Diktātor,
in mehrern latinischen Städten des Altertums der an die Stelle der Könige getretene jährlich wechselnde oberste Magistrat. In Rom wurde der Diktator nur in außerordentlichen Fällen ernannt, namentlich wenn schwere äußere oder innere Gefahren den Staat bedrohten und es ratsam schien, die höchste vollziehende Gewalt möglichst unbeschränkt in die Hände eines Einzelnen zu legen. Die Bestimmung über die Notwendigkeit der Berufung eines Diktator hing lediglich von den Konsuln ab, doch kam es manchmal vor, daß der Senat die letztern aufforderte, zur Wahl eines Diktator zu schreiten.
Der ältere Titel dieses außerordentlichen Beamten war Magister populi («Volksmeister»),
der von ihm selbst ernannte Unterbefehlshaber und Stellvertreter, der Befehlshaber der Reiterei, hieß stets magister equitum. Doch muß der Titel Diktator («Gebieter») früh aufgekommen sein. Der Diktator in Kriegsgefahr heißt mit vollem Titel Dictator rei gerundae causa, der hauptsächlich oder zugleich wegen innerer Unruhen ernannte Dictator seditionis sedandae et rei gerundae causa. Dem Diktator hatten auch die Konsuln zu gehorchen. Er konnte auch nach Niederlegung seines Amtes nicht zur Verantwortung gezogen werden. Es fand in den ersten Zeiten von seinem Richterspruch keine oder jedenfalls nur dann Berufung an die Volksversammlung statt, wenn er seine Einwilligung erteilte.
Deshalb durften auch seine Liktoren, deren er 24, d.h. so viele hatte, wie beide Konsuln zusammen, auch innerhalb der Stadt die Beile in ihren Fasces tragen, während die Liktoren der Konsuln sie nur außerhalb der Stadt führten. Nach Mommsens Ansicht ist die Errichtung der Diktatur gleich bei der Gründung der Republik (509) vor sich gegangen. Die Diktatur war eine gewaltige Waffe für die Patricier im Ständekampfe, solange die oberste Magistratur ausschließlich in ihrer Gewalt war.
Der erste war nach der am besten beglaubigten Überlieferung Titus Larcius Flavus 501 v.Chr. Öfter wurden auch zur Besorgung eines einzelnen Auftrags Diktator erwählt, teils aus religiösen Gründen, teils weil der regelmäßige Magistrat behindert war, z.B. zum Einschlagen des Jahresnagels in dem kapitolinischen Jupitertempel (clavi figendi causa), zur Abhaltung der Wahlkomitien u.s.w. Die Diktator sollten nicht über die Amtsdauer der Konsuln, die sie ernannt hatten, hinaus, und dabei längstens sechs Monate im Amte bleiben, doch legten sie gewöhnlich ihre Gewalt eher nieder, sobald sie ihre Bestimmung erfüllt hatten.
Seit Ausgleichung des polit. Kampfes zwischen der Plebs und den Patriciern um die Mitte des 4. Jahrh. v.Chr., wie es scheint, seit der Zulassung der Plebejer zum Konsulat, konnten auch Plebejer zur Diktatur gelangen; Gajus Marcius Rutilus war (356 v.Chr.) der erste Diktator dieses Standes. Als letzter Dictator rei gerundae causa findet sich Marcus Junius Pera verzeichnet, dessen Ernennung 216 v.Chr. nach der Schlacht bei Cannä erfolgte. Für andere Geschäfte kommt nach 202 ebenfalls kein Diktator mehr vor (der letzte war C. Servilius), bis 120 Jahre später, 82 v.Chr., Cornelius Sulla (s. d.) sich durch einen