Titel
Diez
,
1)
Friedrich
Christian, Begründer der romanischen
Philologie, geb. zu
Gießen,
[* 2] studierte hier altklassische
Philologie, nahm 1813 in einem hessischen
Freikorps an dem
Feldzug nach
Frankreich teil und widmete sich
nach seiner Rückkehr dem
Studium der neuern
Sprachen und
Litteraturen, das er in
Göttingen
[* 3] fortsetzte. Im April 1818 sah er
Goethe in
Jena,
[* 4] der ihn auf
Raynouard und das
Studium der provençalischen
Sprache
[* 5] hinwies. Er habilitierte sich 1822 in
Bonn
[* 6] und
erhielt hier 1830 eine ordentliche Professur der romanischen
Sprachen, die er bis an seinen
Tod,
mit Auszeichnung bekleidete. Als Schriftsteller trat Diez
zuerst mit seinen »Altspanischen
Romanzen« (Berl. 1821) und der Abhandlung »Über
die
Minnehöfe, Beiträge zur Kenntnis der romanischen
Poesie« (das. 1825;
franz. von Roisin,
Lille
[* 7] 1842) auf; sodann
folgten die Werke: »Die
Poesie der
Troubadours«
(Zwickau
[* 8] 1826; 2. Aufl. von
Bartsch, Leipz. 1883; übersetzt von Roisin, 1845)
und
»Leben und Werke der
Troubadours« (das. 1829, mit zahlreichen Übersetzungen; 2. Aufl.
von
Bartsch, das. 1882),
worin zum erstenmal eine umfassende und wissenschaftliche Darstellung des Wesens und der Entwickelung der provençalischen Lyrik im Mittelalter gegeben wird. Seine spätern Hauptwerke sind: »Grammatik der romanischen Sprachen« (Bonn 1836-38, 3 Bde.; 4. Aufl., das. 1876-77; engl. von Cayley, 1862; franz. von Brachet u. a., 1872-76) und das »Etymologische Wörterbuch der romanischen Sprachen« (das. 1853, 2 Bde.; 4. Aufl. von A. Scheler, das. 1878),
zu dem Jarnik einen »Index« herausgab (Berl. 1878). Beide Werke behandeln diese Sprachen zum erstenmal vom vergleichenden historischen Standpunkt aus und sind dadurch für die romanische ¶
mehr
Philologie epochemachend geworden. Andre Publikationen von Diez
sind: »Altromanische Sprachdenkmale« (Bonn 1846) und »Zwei altromanische
Gedichte« (das. 1852);
»Über die erste portugiesische Kunst- und Hofpoesie« (das. 1863);
»Altromanische Glossare, berichtigt und erklärt« (das. 1865) und »Romanische Wortschöpfung« (das. 1875).
Nach seinem Tod erschienen »Kleinere Arbeiten und Rezensionen« (hrsg. von Breymann, Münch. 1883). Von seinen zahlreichen Verehrern wurde die Gründung einer Diez-Stiftung unternommen.
Vgl. Sachs, F. Diez
und die romanische Philologie (Berl. 1878);
Breymann, F. Diez
, sein Leben, seine Werke (Münch. 1878);
Stengel,
[* 10] Erinnerungsworte an F. Diez
(Marb. 1883).
2) Katharina, Dichterin, geb. zu Netphen an der Sieg, lebte nach dem Tod ihrer Eltern meist bei ihrer Schwester Elisabeth Grube in Düsseldorf, [* 11] wo ihr früh entwickeltes dichterisches Talent mannigfache Anregung fand, erhielt später von der Königin Elisabeth von Preußen [* 12] eine Pension und wurde 1864 von derselben zur Ehrenstiftsdame des adligen Stifts Keppel ernannt. Sie starb in Netphen. Mit der genannten Schwester gab sie zunächst einen »Liederkranz« (Düsseld. 1842) und »Wiesenblumen von der Sieg und Feldblumen vom Rhein« (das. 1847, 2 Bde.) heraus, in denen sich echt weibliche Sinnigkeit und Zartheit der Empfindung aussprechen. Bekannter ward sie durch ihre größern epischen Dichtungen, die nur zu oft in Reflexionen und lyrische Ergüsse abschweifen: »Die heil. Elisabeth« (Essen [* 13] 1845); »Dichtungen nach dem Alten Testament« (Berl. 1852); »Joseph, Gedicht nach dem Alten Testament« (das. 1855) und »Agnes Bernauer« (das. 1857). Poetische Charakteristiken in Sonettenform gab sie in »Biblische Frauen« (Berl. 1864). In Prosa schrieb sie neben kleinern Volks- und Jugendschriften (gesammelt, Stuttg. 1873-79, 12 Bdchn.): »Frühlingsmärchen« (Berl. 1851) und »Neue Märchen aus Wald, Feld und Wiese« (das. 1854),
die an die ähnlichen Versuche von Gustav zu Putlitz anklingen;
ferner die Erzählungen: »Onkel Martin« (2. Aufl., Stuttg. 1879),
»Thoms. Aus dem Dorfleben« (das. 1860),
»Eine Jugendfreundschaft« (das. 1861),
»Nach Mexiko [* 14] und zurück in die Heimat« (das. 1868) und die Romane: »Editha« (Berl. 1867, 2 Bde.) und »Heinrich Heines erste Liebe« (das. 1870).
Ihre letzten Dichtungen sind das Trauerspiel »Jephthas Opfer« (Berl. 1874) und »Frithjof« (Düsseld. 1879).
3) Sophie, geborne Hartmann, Bühnensängerin, geb. zu München, [* 15] beteiligte sich frühzeitig am Kirchengesang und trat 1836 in den Chor des Hoftheaters. Von Lenz und namentlich von Franz Lachner wurde ihr Talent bald zu schöner Blüte [* 16] entwickelt, so daß sie schon im folgenden Jahr das Fach der Soubrette ausfüllen konnte. Als Benjamin in Méhuls »Joseph und seine Brüder« debütierte sie im Februar 1837 und gehörte seitdem ununterbrochen der Münchener Oper an, bis sie 1878 in den Ruhestand trat.
Ihre schöne Sopranstimme, angenehmes Darstellungsvermögen und eine überraschende Vielseitigkeit zeichneten sie aus.
Von der letztern gibt ihr Repertoire Kunde, das fast alle Partien der großen wie der komischen Oper umfaßt. Charakteristisch
ist, daß sie in »Figaros Hochzeit« außer der Marcelline alle Damenrollen, in der »Zauberflöte«
sechs Rollen
[* 17] sang. Ihr Gatte ist der Tenorist E. Friedrich Diez
, der von 1837 bis 1849 dem Münchener Hoftheater angehörte, sich
dann aber ins Privatleben zurückzog.
4) Wilhelm, Maler, geb. zu Baireuth,
[* 18] besuchte die Gewerbeschule seiner Vaterstadt und von
1853 bis 1856 die
Münchener Kunstakademie, in welcher Zeit er auch vier Wochen unter Pilotys Leitung arbeitete. Diez
ward zuerst durch seine Illustrationen
zu Schillers »Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs« und zahlreiche Arbeiten in den Münchener »Fliegenden Blättern« bekannt,
welche fast ausschließlich Szenen aus jener Zeit behandeln, deren Eigentümlichkeiten er wie wenige kennt.
Im J. 1871 ward Diez
Lehrer an der Münchener Akademie und bald darauf Professor an derselben, in welcher Stellung er einen entscheidenden
Einfluß nicht nur auf zahlreiche Schüler, sondern auch auf die Entwickelung der ganzen Münchener Schule nach der Richtung des
Kolorismus geübt hat. Diez
ist es nicht darum zu thun, eine einzelne Szene ihrer äußern Erscheinung wegen
zu malen; er führt dem Beschauer auch in seinen kleinsten Bildern ein Stück Kulturgeschichte vor. In seinen Zeichnungen hat
er nicht den satten, farbigen Vortrag der Franzosen und einiger Engländer, sondern sein Stift bewegt sich in leichter,
flotter Radiermanier mit offener, klarer Behandlung des Schattens. Ein hervorragendes, äußerst farbiges Werk: Picknick im
Wald (Rokokozeit), besitzt die Berliner
[* 19] Nationalgalerie. Auf der Münchener internationalen Ausstellung von 1883 wurde ihm für
eine Anbetung der Hirten die große goldene Medaille zu teil.
5) Robert, Bildhauer, geb. zu Pößneck (Sachsen-Meiningen), begann 1863 seine Kunststudien auf der Akademie in Dresden, [* 20] trat 1867 in das Atelier Schillings und arbeitete seit 1872 selbständig. Er unternahm alsdann Studienreisen nach Paris [* 21] und Italien [* 22] und war bis 1878 vorzugsweise auf dem Gebiet der dekorativen Plastik thätig (Oberon und Titania für das Hoftheater in Dresden, Heinrich der Erlauchte für die Albrechtsburg in Meißen). [* 23] Dann wandte er sich der Genreplastik zu und errang mit der im lebendigsten Realismus ausgeführten [* 9] Figur eines Gänsediebs, eines mittelalterlichen Scholaren, welcher zwei Gänse erhascht, einen großen Erfolg (s. Tafel »Bildhauerkunst [* 24] X«, [* 25] Fig. 4). Auf der internationalen Kunstausstellung in München (1879) wurde ihm für dieses später als Brunnenfigur in Bronze [* 26] zu Dresden aufgestellte Werk die große goldene Medaille zu teil. Für das Kollegiengebäude der Universität Straßburg [* 27] hat er die Statuen von zehn Männern der Wissenschaft ausgeführt.