Deutsch
-Ostafrika
,
die größte deutsche
Kolonie, liegt zwischen dem 1. und 11.° südl.
Br. und zwischen dem 30. und
40.° östl. L. von Greenwich, umfaßt einen Flächenraum von 940580 qm und
grenzt im O. an den
Indischen Ocean, im
NO. und N. an
Englisch-Ostafrika, im
W. an den
Kongostaat,
[* 2] im
SW. an das brit. Centralafrika-Protektorat
und im
S. an die portug.
Kolonie
Mozambique.
Zu D. gehört auch die
Insel
Mafia. Deutsch
-Ostafrika
zerfällt in zahlreiche
Landschaften, deren Grenzen
[* 3] mehr ethnographisch als geographisch erkennbar sind.
An der Küste und in deren Nähe liegen (von N. nach S. gezählt) folgende Landschaften: Das Dschaggaland am Kilima-Ndscharo mit Kahe und Aruscha;
nördlich vom Pangani Pare, Usambara und Bondëi;
zwischen Pangani und Wami Usegua und Nguru (Ungu);
zwischen Wami und Rufiji (Rufidschi) Ukwere, Ukami, Usaramo, Khutu und westlich davon Usagara, an das sich südwestlich Mahenge, Uhehe und Ubena schließen;
zwischen Rufiji und Rovuma das Hinterland von Kilwa, Lindi und Mikindani, welches von den Wangindo, Jao und Magwangwara und Masiti in zerstreuten und ineinander gemischten Bezirken bewohnt wird. Im tiefern Binnenland befinden sich an der großen Karawanenstraße, welche von Usagara nach dem Seengebiet führt, folgende Länder: Ugogo mit Urori im S., Ujansi, Unjamwesi mit Usukuma im N., Ulonongo im S. und Ugalla im W. Um die Ufer des Victoria-Njansa lagern im Halbkreis Karagwe mit Usiba (Uhaja und Jhangiro), Usambiro, Usmawo und Ututwa;
hieran schließt sich
in der
Richtung nach dem
Kilima-Ndscharo das
Land der
Massai an. An die Ostseite des Tanganikasees grenzen die Landschaften
Urundi,
Uhha,
Ujiji,
Uvinsa, Kawende und Fipa. Am Nordende des Njassasees liegt Konde, nördlich davon Ubena, Urori und Usasa. (Hierzu
eine Karte: Deutsch-Ostafrika.
S. auch die Karte:
Äquatorial-Afrika,
[* 4] Bd. 1, S. 190.)
Oberflächengestaltung.
Der plastische
Aufbau D.s wird durch eine geschlossene
Kette von Gebirgszügen charakterisiert, welche einen
Teil des großen
ostafrik. Randgebirges bilden und das Land meridional in zwei ungleiche
Teile spalten: in das niedrige schmale, im S. sich
verbreiternde Küstengebiet und in das hochgelegene, weit ausgedehnte
Binnenland, das im N. und
W. an drei
mächtige Seeflächen grenzt. Die höchste
Erhebung des Randgebirgszugs stellt das Gebirgsmassiv des
Kilima-Ndscharo (s. d.)
mit 6130 m dar; von ihm aus verlaufen nach
S. und SO. die
Berge von
Pare (2070 m),
Usambara (2000 m),
Nguru (1170 m)
und die Rubehoberge (2100
m) in
Usagara, die Uruguruberge (2000
m) in
Ukami und das Rufutugebirge (800
m) in
Khutu; von hier aus
steigen die Uheheberge bis zu dem 3000 m sich erhebenden Livingstone- und
dem noch höhern (3600 m hohen)
Beja-Gebirge am
Nordende des Njassasees an. Das
Binnenland ist eine 1200–1400 m ü.d.M. gelegene, teils sanft gewellte,
teils von niedrigen Hügelgruppen durchsetzte Hochfläche, welche sich im W. und NW. allmählich
bis zu den 1600–1750 m hohen
Gebirgen am
Tanganika und in
Karagwe erhebt. – Der allgemeine geologische Charakter von Deutsch-Ostafrika
spricht
sich in dem Vorherrschen des Laterits (s. d.) aus.
Die Küste umsäumt ein schmaler Streifen von Korallenkalk, an den sich in breiterer Ausdehnung [* 5] vornehmlich Jurakalk, aber auch stellenweise Thonschiefer anschließt. Im Binnenlande bildet vielfach eine Schicht von Lehm oder Sandstein die Unterlage des Laterits. Das Gebirge besteht (nach den bisherigen Forschungen) fast ausnahmslos aus Granit, Gneis und krystallinischem Schiefer;
nur in den Bergen [* 6] am Tanganikasee und in Karagwe kommen mächtige Lager [* 7] von rotem Sandstein und Thonschiefer vor;
die Südseite des Kilima-Ndscharogebirges zeichnet sich durch massenhaftes Auftreten von vulkanischen Gesteinsarten aus. – Das Küstengebiet ist wasserreich;
nur in den heißesten Monaten trocknen die kleinern Bäche aus.
Fünf Hauptströme mit vielen Nebenflüssen entspringen dem Randgebirge und fließen dem Meere zu: der Pangani oder Ruvu, der Wami oder Mulondolwa, der Kingani oder Rufu, der Rufiji und der Rovuma (s. die betreffenden Artikel). Für die Schiffahrt ist keiner von diesen Flüssen auf größern Strecken wegen der Stromschnellen geeignet; nur der Rufiji ist zeitweise mit Dampfpinassen bis Korogero befahrbar. Das Binnenland wird nur von wenigen Flüssen durchzogen;
in der heißen Zeit versiegen sie teilweise oder ganz;
zu ihnen gehören der Gombe, der Ugalla und der Wembäre in Unjamwesi;
der Malagarasi, der mächtigste unter ihnen, welcher in den Tanganika mündet, und der Kagera, der geographisch wichtigste, da in ihm die südlichste Quelle [* 8] des Nils erkannt worden ist. – Außer den schon mehrfach genannten großen Seen, dem Victoria-Njansa, Tanganika und Njassa (s. die betreffenden Artikel) sind noch zu erwähnen: der Dschipe- und Natronsee (südöstlich und nordwestlich vom Kilima-Ndscharo), der Manjarasee und der Salzsee Eiassi in Massailand, der Urigisee in Karagwe (s. d.) und der Ritwa oder Leopoldsee (s. d.) zwischen dem Tanganika und Njassa.
Klima.
[* 9]
Das Klima von Deutsch-Ostafrika
ist tropisch. Im Küstengebiet giebt es zwei Regenzeiten: die erste von Mitte März bis Ende Mai, die
zweite von Mitte Oktober bis Mitte Dezember;
im Binnenland nur eine, vom November bis Ende April.
Während
in der Nähe des
Meers und noch mehr im
Gebirge die Trockenzeit durch gelegentliche Regenschauer gemildert wird, hat sie auf
den Hochflächen des Innern eine
Dauer von 6
Monaten. Die
Temperaturen sind ungefähr ähnlich jenen von
Sansibar,
[* 10] welche im
Jahresmittel 25,5° C. betragen; im
Binnenland steigern sich die Unterschiede zwischen Hitze und
Abkühlung
(45 und 8° C.). Die Regenzeit ist die heiße Jahreszeit, der Februar der heißeste
Monat, während der Juli der kühlste
ist. Im Küstengebiet wirkt nicht sowohl die Hitze, sondern der hohe Feuchtigkeitsgehalt der Luft (bis über 80 Proz.)
erschlaffend auf die
Nerven.
[* 11] Die Landstriche um den
Victoria-Njansa haben ein vom übrigen Deutsch-Ostafrika
etwas verschiedenes
Klima;
hier regnet es in allen Monaten, am stärksten im März, April und Mai und ¶
0222a Uniformierung der Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika ¶
mehr
221 dann wieder im September, Oktober und November; das Maximum der Temperatur beträgt 31° C., das Minimum 10° C., das Monatsmittel 18,5 bis 22,5° C. Die Gesundheitsverhältnisse sind im allgemeinen für den Europäer sehr ungünstige; die Malaria herrscht an der Küste wie im Binnenland, am wenigsten auf den Höhen von Usambara und im Dschaggaland. Doch ist in einzelnen Orten der Küste, wie in Kilwa und Lindi, infolge der zweckmäßigern Anlage der Wohnräume eine Besserung bemerkenswert.
Pflanzen- und Tierwelt. Deutsch-Ostafrika
ist vornehmlich Savannenland, entweder kultivierbares, oder mit lichtem Gehölz bestandenes
(Pori), oder mit dornigen Dschungeln bedecktes. Größere Moräste und vollkommen sterile, steinige Flächen
treten nur vereinzelt auf. In den Gebirgen wechseln geschlossene Waldungen mit Bananenhainen und üppigen Wiesengründen. Kulturstrecken
in weiter Ausdehnung begegnet man nirgends; wo aber der Neger sich angebaut, sei es inmitten der Wälder oder an Gebirgsabhängen,
im gutbewässerten Savannenland oder in der Nähe des Meers, da gedeihen Kokos-und Delebpalmen, Orangen-,
Melonen- und Mangobäume, Bananen, Kaffernkorn, Maniok, Sesam, Erdnüsse, Reis, Zuckerrohr, zuweilen auch Baumwolle
[* 14] und Tabak.
[* 15]
Zur Plantagenwirtschaft eignen sich einzelne Strecken der Küste, namentlich das terrassenförmige Gelände von Bondëi, die Thäler von Usambara, Ukami und Usagara. – Der Reichtum an jagdbaren Tieren, wie Löwen, [* 16] Leoparden, Hyänen, Giraffen, Büffeln, Antilopen, Zebras, Nashörnern, Flußpferden und Krokodilen ist in den Ebenen um den Kilima-Ndscharo, in den Thälern von Usagara und in Unjamwesi am bedeutendsten; er vermindert sich wesentlich südlich vom Kingani. Die Elefantenherden haben sich mehr und mehr nach der Westseite des Albert-Edwardsees und des Tanganika zurückgezogen. Die Tsetsefliege kommt meist im Buschdickicht des Küstenlandes vor. An Haustieren werden gehalten: Hühner, [* 17] Ziegen, Schafe, [* 18] Hunde. [* 19] Große Rinderherden giebt es in Usambara, Usagara, Karagwe und Usukuma.
Bevölkerung.
[* 20] Deutsch-Ostafrika
hat etwa 2900000 E., darunter 568 Deutsche
[* 21] und 182 andere Europäer. An der Küste leben Araber und Inder als
Kaufleute, Karawanenführer und Plantagenbesitzer, ferner Suaheli, häufig als Ortsvorsteher oder Jumbe
verwendet, und Wamrima (s. Mrima), die eigentliche Arbeitermasse. Das übrige Festland bis tief in das Innere hinein bewohnen
Neger der Banturasse, meist Ackerbauer; in den Ländern westlich und südwestlich vom Victoriasee herrschen oder leben als Hirtenvolk
die wahrscheinlich aus Abessinien eingewanderten Wahuma (s. d.). Der ethnologisch am meisten erforschte
Stamm ist der der Wanjamwesi (s. Unjamwesi).
Als raub- und kriegslustige Nomaden treten auf die den Niloten verwandten Massai (s. d.) zwischen dem Kilima-Ndscharo und dem
Victoria-Njansa; die Wahehe oder Mafiti am Ruaha, die Wangoni in Unjamwesi, die Yao am Rovuma und die Magwangwara am Njassasee,
welche vier letztern als die Abkömmlinge eingewanderter Zulu gelten. Negerkönigreiche von größerm Umfange
giebt es in Deutsch-Ostafrika
nicht; von politisch nennenswerter Bedeutung sind gegenwärtig nur anzuführen: Sembodja
in Usambara, Kingo Mkubwa in Ukami, Merere in Usafa und der Häuptling von Karagwe.
Alles übrige Gebiet zerfällt in größere oder kleinere voneinander unabhängige Gemeindeverbände. An der Küste gebietet die deutsche Verwaltung;
auch hat sie im Innern, mit Ausnahme des Gebietes der Wahehe, die Aufrechterhaltung friedlicher Zustände und die Anerkennung der deutschen Flagge im allgemeinen erreicht. – Die Hauptorte D.s liegen an der Küste: Dar es-Salaam [* 22] (10000 E.), der Sitz des Gouverneurs;
Tanga (4000 E.) mit vortrefflichem Hafen;
Pangani (10000 E.), Saadani, Bagamojo (10000 E.), der größte Handelsplatz;
Kilwa-Kiwindje, Lindi (3000 E.) und Mikindani (500 E.);
sämtliche (mit Ausnahme von Saadani und Mikindani) haben Garnisonen der Schutztruppe oder der Polizeitruppe.
Auf den Karawanenstraßen nach dem Innern befinden sich Militärstationen;
von Tanga nach dem Kilima-Ndscharo: Masinde, Kisuani, Marangu, Moschi;
von Bagamojo und Dar es-Salaam nach dem Victoria-Njansa: Kisaki in Khutu, Kilosa und Mpwapwa in Usagara, Tabora (wichtigster Handelsplatz im Innern) in Unjamwesi, Neuwied, Muansa und Butoba am Ufer des Victoria-Njansa;
endlich Langenburg am Njassasee.
Missionsstationen existieren im ganzen 39, und zwar 5 deutsche und 17 englische evangelischer und 2 deutsche und 15 französische kath. Konfession.
Verwaltung. Die Civil- und Militärverwaltung liegt in den Händen des vom Deutschen Kaiser ernannten Gouverneurs. Das Küstengebiet ist in 6 Bezirksämter eingeteilt, an deren Spitze Bezirksamtmänner, als Vertreter der Civilverwaltung, sich befinden; ihnen ist eine Polizeitruppe von 240 Mann unterstellt. Zur Ausübung der Gerichtsbarkeit über Nichteingeborene bestehen 2 Amtsbezirke, ein nördlicher mit dem Amtssitz Bagamojo und ein südlicher mit dem Amtsbezirk Dar es-Salaam.
Für die zweite Instanz ist ein Oberrichter bestellt. Zur Sicherung des Kolonialbesitzes und zu kriegerischen Expeditionen
dient die kaiserl. Schutztruppe, 37 Offiziere, 13 Ärzte, 50 Unteroffiziere und 1800 Farbige (Sudanesen
und Manjema) in 12 Compagnien; an ihrer Spitze steht ein Oberführer. (Hierzu Tafel: Uniformierung der Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika.
)
– Ein kaiserl. Postamt besteht in Dar es-Salaam, dem die Postagenturen (s. Deutschland
[* 23] und Deutsches Reich, S. 145b, 146a)
unterstellt sind.
Eine regelmäßige Post geht am 6. jeden Monats von Dar es-Salaam über Mpwapwa und Tabora nach Bukoba am Victoria-Njansa und am 1. jeden Monats zurück; sie braucht zur Zurücklegung der Strecke 50 Tage. – Die Sklaverei wird als beschränkte Haussklaverei geduldet, der Freikauf auf jede Weise begünstigt, Sklavenhandel und Sklavenraub im Küstengebiet energisch unterdrückt, im Innern möglichst behindert. – Das Budget, welches vom dem Reichstage jährlich zur Beschlußnahme vorgelegt werden muß, beträgt pro 1891/95 5,65 Mill. M. Die Einnahmen werden gedeckt durch einen Reichszuschuß von 3½ Mill. M. und den voraussichtlichen Ertrag von Zöllen und Steuern von 2,156 Mill. M. Von den Ausgaben entfallen auf die Civilverwaltung 1040790 M., auf die Schutztruppe 2286000 M. und als regelmäßige Entschädigungssumme an die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft für Abtretung der Zolleinkünfte an das Reich 600000 M. Von den Eingeborenen werden keine direkten Steuern erhoben; dagegen ist der Handelsverkehr, und namentlich das Schankgewerbe, mit hohen Abgaben belastet.
Die in Berlin [* 24] gegründete und 22. Nov. desselben Jahres von der Regierung ¶
mehr
222 sanktionierte Eisenbahngesellschaft für Deutsch-Ostafrika
(Usambaralinie) mit einem Kapital von 2 Mill. M. hat die Vorarbeiten zu der 90 km
langen Linie von Tanga nach Korogwe 1893 soweit vollendet, daß die Strecke Tanga-Muhesa traciert wurde und mit dem Oberbau
begonnen werden konnte. Handel. Durch die Deutsch-Ostafrika-Linie (s. Dampfschiffahrt, Bd.
4, S.751 b) wurden 1891 eingeführt Waren im Werte von 2236000 M. und ausgeführt von 520000 M. Der Warenumsatz
im ganzen, namentlich von und nach Indien, ist aber viel bedeutender; es betrug 1890/91 die Einfuhr 9 Mill. M., die Ausfuhr
7½ Mill. M. Importiert werden hauptsächlich: Baumwoll- und Metallwaren, Glasperlen, Gewehre, Pulver;
exportiert: Elfenbein, Kautschuk, Sesam und Reis.
Geschichte. Der Sultan von Sansibar war bis 1884 der unbeschränkte Gebieter an der ganzen Küste, und sein polit. Einfluß machte sich zeitweise weit in das Innere bis nach Tabora und Ujiji geltend. Die eingeborenen Stämme bekriegten sich vielfach untereinander oder bekämpften die sich eindrängenden Araber, die Elfenbein und Sklaven teils durch Austausch von Waren, teils durch Raub zu erwerben trachteten, dabei aber doch der Kultur in beschränktem Grade Eingang verschafften. – Über die Anfänge der Kolonisation s. Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft. – Diese erweiterte ihre Gründung 1885 und 1886 durch Errichtung von Stationen derart, daß sie die Küstenländer vom Somalland bis zur Mündung des Rovuma umfaßte, mit Ausnahme der Umgegend von Mombas zwischen dem Sabaki- und Umbafluß, wo die Engländer schon früher festen Fuß gefaßt hatten.
Ein schmaler Küstenstreifen und das Binnenland jenseit des Randgebirges blieb vorläufig noch von der deutschen Besitznahme unberührt. Der Sultan von Sansibar wurde durch das Erscheinen eines deutschen Geschwaders Aug. 1885 gezwungen, die deutsche Schutzherrschaft über die bereits erworbenen Gebiete anzuerkennen. Am schlossen Deutschland und England ein Abkommen, wonach die Herrschaft des Sultans von Sansibar auf die Hafenplätze des Somallandes, den Küstenstrich von Witu bis zur Mündung des Rovuma in einer Breite [* 26] von 16 km beschränkt wurde und ferner die Grenze zwischen der deutschen und engl. Interessensphäre durch eine Linie von der Mündung des Umba bei Wanga nach dem 1.° südl. Br. am Victoria-Njansa bestimmt werden sollte.
Damit verzichtete Deutschland auf Somalland, behielt aber das Binnenland Witu; die Abgrenzung in der Richtung nach dem Tanganika und Njassa kam nicht zur Sprache. [* 27] Auch mit Portugal [* 28] traf Deutschland 1887 eine Übereinkunft über die Abgrenzung seines Besitzes im S., wonach der Rovuma von seiner Mündung bis zur Einmündung des Msindscheflusses und dann der Breitenparallel westlich bis zum Ufer des Njassasees die Grenze bildeten. Um die Kolonie lebensfähig zu machen, mußte sie in den Besitz der Hafenplätze gelangen.
Nach langwierigen Verhandlungen, in denen namentlich Dr. Peters außerordentliche Energie entwickelte, kam endlich ein Vertrag zwischen der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft und dem Sultan von Sansibar zu stande: Der ganze Küstenstrich vom Umba bis zum Rovuma wurde gegen Zahlung einer Pachtsumme der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft zur freien Verfügung überlassen. Am sollte der Vertrag in Kraft [* 29] treten. An diesem Tage brach ein Aufstand der Araber und der von ihnen abhängigen Eingeborenen aus; der Sultan von Sansibar konnte oder wollte der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft keinen Schutz gewähren, und der größte Teil seiner Truppen schloß sich den Rebellen an. Die deutschen Beamten, nur auf die Unterstützung durch eine ungenügende Anzahl von Kriegsschiffen angewiesen, waren gezwungen, während des September Tanga, Pangani, Kilwa, Lindi und Mikindani nach kurzer, aber heldenmütiger Gegenwehr zu räumen; nur Bagamojo und Dar es-Salaam blieben in deutschem Besitz, und die erfolgreiche Verteidigung dieser zwei wichtigsten Orte durch die deutsche Marine ist der Energie und Umsicht der Premierlieutenants von Gravenreuth und Leue zu verdanken.
Eine deutsch-engl. Blockade längs der Sansibarküste trat 2. Dez. in Wirksamkeit. Da die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft keine genügenden Mittel besaß, den immer mehr um sich greifenden Aufstand zu bewältigen, wandte sie sich Jan. 1889 an das Deutsche Reich, worauf der Deutsche Reichstag 2. Febr. beschloß, die deutschen Interessen in Ostafrika zu schützen. Hauptmann Wißmann, der mit der Ausführung betraut wurde, organisierte ein Expeditionskorps aus 14 deutschen Offizieren, 100 Unteroffizieren und 800 angeworbenen Sudanesen, Somal und Zulu u.s.w. und begann den Feldzug mit Besetzung und Befestigung von Bagamojo und Dar es-Salaam. Am 8. Mai schlug er Buschiri, den Führer des Aufstandes, zum erstenmal in der Nähe von Bagamojo, 6. Juni eroberte er Saadani und 8. Juli Pangani und besetzte Mitte September nach einem siegreichen Gefechte die im Juli von Buschiri überfallene Station Mpwapwa.
Premierlieutenant von Gravenreuth warf in zwei glänzenden Gefechten 19. und 20. Okt. die von Buschiri herbeigeführten Mafitimassen zurück. Noch einmal tauchte Buschiri im Dezember in der Nähe von Pangani auf, wurde aber sofort von Lieutenant Dr. Schmidt geschlagen und gefangen genommen und erlitt in Pangani den Tod durch Henkershand. Mit der Besiegung Banaheris, des letzten Rebellenführers, 5. Jan. und 9. März, und nach der Wiedereinnahme von Kilwa, Lindi und Mikindani Mai 1890 war der Araberaufstand niedergeworfen; um jedoch den Küstenstreifen vollständig in deutschen Besitz übergehen zu lassen, bedurfte man der diplomat.
Aktion Englands, das bisher die ausschlaggebende Macht in Ostafrika gewesen war. Eine Auseinandersetzung mit England war um so dringender geboten, als der deutsche Kolonialbesitz [* 30] ohne bestimmte Abgrenzung im N. und SW. in die engl. Interessensphäre hineinragte. So kam es zu dem Vertrage vom zwischen der engl. und deutschen Regierung. Deutschland verzichtete zu Gunsten von England auf die Erhaltung der Selbständigkeit des Sultans von Sansibar und damit auf die kommerziellen Vorteile, die ihm das seinem steigenden Einflusse unterworfene Sansibar als Handelscentrum sicher verschafft haben würde, und vertauschte Witu gegen den Besitz von Helgoland. [* 31] England erkannte dagegen die deutsche Oberhoheit über den ganzen Küstenstrich und das Binnenland bis zum Victoria-Njansa, Tanganika und Njassa an. Der Sultan von Sansibar wurde für die Abtretung seiner Hoheitsrechte über den Küstenstrich mit 4 Mill. M. abgefunden. Das Deutsche Reich übernahm laut einem Abkommen vom mit der ¶