Titel
Diesterweg
,
1) Wilhelm Adolf, Mathematiker, geb. zu Siegen [* 2] in Westfalen, [* 3] studierte Theologie, widmete sich aber später ganz den mathematischen Wissenschaften, habilitierte sich 1809 in Heidelberg, [* 4] ward noch in demselben Jahr Professor der Mathematik und Physik am Lyceum zu Mannheim, [* 5] 1819 ordentlicher Professor der Mathematik in Bonn, [* 6] später auch Direktor der wissenschaftlichen Prüfungskommission und starb daselbst. Von seinen Schriften sind besonders die Übersetzungen des Apollonios von Perga: »De sectione rationis« (Berl. 1824),
»De sectione determinata« (Mainz [* 7] 1822),
»De inclinationibus« (Berl. 1823),
»De sectione spatii« (Elberf. 1827), endlich die nach der Methode der Griechen bearbeiteten geometrischen Aufgaben (2 Sammlungen, Berl. 1825, Elberf. 1828) zu nennen.
2)
Friedrich
Adolf
Wilhelm, einer der bedeutendsten neuern Vertreter
der deutschen Volksschulpädagogik,
Bruder des vorigen,
geb. zu
Siegen, besuchte die
Universitäten
Herborn und
Tübingen,
[* 8] um
Mathematik,
Philosophie und
Geschichte zu studieren, ward 1811
Hauslehrer in
Mannheim, im nächsten Jahr
Lehrer an der Sekundärschule in
Worms,
[* 9] 1812 an der
Musterschule in
Frankfurt,
[* 10] 1818 zweiter
Rektor an der lateinischen
Schule in
Elberfeld,
[* 11] wo er mit dem von ihm hochverehrten
Wilberg
in engern
Verkehr trat. 1820 als
Direktor an das neue
Lehrerseminar zu
Mörs berufen, entfaltete Diesterweg
dort
eine äußerst fruchtbare, anregende Thätigkeit als praktischer Schulmann wie als Schriftsteller
(»Rheinische
Blätter«, seit
1827) und erweckte ein reges pädagogisches
Leben rings um das
Seminar, indem er in seiner Seminarübungsschule allen Volksschullehrern
ein Vorbild gab.
Was
Pestalozzi erstrebt hatte, sah
man in Diesterwegs
Wirken sich wirklich gestalten.
Sein bedeutendes Ansehen
in der pädagogischen
Welt führte im Frühjahr 1832 zu seiner
Berufung nach
Berlin
[* 12] als
Direktor des neuen
Seminars für Stadtschulen.
Auch hier war seine Wirksamkeit eine einflußreiche; sie erlitt aber bald Einbuße durch mancherlei verdrießliche Streithändel,
in die Diesterweg
nicht immer ohne
Schuld verwickelt wurde. In denselben handelte es sich vorzugsweise um die
Loslösung der
Schule von der
Kirche, um die angeblich erforderliche gründliche Änderung des höhern, namentlich des Universitätsunterrichts,
um den von Diesterweg
empfohlenen allgemeinen, konfessionslosen Religionsunterricht etc.
In der
Polemik zeigte sich Diesterweg
schlagfertig und gewandt, aber heftig, selbstbewußt und nicht
immer gründlich und sorgfältig.
Seit 1840 begannen bedauerliche Verwickelungen mit den Staatsbehörden, deren immer peinlichern Verlauf neben Diesterwegs
Schroffheit die engherzige Voreingenommenheit einzelner Beamten beförderte. In dieser Zeit noch setzte sich Diesterweg
ein
bleibendes Denkmal in der von ihm angeregten Begründung der Pestalozzistiftung zu Pankau und zahlreicher
Pestalozzivereine zur Unterstützung der Lehrerwitwen und -Waisen bei der
Säkularfeier von
Pestalozzis
Geburtstag (1846). Im
April 1847 wurde er, der Form nach auf eignes Gesuch, mit vollem
Gehalt beurlaubt, 1850, da er anderweite Verwendung (als
Schulrat) ablehnte, mit
Pension entlassen.
Von nun an trat Diesterweg
nur noch als Schriftsteller für seine
Ideen auf und schuf sich neben den
»Rheinischen
Blättern« dazu im
»Pädagogischen Jahrbuch« (1851-66) ein neues
Organ. Im J. 1858 von der Stadt
Berlin in das Abgeordnetenhaus
gewählt, bekämpfte er hier wie in
Flugschriften und Zeitungsaufsätzen die 1854 erlassenen
Raumer-Stiehlschen Schulregulative.
Er starb
Sein Denkmal zu
Mörs wurde enthüllt. Ein
Bild der mannigfaltigen rastlosen
Thätigkeit Diesterwegs
liegt in seinen zahlreichen
Schriften vor;
wir nennen billig vor allen andern das mit mehreren Pädagogen herausgegebene Sammelwerk »Wegweiser zur Bildung für deutsche Lehrer« (Essen [* 13] 1834, 2 Bde.; 5. Bearbeitung 1873-76);
ferner »Das pädagogische Deutschland« [* 14] (Berl. 1836);
»Pädagogische Reise nach den dänischen Staaten« (das. 1837);
»Beiträge zur Lösung der Lebensfrage der Zivilisation« (Essen 1836-38, 4 Hefte);
»Streitfragen auf dem Gebiet der Pädagogik« (das. 1837 f., 2 Hefte);
»Leitfaden für den Unterricht in der Formenlehre« (4. Aufl., Leipz. 1845);
»Raumlehre« (2. Aufl., Bonn 1843);
»Schullesebuch« (Bielef., 2 Tle.; mehrfach aufgelegt);
»Lehrbuch der mathematischen Geographie und populären Himmelskunde« (Ber. 1840; 10. ¶
mehr
Aufl. als »Populäre Himmelskunde« hrsg. von Strübing, 1879);
»Unterricht in der Kleinkinderschule« (5. Aufl. 1852);
»Lehrgang für den Unterricht in der deutschen Sprache« [* 16] (Bielef., 3 Tle.);
»Die drei preußischen Regulative« (Frankf. 1855);
»Pädagogisches Wollen und Sollen« (Leipz. 1856; 2. Aufl., Frankf. 1875);
mit Heuser: »Methodisches Handbuch für den Gesamtunterricht im Rechnen«;
»Praktisches Rechenbuch« (oft aufgelegt).
Diesterwegs
»Gesammelte Schriften« gab Langenberg heraus (Frankf. 1876-78, 4 Bde.),
der auch »Lichtstrahlen aus Diesterwegs
Schriften« (Leipz. 1875) erscheinen ließ.
Vgl. Langenberg, Diesterweg
, sein Leben und seine
Schriften (Frankf. 1867);
Derselbe, Diesterwegs
Selbstbeurteilungen, aus seinen Schriften (Mörs 1873);
Rudolph, Diesterwegs
Leben (in der 5. Aufl. des »Wegweisers«,
Bd. 1).