Dissociation
(lat.), Trennung, Auflösung; in der Chemie die Zersetzung der Körper durch Wärme [* 2] unterhalb der Temperatur, bei welcher eine vollständige Zerlegung stattfindet. Wie das Wasser schon unterhalb des Siedepunktes Dampf [* 3] entwickelt, so liefern manche chemische Verbindungen unterhalb der Zersetzungstemperatur gasige Zersetzungsprodukte, bis diese eine gewisse, für die herrschende Temperatur konstante Spannung angenommen haben. Erhitzt man z. B. kohlensauren Kalk im Vakuum, so beginnt er Kohlensäure abzugeben, deren Spannung bei 860° 85 mm und bei 1040° 520 mm Quecksilber beträgt.
Wird die
Temperatur erniedrigt, so wird auch wieder ein Teil der
Kohlensäure absorbiert, bis
endlich bei der Ausgangstemperatur
der anfängliche Zustand wiederhergestellt ist. Die Dissociation
der chemischen
Verbindungen entgeht daher auch vollständig der
Beobachtung,
wenn man die Dissociati
onsprodukte, ohne sie zu trennen, erkalten läßt; denn sie vereinigen sich alsdann
wieder, und der erkaltete
Körper erscheint unverändert. Verdampft man
Salmiak, so besteht der
Dampf bei einer gewissen
Temperatur
aus
Chlorwasserstoff
[* 4] und
Ammoniak, welche sich bei niederer
Temperatur wieder zu
Salmiak verbinden.
Bei der Dissociation
wird
Wärme aufgenommen, und wenn die Zersetzungsprodukte sich wieder zu der ursprünglichen
Verbindung vereinigen, so wird diese
Wärme wieder frei. Gibt man bei der höhern
Temperatur Gelegenheit zur
Diffusion,
[* 5] so trennen
sich die Dissociati
onsprodukte, und man findet dann, daß z. B.
Wasser in
Wasserstoff und
Sauerstoff,
Kohlensäure in
Kohlenoxyd
und
Sauerstoff,
Salzsäure in
Chlor und
Wasserstoff dissociiert werden. Häufiger liegen die Temperaturgrenzen
für die Dissociation
und die Wiedervereinigung der Zersetzungsprodukte so nahe bei einander, daß die Dissociation nur
unter Anwendung besonderer
Bedingungen erkannt werden kann.
Die Dissociation
ist für die theoretische
Chemie von großer Bedeutung und verspricht noch sehr erhebliche
Resultate zu geben. Für
technische
Zwecke hat man sie zur
Konstruktion von
Pyrometern und
Thermometern benutzt. Eine glasierte, luftleere
Porzellanröhre, welche reinen kohlensauren
Kalk erhält, wird in dem
Ofen, dessen
Temperatur bestimmt werden soll, erhitzt
und der
Druck der sich entwickelnden
Kohlensäure an einem mit dem Porzellanrohr verbundenen
Manometer
[* 6] gemessen. Für niedere
Temperaturen ist ein ähnlicher
Apparat, aber eine chemische
Verbindung anzuwenden, die sich sehr viel leichter
zersetzt als kohlensaurer
Kalk. Eine solche ist Chlorcalciumammoniak, bei welchem die
Spannungen des zwischen 0 und 46° frei
werdenden
Ammoniaks von 120-1551
mm schwanken.