Doktor
bei den Alten als allgemeine Bezeichnung gebraucht;
heute besondere Bezeichnung einer akademischen Würde. Im Mittelalter, seit dem 12. Jahrh., kam das Wort (mit besonderm Epitheton) als Ehrentitel für Gelehrte auf. So hieß z. B. Doctor angelicus Thomas von Aquino;
Doctor christianissimus Johannes von Gerson;
Doctor evangelicus John Wiclef;
Doctor exstaticus Johannes Ruysbroek;
Doctor fundatissimus Ägidius Colonna;
Doctor illuminatus Raimundus Lullus;
Doctor invincibilis (singularis) Wilh. von Occam;
Doctor irrefragabilis Alexander von Hales;
Doctor mellifluus Bernhard von Clairvaux;
Doctor palatinus Peter Abälard;
Doctor profundus Thomas von Bradwardina;
Doctor resolutissimus Durandus von St.-Pourçain;
Doctor seraphicus Johann Bonaventura;
Doctor subtilis Duns Scotus;
Doctor universalis Alanus ab Insulis (von Lille) [* 2] und Thomas von Aquino.
Doctor ist in der katholischen Kirche auch ein Ehrentitel der Kirchenväter (Doctores ecclesiae);
Doctores
concilii, auf den großen
Kirchenversammlungen die
Gelehrten (Doktoren
), welche als
Beisitzer nur eine konsultative
Stimme hatten.
Doctores gemarici sind die jüdischen
Gelehrten, welche in der
Gemara, dagegen
Doctores mischniaci, diejenigen, welche in der
Mischna erwähnt werden; beide heißen
Doctores thalmudiaci. Im Volksmund ist Doktor
der gebräuchliche
Ausdruck
für
Arzt.
Paris

* 3
Paris. Zu einer akademischen
Würde wurde das Doktorat
an der
Universität zu
Bologna gestempelt, wo um 1130 im Auftrag des
Kaisers
die ersten
Doctores legum (Gesetzeslehrer) ernannt wurden.
Bald darauf erteilten auch die
Päpste den
Universitäten das
Recht,
Doctores canonum et decretalium
(Lehrer des kanonischen
Rechts) zu ernennen, später schmolzen beide
Titel in den einen:
Doctor
utriusque juris (Doktor
beider
Rechte) zusammen. Nach diesem Vorgang sollen zuerst 1231 zu
Paris
[* 3] Doktoren
der
Theologie, dann
auch Doktoren
der
Medizin, der
Physik, der
Grammatik, der
Logik
a. a. ernannt worden sein.
Nur diejenigen, welche bereits Bakkalaureen und
Lizentiaten geworden waren, gelangten zu dieser höchsten
Würde. Die
Titel
Doktor
und
Magister wurden anfangs oft als gleichbedeutend gebraucht; allmählich (16. Jahrh.) blieb
dieser der
Artisten- oder philosophischen
Fakultät, jener den drei sogen. obern
Fakultäten vorbehalten. In unserm
Jahrhundert
wird die Doktor
würde auch und der Zahl nach am meisten von der vierten
Fakultät verliehen. In
Deutschland
[* 4] ließen früher auch die
Kaiser durch ihre Hofpfalzgrafen Doktor
diplome mit angehängtem
Siegel in einer
Kapsel (bulla) erteilen;
daher die Bezeichnung
Doctores bullati zur Unterscheidung von den schulgerechten Doktoren
(rite promoti). In der frühern
Zeit nahmen die Doktoren
als solche eine hohe
Stufe in der gesellschaftlichen Rangordnung ein, sie rangierten
nach dem
Reichsgesetz vor den bloß Adligen und waren den
Rittern gleichgestellt. - Zur Erlangung der Doktor
würde ist in der
Regel die Ausarbeitung einer
Dissertation (s. d.) und die Ablegung einer
Prüfung auf dem wissenschaftlichen Gebiet, für welches
das Doktorat
erteilt werden soll, erforderlich.
Die Doktor
disputation ist neuerdings mehr zur Förmlichkeit herabgesunken.
Andre
Gebräuche, wie die
Verleihung des Doktorhuts
,
sind ganz abgekommen. Die ganze Förmlichkeit beschränkt sich jetzt fast nur noch auf eine kurze Anrede des
Dekans, einen
Handschlag und die
Ausfertigung einer
Urkunde (Doktor
diplom) über die erteilte
Würde. Für besondere
Verdienste
um die
Wissenschaft wird die Doktor
würde, namentlich bei größern akademischen
Festen
(Jubiläen etc.), auch ohne vorangegangene
Prüfung
honoris causa (»ehrenhalber«) erteilt.
Auch einzelne hervorragende
Frauen sind von jeher mit dem Doktor
titel bedacht worden. Die heutigen Bestrebungen, den
Frauen
allgemein die akademischen
Würden zugänglich zu machen, haben bis jetzt nur in einer geringen Anzahl
von
Fällen Erfolg gehabt. In
Frankreich ist der Doktor
titel wenig im
Gebrauch; hohes Ansehen behauptet er in
England, wo auch
die beiden untern
Stufen des Bakkalaureats und der
Lizenz sich erhalten haben. Die in
England gebräuchlichen
Abkürzungen, welche
dem
Namen regelmäßig nachgestellt werden, sind: Doktor,
Doctor of Divinity, Doktor der
Theologie;
Doktrin - Dolce

* 5
Seite 5.30.[C.] L., Doctor of [civil oder ¶
mehr
canon] Law und L. L. Doktor, Doctor juris; M. Doktor,. Medicinae Doctor; M., Doctor of Music.
In Deutschland wird der Doktortitel in der Theologie fast nur ehrenhalber verliehen, wogegen sich allein in der theologischen Fakultät der Titel des Lizentiaten erhalten hat. Für Ärzte ist nicht durch das Gesetz, aber durch die Sitte der Doktortitel zum allgemeinen Erfordernis geworden. Im übrigen ist derselbe nur für die akademische Laufbahn als Vorbedingung erforderlich und verleiht für den Staatsdienst etc. keine Berechtigungen, wird aber von solchen, deren Lebensstellung sonst keinen wohlklingenden Titel mit sich führt, mit Vorliebe gesucht.
Dies war im Lauf der Zeit namentlich in der philosophischen Fakultät mancher nichtpreußischer und zweier neupreußischer Universitäten der Fall, wo die Promotion in absentia (ohne Prüfung, lediglich auf eine eingesandte, oft nicht einmal gedruckte Dissertation hin) zulässig war. Auf Anregung des Professors Th. Mommsen sind in dem letzten Jahrzehnt die betreffenden Statuten allerwärts verschärft und seitdem streng aufrecht erhalten worden.
Vgl. Baumgart, Grundsätze und Bedingungen der Erteilung der Doktorwürde bei allen Fakultäten der Universitäten des Deutschen Reichs (2. Aufl., Berl. 1885).