Dom
Pedro II.-Bahn, jetzt Brasilianische Centralbahn, s. Brasilien (Bd. 3, S. 440a).
12 Wörter, 85 Zeichen
Pedro II.-Bahn, jetzt Brasilianische Centralbahn, s. Brasilien (Bd. 3, S. 440a).
[* ] (portug. Brazil oder Brasil; hierzu die Karte), Kaiserreich in Südamerika, die einzige Monarchie dieses Erdteils, liegt größtenteils südlich vom Äquator zwischen 4° 23' nördl. bis 33° 44' südl. Br. und 34° 44' bis 73° 15' westl. L. v. Gr. und umfaßt in der ungefähren Gestalt eines gleichschenkeligen Dreiecks die größere östliche Hälfte von Südamerika mit einem Areal von 8,337,218 qkm (151,412,9 QM.). Es grenzt im N. an das französische, niederländische und englische Guayana und Venezuela, im W. und S. an Kolumbien, Ecuador, Peru, Bolivia, Paraguay, die Argentinische Konföderation und Uruguay, im O. an den Atlantischen Ozean, in den es südlich vom Kap São Roque 5° 28' südl. Br. am weitesten hineinragt.
Die Küste, die sich von dort zum kleinern Teil nach NW., zum größern nach SW. richtet, ist nicht besonders mannigfaltig gegliedert; im nördlichen Teil sind hier und da Korallenriffe oder Sandbänke vorgelagert, im S. wird sie von langgestreckten Lagunen begleitet. Sie hat verhältnismäßig nur wenige zum Landen günstige Hafenbuchten; die wichtigsten sind die von Rio de Janeiro, Bahia, Espirito Santo, Pernambuco, Ilha grande, São José do Porto Alegre, Santos, Maranhão etc. Im ganzen zählt man an der brasilischen Küste 42 Häfen. Von den Vorgebirgen sind die bedeutendsten das Kap Norte an der Nordseite des Amazonenstroms, Kap Touro und Kap São Roque an der östlichen Küstenecke und Kap Frio östlich von Rio de Janeiro. Im allgemeinen gehört Brasilien noch zu den unbekanntern Ländern der Erde; mindestens zwei Drittel seines unermeßlichen Gebiets sind kaum erforscht.
Nach der Struktur des Bodens zerfällt in drei große Gruppen: in ein Hochland von 2,753,000 qkm (50,000 QM.) Inhalt, welches das Innere und den südöstlichen Teil einnimmt und den eigentlichen Kern und die Hauptmasse des Landes bildet, und in die Stromthäler des Amazonenflusses und Madeira im NW. und des La Plata im SW. des Hochlandes, beides ausgedehnte Niederungen, die größtenteils weit über die Grenzen in die Nachbarstaaten hineinreichen. Das im einzelnen noch wenig bekannte Bergland von Brasilien stellt ein niedriges Plateau mit aufgesetzten, meist nordöstlich streichenden Ketten dar und enthält in seinem Südostteil ein besonderes Gebirgsland, welches, gegen W. durch die Längsthäler des Parana und Rio São Francisco begrenzt, steil zum Meer abfällt und an der Ostseite von einem aus parallelen Ketten zusammengesetzten Gebirgszug, der bis gegen 1650 m hohen Serra do Mar, begrenzt wird, die von Rio de Janeiro westsüdwestwärts bis zum 25.° südl. Br. verläuft und hauptsächlich aus Granit, Gneis und kristallinischen Schiefern zusammengesetzt ist.
Durch das Längsthal des Parahyba davon geschieden, erheben sich im W. die Ketten der Serra do Espinhaco, in ihren südlichen Teilen auch Serra da Mantiqueira genannt, mit den bedeutendsten Bergspitzen des brasilischen Berglandes, Itatiaya (2994 m), Lapa (2650 m), São Matteo (1880 m), Itacolumi (1750 m). Westlich liegen große Hochebenen von durchschnittlich 650 m Höhe, im N. die von Minas Geraës, deren Boden überwiegend mit Gras und hohen Sträuchern bedeckt ist (die sogen. Campos).
Ein der Espinhaco ähnlicher, doch weit niedrigerer Bergzug begrenzt diese Hochebenen im W. Südlicher liegen hinter dem südlichen Teil der Serra do Mar die ähnlichen Hochebenen von São Paulo, die sich allmählich nach W. zum Thal des Parana herabsenken. An dieses Gebirgsland stößt im W. und N. das niedrige, hügelige Hochland des Innern Brasiliens, das sanft und allmählich gegen S. in das Tiefland der Pampas, weniger sanft nach N. in das große Tiefland des Amazonenstroms abfällt.
Eine aus einzelnen, oft nicht verbundenen Höhenzügen gebildete Reihe von Bergketten, die man die Serra dos Vertentes genannt hat, zieht durch diese Hochebenen, deren Durchschnittshöhe nur 230-330 m betragen dürfte. Das brasilische Bergland ist an seinen meist steilen Ostgehängen gut bewaldet und von zahlreichen Bächen und Flüssen durchschnitten. Die westlichen Abhänge der Gebirge dagegen und die Binnenplateaus (Chapadas) sind entweder mit niedrigem Gehölz (catingas) oder mit Gras (campos) bestanden. Nur die nordöstlichen Teile des Landes sind von unfruchtbaren, wasserarmen und nur zur Regenzeit von einer rasch vorübergehenden Vegetation bedeckten Flächen (sertaos) eingenommen. Das ganze Gebiet nördlich und westlich von diesem Hochland gehört dem Tiefland des Amazonenstroms, den sogen. Selvas, an; im Nordostteil erheben sich an der Grenze die ersten Bergketten des Gebirgslandes von Guayana.
Kein Land in der Welt ist von einem so großartigen Stromnetz durchzogen wie Brasilien. Der Amazonenstrom, dessen Länge auf brasilischem Gebiet 3828 km beträgt, sammelt in seinem Bette drei Viertel der Ströme des ganzen Landes, von denen mehrere die größten europäischen Ströme an Länge des Laufs, Wassermasse und Schiffbarkeit übertreffen, und dieses unermeßliche Netz natürlicher Wasserkommunikation für den innern Verkehr wird noch um ein Viertel durch eine schiffbare Verbindung eines Zweigs des
Maßstab 1:20.000.000
Landes-Hauptstädte sind doppelt, Provinz-Hauptstädte einfach unterstrichen.
Deutsche Ansiedlungen in Süd-Brasilien 1:10.000.000
Zum Artikel »Brasilien«.
Amazonenstroms mit dem zunächst größten Strom Südamerikas, dem Orinoko, vergrößert. Zu jenen Nebenflüssen des Amazonenstroms, der als ein schon schiffbarer Strom bei São Francisco de Tabatinga ins Reich tritt, das er in gerader Richtung von W. nach O. durchströmt, gehören von S. der Madeira, der Tapajoz (der Hauptfluß von Matogrosso), der Xingu, der Rio Negro von N. Außer dem Amazonenstrom sind noch zu nennen: der große Rio Pará, der Ausfluß des Tokantins, welcher die Provinz Goyaz durchfließt und durch Kanäle mit der Mündung des Amazonenstroms in Verbindung steht;
der Paranahyba, östlich von jenem;
der São Francisco, der einzige große Fluß, der auf der Küstenstrecke zwischen Bahia und Pernambuco mündet, schiffbar bis zu den ca. 80 m hohen gewaltigen Saltos de Paulo Affonso;
der Rio Parahyba do Sul in der Provinz Rio de Janeiro, der Yacuy in der Provinz Rio Grande do Sul, andrer zahlreicher Küstenflüsse nicht zu gedenken. Im W. fließen der Uruguay, teilweise als Grenzfluß gegen die Argentinische Konföderation, der Parana (mit dem Paranahyba, Tiete, Pardo, Paranapanema, Iguassu u. a.), der in seinem Unterlauf Brasilien von Paraguay scheidet, und der Paraguay, welcher vor seinem Austritt auf eine kurze Strecke die Grenze gegen Bolivia bildet.
Die meisten brasilischen Ströme haben die Natur des Nils, indem sie hauptsächlich infolge der Regenzeit über ihren gewöhnlichen Stand (der Amazonenstrom bis 16 m hoch) anschwellen und die umliegenden Thäler und Ebenen meilenweit unter Wasser setzen. Diese Eigenschaft macht die Ufer vieler Ströme ganz unbewohnbar und ist zur Zeit ein Haupthindernis der Kultur; anderseits vertreten die Flüsse in dem wüsten Innern häufig ganz die Stelle der Verkehrsstraßen. Landseen hat Brasilien wenig, und diese sind nicht bedeutend;
die größten sind: die Lagoa dos Patos, ein Strandsee an der Südküste, in welchen der Yacuy mündet;
der Küstensee Mirim, südlich von dem vorigen und mit ihm verbunden;
die mit Dampfern befahrenen Strandseen Manuaba und Jequiba in der Provinz Alagoas.
Bei der ungeheuern Ausdehnung des Landes muß das Klima je nach der Entfernung vom Äquator wie nach der Erhebung über dem Meer ein sehr verschiedenes sein. Während schon westlich von Rio de Janeiro aus der Serra do Espinhaco und häufiger noch weiter im S. auf der Serra Geral in Rio Grande do Sul die Temperatur unter 0° sinkt, das Klima der letztgenannten außertropischen Gebiete überhaupt ein gemäßigtes ist, herrscht im Stromgebiet des Amazonas eine gleichförmig heiße Temperatur von 28-29° C. (nach Agassiz) im Mittel und ohne wesentliche Abkühlung während der Nächte. In Rio de Janeiro selbst beträgt die Temperatur in den heißesten Monaten (Januar und Februar) 26,5° C., im kühlsten Monat (Juli) 21,9° C. Doch bringt die täglich von 10 bis gegen 6 Uhr wehende Seebrise angenehme Kühlung. Im Amazonasbecken herrscht eine fast ununterbrochene Regenzeit, die Hauptregenmonate sind November bis März. In Südbrasilien sind im Sommer mehr Gewitterregen, im Winter mehr Landregen vorherrschend. Eine eigentliche Regenzeit gibt es hier nicht. In den Niederungen des mittlern und nördlichen Brasilien treten während der Monate Januar bis Mai oft bösartige Krankheiten, wie das Wechselfieber, namentlich aber das 1849 von Westindien eingeschleppte Fieber, in verheerender Weise auf. Im S. dagegen kommen diese Krankheiten nicht vor, auch Malaria, Elefantiasis und Lepra treten nur ganz vereinzelt auf.
Unter den Produkten Brasiliens nahmen früher die des Mineralreichs den ersten Rang ein, während jetzt ihre Wichtigkeit durch einige vegetabilische Erzeugnisse weit überflügelt ist. Es kommen nämlich mit andern Edelsteinen, als Topasen, Rubinen, Saphiren, Smaragden etc., auch Diamanten als Einschlüsse in den quarzreichen, aus der Zerstörung der kristallinischen und paläozoischen Gesteinsmassen hervorgegangenen Alluvionen vor, welche zugleich Gold und Platina enthalten.
Jure Verbreitung geht über viele Provinzen, besonders reich daran sind der Distrikt von Diamantina in der Provinz Minas Geraës längs der Serra do Espinhaço und das Thal des obern São Francisco, während in Goyaz, Matogrosso etc. Diamanten nur vereinzelt gefunden werden. Die gesamte Diamantenausfuhr Brasiliens wurde bis 1849 auf einen annähernden Wert von 320 Mill. Mk. berechnet; doch bleibt diese Zahl bei der Unsicherheit der Kontrolle entschieden hinter dem wahren Ausfuhrwert zurück. In neuerer Zeit ist indessen eine erhebliche Abnahme in der Diamantenausfuhr eingetreten, sie bewertete sich 1881-1882 auf 1,937,700 Mk. Gold wird fast ausschließlich durch Auswaschen der Alluvionen gewonnen; es wurde in der Provinz São Paulo schon 1577, in Minas Geraës erst 1680 entdeckt, die Ausbeute jedoch erst mit Beginn des 18. Jahrh. beträchtlich.
Die Hauptsitze der Goldgewinnung sind die Distrikte von São Paulo und Villarica; auch Goyaz und Matogrosso liefern viel Gold. Die berühmtesten Gruben sind die von Gongosoco bei Villarica, die seit 1825 ausschließlich mit britischem Kapital für Rechnung mehrerer englischer Aktiengesellschaften betrieben werden. Gegenwärtig ist die Ausfuhr dieses Metalls im Vergleich zu frühern Zeiten nur eine sehr geringe und dabei sehr schwankende. Die Gesamtproduktion in der Zeit von 1691 bis 1875 wird von Soetbeer auf 1,037,050 kg im Wert von 2893 Mill. Mk. geschätzt; von da sank die Ausbeute konstant bis auf 1100 kg im Wert von 3 Mill. Mk. in 1882. Platina wird ebenso wie neuerdings Palladium zugleich mit dem Gold in den goldhaltigen Alluvionen (eisenhaltigem, quarzigem Sand) gefunden.
Silber wird gegenwärtig nicht mehr gewonnen. Quecksilber, Kupfer, Bleierze, Antimon, Wismut, Arsen sind an vielen Punkten des Reichs vorhanden, ihre Ausbeutung ist aber unbedeutend. Eisenerze aller Art und zum Teil von ausgezeichneter Qualität kommen häufig und in den mächtigsten Ablagerungen vor; sehr reiche (bis 72 Proz. Reinmetall) finden sich im Distrikt von Villarica in Minas Geraës, sie werden aber erst in sehr unbedeutendem Maß ausgebeutet; ein wirklich fachmännischer Betrieb findet nur statt bei São João d'Ipanema in São Paulo in dem Berg Aracoyaba.
Hier legte der Minister Graf Linhares 1810 durch aus Schweden berufene Berg- und Hüttenleute Gruben und Hüttenwerke an, deren sehr geringe Produktion aber bei weitem nicht die Betriebskosten deckt, weshalb das meiste Eisen noch immer aus Europa eingeführt wird. Kochsalz bereitet man teils aus Seewasser, teils aus mit Salz imprägnierten Erdschichten, allein bei weitem nicht für den eignen Bedarf hinreichend. Steinkohlen hat man in abbauwürdigen Flözen in den Provinzen Santa Catharina, am rechten Ufer des Tubarão, bei Candiota und am Arroyo dos Ratos in Rio Grande do Sul aufgefunden; doch werden nur die letztern fachmäßig abgebaut.
Das Pflanzenreich entwickelt in Brasilien meistens in den Küstenländern und dem Gebiet des
Amazonenstroms unter dem Einfluß des Tropenklimas und bei dem Wasserreichtum des Landes eine Triebkraft und eine Fülle wie selten auf der Erde. In pflanzengeographischer Hinsicht zerfällt in drei Zonen: die Hyläa des Amazonasgebiets, die Küstenzone und die des Binnenlandes. In dem Urwald des Amazonenstromgebiets unterscheidet der Naturforscher Bates drei verschiedene Arten der Ufervegetation:
1) die niedrigen Alluvialablagerungen von Sand und Schlamm, die mit breitblätterigen, hohen Gräsern (darunter das an 5 m hohe Pfeilgras) bewachsen sind, und wo der Trompetenbaum der einzige höhere Baum ist;
2) die mäßig hohen, nur teilweise in der Regenzeit überfluteten Ufer mit Waldungen, in denen Palmenarten und breitblätterige Marantaceen vorherrschen (drei Viertel des obern Amazonenflußgebiets gehören hierher);
3) den noch höher liegenden, wellenförmigen, in größern Zwischenräumen auftretenden Lehmboden, wo die Waldungen weniger den Charakter eines undurchdringlichen Gewirrs tragen und die Palme seltener wird. Die Mündungen der an der Nordküste Brasiliens in den Ozean fallenden Ströme tragen an ihrem westlichen Ufer dichte Wälder von Manglebäumen und anderm Gehölz, während die östlichen mit Sanddünen besetzt sind, welche, durch die Passatwinde weitergetrieben, unaufhaltsam gegen W. fortrücken.
Vom Wendekreis bis nördlich zur Breite von Pernambuco ist das Gebiet der Bergwälder, denen das Küstenland seinen Quellenreichtum und seine fruchtbare Feuchtigkeit zu verdanken hat. Zwischen den hochstämmigen und astlosen Palmen wuchern neben mannigfachem Unterholz riesenhafte Farnkräuter und breitblätterige Helikonien, während von den Wipfeln buntblumige Lianen in malerischem Gewirr herabhängen; doch tragen diese Wälder, die hier und da von mit Farnen und Flechten bewachsenen Sandflächen oder von unzugänglichen, dicht mit Manglen bewachsenen Morästen unterbrochen werden, einen lichtern Charakter als die am Amazonenstrom. Im hohen Wald herrschen Palmen, Lorbeeren, Feigen, Kassien und Bignonien vor.
Ein großartiger Urwald breitet sich um Rio de Janeiro aus; in ihm zeichnen sich namentlich die stachligen Wollbäume aus. In den höhern Gebirgsregionen verschwinden die Wälder; Mimosen- und Akaziengebüsche und Gräser treten an ihre Stelle. In dem bald ebenen, bald hügeligen Küstenstrich nördlich von Pernambuco endlich findet sich infolge der Trockenheit nur eine mäßige Vegetation; nur an den Flußläufen und auf den Höhenzügen gibt es hier und da lichte Wälder, welche in den trocknen Monaten stets ihre Blätter verlieren und, falls der seltene Regen ausbleibt, selbst jahrelang gar keine Blätter treiben.
Unter den edlen und nutzbringenden Bäumen und Pflanzen, an welchen die Wälder Brasiliens Überfluß haben, sind zu erwähnen von Farbhölzern: das Brasilholz, der rote Manglebaum, das Gelbholz, der Urucustrauch;
von gerbstoffhaltigen Pflanzen: die Rhizophoren der Küsten, der Barbatimao, der Santa Rita und der Aracabaum;
von Gewürz- und Medizinalpflanzen: die Ipekakuanha, die Copaifera officinalis;
weiter der die für die Ausfuhr so außerordentlich wichtigen Paranüsse liefernde Castanheiro (Bertholletia excelsa), die Seringeira (Siphonia elastica), die Sapucaya (Topfbaum), der neben Nutzholz einen wohlschmeckenden Milchsaft produzierende Kuhbaum, die Miritipalme, die Piassavapalme, die Wachspalme, die Babunhapalme, Cinchonenarten, Kakaobaum, der Sassaparillestrauch, Ilex paraguayensis (Paraguaythee), Guaranastrauch, Palisanderbaum, Zedernarten und andre wertvolle Hölzer liefernde Bäume, wie Louro, Peroba, Tapinhoa, Sacupira, Arroeira, Eisenholz, Araucaria brasiliensis u. a. Von den Produkten des brasilischen Waldes haben einen größern Handelswert das Kautschuk, welches die Indianer aus der im Hyläagebiet einheimischen Seringueira gewinnen, und wovon jährlich für 2½ Mill. Mk. exportiert wird, der Paraguaythee oder Herva Maté, welcher in außerordentlichen Quantitäten im Land konsumiert wird und auch schon einen wichtigen Exportartikel bildet, die schon genannte Paranuß, das schöne Jakaranda- und das Rosenholz und Farbhölzer. In den Küstenstrichen hat sinnlose Waldverwüstung aber schon furchtbar ausgeräumt, so daß die Einfuhr von Bau- und Möbelhölzern größer ist als die Ausfuhr. Auch an Faserstoffen, Gerberrinde, Ölpflanzen ist Brasilien reich. Von den Kulturpflanzen, welche jetzt volkswirtschaftlich eine so hohe Stelle einnehmen, sind Tabak, Baumwolle und Kakao einheimisch, Kaffee und Zuckerrohr aber eingeführt.
Die einheimische Fauna zählt von größern Raubtieren: die Unze oder den Jaguar und den Puma oder Silberlöwen (Kuguar), ferner mehrere kleine Tigerkatzenarten, den Guara (Canis jubatus), einen Schakalfuchs (C. brasiliensis), den wegen seines Pelzes wertvollen Mephitis suffocans u. a. Charakteristisch sind die Edentaten, das Ai oder Faultier, das Tatu oder Gürteltier und Ameisenbären. Unter den 50 Affenarten, die sämtlich mit Wickelschwänzen versehen sind, nehmen die Brüllaffen die erste Stelle ein.
Unter den 30 Arten von Blattnasen sind die blutsaugenden Fledermäuse charakteristisch. Stachelschweine sind zahlreich; der Tapir, das größte unter den brasilischen Tieren, früher äußerst zahlreich, ist jetzt selten. Von Wiederkäuern gibt es nur Hirsche, Brasilien besitzt aber mehrere Arten Beuteltiere. Sehr groß ist die Mannigfaltigkeit der brasilischen Vögel, die sich zumeist auch durch glänzende Farbenpracht auszeichnen. Hervorzuheben sind: der Nandu oder amerikanische Strauß, der in Herden die Campos bewohnt, die rote Löffelgans, der rote Ibis, eine große Menge Papageienarten, der Chaija oder Taha, Seriema, Tangara, Taucher, Tukan oder Pfefferfresser, zahllose Kolibris etc. Nicht geringer ist die Mannigfaltigkeit der Reptilien, unter denen von Schlangen die Boa, welche von den Indianern gegessen wird, die Klapperschlange, Kurukuku, Urutu, Jararaka, Sukuri etc. hervorzuheben sind.
Von Sauriern gibt es auch mehrere Arten Alligatoren nebst vielen kleinern Arten; an der Küste und in den Flüssen leben mehrere Schildkröten, die namentlich am Amazonenstrom als Nahrungsmittel von Wichtigkeit sind. An Insektenarten, besonders Bienen mit vorzüglichem Honig, Moskitos, Ameisen (Cupim), Sandflöhen, schönen Tag- und Nachtschmetterlingen, ist Brasilien überaus reich. Bates hat deren 14,000 Spezies gesammelt (darunter in der Umgegend der Stadt Pará allein 700 Spezies Schmetterlinge).
Nicht minder ungeheuer ist der Reichtum Brasiliens an Fischen, deren Agassiz neuerdings allein im Amazonenstrom 1163 neue Spezies aufgefunden hat, was mehr ist, als das ganze Mittelmeer überhaupt aufzuweisen vermag. Der Fischfang in den Strömen wie an den Küsten kann daher für das Land eine große Quelle des Erwerbes werden, und so gibt es noch viele andre, die eine dichtere und intelligentere Bevölkerung künftig aufsuchen und benutzen wird. Die von den Europäern eingeführten Rinder und Pferde haben sich erstaunlich vermehrt; den Schafen sagt das Land weniger zu.
Die Zahl der Einwohner betrug nach den Ermittelungen für das Jahr 1883: 12,002,978, darunter 10,684,000 Freie und 1,318,978 Sklaven. Die Bevölkerung verteilt sich in folgender Weise auf den Bezirk der Stadt Rio de Janeiro und die 20 Provinzen:
QKilom. | Bevölkerung | |||
---|---|---|---|---|
im ganzen | Sklaven | auf 1 qkm | ||
Municipio Neutro | 1394 | 453568 | 35568 | 312.40 |
Provinzen: | ||||
Amazonas | 1897020 | 80942 | 942 | 0.04 |
Pará | 1149721 | 343511 | 23511 | 0.30 |
Maranhão | 459884 | 430059 | 60059 | 0.93 |
Piauhy | 301797 | 239691 | 18691 | 0.80 |
Ceará | 104250 | 722000 | - | 6.92 |
Rio Grande do Norte | 57485 | 269051 | 10051 | 4.68 |
Parahyba | 74731 | 432817 | 25817 | 5.79 |
Pernambuco | 128395 | 1014700 | 84700 | 7.99 |
Alagoas | 58491 | 397379 | 29379 | 6.79 |
Sergipe | 39090 | 211173 | 26173 | 5.40 |
Bahia | 426427 | 1655403 | 165403 | 3.88 |
Espirito Santo | 44839 | 100717 | 20717 | 2.24 |
Rio de Janeiro | 68982 | 938831 | 268831 | 13.61 |
São Paulo | 290876 | 1058950 | 168950 | 3.64 |
Parana | 221319 | 189668 | 7668 | 0.85 |
Santa Catharina | 74156 | 201043 | 11043 | 2.71 |
Rio Grande do Sul | 236553 | 568704 | 68703 | 2.40 |
Minas Geraës | 574855 | 2449010 | 279010 | 4.26 |
Goyaz | 747311 | 191711 | 6711 | 0.27 |
Matogrosso | 1379651 | 72051 | 7051 | 0.05 |
Zusammen: | 8337218 | 12002978 | 1318978 | 1.44 |
Hierzu kommen noch eine Anzahl (600,000 bis 1 Mill.) wilde Indianer, so daß sich die Gesamtbevölkerung auf 12-13 Mill. Seelen beziffert.
Von den 9,930,478 Einw. im Jahr 1872 gehörten 3,787,289 der kaukasischen, 1,954,452 der afrikanischen und 386,955 der amerikanischen Rasse an, während 3,801,782 Mischlinge waren. Der Nationalität nach zählte man 8,176,191 Brasilier und 243,481 Fremde, darunter 121,246 Portugiesen, 40,829 Deutsche (mit den naturalisierten gegenwärtig etwa 210,000), 44,580 Afrikaner, 6108 Franzosen. Die Neger bilden bei weitem die zahlreichste unvermischte Klasse der Bewohner Brasiliens; sie sind teils frei, teils Sklaven, als letztere zuerst um 1549 in Brasilien eingeführt worden. Die Mehrzahl bilden Neger aus Angola und Mosambik. Der Beitritt der brasilischen Regierung zur Unterdrückung des Sklavenhandels hatte in der Wirklichkeit dieses schmachvolle Gewerbe nicht vermindert, jetzt aber befindet sich die Zahl der Sklaven in schnellem Rückgang. 1873 wurden 1,540,796 Sklaven gezählt, gegenwärtig sind nur noch 1,150,000 vorhanden; die Provinz Ceará hat ihren letzten Sklaven 1883 freigelassen.
Diese Freilassung geschieht teils durch freiwilligen Entschluß der Sklavenbesitzer und ohne Entschädigung, teils durch Loskauf mittels eines vom Staat gestifteten Emanzipationsfonds. Die von Sklavinnen gebornen Kinder sind schon seit 1871 frei. Es ist aber zu befürchten, daß die schnell wachsende Zahl der Abolitionisten die allgemeine Aufhebung der Sklaverei ungebührlich beschleunigen werde (s. unten, Geschichte). Die Zahl der unvermischten Weißen portugiesischen Ursprungs ist im Verhältnis zu der Zahl der Mischlinge sehr gering.
Auch bilden dieselben keine besonders bevorzugte Klasse. Ihre Sprache allerdings ist die einzige im Reich übliche; doch verwischt diese Sprachgemeinschaft nicht die wesentlichen Verschiedenheiten, welche zwischen den einzelnen Elementen der brasilischen Gesellschaft stattfinden. Nur in Rio de Janeiro vermischen sich die provinziellen Färbungen und gehen im Nationalcharakter auf. Allen gemeinsam ist der religiöse Glaube, und ein Hauptmittelpunkt des sozialen Lebens in Brasilien sind die Kirchen, die in gewisser Beziehung die Stelle der europäischen Salons oder Theater vertreten.
Der größte Teil der freien Bevölkerung des Landes besteht jedoch aus Mischlingen, die aus der Vermischung von Weißen, Schwarzen und Indianern entstanden sind; man nennt solche Mischlinge von dunkler Hautfarbe allgemein Cariboca oder Cafuso, während unter Mulatten die Nachkommen von Weißen und Negern, unter Mestizen (Mestico) die von Indianern einerseits und Weißen und Negern anderseits verstanden werden; Kreolen (Crioulo) heißen in Brasilien die im Land gebornen Neger. Die Einwanderung ist trotz vieler durch die Regierung gebotener Vorteile (s. unten) eine schwache gewesen; von 1855 bis 1883 wanderten rund 6,000,000 Menschen ein, darunter 215,000 Portugiesen, 65,000 Deutsche, sonst noch Italiener (in zunehmenden Zahlen), Franzosen, Briten, Spanier.
Die Ureinwohner, die Indianer, sind in spärlichen Gruppen über das weite Land zerstreut. Sie sind nur von mittlerer Größe, aber von gedrungenem und muskulösem, ebenso geschmeidigem wie kraftvollem Körperbau. Ihre Farbe wechselt vom tiefen Rot bis zum bräunlichen Weiß, ihre Gesichtsbildung zeigt in manchen Fällen etwas Mongolisches: abgeplattetes, rundes Gesicht, dicke Lippen, eingedrückte Nase, schwarze, kleine, schräg nach außen gezogene Augen und schwarze, schlichte Haare;
bei andern Stämmen ist die Gesichtsbildung edler, der Wuchs schlanker.
Die Portugiesen teilten sie in zwei Klassen ein: in die Küstenbewohner (Indios mansos oder caboclos) und in die Bewohner des innern Landes (Indios bravos oder Tapuyas). Die bedeutendsten dieser Stämme, die Tupi, die Guarani und die Omagua, bilden ethnographisch ein Ganzes, wie die Übereinstimmung der Sitten und namentlich der von den Stämmen gesprochenen Dialekte zeigt. Die durch die Jesuitenmissionäre aus den verschiedenen Dialekten heraus entwickelte lingoa geral brasilica dient jetzt als das allgemeine Verständigungsmittel mit den Indianern.
Die Tupi, welche im NO. wohnen, stehen mit den durch die erfolgreiche Thätigkeit der Jesuiten unter ihnen wohlbekannten Guarani im SO. in engem Verwandtschaftsverhältnis, so daß man sie gern zu einer Gruppe zusammenfaßt, zu welcher die Gualache und Itatine zwischen Paraguay und Parana, die Apiaca am Arinas, die Cabahyba im Quellgebiet des Tapajoz und seiner Zuflüsse und einzelne Stämme an der Ostgrenze des ehemaligen Inkareichs gehören. Zu den Omagua zählen die Omaguasyete oder Omagua im engern Sinn (s. Tafel »Amerikanische Völker«, [* ] Fig. 19) an der Grenze gegen Peru und Ecuador zwischen Amazonenstrom und Yapura, die Yurumagua am Yurua u. a. Aber zwischen diesen leben noch viele andre Indianerstämme, die durch abweichende Sprachen und Sitten den Beweis liefern, daß sie ethnographisch von jenen getrennt werden müssen und die zersprengten Überreste eines oder mehrerer größerer Stämme bilden. Dahin gehören: die Aymore oder Guaymore, bekannter unter dem Namen der Botokuden [* ] (Fig. 20 und 21) im O. des Flusses São Francisco, die Kiriri in der Provinz Bahia in der Nähe von Cachoeira, die Jundiähi und Jacunda am untern Tokantins, die Tikuna [* ] (Fig. 22 und 23) und die Miranha [* ] (Fig. 24) zwischen den Flüssen Ica und Yapura, die Mura und Parupuru am untern Purus, andrer kleinerer Volksabteilungen nicht zu gedenken. Die ansässig
unter den Brasiliern lebenden Indianer unvermischten Bluts sind jetzt wenig zahlreich, am häufigsten noch die Überreste der früher in Missionen vereinigten Stämme am untern Amazonenstrom. Der bei weitem größte Teil der Indianer lebt, in kleine Horden geteilt, ganz selbständig und ohne einen Zusammenhang mit dem brasilischen Staatsleben, wenngleich fast allenthalben durch den Verkehr wenigstens in einiger Verbindung mit den übrigen Bewohnern des Landes. Ihre geistige und sittliche Entwickelung ist bis jetzt überaus gering geblieben; selbst die zum Christentum bekehrten Indianer haben in der Zivilisation nur geringe Fortschritte gemacht.
Die geistige Kultur steht allerdings noch auf einer niedrigen Stufe, doch ist nicht zu verkennen, daß in neuerer Zeit wichtige Fortschritte sich vollzogen haben. Im Unterrichtswesen unterscheidet man zunächst Primär- und Sekundärschulen, erstere unsern Volksschulen, letztere unsern höhern Bürgerschulen und Gymnasien entsprechend. Der Elementarunterricht ist unentgeltlich und (wenn auch wegen Mangels an Schulen, Lehrern und Kommunikationswegen nur nominell) obligatorisch. Es bestanden 1881: 5785 Primärschulen, welche von 188,843 Schülern besucht wurden.
Außer diesen besteht eine Anzahl von Privatschulen, und in jeder Provinzialhauptstadt werden durch die Provinz oder den Staat Lyceen unterhalten. Die Lehrer müssen entweder eine Landesuniversität oder das Collegio de Dom Pedro II zu Rio de Janeiro oder ein Seminar (escola normal) mit Erfolg absolviert haben. Diesen Schulen reihen sich an die Fachschulen und zwar: die Rechtsfakultäten von Pernambuco und São Paulo (ca. 500 Studierende), die medizinischen Fakultäten von Rio de Janeiro und Bahia (ca. 800 Studierende), die polytechnische Schule zu Rio de Janeiro, die Bergbauschule zu Ouro Preto, die Handelslehranstalt zu Rio de Janeiro, Schullehrerseminare, eine Gewerbeschule, eine Marineschule, mehrere Kriegsschulen, Ackerbauschulen, Blindenschulen, ein Taubstummeninstitut und ein Konservatorium der Musik zu Rio de Janeiro.
Außerdem bestehen von wissenschaftlichen Instituten in der Hauptstadt: das kaiserliche astronomische Observatorium, das Nationalmuseum, die Nationalbibliothek (ca. 140,000 Bände) neben mehreren andern Museen und Bibliotheken in der Hauptstadt und in den Provinzen, das historisch-geographisch-ethnographische Institut, welches, wie auch einige andre Vereine, Jahresberichte herausgibt, die, da das Institut alle hervorragenden Männer Brasiliens zu Mitgliedern zählt, die bedeutendsten wissenschaftlichen Leistungen des Landes enthalten. Außerdem gibt es in der Hauptstadt wie in den Provinzen zahlreiche andre wissenschaftliche und Fachvereine. Fakultäten der Theologie bestehen zu Bahia, Belém, San Luis do Maranhão, Fortaleza, Olinda, São Paulo, Portalegre, Marianna, Diamantina, Goyaz und Cuyaba.
Die brasilische Litteratur, welche lange Zeit hindurch nur einen dürftigen Zweig der portugiesischen bildete, hat sich in der neuesten Zeit zu einer gewissen Selbständigkeit zu entwickeln begonnen. Zu den frühsten Dichtern des Landes, die aber noch bloße Nachahmer der Portugiesen und Spanier waren, gehören die Brüder Eusebio und Gregorio de Mattos (17. Jahrh.) und Manoel Botelho de Oliveira (gest. 1711). Schon mehr lokale Färbung tragen die Werke des Dichters Manoel de Santa Maria und des Historikers Rocha Pitta (gest. 1738). Nachdem 1763 die Residenz des Vizekönigs von Bahia nach Rio de Janeiro verlegt, worden, ward letztere Stadt zu einem Mittelpunkt der Bildung, wo schöngeistige und höfisch gelehrte Akademien entstanden, die (wie namentlich die sogen. Arcadia ultramarina) maßgebend, aber nicht vorteilhaft auf die litterarische Produktion einwirkten, während gleichzeitig in der aufblühenden und politisch regen Provinz Minas Geraës eine Dichterschule erstand, die auch in litterarischer Hinsicht eine Emanzipation vom Mutterland Portugal anstrebte und ihre Stoffe vorzugsweise aus der Natur, den Sitten und der Geschichte Brasiliens schöpfte. Zu letztern Dichtern (den sogen. poetas mineiros) gehören: J. ^[José] Basilio da Gama (gest. 1795) mit seinem Epos »Uruguay« und José de Santa Rita Durao (gest. 1784) mit der Dichtung »Caramurú«; ferner der Lyriker Manoel da Costa (gest. 1790), Ignacio da Silva Alvarenga (gest. 1814) und der talentvolle Thomaz Ant. Gonzaga (gest. 1809), Verfasser echt volkstümlicher Lieder. Sonst sind aus jener Zeit besonders Caldas Barboza (gest. 1800) und Figueire do Aranha (gest. 1811) zu erwähnen.
Mit der Übersiedelung des portugiesischen Hofs nach Rio de Janeiro (1808), noch entschiedener aber mit der Errichtung eines selbständigen Reichs Brasilien (1822) wurde endlich auch der Grund zur litterarischen Selbständigkeit des Landes gelegt. Die Poesie nimmt einesteils einen spezifisch christlichen Charakter an und entlehnt ihre Stoffe und Bilder dem katholischen Glauben, statt, wie bisher, der Mythologie der Alten, eine Richtung, die wir bereits von Ant. Pereira de Souza Caldas (gest. 1814), dann besonders von Francisco de São Carlos (gest. 1829) und José Eloy Ottoni (gest. 1851) vertreten finden. Anderseits wird in patriotischen und politischen Gedichten das nationale Element nachdrücklich betont, so in den Poesien des berühmten Staatsmanns Andrada e Silva (gest. 1838) und seines Zeitgenossen Fr. Vilella Barboza (gest. 1846), dessen Elegie auf den Tod Dom Pedros I. zu den Perlen der brasilischen Litteratur gehört.
Von den übrigen Dichtern dieser Epoche seien erwähnt: Dom. Borges de Barros (gest. 1855), ein Sänger der Liebe und Schönheit;
Jan. da Cunha Barboza (gest. 1846), der Schilderer reizender Naturszenerien;
Alvaro Teixeira de Macedo (gest. 1849), Verfasser des satirischen Epos »A festa de Baldo«, u. a. Der Ruhm aber, eine wirklich nationale Dichterschule Brasiliens gegründet zu haben, gebührt José Gonçalves de Magelhães (geb. 1811),
der mit seinen »Suspiros poeticos« und »Mysterios« auf lyrischem Gebiet, außerdem aber auch als erzählender und dramatischer Dichter bahnbrechend wirkte.
Unter seinen Nachfolgern gehören Manoel de Araujo Porto-Alegre (geb. 1806) als episch beschreibender Dichter, Antonio Gonçalves Dias (geb. 1823) als Lyriker, Manoel de Macedo (geb. 1820) als Tragödiendichter und Romanschriftsteller zu den bedeutendsten. Andre geschätzte Dichter der Neuzeit sind: Manoel Odorico Mendes (geboren um 1810), Alvares de Azevedo (gest. 1852), Ant. Goncalves Teixeira e Souza (geb. 1812), der Verfasser trefflicher »Canticos« und beliebter Romane, Joaquim Norberto de Souza e Silva (geb. 1820), der Fabeldichter Joaquim José Teixeira, der Komödiendichter Luis Carlos Martius Penna u. a. Unter den Prosaisten mögen Pereira da Fonseca (gest. 1848), Verfasser epigrammatischer Maximen, der Gelehrte Antonio de Moráes e Silva (gest. 1820) als geschmackvoller Übersetzer, ferner die Historiker J. ^[João] Manoel Pereira da Silva (geb. 1818), A. de Varnhagen, Verfasser einer »Historia geral do Brazil« und J. ^[João] Francisco Lisboa Erwähnung finden.
Die politische Presse hat ihren Hauptsitz in Rio de Janeiro. Es erscheinen in Brasilien 464 Zeitungen und Zeitschriften, unter ihnen namentlich das seit 1821 erscheinende »Jornal do Commercio«, das »Diario official« (beide in Rio de Janeiro) und das »Diario de Pernambuco« (Pernambuco), sodann 12 deutsche Zeitungen (besonders in den südlichen Provinzen), mehrere englische, französische, italienische.
Vgl. F. Wolf, Le Brésil littéraire (Berl. 1864).
Die Kunst der Malerei und Bildhauerei wird in in allen Abstufungen ausgeübt, am häufigsten auf der untersten. In den kultivierten Teilen Brasiliens zog man die ersten Künstler, wie in Portugal, aus Italien herbei, weshalb man auch an den brasilischen Werken der Baukunst die römische Schule des Bramante und Buonarroti erkennt. Mit Verschwendung bauten die Jesuiten; die von ihnen errichteten Gebäude sind meist schön und mit Geschmack verziert, stehen aber denen im spanischen Amerika nach.
Prachtvolle Kirchen wurden in Portugal entworfen und ausgeführt, dann Stein für Stein, mit Zahlen bezeichnet, nach Brasilien übergeschifft, um hier zusammengefügt zu werden. Hervorragendes in Architektur, Bildhauerei und Malerei haben die Brasilier bisher selbständig nicht geleistet. Unter Dom Pedro I. wurde zwar die Akademie der schönen Künste 1824 gegründet, sie erhielt ein majestätisches Gebäude in Rio de Janeiro, ward feierlich eingeweiht und veranstaltete bis 1833 drei Kunstausstellungen; indes war es immer der Fremde, welcher handelte, die Brasilier hielten sich an den Genuß.
Die spätern politischen Ereignisse gaben dem ohnehin schwachen Interesse für Kunst eine andre Richtung. Auch in der Musik hat Brasilien kein ausgezeichnetes Talent hervorgebracht, Joseph Mauricio, den Stolz der Brasilier, ausgenommen. Trotz der großen Zahl der selbst in kleinern Städten von ca. 10,000 Einw. bestehenden Theater, auf denen die ausübenden, meist sehr mittelmäßigen Künstler portugiesischen oder französischen Ursprungs sind, besitzt Brasilien nur einen Komponisten, Carlos Gomes, dessen Opern: »O Guarany« und »Salvator Rosa« aber außerhalb Brasiliens noch nicht zur Aufführung gelangt sind.
Die brasilische Kirche ist die römisch-katholische; sie besteht aus dem Erzbistum von Bahia (mit dem Metropoliten und Primas von an der Spitze) und aus den elf Bistümern von Rio de Janeiro, Pernambuco, Fortaleza, Maranhão, Pará, São Paulo, Marianna mit Diamantina, Goyaz, Cuyaba, Ceará und Portalegre. Man zählt 1600 Parochien, von denen aber viele wegen Mangels an Priestern nicht besetzt sind. Die Heranbildung der Geistlichen ist dem Klerus überlassen, und es gibt in jedem Bistum staatlich subventionierte Seminare.
Ein kirchliches Obergericht (Relação metropolitana) besteht in Bahia. Die Bischöfe und alle andern geistlichen Vorstände werden vom Kaiser eingesetzt. Als Fundament der brasilischen Kirche gelten die Bestimmungen des Konzils von Trient. Die Klöster verlieren stetig an Bedeutung, da ihnen seit 1855 nicht mehr gestattet ist, Novizen aufzunehmen. Auch werden seit 1870 die liegenden Klostergüter verstaatlicht. Die Zahl der Katholiken gab der Zensus von 1872 auf 9,902,712 Freie und Sklaven, die der Protestanten auf nur 27,766 Freie an. Den Protestanten war es bis 1808 verboten, sich in Brasilien niederzulassen; etwas später erlaubte man ihnen Ansiedelung und Errichtung eines Gotteshauses.
Gegenwärtig ist allen Konfessionen Religionsfreiheit und in neuester Zeit auch öffentlicher Gottesdienst und Teilnahme an Staats- und öffentlichen Ämtern gestattet. In neuerer Zeit unterstützt sogar der Staat auch pekuniär den Bau protestantischer Gotteshäuser in den deutschen Kolonien und besoldet die Geistlichen, welche entweder vom Berliner Oberkirchenrat gesandt, oder durch Barmener und Baseler Missionszöglinge präsentiert werden. Die deutsch-evangelische Synode hat sich seit 1869 freiwillig unter den Oberkirchenrat von Berlin gestellt. In fast allen Handelsstädten gibt es auch englische Kapellen.
Die Gewerbthätigkeit Brasiliens steht noch auf sehr niedriger Stufe. Die beträchtlichen Bedürfnisse, welche die Industrie zu befriedigen bestimmt ist, werden nicht durch einheimische Thätigkeit, sondern durch Einfuhr fremder Produkte befriedigt. Brasilien ist ein ackerbauendes Land, folglich ist auch die Produktion von Rohstoffen die Hauptaufgabe und wird es, da bis jetzt kaum der hundertste Teil des ungeheuern Gebiets urbar gemacht ist, vielleicht noch auf Jahrhunderte bleiben, zumal da die Arbeitskräfte sogar für die dem heutigen Landbau wünschenswerte Entwickelung kaum ausreichen.
Daher ist auch außer den notwendigsten und gewöhnlichsten Handwerken die Industrie in Brasilien auf Bergbau, Metallurgie, die Bearbeitung edler Metalle zu Geräten und Schmuck, Zuckersiederei, Branntweinbrennerei, Bierbrauerei, Tabaksfabrikation, auf vereinzelte Anfänge in Maschinenfabrikation und Baumwollweberei, Schiffbau und Gerberei beschränkt. Immerhin ist nicht zu verkennen, daß sich die Industrie Brasiliens im letzten Jahrzehnt unter dem Einfluß eines hohen Schutzzolles lebhaft zu entwickeln begonnen hat und bereits ein beachtenswerter Faktor im Importhandel geworden ist.
Dies Resultat ist auch zum großen Teil den Bemühungen der sehr rührigen Zentralgesellschaft für Handel und Ackerbau zu danken. In 51 Zuckerfabriken ist gegenwärtig ein mit staatlicher Zinsgarantie versehenes Kapital von 30,000 Contos (60 Mill. Mk.) angelegt; in 47 Baumwollfabriken sind 3600 Arbeiter beschäftigt, welche Gewebe einfachster Art herstellen. Eine dem Land eigentümliche Industrie ist die Fabrikation von Federblumen. Die größten Industrie-Etablissements werden übrigens vorzugsweise von Ausländern, besonders von Engländern und Deutschen, betrieben.
Eine großartige Viehzucht, allerdings meist in äußerst primitiver Weise betrieben, besitzen die Campos der südlichen Provinzen, wo auch die Xarqueadas ihren Sitz haben, große Fleischereien, in denen Tausende von Tieren an einem Tage geschlachtet und die einzelnen Teile derselben, Talg, Fleisch, Haut, Hörner, Knochen, Blut, fabrikmäßig für den Export verwertet werden. In Bezug auf Ackerbau aber gibt es kein Land der Erde, das trotz der geringen Fürsorge der Regierung, der vielen politischen Unruhen und des Charakters der Bevölkerung so riesenhaft fortschreitet wie Brasilien. Die Art und Weise der Bodenbestellung allerdings steht noch auf sehr niederer Stufe, und das gegenwärtig betriebene Raubbausystem, welches Düngung, Berieselung und die Hilfe der modernen Technik mit wenigen Ausnahmen völlig verschmäht, wird voraussichtlich noch für lange Zeit das vorherrschende sein. Angebaut werden: Mais, die schwarze Bohne, die Mandioka, Knollenfrüchte, Reis, Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, letztere Cerealien besonders in den südlichen Provinzen;
in erster Linie aber sind die Kolonialprodukte von Wichtigkeit, welche neben den Viehzuchtprodukten die größten Werte zum brasilischen Export liefern.
Vorzüglich ist der Kaffeebau
in außerordentlicher Zunahme begriffen; der Kaffee ist geradezu Brasiliens wichtigstes Produkt geworden, obschon die Preise stetig gesunken sind. Brasilien exportierte in dem Dezennium 1830-40 jährlich ca. 53 Mill. kg Kaffee; Ende der 70er Jahre aber entwickelte sich die Kaffeeproduktion trotz der Sklavenemanzipation in erstaunlicher Weise und erreichte 1882 die Höhe von 360 Mill. kg im Wert von 104,753 Contos (235,7 Mill. Mk.). Der Hauptexport findet nach den Vereinigten Staaten, nach England und nach Deutschland statt, sein Wert beträgt über 60 Proz. des Gesamtausfuhrwerts des Kaiserreichs. 1882 partizipierte Brasilien mit fast 55 Proz. am Kaffeehandel der Erde.
Der schon seit langer Zeit in Brasilien eingeführte Zuckerbau ist zwar hinter dem Kaffeebau zurückgeblieben, allein immerhin bedeutend, so daß er nächst dem Kaffeebau das wichtigste Exporterzeugnis liefert. Der Wert der gegenwärtigen Zuckerproduktion und ihrer Nebenzweige kann auf 120-130 Mill. Mk. veranschlagt werden. Der Thee wurde 1810 aus China hierher verpflanzt und ist allerdings in mehreren Provinzen (z. B. São Paulo) vortrefflich gediehen; doch dürfte eine nennenswerte Produktion schwerlich eintreten, solange die ausgedehnten Herva-Matéwälder in Südbrasilien noch ein bei den Bewohnern so beliebtes und auch als Exportartikel wichtiges Genußmittel, den Paraguaythee, liefern. Zu den Gegenständen des Landbaues gehören ferner noch Baumwolle, Vanille, Kakao, in Südbrasilien noch Orange, Banane, Ananas, Feige, Pfirsich, auf dem Hochland auch Äpfel und Birnen.
Für den Weinbau sind die südlichen Provinzen São Paulo, Parana, Rio Grande do Sul gut geeignet; man pflanzt dort die nordamerikanische Catawbarebe. Es fehlt dem brasilischen Ackerbau, um durch Mannigfaltigkeit und Qualität seiner Produkte dem Ackerbau der reichsten Länder der Erde gleichzustehen, außer an einem rationellen und verständigen Betrieb hauptsächlich an Arbeitskräften. Diese hat man in neuester Zeit mit allerdings nicht ausreichendem Erfolg aus Europa zu gewinnen gesucht.
Brasilien war seit 1812 unter König Johann VI. vielfach der Schauplatz von Kolonisationsversuchen, die jedoch meist gescheitert sind, wenn auch nicht immer durch die Schuld der Regierung. Nur den Deutschen ist es bis jetzt gelungen, in und zwar namentlich in den klimatisch günstigsten südlichen Provinzen erfolgreich Kolonien zu gründen. Die blühendsten Ansiedelungen von Deutschen aber finden sich in den Provinzen Parana, Santa Catharina und Rio Grande do Sul. Die Zahl der jetzt in Brasilien lebenden Deutschen wird auf 210,000 geschätzt.
Ihren Hauptsitz haben sie in der Provinz Rio Grande do Sul, wo sie die Kolonien São Lourenco, São Feliciano, São Leopoldo, Taquary, Hamburger Berg, Santa Cruz, São Angelo, Santa Maria da Boca do Monte, Germania, Montalverne, Teutonia, Neuberlin, Estrella, Santa Maria da Soledade, Feliz, Escadinha, Bom Principio, Marata, São Leopoldo, Nova Petropolis, Mundo Novo, Tres Forquilhas, São Pedro u. a. bewohnen. Deutsche Kolonien sind ferner in der Provinz Santa Catharina: Santa Thereza, Theresopolis, Angelina, Santa Izabel, Brusque, Blumenau, Badenfurt, Warnow, Dona Fransisca mit dem Hauptort Joinville und den kleinern Neudorf, Pedreira, São Bento und Annaberg;
in der Provinz Parana: Assunguy und Rio Negro;
in São Paulo: Cananea;
in Rio de Janeiro: Petropolis, Theresiopolis, Nova Friburgo, Cantagallo;
in Espirito Santo: Santa Izabel, Leopoldina mit dem Hauptort Cachoeira;
in Bahia: Leopoldina, wo neben Deutschen auch viele Schweizer leben;
endlich in Minas Geraës: die Mucurykolonie mit dem Hauptort Ottoni (früher Philadelphia) und Dom Pedro II. In diesen Kolonien hat das Leben seine deutsche Gestaltung behalten;
Schulen sind zahlreich, Kirchen (auch evangelische) genügend vorhanden.
Der Wohlstand der Kolonisten ist im Steigen begriffen, der Gesundheitsstand vorzüglich, indem z. B. in Dona Francisca, Blumenau, Santa Cruz im Durchschnitt aus je 100 Geborne nur 30-40 Todesfälle kamen, so daß die Bevölkerung einen jährlichen natürlichen Zuwachs von 3 Proz. erhielt.
Dem Handel Brasiliens stehen mannigfache teils mit dem Grund und Boden, teils mit der Gesinnung und dem Geiste der Bewohner selbst im Zusammenhang stehende Hindernisse hemmend entgegen; dennoch gewinnt er infolge der reichen Erzeugnisse und der günstigen Lage des Landes immer mehr an Ausdehnung. Der Großhandel befindet sich fast ausschließlich in den Händen der Engländer, Franzosen, Portugiesen, Nordamerikaner, Holländer und Deutschen und konzentriert sich in 19 Hafenplätzen, unter denen die wichtigsten sind: Rio de Janeiro, Bahia, Pernambuco, außerdem Pará, São Luiz de Maranhão, Alagoas, Rio Grande do Norte, Sergipe, Fortaleza, Aracati und Parahyba und die Häfen der Provinzen Rio Grande do Sul, Santa Catharina und São Paulo.
Die Entwickelung der Schiffahrtsbewegung geht namentlich aus folgenden Daten hervor. In langer Fahrt liefen 1862-63 in den Häfen Brasiliens ein: 3033 Schiffe mit 943,649 Ton.; es liefen aus: 2697 Schiffe mit 1,094,492 T. 1882-1883 stellte sich die Zahl der einlaufenden Schiffe auf 2989 mit 2,367,296 T., die der auslaufenden auf 2522 mit 2,065,237 T. Auch der Küstenhandel, welcher früher ausschließlich der nationalen Flagge vorbehalten war, aber seit 1873 zwischen den Häfen, wo Zollämter errichtet sind, auch ausländischen Schiffen gestattet ist, steigt von Jahr zu Jahr, ganz besonders in den beiden nördlichsten Provinzen, zum Teil infolge der Entwickelung der Dampfschiffahrt auf dem Amazonenstrom.
Dabei hat die Beteiligung ausländischer Schiffe am Küstenverkehr sehr bedeutend zugenommen. Die Küstenschiffahrt zählte 1872: 5245 Schiffe mit 1,182 Mill. T., welche ein-, und 4648 Schiffe mit 1,219 Mill. T., welche ausliefen. 1882-83 hat sich dieselbe auf 5210 einlaufende Schiffe mit 1,935 Mill. T. und 4863 auslaufende Schiffe mit 1,958 Mill. T. gesteigert. Der Wert der Einfuhr belief sich 1863-64 auf 125,613,655 Milreis, der der Ausfuhr auf 131,120,395 Milreis; 1882 bis 1883 hatte sich derselbe gesteigert auf 185,801,901, resp. 195,498,600 Milreis.
Die Ausfuhr richtete sich hauptsächlich auf Großbritannien, Frankreich, Argentinien, Portugal, Vereinigte Staaten, Deutschland. Die Hauptausfuhrartikel rangieren dem Wert nach folgendermaßen: Kaffee, Zucker, Kautschuk, Häute, Tabak, Baumwolle, Paraguaythee, Paranüsse, Diamanten, Kakao, Holz, Branntwein, Mandiokamehl, Haare, Wolle etc. Die Einfuhr umfaßt die meisten Industrieerzeugnisse Europas und alle dem Luxus dienenden fremden Produkte. An der Einfuhr ist in weitaus hervorragendster Weise England beteiligt, dann folgen Frankreich, die nordamerikanische Union, Deutschland u. a. Außer eignen Fabrikaten führen die Engländer auch manche deutsche Waren dahin, sowie von ihrer brasilischen Einfuhr vieles nach Deutschland abgesetzt wird.
Der Binnenhandel findet ein großes Hemmnis in dem Mangel an guten Fahrstraßen, doch sind neuerdings auch in dieser Hinsicht durch Vervollkommnung der Verkehrsmittel bedeutende Schritte zum Bessern geschehen. Insbesondere hat man sich in dem letzten Jahrzehnt die Erforschung der großen Flüsse und Hebung der Flußschiffahrt angelegen sein lassen; die Nebenflüsse des Amazonas: Jurua, Yawari, Jutay, Trombetas u. a., sind von Barrington Brown und William Lidstone im Auftrag der Dampfschiffahrtsgesellschaft des Amazonas 1873-75 aufgenommen worden.
Die Vereinigten Staaten beauftragten General Selfridge, Vermessungen des untern Amazonas bis zur Mündung des Madeira und auch dieses Flusses bis zu den Fällen vorzunehmen; diese Vermessungen wurden Ende 1878 vollendet. Im Auftrag des Kaisers von Brasilien unternahm sodann der nordamerikanische Oberst Roberts eine Untersuchung des Stromsystems Brasiliens mit Rücksicht auf die Schiffbarkeit desselben. Zu gleicher Zeit erforschte Urbano da Cucarnacao mit gleich günstigem Erfolg den Purus und Ituxi.
Der Madeira ist von São João da Beira (Provinz Matogrosso) ab fahrbar bis auf eine Strecke bei São Antonio, wo Katarakte die Schiffahrt unterbrechen; 1868 drang ein Dampfer den Araguaia über 1200 km weit hinauf, und 1869 wurde auch der Rio das Velhas auf 750 km von einem Dampfer befahren. Die Flußschiffahrt entwickelt sich unter diesen Umständen mehr und mehr, man berechnet die der Dampfschiffahrt zugänglichen Strecken des Amazonas und Tokantins auf 43,250 km. Der Amazonas wird schon seit 23 Jahren bis Tabatinga (Grenze), 3828 km, befahren (s. Amazonenstrom). Es sind auf allen brasilischen Flüssen 19,140 km Dampfschifflinien im Betrieb; auf dem Paraguay gehen Dampfer jetzt bis Cuyaba (Matogrosso), auf dem São Francisco bis Piranhas.
Viele Flüsse sind aber durch die zahlreichen Wasserfälle (Parana, São Francisco, Araguaia, Madeira) teilweise nur für Binnenschiffahrt zugänglich. Mit Europa steht in Verbindung durch die Royal Mail Steam Packet Co. (Southampton), durch die Linie Lamport u. Holt (Liverpool), den Norddeutschen Lloyd, die Hamburg-Südamerikanische Dampfschiffgesellschaft, Kosmos, Compagnie des Messageries maritimes de France (Bordeaux), Société générale de Transports maritimes (Marseille), Lavarello u. Piaggio (Genua) u. a.; mit den Vereinigten Staaten durch die United States and Brazil Mail Line (New York).
Mit nicht geringerm Eifer wird die Erweiterung des Eisenbahnnetzes betrieben, dessen Entwickelung neuerdings die Provinzen in die Hand genommen haben, die alle bestrebt sind, eine Schienenverbindung mit der Küste herzustellen. Die Gesamtlänge der im Betrieb befindlichen Bahnen betrug 1873: 1206 km, 1879: 3058 km, Ende 1883: 5600,8 km (dazu im Bau 2402 km). Die erste derselben (Rio de Janeiro-Petropolis) wurde 1854 dem Verkehr übergeben. Die wichtigsten andern Linien sind: die Bahn Dom Pedros II. von Rio de Janeiro nach Sotio (Provinz Minas Geraës), die Cantogallobahn (Villa Nova-Neufreiburg), die Mauabahn (Mauhia-Petropolis), die Bahiabahn (Bahia-São Francisco), die Pernambucobahn, die São Paulo-Bahn (Santos-Campinas) etc. Der Einfluß, welchen diese Bauten auf die Umgestaltung der Verkehrsverhältnisse einiger Gegenden hatten, ist außerordentlich; vor 15 Jahren verkaufte man aus den Anfang Mai abgehaltenen Jahrmärkten 80-100,000 Maulesel, heute höchstens 10-12,000. Da die Eisenbahnen aber über eine Küstenzone von etwa 300 km Breite kaum hinausreichen, so geschieht die Beförderung der Lasten noch viel durch Maultierkarawanen (tropas) und Ochsenkarren.
Bis 1870 wurden viele Kunststraßen gebaut, seitdem wandte man sich den schmalspurigen Eisenbahnen zu. Pferdeeisenbahnen in größerer oder geringerer Ausdehnung sind in allen bedeutenden Städten Brasiliens angelegt. Brasilien gehört zum Weltpostverein, die Regierung zahlt den größern europäischen Dampferlinien beträchtliche Subventionen; doch ist das Postwesen noch sehr ungenügend organisiert. Die Zahl der Postbüreaus betrug 1882-83: 1678; es wurden im ganzen 36,767,325 Briefe expediert. In demselben Jahr waren 7821 km Telegraphenlinien in Betrieb, mit 139 Stationen, von denen 338,053 Depeschen befördert wurden. Telephonanlagen besitzen alle größern Handelsstädte, in Rio de Janeiro schon sehr viele Privathäuser.
Die Münzeinheit bildet in ganz Brasilien der Real (Plural Reis), eine nur nominelle Münze von geringem Wert (kaum ¼ Pfennig), weshalb im Verkehr nach Milreis (1000 Reis, geschrieben Rs. 1$000) oder nach Contos de Reis (1000 Milreis, geschrieben Rs. 1:000 $000) gerechnet wird. Nach dem Münzgesetz von 1847 dient als Basis des Systems die Oktava Gold von 0,917 Reingehalt und 0,83 Legierung von Kupfer und Silber im Wert von Rs. 4 $000. hat eigentlich Goldwährung, doch herrscht gegenwärtig Papiervaluta.
Papiergeld bildet bei dem jetzigen Mangel an gemünztem Golde das Hauptzahlungsmittel; es sind in Zirkulation Staatsschuldscheine und Notas do Banco do Brazil, Scheine von 1, 2, 5, 10, 50, 100, 200, 500 und 1000 Milreis. An Münzen zirkulieren: das 10-Reisstück (»halber Vitem«),
20-Reisstücke, in Kupfer geprägt (Vitem), 100 Reis, in Nickel geprägt (Tustao), 1000 Reis in Silber, Silbermünzen von 2 Milreis (Patacaos), 200 Reis aus Nickel, 500 Reis in Silber. Daneben zirkulieren auch noch zahlreiche kleine ausländische Münzen, deren Wert bedeutenden Schwankungen unterworfen ist. An Goldmünzen sind im Umlauf: 20 und 10-Milreisstücke neben verschiedenen fremden Münzen, die an Wert aber auch bedeutenden Schwankungen unterworfen sind.
Der Normalwert von 1 Milreis in Gold beläuft sich auf ca. 27 engl. Pence oder 2,25 Mk. deutscher Goldmünze, ein Wert, den das in großen Massen emittierte Papiergeld aber nicht hat, der außerdem auch beständigen Schwankungen unterworfen ist, wodurch dem überseeischen Handel große Schwierigkeiten erwachsen. Bei dem Kurs von 24, der seit Jahren als Durchschnittskurs angenommen wird, pflegt man, wo es sich nicht um genaue kaufmännische Kalkulationen handelt, das brasilische Milreis mit 2 Mk. zu berechnen. Die brasilischen Maße sind ursprünglich die portugiesischen, alle Hohlmaße zeigen aber bedeutende Abweichung. Durch Gesetz vom wurde das französische metrische System angenommen, das bis 1874 vollständig eingeführt sein sollte; doch wird noch vielfach nach den frühern Maßen und Gewichten gerechnet.
Brasilien ist nach dem Verfassungsgesetz vom (beschworen durch die Akte vom und mannigfach abgeändert) ein konstitutionell-monarchischer Föderativstaat. Die Verfassung erkennt vier Staatsgewalten an, außer den drei der europäischen Grundgesetze, der gesetzgebenden, vollziehenden und richterlichen, noch eine ausgleichende Gewalt (Poder moderador), die
dem Kaiser zusteht, und die er ohne Mitwirkung der Minister bei der Ernennung von Senatoren, bei Berufung einer außerordentlichen Sitzung der Reichsversammlung, bei Sanktionierung von Beschlüssen der letztern, die ihnen Gesetzeskraft gibt, bei Vertagung oder Auflösung der Versammlung, bei Ernennung und Entlassung der Minister, bei zeitweiser, verfassungsmäßig vorgesehener Enthebung der Magistrate von ihrem Amt, bei Begnadigungsfällen und noch einigen andern, minder bedeutenden Gelegenheiten ausübt.
Die Thronfolge bleibt nach dem Rechte der Erstgeburt, ohne Berücksichtigung des Geschlechts, bei den Nachkommen des Kaisers Pedro II. aus dem Haus Braganza. Der Kaiser ist nebst der Gesetzgebenden Versammlung der Vertreter der Nation, seine Person unverletzlich und unverantwortlich. Er führt den Titel: konstitutioneller Kaiser und beständiger Verteidiger Brasiliens. Ihm ist die vollziehende und die ausgleichende Gewalt anvertraut; erstere übt er mittels der Minister, die sieben an der Zahl und verantwortlich sind.
Das Ministerium vom setzt sich zusammen aus dem Präsidenten des Konseils (gleichzeitig Minister der Finanzen), den Ministern des Innern, der Justiz, des Äußern, der Marine, des Kriegs und dem Minister der öffentlichen Arbeiten, des Handels und des Ackerbaues. Bei Ausübung seiner ausgleichenden Gewalt steht dem Kaiser ein Staatsrat von vom Kaiser ernannten Mitgliedern und zwar ordentlichen (nicht über 12) und außerordentlichen zur Seite, welcher jedesmal vom Kaiser, wenn derselbe seine ausgleichende Gewalt üben will, aber auch sonst in allen wichtigen Angelegenheiten gehört werden muß.
Seine Mitglieder sind nur dem Kaiser verantwortlich. Der mutmaßliche Thronerbe tritt von Rechts wegen mit dem 18. Jahr ein. Die Repräsentation wird von zwei aus direkter Wahl der Bürger hervorgegangenen Kammern, dem Senat und der Deputiertenkammer, gebildet. Der Senat besteht aus 58 auf Lebenszeit ernannten Mitgliedern; der Kaiser wählt sie aus drei von jedem Wahlkreis vorgeschlagenen Kandidaten. Die Sessionszeit ist vier Monate, wird aber oft verlängert. Ausschließliches Recht des Senats ist es, über individuelle Vergehen der Mitglieder der kaiserlichen Familie, der Minister, Staatsräte, Senatoren und der aktiven Abgeordneten zu erkennen sowie die Berufungsschreiben für die Volksvertretung auszusenden, wenn der Kaiser es zwei Monate nach dem verfassungsmäßigen Termin nicht gethan hat.
Die Deputiertenkammer, die sich in der Regel alle vier Jahre erneuert, setzt sich aus den durch die verschiedenen Provinzen nach dem Verhältnis ihrer Bevölkerung und nach dem Wahlgesetz vom gewählten Mitgliedern zusammen. Die Zahl der Senatoren darf die Hälfte derjenigen der Deputierten nicht übersteigen. Senatoren und Deputierte erhalten Diäten und Reisezuschüsse. Das Recht der Initiative steht dem Kaiser sowohl als beiden Kammern zu;
in Steuersachen und für etwanige Wahl einer neuen Dynastie bei Erlöschen der regierenden haben die Mitglieder der Deputiertenkammer allein die Initiative;
vor diese Kammer müssen auch zuerst die Vorlagen der ausübenden Gewalt gebracht werden;
sie allein entscheidet über die Abstellung administrativer Mißbräuche, ihr steht die Untersuchung der abgelaufenen Verwaltung zu, von ihr geht die Entscheidung aus, ob Grund zu einer Anklage gegen die Minister oder Staatsräte vorliegt.
Der letzte Artikel der Verfassung enthält die Grundrechte des brasilischen Volkes. Nach denselben ist kein Bürger verpflichtet, etwas zu thun oder etwas zu lassen, außer kraft eines Gesetzes. Kein Gesetz darf rückwirkende Kraft haben. Jeder kann seine Gedanken durch Wort, Schrift und Veröffentlichung in der Presse ohne Zensur mitteilen und ist nur für solchen Mißbrauch dieses Rechts verantwortlich, den das Gesetz bestimmt. Niemand kann aus Rücksichten der Religion verfolgt werden, wenn er die Staatsreligion respektiert und der öffentlichen Sittlichkeit keinen Anstoß gibt.
Jeder kann nach Belieben im Reich bleiben oder dasselbe verlassen und seine Habe mit sich nehmen, wenn er nur die polizeilichen Vorschriften beobachtet und keine Rechte Dritter verletzt. Jeder Bürger hat in seinem Haus ein unverletzliches Asyl. Niemand darf verhaftet werden, ohne daß sein Vergehen konstatiert ist, ausgenommen in den gesetzlich bestimmten Fällen. Mit Ausnahme der Ergreifung auf der That kann Gefängnisstrafe nicht ohne einen von der kompetenten Behörde gezeichneten Verhaftsbefehl verhängt werden.
Niemand darf von einer andern als der zuständigen Behörde verurteilt werden und nur kraft eines Gesetzes und in der rechtlich vorgeschriebenen Weise. Das Gesetz ist für alle gleich. Jeder Bürger wird zu allen öffentlichen Ämtern zugelassen. Niemand ist davon ausgenommen, zu den Staatsausgaben nach seinem Vermögen beizutragen. Alle Privilegien sind und bleiben abgeschafft, wenn sie nicht wesentlich durch öffentliche Rücksichten für Staatsmänner gefordert werden.
Die Strafe kann nicht über die Person des Schuldigen hinausgehen. Keine Art von Arbeit, Kultur, Gewerbe oder Handel darf verboten werden, wenn sie den Sitten, der Sicherheit und der Gesundheit der Bürger nicht zuwider ist. Das Briefgeheimnis ist unverletzlich. Die öffentlichen Beamten sind streng für Mißbrauch und Unterlassungen bei Ausübung ihrer Gewalt verantwortlich. Das Petitionsrecht ist unbeschränkt. Das Eigentumsrecht auf liegende Güter und Erfindungen ist gewährleistet.
Der Elementarunterricht ist für alle Bürger unentgeltlich. Die verfassungsmäßigen Gewalten können die Verfassung, soweit sie sich auf die vorstehenden bürgerlichen Rechte der Individuen bezieht, nicht aufheben, ausgenommen, wenn es sich um einen Aufstand oder einen Einfall des Feindes in das Reich handelt. Die obersten Beamten, die Präsidenten der Provinzen, werden von der Zentralregierung ernannt und verwalten die Provinzen gemeinschaftlich mit den gesetzgebenden Körperschaften der letztern.
Die Abgeordneten zu den Provinzialständen, einer demokratischen Errungenschaft der Föderalisten seit 1834, werden nach demselben System gewählt wie die zur Reichsvertretung. Ihnen ist die Lokalverwaltung und die ganze Sorge für die Ausführung der öffentlichen Arbeiten in der Provinz zugeteilt. Die von den Provinzialständen votierten Gesetze können nur dann vom Senat und von der Deputiertenkammer für nichtig erklärt werden, wenn jene ihre Befugnis überschritten haben, die ziemlich ausgedehnt ist, da ihnen das Recht zusteht, Steuern aufzulegen und sogar Anleihen zu machen. Die Verwaltung der Städte und Marktflecken liegt in den Händen von Munizipalräten, welche von der Bevölkerung auf je vier Jahre gewählt werden.
In dem Gerichtswesen Brasiliens haben sich in neuerer Zeit vielfache Änderungen vollzogen. Der oberste Gerichtshof wird gegenwärtig durch das aus 17 Mitgliedern zusammengesetzte Oberjustiztribunal (Supreme tribunal de Justica) zu Rio de Janeiro repräsentiert, das formell oder sachlich fehlerhafte Urteile niederer Instanzen an andre Gerichtshöfe seiner Wahl verweisen kann, und dessen Urteil die
höhern Beamten des Reichs unterstehen. Die nächste Instanz bilden die Appellationstribunale. Es gibt deren gegenwärtig 11 und zwar in Rio de Janeiro (17 Mitglieder), Bahia (11 Mitglieder), Pernambuco (15 Mitglieder), Maranhão, Pará, Ceará, Minas Geraës, São Paulo, São Pedro do Sul (je 7 Mitglieder), Matogrosso und Goyaz (je 5 Mitglieder). Daneben fungieren 7 Handelsgerichte und zwar in Rio de Janeiro, Bahia, Pernambuco, Maranhão, Pará, Ceará, São Pedro do Sul.
Für Militärjustiz besteht als höchster Gerichtshof das Militärtribunal, dessen Präsident der Kaiser ist. Die niedern Richtergrade sind durch die Friedensrichter, Gemeinderichter, Zivilrichter und Waisenrichter repräsentiert, welch letztere nur in Sachen der Waisen und Geisteskranken sowie der Abwesenden verfügten. In Kriminalsachen entscheidet das Geschwornengericht, dessen Leitung dem Kriminalrichter obliegt. Mit Ausnahme der Friedensrichter, die gewählt werden, und der Gemeinderichter, die wieder abberufen werden können, sind die Richter und Räte der Gerichtshöfe Brasiliens unabsetzbar, dürfen aber von einem Ort an den andern versetzt werden.
Der Kriminalkodex, dem Code Napoléon nachgebildet, unterscheidet folgende Strafarten je nach der Art des Verbrechens: Strafzahlung, Suspension vom Dienst oder Absetzung, Verbannung, einfache Gefängnishaft, Haft mit Arbeit, Zuchthaus, Todesstrafe. In zivilrechtlichen Sachen gilt der »brasilische Kodex«, ein unabsehbares Konglomerat von ältern portugiesischen Gesetzen, mit neuen unvollständigen, widersprechenden Paragraphen und Auslegungen vermehrt.
Vgl. »Code criminel de l'empire du Brésil« (Par. 1834) und »Kritische Zeitschrift für Rechtswissenschaft und Gesetzgebung des Auslandes« (Bd. 7, S. 297).
Die Finanzverhältnisse Brasiliens sind bei einem fortwährenden bedeutenden Defizit bis in die letzten Jahre keineswegs befriedigend zu nennen. Der Grund zu ihrem Verfall wurde durch die maßlosen Bedürfnisse des Hofs Johanns VI. gelegt. Man suchte sich durch Spekulationen zu helfen, welche unglücklich ausfielen und die Einführung des Papiergeldes statt der Münze zur Folge hatten. Mannigfache Unruhen im Innern und die fortwährenden Kriege mit den Nachbarstaaten, besonders der lange, erst 1870 beendete mit Paraguay, welcher dem Staat fast 489 Mill. Milreis gekostet haben soll, mehrten die Staatsschuld beständig und untergruben den Kredit immer mehr. Die Abschlüsse der letztverflossenen Jahre zeigen indessen, daß die großen natürlichen Hilfsquellen des Landes, welche die Regierung immer mehr zu benutzen versteht, in nicht zu ferner Zeit einen Ausgleich gestatten. Die Einnahmen sind in stetem Wachsen begriffen; sie betrugen:
Milreis | |
---|---|
1840-41 | 16310577 |
1858-59 | 39428000 |
1864-65 | 56995925 |
1866-67 | 61845426 |
1870-71 | 101033695 |
1872-73 | 103333888 |
1874-75 | 109767300 |
1881-82 | 131986964 |
Diesen ordentlichen Einnahmen standen folgende Ausgaben gegenüber:
Milreis | |
---|---|
1858-59 | 40097000 |
1864-65 | 83346159 |
1866-67 | 102873050 |
1870-71 | 83570376 |
1874-75 | 101484792 |
1881-82 | 139470648 |
Infolge der zur Fortsetzung des Kriegs mit Paraguay bewilligten außerordentlichen Kredite stellte sich in den 60er Jahren ein besonders hohes Defizit heraus. Es betrug z. B. 1866-69 fast 59,25 Mill., 1867-68 sogar über 107 Mill. Milreis. In dem Budget für 1883/84 aber stehen sich 132,115,400 Milreis an Einnahmen und 130,185,060 Milreis an Ausgaben gegenüber. Auch in dem Voranschlag für 1885/86 übertreffen die Einnahmen um etwa 5 Mill. Milreis die Ausgaben. Die wesentlichste Einnahmequelle bilden die sehr hohen Zölle, welche sowohl auf die Einfuhr als auf die Ausfuhr gelegt sind.
Sie betrugen im Budget von 1883/84: 93,709,800, dazu kommen an innern Einnahmen an Grundsteuer, Patentsteuer, Posten, Eisenbahnen etc. 35,395,600 Milreis. Die Staatsschuld hatte sich infolge der erwähnten Umstände in den letzten Jahrzehnten außerordentlich vermehrt. Während die Summe derselben in einer offiziösen Ausstellung vom zu 166 Mill. Milreis angegeben wurde, finden sich 1869 nicht weniger als 724,753,954 Milreis aufgeführt, wovon allerdings ein großer Teil für Eisenbahnen verwendet wurde; Ende 1870 war sie bereits reduziert auf 581,323,430 Milreis, wozu im Februar 1871 noch ein englisches Anlehen von 3 Mill. Pfd. Sterl. kam. Am belief sie sich wieder auf 863,168,809 Milreis, so daß deren Verzinsung einen großen Teil der jährlichen Einnahmen absorbiert.
Die Staatsschuld zerfällt in die äußere (ca. 170 Mill.), die in Gold zu bezahlen ist, und die innere (ca. 406 Mill.), die in Papier bezahlt wird. Der Rest entfällt auf die schwebende Schuld (darunter Gouvernementsnoten im Wert von 188 Mill.). Dazu kommen noch die Noten der Bank von und der Banken von Bahia und Maranhão im Betrag von 22 Mill. Milreis. Die Staatsaktiva bestanden außer den rückständigen Steuern (fast 14 Mill.) und dem Guthaben des Staatsschatzes an den Eisenbahnen (14 Mill.) in einer Schuldforderung an Uruguay und Paraguay im Betrag von zusammen ca. 17 Mill. Milreis.
Die brasilische Armee ist durch das Gesetz vom reorganisiert. An Stelle des frühern Werbesystems ist die allgemeine Wehrpflicht eingeführt, welche jedoch Ausnahmen zuläßt und Stellvertretung in einzelnen Fällen gestattet. Die Friedensstärke ist auf 13,000 Mann normiert, die Kriegsstärke auf 32,000 Mann. Die Dienstzeit beläuft sich aus 6 Jahre bei der Armee und 3 Jahre bei der Reserve. Die frühere Nationalgarde ist aufgelöst, um nach den Ergebnissen der neuen Zählung reorganisiert zu werden.
Die Zahl der Aktiven betrug 1884 (Friedensstärke): 1900 Offiziere und 11,864 Mann, welche sich auf 21 Bataillone Infanterie, 5 Regimenter Kavallerie, 3 Regimenter reitende und 5 Bataillone Fußartillerie, 1 Bataillon Pioniere, 2 Jäger- und 14 Garnisonkompanien verteilen. Dazu kamen 10,792 Mann Gendarmerie, davon 1063 in Rio de Janeiro. Die Flotte bestand 1884 aus 60 aktiven Fahrzeugen, darunter 8 Panzerschiffe, 6 Kreuzer, 12 Kanonenboote und 8 Torpedofahrzeuge, mit einer Besatzung von 3022 Mann und 93 Kanonen. Im Bau befanden sich 1 Panzerschiff und 5 Kanonenboote. Das Personal der Marine belief sich auf 5673 Mann, 15 Offiziere des Generalstabs, 382 Offiziere erster Klasse, Marinekorps 3181 Mann, Seebataillon 578 Mann und 1060 Mann Seekadetten- und Jungenkorps. - Das Wappen (s. Tafel »Wappen«) zeigt im grünen Felde die Himmelskugel Heinrichs des Seefahrers, durch das silberne, mit einem roten Rand eingefaßte Kreuz des Christusordens in vier Teile geteilt und von einem blauen, runden Reif umgeben, welcher mit 19 silbernen Sternen belegt ist und auf beiden Seiten eine silberne Einfassung hat. Den Schild deckt eine Kaiserkrone, zur Rechten umgibt ihn ein Zweig des Kaffeebaums, zur Linken der Zweig einer Tabakspflanze,
beide in natürlicher Farbe, unten sich kreuzend und mit einem grün und goldenen Band gebunden. Die Flagge ist grün mit eingeschobener goldener Raute, in dieser der Wappenschild (s. Tafel »Flaggen II«). [* ] Die Landesfarben sind Grün und Gold. Von Orden bestehen: der Orden des Südlichen Kreuzes (gestiftet der Orden Dom Pedros I. der Orden der Rose
die frühern geistlichen Orden Unsers Herrn Jesu Christi, des heil. Benedikt von Aviz und des heil. Jakob vom Schwert werden seit nur als Zivil- und Militärorden vergeben.
Seit der letzten Organisation des Reichs zerfällt in den Bezirk der Stadt Rio de Janeiro (Municipio Neutro) und 20 Provinzen, die an Größe sehr verschieden sind (s. die statistische Übersicht, S. 336). Diese Provinzen werden in Gemeindebezirke (municipios), diese in Kirchspiel (parochias) und diese wieder in Bezirke (districtos) geteilt; die Teilung der Provinz in Comarcas besteht bloß für die Justiz. Haupt- und Residenzstadt ist Rio de Janeiro, Ende 1883 mit 350,000 Einw. Die nächstgrößten Städte sind: Bahia (140,000), Pernambuco (Recife, 130,000), Belém (40,000), São Paulo (40,000), Maranhão (35,000), Portalegre (35,000), Ouro Preto (20,000 Einw.).
Zur Geographie und Statistik Brasiliens vgl. Wappäus, Das Kaiserreich (in Stein-Hörschelmanns »Handbuch der Geographie«, Leipz. 1871);
de Macedo, Geographische Beschreibung Brasiliens (deutsch, das. 1873);
Cazal, Corographia brasilica (Rio de Janeiro 1833);
P. de Reybaud, (a. d. Franz., Hamb. 1857);
M. de Saint-Adolphe, Diccionario geographico hist. de descript. do imperio do Brazil etc. (Par. 1845, 2 Bde.);
Pereira da Silva, Situation sociale, politique et économique de l'empire du Brésil (Rio de Janeiro 1865);
Fletcher und Kidder, Brazil and the Brazilians (9. Aufl., Philad. 1879);
Hadfield, Brazil and the river Plate 1870-76 (Lond. 1877);
»Das Kaiserreich Brasilien auf der Weltausstellung 1876 in Philadelphia«, offizieller Bericht (1876);
Canstatt, Brasilien, Land und Leute (Berl. 1877);
Sellin, Das Kaiserreich Brasilien, geographisch-statistische Skizze (Leipz. 1882);
Derselbe, Das Kaiserreich Brasilien (»Wissen der Gegenwart«, Bd. 36, das. 1885);
von Reisewerken (außer den ältern Werken von Pohl, Spix und Martius, dem Prinzen von Wied, de Saint-Hilaire u. a.) Kletke, Reise des Prinzen Adalbert von Preußen nach Brasilien (Berl. 1857);
Avé-Lallemant, Reisen durch Nordbrasilien (Leipz. 1860, 2 Bde.);
Derselbe, Reisen durch Südbrasilien (das. 1859, 2 Bde.);
Bates, The naturalist on the river Amazonas (3. Aufl., Lond. 1873; deutsch, Leipz. 1866);
Tschudi, Reisen in Südamerika (das. 1866-69, 5 Bde.);
Agassiz, A journey in Brazil (1.-6. Aufl., Boston 1866);
Derselbe, Scientific results of a journey in Brazil (Lond. 1870);
Burton, Explorations of the highlands of Brazil (das. 1868, 2 Bde.);
Zöller, Die Deutschen im brasilischen Urwald (Stuttg. 1882);
ferner: W. Schultz, Natur- und Kulturstudien über Südamerika (Dresd. 1868);
v. Martius, Die Physiognomie des Pflanzenreichs in Brasilien (Münch. 1842);
Derselbe, Beiträge zur Ethnographie und Sprachenkunde Amerikas, zumal Brasiliens (Leipz. 1867, 2 Bde.);
Liais, Climats, géologie, faune et géographie botanique du Brésil (Par. 1872);
Lange, Südbrasilien etc., mit Rücksicht auf die deutsche Kolonisation (2. Aufl., Berl. 1885);
Koseritz, Bilder aus Brasilien (Leipz. 1884);
»Revista trimensal do Instituto historico, geographico e etnographico do Brazil« (Rio de Janeiro, seit 1839).
Brasilien wurde auf einer Fahrt nach Ostindien zufällig von Pedro Alvarez Cabral entdeckt, der, von der Meeresströmung des Atlantischen Ozeans nach Westen getragen, die Küste erblickte und 25. April im Hafen Porto Seguro landete. Cabral nahm es für den König von Portugal feierlich in Besitz und nannte es Ilha da vera Cruz (»Insel vom wahren Kreuz«); den Namen Brasilien erhielt es elf Jahre später von dem roten Farbholz Caesalpina brasiliensis oder Pao do Brazil, d. h. Holz der glühenden Kohle, das man daselbst in Menge fand.
Eine Untersuchung des Landes nahm im Auftrag König Emanuels 1501-1502 Amerigo Vespucci vor und fuhr die Küste bis in die Gegend des La Plata-Stroms entlang; doch schickte man anfangs bloß Verbrecher und von der Inquisition Verurteilte nach Brasilien, welche Papageien und Farbhölzer einsammeln mußten. Im J. 1548 verbannte man die Juden dahin. Erst unter Johann III., dem Brasilien von dem Papst förmlich zugesprochen wurde, erhielt es 1531 eine Art administrativer Organisation auf Grund des Lehnssystems. So ließen sich mehrere sogen. Capitanos daselbst nieder; einer davon war Alfonso de Souza, von welchem das Land Rio de Janeiro den Namen erhielt.
Doch kam Brasilien bei der aus verschiedenartigen Elementen gemischten Bevölkerung, bei den fortdauernden Kämpfen gegen die Eingebornen und besonders wegen der Unbotmäßigkeit der Capitanos zu keiner Ruhe und Ordnung, bis im Auftrag König Johanns III. der Gouverneur Thomas de Souza dem Land eine bessere Organisation gab. Er erbaute 1549 die Stadt Bahia, brachte Jesuiten mit, welche die Eingebornen zivilisierten, und bewirkte überhaupt Einheit des Regiments. Im J. 1553 erhielt Brasilien seinen ersten Bischof.
Als aber Portugal (1580) unter spanische Hoheit kam und nun die Feinde Spaniens auch die portugiesischen Kolonien feindlich behandelten, fielen nacheinander Engländer, Franzosen und Holländer über das hilflose Land her. Die holländische Westindische Kompanie bemächtigte sich 1624 der Stadt Bahia und behauptete sich namentlich unter dem Statthalter Moritz von Nassau, welcher auch für die materielle und geistige Hebung des Landes sehr wohlthätig wirkte, im Besitz eines großen Teils des Landes.
Da aber seine Nachfolger weniger Geschick zeigten, so entstand (obgleich das wieder auf den portugiesischen Thron gekommene Haus Braganza den Besitz der Holländer 1640 anerkannt hatte) 1645 eine von England und Portugal aus angestiftete Empörung der Plantagenbesitzer, welche nach dem Sieg des tapfern brasilischen Helden Vieira bei Guararabi 1648 mit der Vertreibung der Holländer endete. Pernambuco, die letzte holländische Besitzung, wurde von den Brasiliern genommen, und 1661 trat Holland ganz Brasilien gegen eine Summe von 350,000 Pfd. Sterl. an Portugal ab. Später gründeten französische Hugenotten Ansiedelungen in Brasilien, welche jedoch von den portugiesischen Brasiliern aus Religionshaß vernichtet wurden. Dies hatte einen privaten, aber vom Staat unterstützten Kriegszug der Franzosen unter Duguay-Trouin zur Folge, die 1711 Rio de Janeiro nach einem heftigen Bombardement einnahmen, aber gegen Lösegeld wieder abzogen. Die Entdeckung der Goldminen in Minas Geraës 1696 und der Diamantgruben 1727 erhöhte die Wichtigkeit des Landes. Aber Portugals Aufmerksamkeit war nur darauf gerichtet, in Abhängigkeit zu erhalten und die Gold- und
Diamantgruben auszubeuten; Förderung der geistigen Bildung des Volkes und gute Bewirtschaftung des Landes wurden ganz außer acht gelassen. Man suchte vielmehr den Geist des Volkes niederzuhalten, ordnete hohe Zölle und Abgaben an, beschränkte den Handelsverkehr auf einige Küstenplätze, wies Fremde zurück oder überwachte sie mit Argwohn (so A. v. Humboldt). Öl- und Weinbau waren verpönt, weil deren Produkte das Mutterland lieferte; das im Land vorhandene Salz durfte nicht gewonnen, Fabriken nicht angelegt werden, denn die Portugiesen führten von Fremden erkaufte Fabrik- und Manufakturwaren um hohe Preise ein.
Seit 1640 hatte die Regierung den jüngern Söhnen des Adels und den Jesuiten weit ausgedehnte Besitzungen mit großen Rechten und Freiheiten erteilt (Donatarios) oder an Abenteurer zur weitern Eroberung verhandelt (Conquistadores); überhaupt wurden die Portugiesen vor den eigentlichen Brasiliern auf jede Weise bevorzugt. Gleichwohl war namentlich unter der Verwaltung Pombals, der die Jesuiten auch aus Brasilien vertrieb, dieses für das Mutterland eine reiche Geldquelle, für den Staat sowohl als für die zwei Handelsgesellschaften, die den Verkehr vermittelten.
Als nun König Johann VI. mit dem portugiesischen Hofe vor Napoleon 1808 nach Brasilien flüchtete, kam zwar mehr Leben in die Kolonie, Handel, Gewerbe, Fabriken nahmen einen freiern Aufschwung, der Verkehr nach außen wurde reger und umfassender, Europäer besuchten das Land und siedelten sich zum Teil daselbst an; aber der innere Zwiespalt infolge der Begünstigung der Portugiesen vor den Brasiliern dauerte fort und ward noch gesteigert durch Erhöhung der Abgaben, Erschwerung der Sklaveneinfuhr, Ausdehnung des Regals auf Gold und Edelsteine, welche auf Privatgrundstücken vorkamen, parteiische Rechtspflege etc. Die revolutionären Bewegungen, die seit 1808 Südamerika zu erschüttern begannen, erweckten daher auch in Brasilien die Sehnsucht nach voller Selbständigkeit und Freiheit. Ein in Pernambuco im April 1817 ausgebrochener republikanischer Aufstand war der Vorläufer weiterer Ereignisse. Infolge eines Aufstandes zu Rio de Janeiro mußte König Johann den Brasiliern eine Verfassung, wie diese sie wünschten, versprechen (28. Febr.) und ihnen bei seiner Abreise nach Portugal (26. April) den Kronprinzen Pedro als Prinz-Regenten zurücklassen. Als nun die portugiesischen Cortes den brasilischen Deputierten den Zutritt versagten und verlangten, daß Brasilien nach wie vor als abhängige Kolonie sich von Portugal aus regieren lassen solle, obwohl die nationale Partei mächtig genug war, um eine Unabhängigkeitserklärung wagen zu können, weigerte sich der Prinz-Regent, dem Befehl, nach Lissabon zurückzukehren, Folge zu leisten Er berief ein neues, selbständiges Ministerium, an dessen Spitze José Bonifacio d'Andrada trat, und wurde von einer Versammlung von Abgeordneten zum immerwährenden Verteidiger Brasiliens (Defensor perpetuo do Brázil) ernannt.
Auf einer Reise durch die Provinz São Paulo verkündete Dom Pedro die Unabhängigkeit Brasiliens. Eine Konstituierende Versammlung entwarf ein auf dem Grundsatz der Volksvertretung beruhendes Staatsgrundgesetz und erklärte 12. Okt. den Regenten als Pedro I. zum konstitutionellen Kaiser von am 1. Dez. wurde derselbe gekrönt. Als die noch im Land befindlichen portugiesischen Truppen sich dagegen auflehnten, wurden sie vorzüglich mit Hilfe des englischen Admirals Cochrane, der in brasilische Dienste getreten war, geschlagen und aus dem Land gebracht.
Am eröffnete der Kaiser die ersten konstituierenden Cortes Brasiliens mit einer begeisternden Thronrede. In den mit großer Leidenschaft geführten Verhandlungen über die Antwort aus die Thronrede stießen die beiden feindlichen Parteien, die Monarchisten oder Unitarier und die Republikaner, hart aneinander. Als die republikanischen Blätter die Absetzung aller in brasilischen Diensten stehenden Portugiesen verlangten und die Regierung Anstand nahm, Folge zu leisten, vielmehr die ihr vorgelegte neue ultraliberale Konstitution zurückwies, kam es 10. Nov. zu einem Aufstand in Rio de Janeiro, worauf der Kaiser die Cortes, die sich 12. Nov. für permanent erklärt hatten, auflöste.
Der vom Kaiser vorgelegte Verfassungsentwurf wurde von einer aufs neue berufenen Nationalversammlung angenommen und als »brasilische Konstitution« beschworen. Obgleich derselbe sehr demokratisch war und den Deputierten eine ungewöhnliche Macht einräumte, die des Kaisers dagegen zu einem Schatten herabdrückte, brach doch in der Provinz Pernambuco ein republikanischer Aufstand aus, der erst gedämpft wurde, als der englische Admiral Cochrane und General Lima die Stadt Pernambuco 17. Sept. mit Sturm eroberten.
Nach langen Unterhandlungen in London und Lissabon ward vom König von Portugal die Unabhängigkeit Brasiliens vom Mutterland und Dom Pedros Souveränität anerkannt und damit das freundliche Verhältnis zu Portugal hergestellt. Dagegen brach in demselben Jahr ein Krieg aus gegen die Argentinische Republik, welche die Banda Oriental für sich in Anspruch nahm; dieser Krieg brachte Brasilien wenig Ruhm und endigte damit, daß die Banda Oriental mit Montevideo aufgegeben und als selbständige Republik (Uruguay) anerkannt werden mußte.
Neue Schwierigkeiten erhoben sich, als nach dem Tod Johanns VI. der Kaiser Dom Pedro auf die ihm zugefallene portugiesische Krone zu gunsten seiner Tochter Maria da Gloria verzichtete und die Rechte derselben gegen ihren abtrünnigen Gemahl Dom Miguel von Portugal mit den Waffen behaupten zu wollen erklärte, wozu er die Beihilfe der Cortes verlangte. Die Brasilier, welche ohnedies sich stets den Portugiesen gegenüber zurückgesetzt glaubten, sahen hierin eine mißbräuchliche Verwendung der Mittel des Landes für dynastische Interessen, wozu noch kam, daß die Truppen wegen mangelnden Soldes Meutereien erregten.
Die Vorschläge des Kaisers wurden daher wiederholt von den Cortes zurückgewiesen. Nachdem mehrmalige Ministerwechsel zu nichts geführt und auch das Militär unter dem Kommandanten Francisco de Lima abgefallen war, blieb dem Kaiser nichts übrig, als zu gunsten seines sechsjährigen Sohns Dom Pedro de Alcantara abzudanken. Durch einen Erlaß vom 6. April ernannte er José Bonifacio d'Andrada zum Erzieher des Prinzen und schiffte sich am 13. nach Europa ein.
Der neue Kaiser, Pedro II., stand unter einer von den Kammern ernannten Regentschaft in Rio de Janeiro. Indessen dauerte der Kampf der Parteien der Monarchisten oder Unitarier (Caramuros), der Republikaner (Faroupilhas) und der Föderalisten fort. Mit Mühe gelang es der Regentschaft, die Aufstände zu Bahia, Pernambuco, Rio de
Janeiro und in andern Städten des Reichs zu unterdrücken. Um diesen Zuständen ein Ende zu machen, erwählten die Kammern eine permanente Regierung; aber auch sie hatte fortwährend mit Aufständen zu thun, die mit Hilfe der Nationalgarden gestillt wurden, da das Militär sich den Insurgenten angeschlossen hatte. Die Finanzlage war eine klägliche, die Armee unzuverlässig und meuterisch. Um diesen Zuständen abzuhelfen, genehmigte die Kammer ein Gesetz, wodurch in eine föderalistische Monarchie verwandelt wurde, in welcher die Gewalt des Monarchen, die übrigens erblich blieb, und die Stellung der einzelnen Provinzen nach dem Muster der Vereinigten Staaten Nordamerikas bestimmt waren.
Die bisherige Regentschaft ward im Oktober 1835 entlassen und durch eine Generalversammlung Diego Antonio Feijo zum alleinigen Regenten des föderativen Kaisertums ernannt. Allein die feindlichen Faktionen wühlten rastlos weiter, Sklaven- und Pöbelaufstände wechselten mit republikanischen Schilderhebungen ab; namentlich kam es in Pará (Januar 1835) zu einer Reihe blutiger Szenen, und die Stadt mußte (Januar 1836) durch förmliche Belagerung mit Hilfe einer englischen Flotte eingenommen werden; Ähnliches wiederholte sich in Bahia (Juli 1835) und Rio Grande do Sul (Mitte 1837).
Infolge davon dankte Feijo schon im September 1837 ab. An seine Stelle trat durch Wahl der Deputierten der bisherige Kriegsminister Pedro Araujo de Lima, mit dem auch ein neues Ministerium eintrat. Die für 1838-41 gewählten Cortes wurden von Lima eröffnet, aber schon im Juli 1840 aufgelöst. Statt auseinander zu gehen, rächten sie sich durch einen revolutionären Akt; sie erklärten 23. Juli den noch nicht 15jährigen Kaiser Pedro II. für volljährig, und dieser berief die Bruder Andrada, die Veranstalter jener Revolution, wieder ins Ministerium.
Pedro II. wurde feierlich gekrönt. Aber die Streitigkeiten der Parteien dauerten fort, um so mehr, als die Brüder Andrada, welche schon hatten zurücktreten müssen, sich an die Spitze der republikanischen national-brasilischen Partei stellten und gegen die die Regierung beherrschende portugiesisch-aristokratische Partei in den Provinzen São Paulo, Minas Geraës und Rio Grande do Sul republikanische Aufstände erregten, welche 1842-45 von dem General Caxias mit Mühe unterdrückt wurden.
Zugleich gab es Differenzen mit England wegen des Durchsuchungsrechts, welches die Engländer gegen die brasilischen Schiffe zur Unterdrückung des Sklavenhandels bisher kraft eines 1830 auf 15 Jahre geschlossenen Vertrags ausgeübt hatten, sowie wegen eines Beschlusses der brasilischen Cortes, wonach englische Waren ein Drittel mehr Eingangszoll zahlen sollten als andre. Endlich hatte die Regierung auch noch wiederholte Sklavenaufstände in Pernambuco (Ende 1846) und Rio Grande do Sul (Anfang 1848) zu bekämpfen.
Zwar wurden die Zwistigkeiten mit England 1850 durch Verträge beigelegt, der Sklavenhandel von den Cortes für Seeraub erklärt; dagegen wurde das Verhältnis zu den La Plata-Staaten schwierig. Da der Diktator der Argentinischen Republik, Rosas, sich wiederholt gegen Brasilien feindlich bewiesen und Genugthuung verweigert hatte, so wurde 1850 der Krieg gegen ihn beschlossen, und die brasilische Regierung verband sich mit dem General Urquiza, Gouverneur der argentinischen Provinz Entre Rios, zu gemeinschaftlicher Operation gegen Rosas.
Ein aus den Trümmern der eben sich auflösenden schleswig-holsteinischen Armee gebildetes Korps von 2000 Mann ward aus Deutschland als »deutsch-brasilische Legion« nach Brasilien übergeführt. Der Krieg wurde damit eröffnet, daß Urquiza den Uruguay überschritt, und, nachdem Brasilien durch ein Schutz- und Trutzbündnis mit Paraguay, Corrientes, Entre Rios und Uruguay seine Streitkräfte verstärkt hatte, durch die Schlacht von Monte Caceros welche Rosas' Sturz zur Folge hatte, zu gunsten Brasiliens entschieden. Brasilien unterstützte Uruguay mit Subsidien und trat zu der Republik in das Verhältnis einer Art Schutzoberherrlichkeit; in die wichtigsten Orte wurden brasilische Truppen gelegt. Doch hörte dies Recht Brasiliens schon 1855 auf, da das Ausland Einspruch erhob.
Von jetzt an gestalteten sich die Verhältnisse zusehends besser. Der Handel Brasiliens nahm während des Kriegs und nach demselben einen großen Aufschwung, und das Budget erwies eine bedeutende Mehreinnahme. Im J. 1853 wurde die Brasilische Bank mit einem Kapital von 30 Mill. Milreis (120 Mill. Mk.) gegründet. Ferner wurden leichte Verbindungsstraßen und Eisenbahnen erbaut, auch eine Dampfschiffahrtsgesellschaft für den Maranon gebildet. Ende 1854 wurden reiche Goldminen im nördlichsten Teil Brasiliens entdeckt, welche viele Spekulanten und Kolonisten anzogen.
In dem Streit zwischen Spanien und Peru wegen der Chinchasinseln hielt sich Brasilien streng neutral, ward aber 1864 selbst in einen Krieg mit Uruguay verwickelt, dessen Regierung sich Brasilien mehrfach feindselig gezeigt und namentlich den in der Banda Oriental angesiedelten Brasiliern Anlaß zu Beschwerden gegeben hatte. Die brasilische Flotte blockierte und nahm einige Häfen von Uruguay, und das Landheer setzte sich gegen Montevideo in Bewegung, weshalb der dort neugewählte, schon vorher Brasilien zugeneigte Präsident Flores die Forderungen Brasiliens bewilligte und so den Frieden wiederherstellte.
Zwar waren die Parteien in Brasilien mit der Haltung der Regierung nicht zufrieden, welche nach ihrer Ansicht härtere Bedingungen hätte stellen sollen; indessen drohte bald eine neue und bedenklichere Verwickelung. Lopez, der Präsident von Paraguay, welcher gleich beim Beginn des Kriegs mit Uruguay erklärt hatte, jede Intervention Brasiliens als Kriegsfall ansehen zu wollen, schritt sogleich zur Ausführung seiner Drohung, begann damit, das brasilische Schiff Marquès de Olinda in den Gewässern von Asuncion zu kapern, und rückte darauf in die brasilische Provinz Matogrosso ein.
Rasch bemächtigte er sich der Stadt Nova Coimbra und bedrohte die Hauptstadt Cuyaba. Die Brasilier geboten infolge der innern Umwälzung in Uruguay völlig über die Streitkräfte dieses Landes, und in Rio de Janeiro sowie überhaupt in Brasilien war der Krieg gegen Lopez sehr populär; alles beeilte sich deshalb, der Regierung beizustehen, um rasch die erforderlichen Streitkräfte zusammenzubringen. Zur See war Brasilien des Übergewichts sicher, an Landtruppen erschien Paraguay besser gerüstet und namentlich infolge einer vollkommenern Organisation zu einer weit nachhaltigern Kriegführung befähigt. Um so wichtiger für Brasilien war es, daß infolge eines Angriffs des Präsidenten Lopez auf die argentinische Stadt Corrientes zwischen der Argentinischen Konföderation, Uruguay und Brasilien eine Tripelallianz abgeschlossen wurde. Der Krieg, dessen Oberleitung der argentinische Präsident Mitre