Diagramm
(griech.), s. v. w. Linearzeichnung. Oft wird
der
Name Diagramm
für
Skizzen überhaupt angewandt, am gewöhnlichsten aber bedient man sich seiner für die in den
Naturwissenschaften
wie auch in der
Statistik üblichen graphischen
Darstellungen der Veränderungen, welche eine bestimmte
Größe mit der Änderung einer zweiten erleidet. Beispielsweise sei der jährliche
Gang
[* 2] der
Temperatur für ein
Paar
Orte, z. B.
Jakutsk in
Sibirien (62° 2' nördl.
Br.) und Söndmör in
Norwegen
[* 3] (62° 30' nördl.
Br.), darzustellen. Die monatlichen Mitteltemperaturen
beider
Orte sind (in
Graden
Réaumur):
Jan. | Febr. | März | April | Mai | Juni | Juli | Aug. | Sept. | Okt. | Nov. | Dez. | |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Jakutsk | -33.7 | -28.5 | -18.4 | -6.8 | 2.2 | 10.2 | 13.4 | 10.9 | 3.3 | -7.7 | -22.7 | -30.9 |
Söndmör | -3.6 | -1.1 | 0.7 | 2.4 | 6.4 | 9.5 | 11.4 | 11.1 | 9.0 | 4.7 | 2.0 | -1.8 |
Man trage nun in [* 1] Fig. 1 auf der Geraden 00 (der Abscissenachse) zwölf gleichlange Teile ab, welche den einzelnen Monaten entsprechen und am Fuß der [* 1] Figur mit J (Januar), F (Februar) etc. bezeichnet sind; durch die Teilpunkte ziehe man Senkrechte zu der Linie 00. Auf der ersten Senkrechten links (der Ordinatenachse) trage man ferner beliebige, aber unter sich gleichlange Teile ab, die den Temperaturgraden entsprechen; dabei werden die Wärmegrade nach oben, die Kältegrade nach unten abgetragen, wie die den Zahlen beigesetzten Vorzeichen + und - andeuten.
Durch die Teilpunkte ziehe man Parallelen zur Abscissenachse 00. Man gebe nun in der Mitte zwischen je zwei aufeinander folgenden Vertikallinien Punkte an, welche von der Abscissenachse 00 um 33,7, 28,5 18,4, 6,8 Teile nach unten, um 2,2, 10,2, 13,4, ... Teile nach oben entfernt sind, die also die Mitteltemperaturen der einzelnen Monate für Jakutsk angeben, und verbinde je zwei aufeinander folgende Punkte durch eine Gerade oder auch alle Punkte durch eine stetig gekrümmte Linie. Das Steigen und Fallen [* 4] des so gewonnenen Linienzugs gibt uns rascher als die tabellarische Zusammenstellung ein übersichtliches Bild von dem Gang der Temperatur im Lauf eines Jahrs. Zeichnet man in dieselbe [* 1] Figur auch die Zahlwerte für Söndmör ein (s. die bei -3,6 links ¶
mehr
anfangende Linie), so hat man ein sehr anschauliches Bild des Kontrastes zwischen den jährlichen Temperaturschwankungen im Innern eines großen Kontinents (Jakutsk) und am Meer (Söndmör).
Statt die Temperaturen in der Mitte zwischen je zwei Vertikallinien anzugeben, kann man sie auch, ohne etwas Wesentliches
zu ändern, auf diesen Linien selbst abtragen. In ganz ähnlicher Weise lassen sich auch andre meteorologische,
physikalische, chemische, statistische und ähnliche Verhältnisse durch ein Diagramm
anschaulich machen. Man trägt
dann immer eine gewisse Größe (die Zeit, Temperatur etc.) als Abscisse ab, während die zugehörigen Werte der von ihr abhängigen
Größe die Ordinaten bilden, deren Endpunkte man durch eine Kurve verbindet.
Dies Verfahren ist oft das zweckdienlichste Mittel, Ordnung und Übersicht in die Fülle erfahrungsmäßig gefundener Zahlenwerte
zu bringen. Solche Diagramme
gestatten häufig noch weitere Schlüsse. Bei dem Diagramm
, welches z. B. der Indikator
[* 6] (s. d.) einer
Dampfmaschine
[* 7] aufzeichnet, sind die Abscissen proportional dem Weg des Kolbens; die Ordinaten der Kurve aber
geben den in jedem Punkte dieses Wegs im Cylinder herrschenden Dampfdruck an; die Fläche zwischen Abscissenachse und Kurve ist
dann der vom Dampf
[* 8] geleisteten Arbeit proportional.
Stellt man irgend eine Bewegung graphisch dar, indem man als Abscissen die Zeit, als Ordinaten die Geschwindigkeiten aufträgt,
so drückt die Fläche zwischen Abscissenachse und Kurve den zurückgelegten Weg aus, und wenn man an irgend
einem Punkt eine Tangente an die Kurve legt, so ist die trigonometrische Tangente des Winkels, den diese mit der Abscissenachse
einschließt, die Beschleunigung. In manchen Fällen, namentlich in der Meteorologie bei Darstellung der Verteilung des Windes
auf die einzelnen Himmelsrichtungen, gibt man dem Diagramm
eine andre Anordnung: Ist z. B. an einem Ort bei täglich
dreimaliger Beobachtung der Windfahne im Lauf eines Monats N. 3mal, O. 8-, S. 16-, W. 7-, NO. 8-, SO. 5-, NW. 5-, SW. 15-, NNO.
2-, NNW. 3-, SSO. 1-, SSW. 5-, ONO. 3-, OSO. 5-, WNW. 2 und WSW. 5mal beobachtet worden, so kann man
dies bildlich darstellen, indem man in einem Kreis
[* 9]
acht Durchmesser zieht, die den 16 Richtungen der Windrose entsprechen
[* 5]
(Fig.
2, wo aber nur zwei Durchmesser, von den andern bloß die Endpunkte angegeben sind).
Auf jedem Halbmesser trägt man dann vom Mittelpunkt aus so viel gleichgroße Teile ab, als die Zahl der Beobachtungen ist, welche auf die betreffende Windrichtung kommt. Die Endpunkte (denen in der [* 5] Figur die Zahlen beigeschrieben sind) werden hierauf geradlinig verbunden. Die [* 5] Figur (in welcher auf dem nach S. gerichteten Halbmesser auch der Maßstab [* 10] angegeben ist) zeigt uns, namentlich wenn wir sie durch Schraffieren besser sichtbar machen, sehr deutlich das Vorherrschen der Winde [* 11] aus dem Quadranten von S. nach W.
Vgl. auch Statistische Darstellungsmethoden.
- Diagramm
des Hipparchos, die Zeichnung des Standes der Sonne,
[* 12] des Mondes und der Erde bei Finsternissen, nebst den dazu gehörigen
Linien, durch welche Hipparchos (s. d.) die Entfernung der Sonne und des Mondes von der Erde sowie die Parallaxe
[* 13] dieser beiden Himmelskörper
zu finden lehrte. - In der Musik bezeichnete man mit Diagramm
ehedem sowohl die Partitur als eine ausgeschriebene Stimme, bisweilen
auch das Liniensystem. - Über Blütendiagramme s. Blüten.
[* 5]
^[Abb.: Fig. 1. Temperaturkurven. 2. Windrichtungsdiagramm]