Dolus
(lat., widerrechtlicher
Wille), das wissentlich rechtswidrige
Handeln, kommt im
Zivil- wie im
Strafrecht in Betracht.
Der Dolus
ist in kriminalistischer Beziehung der mit dem
Bewußtsein seiner Gesetzwidrigkeit gefaßte Vorsatz,
eine strafbare
Handlung zu begehen. Als vorsätzlicher Verbrecher erscheint mithin jeder, der sich zu einer
Handlung oder Unterlassung,
durch welche ein Strafgesetz übertreten wird, mit Absicht bestimmt. Dabei ist zu beachten, daß der rechtswidrige Vorsatz
regelmäßig zu dem
Thatbestand des
Verbrechens gehört, ohne dessen Vorhandensein auch ein strafbarer
Versuch eines
solchen nicht denkbar ist.
Nur ausnahmsweise wird die
Übertretung eines Strafgesetzes aus bloßer
Fahrlässigkeit (s. d.) bestraft. Im einzelnen unterscheidet
man zwischen Dolus
im engern und eigentlichen
Sinn, d. h. zwischen dem mit Überlegung (praemeditatio) gefaßten Vorsatz, und
dem Dolus
repentinus oder impetus, d. h. dem in der Aufwallung oder im
Affekt gefaßten verbrecherischen
Entschluß, welch letzterer der
Natur der
Sache nach ein ungleich weniger strafbarer Wille
nszustand ist. Am wichtigsten ist
diese Unterscheidung bei dem
Verbrechen der
Tötung, wo den
Mord, d. h. die mit Vorsatz und Überlegung beschlossene oder vollführte
Tötung, eine ungleich härtere
Strafe trifft als den
Totschlag, d. h. die in leidenschaftlicher Aufwallung
vollführte
Tötung.
Die
Wissenschaft stellt mehrere
Arten des obigen Dolus
im engern und eigentlichen
Sinn auf. Sie unterscheidet nämlich den bestimmten
(dolus
determinatus) und den unbestimmten (dolus indeterminatus); auch unterscheidet sie rücksichtlich der
letztern
Gattung noch einen alternativen und einen eventuellen Dolus.
Der
Fall des bestimmten Dolus
liegt vor,
wenn der böse Vorsatz des Verbrechers auf einen bestimmten rechtswidrigen Erfolg gerichtet ist; der des unbestimmten dagegen,
wenn eine solche ausschließende Absicht nicht vorhanden ist.
Letzterer ist aber ein alternativer, wenn der Verbrecher jeden der möglichen Erfolge (den A. verwunden oder töten)
bestimmt gewollt hat; ein eventueller, wenn der Verbrecher zwar nur einen geringern Erfolg beabsichtigt
und danach seine Ausführung einrichtet, jedoch auch einen schlimmern Erfolg billigt, wenn er nicht anders zu seinem
Zweck
gelangen kann.
Endlich nahm man früher vielfach noch einen gänzlich unbestimmten (dolus
indirectus) an, wenn nämlich der Verbrecher
nur einen geringern Erfolg (z. B.
Beschädigung) ausschließlich beabsichtigte, aus seiner
Handlung jedoch
ein schwerer
(Tod) hervorgegangen ist.
Dieser sogen. Dolus
indirectus ist jedoch, im
Grunde genommen, weiter nichts als ein Zusammentreffen von Vorsatz und
Fahrlässigkeit.
Unter Dolus
generalis im
Gegensatz zu specialis verstand man früher den
Fall, wenn zur Ausführung eines
Verbrechens mehrere
Handlungen
unternommen wurden, der Erfolg aber durch eine derselben herbeigeführt wurde, welche nicht dazu bestimmt
war; z. B.: A. hat den B. gestochen, glaubt ihn tot und will die
Leiche im
Wasser verbergen, der
Tod tritt aber jetzt erst durch
Ertränken ein. Eine
Vermutung des Dolus
gibt es nicht; jedoch braucht das Dasein desselben nicht immer durch
eine besondere Beweisführung dargethan zu werden, vielmehr kann es sich auch aus solchen
Thatsachen ergeben, welche ihrem
Begriff und
Wesen nach nicht ohne Absichtlichkeit begangen
¶
mehr
werden können (dolus
ex re). Übrigens wird der Ausdruck Dolus
im Strafrecht auch zuweilen zur Bezeichnung eines bestimmten Verbrechens,
nämlich als gleichbedeutend mit Betrug (s. d.), gebraucht.
Im Zivilrecht bezeichnet Dolus
einmal den rechtswidrigen Willen im Gegensatz zur Fahrlässigkeit (s. d.) oder Culpa, und zwar ist
für die durch denselben herbeigeführte Rechtsverletzung der dolos Handelnde stets verantwortlich; sodann
den eigentlichen Betrug, die vorsätzliche rechtswidrige Täuschung eines andern. Die hauptsächlichen Wirkungen des Dolus
in
dieser Beziehung äußern sich in der Lehre
[* 3] von den Verträgen und vom Schadenersatz. Im Vertragsverhältnis macht jedoch der
Betrug den Betrüger erst dann verantwortlich, wenn der Betrogene dadurch wirklich in Schaden gekommen ist.
An sich liegt kein Betrug vor, wenn der Verkäufer einer Sache dieselbe übermäßig anpreist oder ihre Mängel dem Käufer verschweigt;
nur darf er letztere nicht geflissentlich verdeckt haben. Ferner ist zu unterscheiden, ob durch den Betrug der eine Kontrahent
überhaupt erst zur Eingehung des Kontrakts bestimmt (Hauptbetrug, dolus
causam dans), oder ob dadurch bloß
dessen Einwilligung in eine Nebenbestimmung des Kontrakts herbeigeführt wurde (Nebenbetrug, dolus
incidens). Im erstern Fall
kann der Vertrag durch Klage oder Einrede von seiten des Betrogenen rückgängig gemacht werden, im letztern Fall dagegen wird
nur ein Entschädigungsanspruch begründet.
Haben beide Kontrahenten einander gegenseitig betrogen, so kann jeder den andern, welcher auf Erfüllung
des Vertrags klagt, durch die Einrede des Betrugs zurückweisen, und keiner kann gegen den andern auf Entschädigung klagen.
Die Wiederaufhebung der durch den Dolus
veranlaßten Verträge geschieht durch die Kontraktsklage, subsidiär durch die Actio
de dolo oder Actio doli, d. h. durch eine besondere Klage aus dem Betrug. Letzte Wille
nsordnungen, die durch
Betrug veranlaßt werden, sind anfechtbar, selbst dann, wenn sich der Betrug nur auf die Bestimmungsgründe, aus welchen der
Testierer seine Wille
nsordnung traf, bezieht und sich nachweisen läßt, daß er bei richtiger Kenntnis der Verhältnisse
anders disponiert haben würde.
Vgl. über den strafrechtlichen Dolus außer den Lehrbüchern des Strafrechts: Heyßler, Das Zivilunrecht (Wien [* 4] 1870);
Bédarride, Traité du dol et de la fraude en matière civile (4. Aufl., Par. 1885, 4 Bde.);
über den zivilrechtlichen Dolus außer den Lehrbüchern des Pandektenrechts: Geßler, Begriff und Arten des Dolus (Tübing. 1860).