Dongola
(Dâr Dongola
), der südlich vom
Wadi Halfa gelegene Teil
Nubiens, früher ein selbständiges
Reich, unter ägyptischer
Herrschaft zur
Mudirieh
Berber und Dongola
gehörig, die sich an beiden
Ufern des
Nils in einer
Länge von 260 km hinzog. Nur
das äußerst schmale Flußthal ist kulturfähig. Dumpalmen, Santakazien, Mimosen, schön blühende
Volkamerien,
Weiden,
Kassien u. a. bilden eine waldähnliche Uferbesäumung, der selbst
Schlingpflanzen nicht fehlen.
Auch manche Nilinseln zeigen einen solchen Wuchs voller Üppigkeit. Am Saum des Kulturlandes wuchert die heilkräftige Sennastaude, deren Blätter in Menge ausgeführt werden. Abseits vom Fluß zeigt die Landschaft eine öde, starre Natur, in der die Wüste in den Vordergrund tritt. Die Tierwelt nimmt im südlichen Teil einen mehr sudânischen Charakter an; das aus Unterägypten verscheuchte Krokodil, die riesige Tyrseschildkröte (Trionyx nilotica) u. a. lassen sich sehen.
Von Haustieren werden ausgezeichnete Pferde [* 2] (dem Aussterben nahe), Ochsen, Schafe [* 3] und Ziegen gehalten; auch wilde Büffel mit sehr langen Hörnern gibt es. Das Klima [* 4] ist trocken und weit gesünder als in Senaar und Kordofan, wo Fieber verderblich auftreten; nur die Syphilis ist eine arge Geißel. Ackerbau wird, wo es möglich ist, getrieben; Hauptprodukte sind: Durra, Dochn, Weizen, Gerste, [* 5] Datteln, Bohnen, Tabak, [* 6] Baumwolle, [* 7] Indigo. [* 8] Die Bevölkerung [* 9] wird auf 250,000 Köpfe geschätzt und besteht zum Teil aus Arabern, in der Hauptmasse aber aus den zu der großen Abteilung der Nuba oder Berâbra (s. d.) gehörenden Dankala.
Sie haben eine bronzene Hautfarbe, ausgezeichnete Gesichtsformen, einen regelmäßigen und schönen Körperbau und stark gelocktes, reiches Haar, [* 10] dagegen nur dünnen Bart. Besonders ausgezeichnet durch Körperschönheit sind die Frauen;
sie sind von schlankem Wuchs und haben sanfte, schwarze Augen;
sie tragen die
Haare
[* 11] geflochten, wie einst am
Hof
[* 12] der Pharaonen, und gehen, mit Ausnahme eines
Schurzes um die
Lenden, ganz nackt. Im allgemeinen werden die Einwohner von Dongola
als
träge, sittenlos, leichtsinnig und habsüchtig geschildert;
sie bekennen sich zum Islam, reden das Dogolawi (einen Dialekt des Nubischen) und Arabisch, haben Gelehrte (Scheichs ul Islam), welche Unterricht geben, Zauberformeln und Amulette schreiben u. dgl., und treiben neben dem Ackerbau und der Viehzucht [* 13] auch Handel mit europäischen und ägyptischen Waren sowie mit Sklaven.
Die jetzige Hauptstadt der
Landschaft ist Dongola
el
Urdu (auch kurzweg
Urdu, früher
Kasr Dongola
genannt), ein neuangelegter, gut gebauter und blühender
Ort auf dem linken Nilufer mit 8-10,000 Einw. Er besitzt eine
Citadelle
und ist ein bedeutender Handelsplatz, dessen
Bazare von
Kairo
[* 14] aus reich versorgt werden. 100 km weiter oberhalb liegt auf dem
gegenüberstehenden Nilufer, auf hohem
Felsen, die Stadt Dongola
el Adjuzeh (»Altdongola«
),
die, 1820 durch die
Mamelucken
zerstört, fast nur noch aus
Ruinen besteht, einst aber die Hauptstadt des
Königreichs Dongola
und ein wichtiges Handelszentrum
war. S.
Karte
»Ägypten«.
[* 15]
Der Ursprung des im
Mittelalter mächtigen
Königreichs Dongola
scheint in die Zeit zu fallen, wo das
Christentum
nach
Nubien drang.
Die
Regierung desselben war theokratisch, die
Liturgie griechisch, und wie die Abessinier, erkannte Dongola
die
kirchliche Obergewalt des
Patriarchen von
Alexandria an. Im 7. Jahrh. kam Dongola
in Abhängigkeit von den
Kalifen. Im 10. Jahrh.
machten die Nubier einige Einfälle in Unterägypten, wodurch Feindseligkeiten hervorgerufen wurden,
in deren
Folge die Macht der
Könige von Dongola
sank, so daß die
Sultane von
Ägypten Gebieter von Niedernubien wurden und Oberherren
von Dongola
blieben.
Verschiedene
Versuche der Nubier, das
Joch wieder abzuschütteln, schlugen fehl. Im 15. Jahrh. nahmen die
Bosniaken Niedernubien
in
Besitz, während die
Könige von
Senaar ihre Herrschaft auf den südlichen Teil des
Reichs ausdehnten.
Gegen Ende des 18. Jahrh. vernichteten die Schaikyeharaber den Einfluß der Tungidynastie,
setzten die Meliks, d. h. Unterkönige, nach Gutdünken ein und ab, übten
Erpressungen und unternahmen fortwährend Raubzüge
ins Land, gegen die nur die feste
Lage von Dongola
el Adjuzeh einigermaßen
Schutz gewährte.
Die Dongolawi
, der immerwährenden Feindseligkeiten müde, wanderten allmählich nach
Norden
[* 16] und nach
Kordofan und
Dar Fur
[* 17] aus. 1814 eroberten
die von
Mehemed Ali aus
Ägypten vertriebenen
Mamelucken das Land und wurden von den Einwohnern als Befreier mit
Freude empfangen.
Beim Anrücken des ägyptischen
Heers unter
Ibrahim Pascha 1820 zogen sich die schwachen Trümmer der
Mamelucken
nach
Dar Fur zurück, und seitdem ist Dongola
ägyptisch.
In den
Kämpfen der
Engländer gegen den
Mahdi 1884-85 ward Dongola
eine wichtige
Operationsbasis der erstern.