(auch Diastas, griech.), ein bei der
Keimung sich bildender
Eiweißkörper, findet sich in keimenden
Gersten-
und Weizenkörnern in der
Nähe des
Keims, aber nicht in den Würzelchen, ebenso in keimenden
Kartoffeln an den
Ansatzpunkten der
Keime, aber nicht in letztern selbst. Aus dem wässerigen
Auszug von
Malz (gekeimter
Gerste,
[* 2] welche 1 Proz.
Diastase enthalten soll), der durch Erhitzen auf 70° vom
Eiweiß befreit und dann filtriert ist, wird Diastase durch
Alkohol als farblose,
gummiartige, leicht lösliche
Masse gefällt.
Während es der Chemie bis jetzt nicht gelungen ist, die stoffliche Natur dieses rätselhaften Ferments endgültig
aufzuklären, sind neuerdings von botanischer Seite Untersuchungen gemacht, welche wenigstens die Wirkung und das Auftreten
der Diastase in der Pflanze näher kennen lehren. Die am meisten charakteristische Eigenschaft der z. B. in keimenden
Getreidekörnern reichlich auftretenden und aus denselben durch Wasssr ausziehbaren Diastase besteht in der Fähigkeit,
verhältnismäßig große Quantitäten von Stärkemehl zu lösen und dabei in Amylodextrin, Maltose, Glykose u. a. überzuführen.
Bisher dachte man sich in der Regel die Einwirkung der Diastase auf das Stärkemehlkorn ähnlich wie die einer
Säure auf dasselbe, indem man annahm, daß die Diastaselösung das Amylumkorn zu durchtränken und auszulaugen vermöchte.
Wie Krabbe
[* 6] in einer ausführlichen Arbeit gezeigt hat, ist diese Vorstellung jedoch unrichtig; es wirkt die Lösung der Diastase auf
das Stärkemehlkorn vielmehr so wie Wasser auf einen darin löslichen Kristall, in welchen es ebenfalls
nicht eindringt, sondern von dem es nur von der Peripherie aus Teilchen nach Teilchen lostrennt, um sie in die Lösung überzuführen.
Es ließ sich dies durch ein genaues Studium der Korrosionserscheinungen feststellen, welche die Stärkemehlkörner in verschiedenartigen
Pflanzenteilen, wie in keimenden Samen
[* 7] von Weizen, Gerste, Roggen, Mais, in den Zwiebelschuppen von Hyazinthen
und Lilien,
[* 8] in Samen von Leguminosen
[* 9] u. a, durch die im Verlauf des Vegetationsprozesses auftretende Diastase aufweisen.
Wie Krabbe beobachtete, findet die Auflösung entweder nur von einzelnen Punkten der Kornoberfläche statt, wobei nach dem Innern
desselben fortschreitende, bisweilen auch verzweigte Hohlkanäle sich bilden, oder es schmilzt das ganze
Korn von außen allmählich ab, wobei die nicht angegriffenen Teile durch die Diastase zunächst nicht verändert
werden. In der allmählichen Auflösung der Körner von außen liegt der Beweis für das Unvermögen der Diastase, in das Innere der
Stärkemehlsubstanz einzudringen, da sonst die Auflösungserscheinungen andrer Art sein und vor allem
wenigstens eine Veränderung in der physikalischen Beschaffenheit des noch nicht gelösten Stärkekornteiles hervorrufen müßten.
Krabbe erklärt dies auffallende Verhalten der Diastase durch die Annahme, daß ihre Lösung Molekularaggregate (Micellen) von einer
Größe enthalte, die ein Eindringen in die Zwischenräume der Micellen unmöglich mache. Auch die Thatsache,
daß die Lösung der Diastase ohne Anwendung von Druck eine poröse Thonzellenwand nicht zu durchdringen vermag, wird in ähnlicher
Weise gedeutet. Da Zellhäute unter Druck von der Diastase passiert werden, so nimmt Krabbe an, daß sie größere, wenn auch nicht
mikroskopisch nachweisbare Poren besitzen. Die Einwirkung der Diastase auf das Stärkemehl wird von ihm mit dem
Entstehen von Ätzfiguren
[* 10] auf Kristallen bei Einwirkung von Lösungsmitteln verglichen.
Das Vorkommen der Diastase in den verschiedenen Pflanzenteilen wurde eingehend von Wortmann untersucht, der vor allein
die wichtige Thatsache feststellte, daß in assimilierenden Blättern jenes Ferment gar nicht oder doch
nur in ganz minimalen Mengen auftritt; Lösung und Transport des Stärkemehls sind in diesem Fall von der Diastase ganz unabhängig.
Nur in stärkemehlreichen Speicherorganen, wie in Knollen,
[* 11] Mizomen und Samen, wird eine so
große Menge
von Diastase während der Vegetation erzeugt, daß die wässerigen Auszüge jener Pflanzenteile eine energische Wirkung
auf feste Stärke
[* 12] ausüben. Auch die das diastatische Enzym (Ferment) ausscheidenden Bakterien und Pilze
[* 13] bilden nur einen Ausnahmefall;
im allgemeinen hat die an der Auflösung des Stärkemehls innerhalb der Pflanze nur einen geringen Anteil, da dieser Vorgang
überwiegend von dem Zellplasma vermittelt wird. Letztere Auflösungsart hatte Krabbe allerdings geleugnet,
jedoch zeigte Wortmann, daß durch Herabsetzung der Lebensthätigkeit des Plasmas auch die Stärkelösung in den Blättern
verhindert wird, womit die Abhängigkeit dieses Vorganges von dem physiologischen Zustande des Plasmas wahrscheinlich gemacht
wird.
Eine weitere Stütze findet diese Ansicht in der eigentümlichen Ähnlichkeit
[* 14] zwischen gewissen chemischen und physiologischen
Eigenschaften der Diastase und des Protoplasmas; wie die übrigen bisher noch nicht künstlich dargestellten
Enzyme (Fermente) entsteht auch die Diastase immer nur aus Protoplasma und verhält sich auch sonst, z. B. bei Einwirkung von Giften,
demselben ähnlich. Möglicherweise ist daher die Diastase weiter nichts als ein Bestandteil des kompliziert gebauten Plasmas selbst,
der ausnahmsweise in keimenden, stärkereichen Organen in derartiger Menge auftritt, daß eine Anzahl seiner
Moleküle aus der Verbindung mit dem übrigen Plasma austreten und unabhängig von demselben die stärkemehlauflösende Wirkung
auszuüben vermag.
Als spezielles Organ für die Bildung der Diastase innerhalb der Getreidefrucht hat Haberlandt die dicht unter der Fruchtschale befindliche
Kleberschicht nachgewiesen; er konnte experimentell zeigen, daß kleine, frei präparierte und gereinigte
Stücke derselben im stände sind, durch die in ihnen vorhandene Diastase eine Anzahl aufgestreuter Stärkemehlkörner
zu korrodieren. Um die Frage zu entscheiden, ob etwa die Zellen des Keimlings die Diastase erzeugen und dieselbe von den Zellen der
Kleberschicht nur weiter geleitet werde, wurde rings um den Rand des Schildchens von Roggenkörnern ein
seichter Einschnitt gemacht, der den Zusammenhang innerhalb der Kleberschicht aufhob.
Trotzdem trat bei der Keimung die Korrosion des Stärkemehls ganz so wie in normalen Körnern in nächster Nachbarschaft der
Kleberzellen ein. Letztere bilden somit das die Diastase bildende und ausscheidende Drüsengewebe. Setzt man
Roggenkörner mit künstlich entferntem Keimling den Keimungsbedingungen aus, so tritt nur ganz spurenweise Auflösung der
Stärke unterhalb der Kleberschicht ein. Dies beweist, daß die Bildung und Ausscheidung der Diastase von dem Wachstum des Keimlinges
abhängt; jedoch kann in embryolosen Maiskörnern die Kleberschicht in geringerer Menge Diastase bilden. -
Vgl.
Krabbe, Untersuchungen über das Diastaseferment 2c. (Pringsheims Jahrh., Bd. 21);
Wortmann, Über die Bedeutung des dillstatischen Enzyms in der Pflanze (Botan. Zeitung, 1890);