Dialékt
(griech.,
Mundart), provinzielle oder örtliche
Abart einer
Sprache,
[* 2] wobei die Verschiedenheit aber nicht so
weit gehen darf, daß die gegenseitige Verstehbarkeit aufhört; denn tritt dies ein, so wird der Dialékt
zur
besondern
Sprache. Freilich ist die
Grenze zwischen
Sprache und Dialékt
oft schwer zu ziehen; so ist das
Niederländische
[* 3] ursprünglich
vom
Deutschen nicht stärker verschieden als die plattdeutschen Dialekte
, wird aber doch der politischen und litterarischen
Selbständigkeit der
Holländer wegen als besondere
Sprache angesehen. In gewissem
Sinn kann man sagen,
daß Dialekte
überall früher da sind als
Sprachen,
d. h. die sprachliche Zersplitterung ist um so größer, je geringer
die
Kultur ist, und eine Spracheinheit auf einem größern Gebiet entsteht erst da, wo sich ein Kulturmittelpunkt gebildet
hat.
Daher findet sich bei unzivilisierten Völkern oft eine unverhältnismäßig große
Menge von Dialekten;
so sprachen z. B. die etwa 50 Individuen, die vor einigen Jahrzehnten von der Urbevölkerung
Tasmanias noch übrig waren, vier verschiedene Dialekte
, in denen so gewöhnliche
Begriffe wie
»Auge«,
[* 4]
»Hand«
[* 5] u. dgl. durch verschiedene
Wörter ausgedrückt wurden. Ebenso befördern
Wanderungen und
Isolierung in Bergländern oder auf
Inseln
die
Ausbildung von Dialekten
(s.
Sprache und Sprachwissenschaft). Wo eine Schriftsprache entsteht, da werden die Dialekte
immer
mehr zurückgedrängt, kommen aber manchmal infolge politischer oder sozialer Umwälzungen wieder plötzlich an die Oberfläche.
So haben sich nach der
Völkerwanderung die romanischen
Sprachen gebildet, nicht aus der lateinischen Schriftsprache, sondern
aus den alten lateinischen Volksdialekten, dem sogen. Vulgärlatein.
Auch ohne solche gewaltsame Umwälzung wird die Schriftsprache häufig durch die Dialekte beeinflußt, indem durch den Prozeß der von Müller sogen. dialektischen Wiedererzeugung veraltete Formen und Wörter der Schriftsprache durch andre, aus dem frischen Quell des Dialekts genommene ersetzt werden. Aus diesen Gründen ist es ein Zeichen oberflächlicher Auffassung, die Dialekte als bloße »Patois« für der Beachtung unwert zu halten; sie empfehlen sich vielmehr der emsigen Durchforschung des Gelehrten (J. Grimm, A. Schmeller, R. Weinhold) wie der künstlerischen Handhabung von seiten des Dichters (R. Burns, Jasmin, Hebel, [* 6] F. Reuter, die altgriechischen Dialektdichter, wie Sappho, Anakreon etc.). Über die deutschen Dialekte s. Deutsche Sprache. [* 7]