Titel
Diebstahl
(Entwendung,
Furtum), die Wegnahme einer fremden beweglichen
Sache in der Absicht, dieselbe sich rechtswidrig
zuzueignen. Hiernach gehören zum
Begriff eines Diebstahls
folgende
Requisiten. Was
I. den Gegenstand des
Verbrechens anbelangt,
so ist ein Diebstahl
1) nur möglich an einer
Sache, d. h. an einem unpersönlichen, körperlichen Gegenstand.
Hieraus folgt, daß die widerrechtliche Aneignung von Geistesprodukten, der sogen. litterarische
Diebstahl
, kein Diebstahl im strafrechtlichen
Sinn ist.
2) Die
Sache muß eine bewegliche sein, sei es auch, daß sie erst zum
Zweck des Stehlens beweglich gemacht, daß z. B.
ein in eine Wand eingemauerter
Spiegel
[* 2] herausgerissen und nun entwendet wurde. Da hiernach an einer unbeweglichen
Sache ein
Diebstahl
nicht möglich ist, so fällt namentlich das Abgraben oder Abpflügen eines
Grundstücks nicht unter den
Begriff eines Diebstahls
und wird daher im deutschen
Strafgesetzbuch (§ 370, Ziff. 1) als besondere
Übertretung bestraft.
3) Die
Sache muß eine fremde, also einer dritten
Person zugehörig sein; an seiner eignen
Sache kann man keinen Diebstahl
begehen.
Aus ebendemselben
Grund kann auch an einer herrenlosen, in niemandes
Eigentum stehenden
Sache ein Diebstahl
nicht begangen werden.
So ist z. B. das
Wild, welches sich nicht in einem besondern
Gehege, der
Fisch, welcher sich nicht in einem
abgeschlossenen Behälter, sondern im offenen
Wasser
befindet, in niemandes
Eigentum, und ebendarum fällt das unbefugte
Jagen,
Fischen oder
Krebsen, der
Wild- und Fischdiebstahl
, nicht unter den
Begriff des eigentlichen Diebstahls
, sondern unter besondere
Strafbestimmungen. (Vgl.
Deutsches
Strafgesetzbuch, § 292, 296, 370, Ziff. 4.) Auch der
Leichnam eines
Menschen steht in niemandes
Eigentum, und ebendarum ist auch der Leichenraub kein Diebstahl
, sondern ein besonderes
Vergehen. (Vgl.
Deutsches
Strafgesetzbuch, § 168.) 4) Die betreffende
Sache muß sich im Gewahrsam eines andern befinden.
Hierin liegt der Unterschied zwischen dem modernen
Begriff des Diebstahls
und dem
Furtum des römischen
Rechts. Zu dem letztern rechnete man nämlich einmal das
Furtum ipsius rei, die rechtswidrige Zueignung einer beweglichen fremden
Sache aus fremdem Gewahrsam, also unsern heutigen Diebstahl
, sodann das
Furtum usus, die vorübergehende widerrechtliche Benutzung
einer solchen
Sache, und das
Furtum possessionis, die
Unterschlagung einer
Sache mit der Absicht, die bisherige
bloße Innehabung derselben in Eigentumsbesitz umzuwandeln.
Das
deutsche Recht aber verlangte von jeher zum
Begriff eines Diebstahls
die Wegnahme der
Sache aus fremdem
Besitz, und ebendarum
ist die
Handlung desjenigen, der eine fremde bewegliche
Sache, die er im
Besitz oder im Gewahrsam hat, sich rechtswidrig zueignet,
kein Diebstahl
, sondern das besondere
Vergehen der
Unterschlagung oder
Veruntreuung. Aus demselben
Grund ist auch der sogen.
Funddiebstahl,
die rechtswidrige Zueignung einer beweglichen
Sache, welche der
Eigentümer aus seinem
Besitz verloren hat, kein Diebstahl
, sondern
nach dem deutschen
Strafgesetzbuch ein
Fall der
Unterschlagung. Ebenso kann man auch die widerrechtliche Zueignung
verschossener
Munition nicht als Diebstahl
bestrafen, und ebendeshalb enthält das
Strafgesetzbuch des
Deutschen
Reichs (§ 291) hierfür
eine besondere Strafandrohung.
II. In Ansehung des äußern
Thatbestandes des Diebstahls
ist 1) die Wegnahme der fremden beweglichen
Sache aus dem Gewahrsam
eines andern erforderlich; solange die
Sache noch nicht weggenommen ist, kann es sich höchstens um den
Versuch eines Diebstahls handeln.
2) Diese Wegnahme muß ohne Anwendung von Gewalt gegen eine Person geschehen. Im entgegengesetzten Fall geht die Handlung in das Verbrechen des Raubes über.
III. Zum subjektiven Thatbestand des Diebstahls gehört folgendes:
1) Der Dieb muß die Absicht haben, sich die Sache rechtswidrig zuzueignen; es gibt keinen Diebstahl aus Fahrlässigkeit.
2) Der Dieb muß die rechtswidrige Zueignung einer fremden Sache beabsichtigen, d. h. er muß das Bewußtsein von der Rechtswidrigkeit seiner Handlungsweise haben; daher schließt die Einwilligung des (wirklichen oder vermeintlichen) Eigentümers der fraglichen Sache in deren Wegnahme sowie die irrige Annahme, daß man selbst der Eigentümer sei, das Vorhandensein eines Diebstahls aus.
3) Die Zueignung der Sache muß es sein, worauf die widerrechtliche Absicht des Diebes gerichtet ist; er muß die Sache sich zu eigen machen, d. h. ganz in seine Gewalt bringen wollen. Daher begeht derjenige keinen Diebstahl, der eine fremde bewegliche Sache dem Pfandgläubiger zu gunsten des Eigentümers wegnimmt, um sie dem letztern, der sie jenem verpfändet hatte, zurückzuverschaffen, und ebendeshalb wird eine derartige Handlungsweise von dem deutschen Strafgesetzbuch nicht als Diebstahl, sondern als strafbarer Eigennutz (§ 289) bestraft. Aus demselben Grund ist der sogen. Futterdiebstahl, d. h. ¶
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Wegnahme von Getreide [* 4] oder andrer zur Fütterung des Viehs bestimmter oder geeigneter Gegenstände wider Willen des Eigentümers, um dessen Vieh damit zu füttern, kein eigentlicher Diebstahl, sondern eine in unserm Strafgesetzbuch (§ 370, Ziff. 6) mit besonderer Strafe bedrohte Übertretung.
Was die verschiedenen Einteilungen des Diebstahls anbelangt, so unterscheidet man zwischen gemeinem und privilegiertem Diebstahl, indem unter letzterm der durch eine mildere Behandlungsweise ausgezeichnete zu verstehen ist. In diese Kategorie gehört aber namentlich der sogen. Haus- oder Familiendiebstahl. Nach dem deutschen Strafgesetzbuch (§ 247) tritt nämlich in Ansehung eines Diebstahls, der gegen Verwandte und Verschwägerte auf- und absteigender Linie, Adoptiv- und Pflegeeltern und Kinder, Geschwister und deren Ehegatten oder Verlobte oder gegen Vormünder oder Erzieher begangen wurde, strafrechtliche Verfolgung nur auf Antrag des Bestohlenen ein.
Dasselbe gilt von Diebstählen zum Nachteil von Personen, zu welchen der Dieb im Lehrlingsverhältnis steht, oder in deren häuslicher Gemeinschaft als Gesinde er sich befindet, wofern nur Sachen von unbedeutendem Werte den Gegenstand des Vergehens bilden. Diebstähle, von Verwandten aufsteigender Linie gegen Verwandte absteigender Linie oder von einem Ehegatten gegen den andern begangen, bleiben ganz straflos. Auch der sogen. Mundraub gehört hierher, d. h. die Entwendung von Nahrungs- oder Genußmitteln von unbedeutendem Wert oder von geringer Menge zum alsbaldigen Verbrauch, welche von der modernen Strafgesetzgebung nicht als eigentlicher Diebstahl, sondern als bloße Übertretung mit Geldstrafe oder Haft belegt wird. (Vgl. Deutsches Strafgesetzbuch, § 370, Ziff. 3.) Zu dem privilegierten Diebstahl sind auch der sogen. Forst- oder Holzdiebstahl, d. h. die Entwendung von Holz [* 5] oder sonstigen Waldprodukten aus Forsten oder unter Forstschutz stehenden Orten, und der sogen. Felddiebstahl die Entwendung von Bodenerzeugnissen vom Feld, zu rechnen.
Derartige Entwendungen werden bei Geringfügigkeit der entwendeten Forst- oder Feldprodukte nach den Forststrafgesetzbüchern und Feldpolizeiordnungen der einzelnen deutschen Staaten mit viel geringerer Strafe als der gemeine Diebstahl belegt. Eine weitere wichtige Einteilung ist die in einfachen und ausgezeichneten oder schweren Diebstahl, welch letzterer dann vorliegt, wenn ein Diebstahl unter besonders erschwerenden Umständen verübt wurde. Nach dem deutschen Strafgesetzbuch wird ein Diebstahl als schwerer bestraft, wenn er mittels Einbruchs oder Einsteigens in ein Gebäude oder einen umschlossenen Raum, oder mittels Erbrechens von Behältnissen, oder mittels Anwendung falscher Schlüssel oder andrer zur ordnungsmäßigen Eröffnung von Behältnissen oder Thüren nicht bestimmter Werkzeuge [* 6] verübt wurde; ferner, wenn aus einem zum Gottesdienst bestimmten Gebäude dem Gottesdienst gewidmete Gegenstände gestohlen werden; wenn auf einem öffentlichen Weg, einer Eisenbahn, in einem Postgebäude oder an einem andern öffentlichen Ort Gegenstände der Beorderung mittels Abschneidens oder Ablösens der Befestigungs- oder Verwahrungsmittel, oder durch Anwendung falscher Schlüssel oder andrer zur ordnungsmäßigen Eröffnung nicht bestimmter Werkzeuge entwendet werden;
wenn der Dieb bei Begehung des Diebstahls Waffen [* 7] bei sich führte;
wenn der Diebstahl von mehreren ausgeführt wurde, welche sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden haben;
endlich, wenn der Diebstahl zur Nachtzeit in einem bewohnten Gebäude, in welches sich der Thäter in diebischer Absicht eingeschlichen oder in dem er sich verborgen hatte, verübt worden ist.
Was die Bestrafung des Diebstahls anbelangt, so ist die regelmäßige Strafe in Deutschland [* 8] jetzt Freiheitsstrafe, neben welcher die französische Gesetzgebung fakultativ, die belgische obligatorisch auch Geldstrafe statuiert. Nach dem deutschen Strafgesetzbuch wird der einfache Diebstahl mit Gefängnis bis zu 5 Jahren bestraft, so daß also die Minimalstrafe 1 Tag Gefängnis ist. Der schwere oder ausgezeichnete Diebstahl dagegen wird mit Zuchthaus von 1 bis zu 10 Jahren geahndet.
Der Wert der entwendeten Sache ist ein Strafausmessungsgrund. Als besonderer Straferhöhungsgrund gilt der wiederholte Rückfall, und zwar läßt das deutsche Strafgesetzbuch eine strengere Bestrafung beim dritten Diebstahl eintreten. Es bestraft nämlich denjenigen, welcher im Inland als Dieb, Räuber oder gleich einem solchen oder als Hehler bestraft worden ist, darauf abermals eine dieser Handlungen begangen hat und wegen derselben bestraft worden ist, wenn er nun wiederum einen einfachen Diebstahl begeht, mit Zuchthaus bis zu 10 und, wenn er einen schweren Diebstahl begeht, mit Zuchthaus von 2 bis zu 15 Jahren.
Beim Vorhandensein mildernder Umstände kann jedoch auch beim dritten ebenso wie beim schweren Diebstahl auf Gefängnis, jedoch nicht unter 3 Monaten, erkannt werden. Übrigens ist es zulässig, neben der wegen Diebstahls erkannten Gefängnisstrafe auch auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und neben der wegen Diebstahls erkannten Zuchthausstrafe auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht mit zu erkennen.
Vgl. Deutsches Strafgesetzbuch, § 242-245, 247, 248.