraklidenbrüder Aristodemos, Kresphontes und Temenos.
Nur ein Teil von Elis, Arkadien und Achaia verblieb den frühern Einwohnern; Achaia ward von den Doriern
den Achäern überlassen. Die unterworfenen Einwohner bildeten in allen Staaten die Klassen der Periöken
und Staatssklaven (letztere
in SpartaHeloten genannt), denen gegenüber die eigentlichen Dorier einen kriegerischen Charakter zu bewahren genötigt waren;
doch mußten die Dorier eine Anzahl achäischer Geschlechter in ihre Stammesgemeinschaft aufnehmen.
Unter den dorischenStaaten tritt vor allen Sparta hervor, und der Charakter des spartanischen Volkes gibt uns ein Bild des dorischenCharakters überhaupt. Eigentümlich ist diesem eine gewisse Rauheit und Schroffheit, welche alles
einem und demselben für alle geltenden Gesetz und Herkommen unterthan macht und der Individualität und Besonderheit des Einzelnen
keinen Spielraum läßt, im Gegensatz zu der Richtung des ionischen Stammes. Eine solche von obenher aufgenötigte Gleichheit
konnte nur durch die Unterdrückung der wahren geistigen Freiheit durchgeführt werden, und wie daher
die Dorier in ihren innern Verhältnissen strenge Unterordnung unter das Gesetz verlangten, so war auch im Ausland überall die
dorische Herrschaft das Grab der Freiheit und Selbständigkeit.
Der Mensch wurde von frühster Jugend dazu angehalten, den eignen Willen zu verleugnen und sich nur als Glied
[* 15] des Ganzen zu erkennen.
Ging nun daraus freilich auch manches Gute und Tüchtige hervor, wie Ausdauer und Tapferkeit in allen Gefahren und Beschwerden,
Opfermut zur Hingebung für das Ganze, Sittenstrenge und Mäßigkeit des Lebenswandels u. dgl.,
so wurde doch auf eine freie und höhere Entfaltung der geistigen Kräfte zu wenig Wert gelegt, die Bildung
war eine
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einseitige, und sobald die Zeit der ersten Blüte
[* 17] vorbei war, entstand an der Stelle jener wirklichen Tugenden bald ein Schein-
und Heuchelwesen, unter welchem sich nur zu oft die äußerste Selbstsucht verbarg. Verhältnismäßig am längsten hat Sparta
die guten Seiten des dorischenCharakters aufrecht erhalten und ist dadurch auch zu seiner politischen
Bedeutung gelangt; andre dorischeStaaten, welche mehr an der Bewegung des Völkerverkehrs teilnahmen, wie Korinth, besonders
aber die Kolonien, haben unter dem Einfluß fremder Sitten und Anschauungen das spezifisch Dorische bald mehr oder weniger aufgegeben.
Diesem Charakter entsprechend, war die Verfassung der dorischenStaaten meist eine aristokratische, welche
oft in Oligarchie ausartete. War so schon dem niedern Volk aus dorischemStamm nicht so viel Teilnahme am politischen Leben eingeräumt
wie in den ionischen Demokratien, so waren vollends die im Land wohnenden Nichtdorier zur strengsten Unterthänigkeit, zum
Teil zu förmlicher Sklaverei erniedrigt. Der konservative Charakter der Dorier zeigte sich ferner darin, daß
der Grundbesitz zu gleichen Teilen unter die dorischenFamilien verteilt war und niemals veräußert werden sollte.
Der dorischen Sittenstrenge entsprach es endlich, daß ganz besonders Apollon, der Gott des Lichts und der Reinheit, von den
Doriern verehrt wurde, wie denn namentlich Sparta lange in enger Verbindung mit dem delphischen Orakel des
Apollon stand. Das dorischeWesen bildet in den meisten Beziehungen einen Gegensatz zum ionischen, und dieser Gegensatz ist es,
der ein treibendes Moment in der griechischen Geschichte ist.