Doctor
(lat.), s. Doktor.
Doctor
4 Wörter, 26 Zeichen
Doctor
(lat.), s. Doktor.
bei den Alten als allgemeine Bezeichnung gebraucht;
heute besondere Bezeichnung einer akademischen Würde. Im Mittelalter, seit dem 12. Jahrh., kam das Wort (mit besonderm Epitheton) als Ehrentitel für Gelehrte auf. So hieß z. B. Doctor angelicus Thomas von Aquino;
Doctor christianissimus Johannes von Gerson;
Doctor evangelicus John Wiclef;
Doctor exstaticus Johannes Ruysbroek;
Doctor fundatissimus Ägidius Colonna;
Doctor illuminatus Raimundus Lullus;
Doctor invincibilis (singularis) Wilh. von Occam;
Doctor irrefragabilis Alexander von Hales;
Doctor mellifluus Bernhard von Clairvaux;
Doctor palatinus Peter Abälard;
Doctor profundus Thomas von Bradwardina;
Doctor resolutissimus Durandus von St.-Pourçain;
Doctor seraphicus Johann Bonaventura;
Doctor subtilis Duns Scotus;
Doctor universalis Alanus ab Insulis (von Lille) [* 3] und Thomas von Aquino.
Doctor ist in der katholischen Kirche auch ein Ehrentitel der Kirchenväter (Doctores ecclesiae);
Doctores concilii, auf den großen Kirchenversammlungen die Gelehrten (Doktoren), welche als Beisitzer nur eine konsultative Stimme hatten.
Doctores gemarici sind die jüdischen Gelehrten, welche in der Gemara, dagegen Doctores mischniaci, diejenigen, welche in der Mischna erwähnt werden; beide heißen Doctores thalmudiaci. Im Volksmund ist Doktor der gebräuchliche Ausdruck für Arzt.
Zu einer akademischen Würde wurde das Doktorat an der Universität zu Bologna gestempelt, wo um 1130 im Auftrag des Kaisers die ersten Doctores legum (Gesetzeslehrer) ernannt wurden. Bald darauf erteilten auch die Päpste den Universitäten das Recht, Doctores canonum et decretalium (Lehrer des kanonischen Rechts) zu ernennen, später schmolzen beide Titel in den einen: Doctor utriusque juris (Doktor beider Rechte) zusammen. Nach diesem Vorgang sollen zuerst 1231 zu Paris [* 4] Doktoren der Theologie, dann auch Doktoren der Medizin, der Physik, der Grammatik, der Logik a. a. ernannt worden sein.
Nur diejenigen, welche bereits Bakkalaureen und Lizentiaten geworden waren, gelangten zu dieser höchsten Würde. Die Titel Doktor und Magister wurden anfangs oft als gleichbedeutend gebraucht; allmählich (16. Jahrh.) blieb dieser der Artisten- oder philosophischen Fakultät, jener den drei sogen. obern Fakultäten vorbehalten. In unserm Jahrhundert wird die Doktorwürde auch und der Zahl nach am meisten von der vierten Fakultät verliehen. In Deutschland [* 5] ließen früher auch die Kaiser durch ihre Hofpfalzgrafen Doktordiplome mit angehängtem Siegel in einer Kapsel (bulla) erteilen; daher die Bezeichnung Doctores bullati zur Unterscheidung von den schulgerechten Doktoren (rite promoti). In der frühern Zeit nahmen die Doktoren als solche eine hohe Stufe in der gesellschaftlichen Rangordnung ein, sie rangierten nach dem Reichsgesetz vor den bloß Adligen und waren den Rittern gleichgestellt. - Zur Erlangung der Doktorwürde ist in der Regel die Ausarbeitung einer Dissertation (s. d.) und die Ablegung einer Prüfung auf dem wissenschaftlichen Gebiet, für welches das Doktorat erteilt werden soll, erforderlich.
Die Doktordisputation ist neuerdings mehr zur Förmlichkeit herabgesunken. Andre Gebräuche, wie die Verleihung des Doktorhuts, sind ganz abgekommen. Die ganze Förmlichkeit beschränkt sich jetzt fast nur noch auf eine kurze Anrede des Dekans, einen Handschlag und die Ausfertigung einer Urkunde (Doktordiplom) über die erteilte Würde. Für besondere Verdienste um die Wissenschaft wird die Doktorwürde, namentlich bei größern akademischen Festen (Jubiläen etc.), auch ohne vorangegangene Prüfung honoris causa (»ehrenhalber«) erteilt.
Auch einzelne hervorragende Frauen sind von jeher mit dem Doktortitel bedacht worden. Die heutigen Bestrebungen, den Frauen allgemein die akademischen Würden zugänglich zu machen, haben bis jetzt nur in einer geringen Anzahl von Fällen Erfolg gehabt. In Frankreich ist der Doktortitel wenig im Gebrauch; hohes Ansehen behauptet er in England, wo auch die beiden untern Stufen des Bakkalaureats und der Lizenz sich erhalten haben. Die in England gebräuchlichen Abkürzungen, welche dem Namen regelmäßig nachgestellt werden, sind: Doktor, Doctor of Divinity, Doktor der Theologie;
[C.] L., Doctor of [civil oder ¶
canon] Law und L. L. Doktor, Doctor juris; M. Doktor,. Medicinae Doctor; M., Doctor of Music.
In Deutschland wird der Doktortitel in der Theologie fast nur ehrenhalber verliehen, wogegen sich allein in der theologischen Fakultät der Titel des Lizentiaten erhalten hat. Für Ärzte ist nicht durch das Gesetz, aber durch die Sitte der Doktortitel zum allgemeinen Erfordernis geworden. Im übrigen ist derselbe nur für die akademische Laufbahn als Vorbedingung erforderlich und verleiht für den Staatsdienst etc. keine Berechtigungen, wird aber von solchen, deren Lebensstellung sonst keinen wohlklingenden Titel mit sich führt, mit Vorliebe gesucht.
Dies war im Lauf der Zeit namentlich in der philosophischen Fakultät mancher nichtpreußischer und zweier neupreußischer Universitäten der Fall, wo die Promotion in absentia (ohne Prüfung, lediglich auf eine eingesandte, oft nicht einmal gedruckte Dissertation hin) zulässig war. Auf Anregung des Professors Th. Mommsen sind in dem letzten Jahrzehnt die betreffenden Statuten allerwärts verschärft und seitdem streng aufrecht erhalten worden.
Vgl. Baumgart, Grundsätze und Bedingungen der Erteilung der Doktorwürde bei allen Fakultäten der Universitäten des Deutschen Reichs (2. Aufl., Berl. 1885).