Titel
Deutschland
[* 2] (Deutsches Reich, franz. Allemagne, engl. Germany), das im Herzen Europas, zwischen den vorherrschend slawischen Ländern des Ostens und den romanischen des Westens und Südens liegende, im SO. an Deutsch-Österreich und im N. an das stammverwandte skandinavische Dänemark [* 3] grenzende Land.
Übersicht des Inhalts: | |
---|---|
I. Lage, Grenzen, Areal | S. 800 |
II. Bodengestaltung: | |
Geologisches | 801 |
Gebirgssysteme | 801 |
III. Gewässer: | |
Meere | 805 |
Flüsse | 806 |
Landseen | 807 |
Kanäle | 807 |
Sümpfe, Moore etc. | 807 |
Mineralquellen | 807 |
Seebäder | 807 |
IV. Klima, Vegetation, Tierwelt: | 808 |
V. Bevölkerung: | |
Wachstum seit 1816 | 809 |
Auswanderung | 810 |
Dichtigkeit, Geschlecht etc. | 812 |
Bewegung | 812 |
Wohnplätze. Städte | 813 |
Berufszweige | 813 |
Sprache u. Volksstämme | 814 |
Nichtdeutsche Bevölker. | 816 |
Konfessionen | 817 |
Kirchenwesen | 818 |
Bildungsanstalten etc. | 819 |
VI. Landwirtschaft etc.: | |
Ackerbau | 820 |
Gartenbau, Weinbau etc. | 822 |
Viehzucht | 823 |
Fischerei. Waldkultur. | 824 |
VII. Industrie: | |
Bergbau und verwandte Industrien | 824 |
Chemische Industrie etc. | 829 |
Textilindustrie u. a. | 830 |
VIII. Handel u. Verkehr: | |
Zollgebiet | 832 |
Ein- und Ausfuhr | 832 |
Schiffahrt | 833 |
Eisenbahnen | 834 |
Post und Telegraphie | 834 |
Geld- und Kreditwesen | 835 |
IX. Staatswesen: | |
Reichsverfassung u. Verwaltung | 835 |
Rechtspflege | 839 |
Reichsfinanzen | 840 |
Heerwesen | 843 |
Marine | 845 |
Geogr. Litteratur | 846 |
Geschichte | 847 |
I. Lage, Grenzen, Areal.
(Hierzu die politische Übersichtskarte »Deutsches Reich«.)
Das Deutsche Reich [* 4] ist durch Verträge zwischen dem ehemaligen Norddeutschen Bund und den süddeutschen Staaten (Dezember 1870) und durch Erwerbung der Länder Elsaß und Deutsch-Lothringen im Frieden zu Frankfurt [* 5] gebildet und umfaßt alle Länder des ehemaligen Deutschen Bundes, mit
Areal und Bevölkerung des Deutschen Reichs.
Staaten | QKil. | QMeil. | Einw. 1880 | auf 1 qkm |
---|---|---|---|---|
Königreich Preußen | 348258 | 6320.97 | 27279111 | 78 |
" Bayern | 75860 | 1377.78 | 5284778 | 70 |
" Sachsen | 14993 | 271.83 | 2972805 | 198 |
" Württemberg | 19504 | 354.29 | 1971118 | 101 |
Großherz. Baden | 15081 | 278.06 | 1570254 | 104 |
" Hessen | 7682 | 139.41 | 936340 | 122 |
" Mecklb.-Schwerin | 13304 | 241.65 | 577055 | 43 |
" Sachsen-Weimar | 3593 | 66.03 | 309577 | 86 |
" Mecklb.-Strelitz | 2929 | 49.49 | 100269 | 34 |
" Oldenburg | 6420 | 116.22 | 337478 | 53 |
Herzogt. Braunschweig | 3690 | 67.02 | 349367 | 91 |
" Sachs.-Meiningen | 2468 | 44.83 | 207075 | 84 |
" Sachsen-Altenburg | 1324 | 24.00 | 155036 | 117 |
" S.-Koburg-Gotha | 1968 | 35.74 | 194716 | 99 |
" Anhalt | 2347 | 42.18 | 232592 | 99 |
Fürstent. Schwarzburg-Rudolstadt | 940 | 17.11 | 80296 | 85 |
" Schw.-Sondersh. | 862 | 15.66 | 71107 | 82 |
" Waldeck | 1121 | 20.36 | 56522 | 50 |
" Reuß ä. L. | 316 | 5.80 | 50782 | 161 |
" Reuß j. L. | 826 | 15.10 | 101330 | 124 |
" Schaumburg-Lippe | 340 | 8.05 | 35374 | 104 |
" Lippe | 1222 | 22.19 | 120246 | 98 |
Freie Stadt Lübeck | 298 | 5.21 | 63571 | - |
" Bremen | 255 | 4.66 | 156723 | - |
" Hamburg | 410 | 7.44 | 453869 | - |
Elsaß-Lothringen | 14508 | 263.19 | 1566670 | 108 |
Das deutsche Reich: | 540519 | 9816.39 | 45234061 | 84 |
Ausnahme von Österreich, [* 6] Luxemburg, [* 7] Limburg [* 8] und Liechtenstein, [* 9] jedoch mit Einschluß der preußischen Provinzen Ost- und Westpreußen, [* 10] Posen [* 11] und Schleswig [* 12] und des Reichslandes Elsaß-Lothringen [* 13] (s. vorstehende Tabelle). Es reicht vom westlichsten Punkte der preußischen Rheinprovinz [* 14] beim Dorf Isenbruch im Regierungsbezirk Aachen, [* 15] unter 5° 52', bis zum östlichen Ende der Provinz Ostpreußen beim Dorf Schilleningken, unweit Schirwindt an der Scheschuppe, unter 22° 53' östl. L. v. Gr., und vom südlichsten Punkt am Ursprung der Stillach, eines Quellflusses der Iller, in den Algäuer Alpen, [* 16] unter 47° 16; bis zum nördlichsten beim Dorf Nimmersatt nördlich von Memel, [* 17] unter 55° 54' nördl. Br. Der Mittagsunterschied des östlichsten u. westlichsten Punktes beträgt 1 Stunde 8 Minuten, die Dauer des längsten Tags für den nördlichsten Punkt 17 St. 19 Min., für den südlichsten 15 St. 45 Min. Die Entfernung von Tilsit [* 18] bis Metz [* 19] beträgt 1305, von Hadersleben [* 20] bis Kempten [* 21] 860, von Swinemünde bis Bautzen [* 22] 315 und von Trier [* 23] bis Wunsiedel 400 km. Im N. grenzt an die Nordsee, Dänemark und die Ostsee;
im O. an Rußland, Polen und Galizien;
im S. an Österreich von der Weichsel bis an den Bodensee und an die Schweiz; [* 24]
im W. an Frankreich, Luxemburg, Belgien und die Niederlande. [* 25]
In den Größenzahlen der obigen
Tabelle sind nicht gerechnet die Wasserflächen der
Haffe und Küstengewässer, die besonders
in den
Provinzen
Ost- und
Westpreußen und
Pommern
[* 26] bedeutend sind und ohne die Küstengewässer
Schleswig-Holsteins und
Hannovers,
deren
Areal nicht bekannt ist, 4154 qkm betragen, sowie der
Anteil Deutschlands
[* 27] am
Bodensee (309 qkm oder 5,6 QM.). Vor 1866 umfaßten
die
Staaten des
Deutschen
Bundes 630,098 qkm (11,444 QM.). Gegenwärtig nimmt das
Deutsche Reich unter den
Staaten
Europas nach
seinem Flächeninhalt die vierte, nach der Zahl seiner
Bevölkerung
[* 28] die zweite
Stelle ein, da es an Einwohnerzahl
nur Rußland, an
Umfang außer diesem nur
Schweden-Norwegen und
Österreich-Ungarn
[* 29] nachsteht.
¶
Maßstab [* 31] = 1:4500000.
Die Landeshauptstädte und die Preußischen Regierungsbezirkshauptorte sind unterstrichen.
Zum Artikel »Deutsches Reich«. ¶
mehr
II. Bodengestaltung.
(Hierzu die »Fluß- und Gebirgskarte« und die »Geologische Karte von Deutschland«
.)
Die Oberfläche des Reichs zeigt eine Mannigfaltigkeit, wie wir sie kaum irgendwo auf der ganzen Erdoberfläche wieder in
solchem Raum nebeneinander finden. Der Wechsel von Gebirgen und Flachländern jeder Art und Form, der im großen und ganzen
stattfindet, vereint sich oft noch mit einem überaus raschen Wechsel der Bildungen auf kleine Erstreckung. Es ist daher nicht
zu verwundern, daß fast sämtliche Gebirgsformationen in Deutschland
vertreten sind. Die Gesteine
[* 33] der archäischen Formation (Gneis,
Granit, Glimmerschiefer etc.) kommen in Schlesien,
[* 34] Sachsen,
[* 35] Thüringen, am Spessart, Odenwald, in den Vogesen, in
dem Hohen Venn etc. vor.
Von paläozoischen Sedimentgesteinen tritt das silurische System in Thüringen und den angrenzenden Ländern, in seiner obern Abteilung auch am Harz auf. Die devonische Schichtenreihe ist in großer Mächtigkeit und Ausdehnung [* 36] am Rhein, in Westfalen [* 37] und Nassau, am Harz, in Thüringen, an den Sudeten und den Vogesen erschlossen. Die untere Abteilung der Steinkohlenformation, der Kohlenkalk und die Kulmbildung, tritt bei Aachen, in Westfalen und im westlichen Oberhessen, in Thüringen und am Harz, das obere produktive Steinkohlengebirge in der Saargegend, um Aachen, in Westfalen besonders an der Ruhr, im Osnabrückschen, am Harzrand, in Sachsen und Schlesien auf.
Die Dyas (Rotliegendes und Zechstein) kommt in den Vogesen, im Schwarzwald, an der Saar, am nördlichen Odenwald, am Harz (besonders
südlich und östlich), um Osnabrück,
[* 38] im südöstlichen Westfalen, in Hessen,
[* 39] Thüringen, Sachsen, Schlesien vor. Die mesozoischen
Gebilde sind in großer Vollständigkeit vertreten; die Trias (Buntsandstein, Muschelkalk und Keuper) insbesondere bedeckt
große Räume in den westlichen und zentralen Teilen Deutschlands, namentlich von Basel
[* 40] bis Hannover
[* 41] und Halle
[* 42] im rechtsrheinischen,
am Westfuß der Vogesen sowie von Straßburg
[* 43] bis Trier im linksrheinischen Deutschland
, außerdem in den Alpen und in Oberschlesien.
Der Jura (Lias, Weißer und Brauner Jura) ist sehr verbreitet um Metz, durch Schwaben und Franken, im norddeutschen
Hügelland, in den Alpen und auch in Oberschlesien; der Wealden (die Wälderformation) mit vortrefflichen Steinkohlen findet
sich nur in Nordwestdeutschland
und zwar in den kleinen Gebirgen Hannovers und der angrenzenden Länder, meist zwischen Leine
und Weser (Bückeberge, Osterwald, Deister); die Kreide
[* 44] in Norddeutschland einschließlich Westfalens, links
vom Niederrhein, bei Dresden,
[* 45] in Nieder- und Oberschlesien, in verschiedener Ausbildungsweise in den Alpen.
Die tertiären Bildungen (das Oligocän, die Hauptlagerstätte der Braunkohle) sind sporadisch über ganz Norddeutschland, gehäuft bei Magdeburg [* 46] und von dort nach S. und W., am Niederrhein, im Mainzer Becken, in Hessen, im Oberelsaß, in Baden, [* 47] in Schwaben auf der Rauhen Alb, in Bayern [* 48] bis zum Fuß (einschließlich der Vorberge) der Alpen verbreitet. Das quartäre u. rezente Schwemmland ist fast überall, am kompaktesten im Norddeutschen Tiefland, vorhanden. Von Eruptivgesteinen der archäischen und paläozoischen Zeit finden sich Granit, Diorit, Diabas, Gabbro, Serpentin etc. in den Vogesen, im Schwarzwald, Odenwald, Thüringer Wald, in den sich um Böhmen [* 49] gruppierenden Bergen, [* 50] im Harz; die meist der Zeit des Rotliegenden angehörenden Porphyre, sowohl Quarzporphyre als quarzfreie Porphyre und Porphyrite, haben ihre Verbreitungsbezirke in Schlesien, Thüringen, östlich und südlich vom Harz und in demselben, am Mittelrhein, um Magdeburg, Halle, Grimma, [* 51] Meißen [* 52] etc., die Melaphyre am Harz, in Niederschlesien, Sachsen, die ihnen anzureihenden Palatinite an der Nahe, in Nassau, der Pfalz.
Sehr verbreitet sind die der Tertiärzeit angehörenden Gesteine: Basalte (samt Dolerit), Trachyte, Phonolithe, über ganz Mitteldeutschland, besonders gehäuft am Rhein (Siebengebirge), im Westerwald, Vogelsberg, in Hessen und Thüringen, im Erzgebirge, in der Lausitz, im Hegau. Die vielfache Gliederung Deutschlands zwingt zur Sonderung topographischer Abschnitte; insbesondere ist einerseits das Alpengebiet im S., anderseits das Norddeutsche Tiefland von dem dazwischenliegenden niedrigern Bergland zu trennen.
1) Die Alpen.
Die Alpen (s. d.), ein Hochgebirge, welches alle übrigen Höhenzüge Deutschlands weitaus überragt, treten auch hinsichtlich ihrer Zusammensetzung und der Natur ihrer Gebirgsformationen in Gegensatz gegen die nördlichern Gebiete; jedoch gehört nur ein geringer Teil, einer der Hauptabschnitte der nördlichen Kette, zum Deutschen Reich, nämlich die Algäuer Alpen (mit der 2650 m hohen Mädelergabel) zwischen Bodensee und Lech, die Bayrischen Alpen (mit der 2960 m hohen Zugspitze, dem höchsten Punkte des Deutschen Reichs) zwischen Lech und Inn und ein Teil der Salzburger Alpen (mit dem 2714 m hohen Watzmann und dem Königssee) im O. vom Inn.
Dieser deutsche Teil der Alpen gehört zum Gebiet der nördlichen Kalkalpen. Die älteste Gruppe in dieser Formation ist die Trias: Buntsandstein (welchem vielleicht die Salzablagerungen von Berchtesgaden und Reichenhall beizuzählen sind), Muschelkalk in nur geringer Entwickelung, in desto größerer Keuper, das Hauptgestein der Kalkalpen. Letzterer zerfällt wieder in untern Keuperkalk und Hauptdolomit, von denen jener oftmals blendend weiße Bänke bildet und in langem Zug sich etwa auf der Tiroler Grenze hinzieht (auch die Zugspitze gehört ihm an), während dieser, leicht der Zerstörung ausgesetzt und daher stark zerklüftet, die Grundlage der plateauartigen Berge des Beckens von Berchtesgaden (mit aufgelagertem Dachsteinkalk als oberstes Glied der [* 53] Keuperformation) bildet und die Hauptkette der Algäuer Alpen (Mädelergabel) zusammensetzt.
Unter den Abteilungen des Jura tritt ganz besonders die Lias hervor, der auch die leicht verwitternden und einen fruchtbaren Boden gebenden Algäuschiefer, die Grundlage der Alpenwirtschaft in den Algäuer Alpen, angehören. Die andern Abteilungen des Jura sowie auch die der Kreide sind in dem hierher gehörigen Teil wenig entwickelt; jedoch bilden letztere eine schmale, oft unterbrochene Zone nahe dem Nordrand, der aus Eocän, dem ältern Tertiärgebirge, besteht. Im allgemeinen ist das Gestein der Alpen von den parallelen Formationen in den mitteldeutschen Gebirgen sehr verschieden, so daß als wahrscheinlich anzunehmen ist, daß zur Zeit der Bildung ein trennendes Gebirgsglied die heutige Donauebene durchzog.
Diese, als Schwäbisch-Bayrische Hochebene zwischen den Alpen, dem Jura und den kristallinischen Gesteinen des Böhmisch-Bayrischen. Waldgebirges eingebettet, wird auf der Nordseite von Sigmaringen bis über Passau [* 54] hinaus im allgemeinen von der Donau begrenzt und hat zu ihrer Unterlage die jüngsten Tertiärschichten (Miocän), die jedoch mit Diluvionen in den Hügelregionen bedeckt sind, während die tiefern Lagen mit Alluvionen, vielfach mit Moosen (Brüchern) ausgefüllt sind. ¶
Maßstab 1:6,600,000.
Höhenschichten in Pariser Fuß.
Zum Artikel »Deutschland«. ¶
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2) Das mitteldeutsche Gebiet.
Sehr verwickelt sind die Verhältnisse im mitteldeutschen Gebiet, in welchem sich nach Lage und Bau vier Systeme unterscheiden lassen.
1) Das Niederrheinisch-Westfälische Schiefergebirge, soweit es hierher gehört, ganz innerhalb des preußischen Staats, bildet ein Plateau, das der Hauptsache nach aus den Gliedern der Devonformation zusammengesetzt ist. Es ist ausgezeichnet durch seine Thalgliederung, die es in mehrere Teile zerlegen läßt. Westlich vom Rhein, der das Schiefergebirge von Bingen [* 57] bis Bonn [* 58] (von Bingen bis Koblenz [* 59] fast ohne Thalsohle) durchbricht und sonach das ganze Plateau in zwei Flügel teilt, sind: der Hunsrücken (s. d.) zwischen Nahe, Saar und Mosel, mit dem 815 m hohen Walderbeskopf im Hochwald;
die an vulkanischen Gesteinen reiche Eifel (s. d.) im N. von der Mosel, mit der Hohen Acht (760 m);
das Hohe Venn (s. d.), eigentlich nur das nordwestlichste Glied der Eifel, kahl und öde und in seinem höchsten Teil große Torfmoore umschließend. Im O. vom Rhein sind: der Taunus (s. d.) mit dem Großen Feldberg (880 m), zwischen Main und Lahn;
der Westerwald (s. d.) zwischen Lahn und Sieg, mit dem Siebengebirge (s. d.);
das Sauerländische Gebirge (s. d.) mit dem Kahlen Astenberg (830 m), im Regierungsbezirk Arnsberg [* 60] nordwärts bis zur Ruhr und Möhne.
Auf der Westseite des Rheins tritt das produktive Steinkohlengebirge in der nördlichen Abdachung zum Tiefland bei Aachen und auf der Südseite an der Saar, nebst einem von Porphyr und Melaphyr vielfach durchbrochenen Gebiet von Rotliegendem an der Nahe, auf der Grenze gegen das Muschelkalkgebiet des Oberrheinischen Gebirgssystems und die Braunkohlenlager des Mainzer Beckens hervor. Auf der Ostseite des Rheins liegt das durch seinen Kohlenreichtum ausgezeichnete Ruhrkohlengebiet gleichfalls auf der Grenze gegen das Tiefland und ist nordwärts bereits unter den jüngern Schichten desselben begraben. Ältere Schichten des Kohlengebirges (Kulm, flözleerer Sandstein) bilden an der Möhne im Arnsberger Wald und auf der Ostseite in dem in das Buntsandsteingebiet halbinselartig vorspringenden Hainaschen Gebirge die äußersten Glieder [* 61] des Schiefergebirges, von der Diemel bis fast zur Schwalm von der Zechsteinformation eingefaßt.
2) Das Oberrheinische Gebirgssystem umfaßt die Gebirge im südwestlichen Deutschland und erstreckt sich längs der Ostseite des Schiefergebirges bis über die Weser hinaus, hier vielfach in das folgende System eingreifend. Seine Hauptglieder sind die Vogesen- und der Schwarzwald (s. d.), die beide, obwohl durch die Oberrheinische Tiefebene (s. d.) getrennt, die innigste Verwandtschaft zeigen: starke Abfälle zur Tiefebene, sanftere nach der entgegengesetzten Seite, gleichen Bau (Granit mehr in den Vogesen, Gneis mehr im Schwarzwald), fast gleiche Höhe (dort der Sulzer Belchen 1432 m, hier der Feldberg 1495 m). Während aber der Schwarzwald mit dem Aufhören des Buntsandsteins bereits in der Breite [* 62] von Karlsruhe, [* 63] mit dem Thal [* 64] der Pfinz, vollständig sein Ende erreicht, setzen sich die Vogesen im N. des Breuschthals als niedriges Buntsandsteingebirge (Haardt [s. d.] in der bayrischen Pfalz) bis zum Landstuhler Bruch fort, wo sich im N. das umfangreiche Gebiet des Rotliegenden und das Steinkohlengebirge von Saarbrücken [* 65] anschließen.
Auf der Ostseite des Rheins erscheint in der Fortsetzung des Systems der Odenwald (s. d.), am großartigsten am Neckardurchbruch bei Heidelberg [* 66] und längs der Bergstraße, woselbst Granit und Syenit vorherrschen, mehr einförmig im O., wo der Buntsandstein verbreitet ist, der sich auch über den Main im Spessart (s. d.) und zwischen den vulkanischen Gebilden der Rhön (s. d.) und des Vogelsbergs (s. d.) in das nördliche Hessen hinein fortsetzt und auf der östlichen Seite der Weser mit dem Sollinger Wald (s. d.) endet.
Das nordhessische Buntsandsteingebirge, das auf der Grenze gegen das Hercynische System (an der Werra etc.) durch die Zechsteinformation markiert wird, ist ausgezeichnet durch das zahlreiche Vorkommen von Basalten (Meißner 749 m), die sich aber wiederum vorzugsweise auf ein von mittlern Schichten der Tertiärformation [* 67] (Oligocän) angefülltes Becken, das sich von Kassel [* 68] südwärts bis zur Schwalm erstreckt und reich an Braunkohlenlagern ist, konzentrieren. Dieses Becken, in dem sich westlich von Kassel der basaltische Habichtswald (s. d.) erhebt, setzt sich nach S. fort, scheidet bei Gießen [* 69] den Vogelsberg vom Schiefergebirge und endet, aber ohne Basalte, mit dem schon genannten Mainzer Becken. Erwähnung verdient noch die in der Oberrheinischen Tiefebene isoliert liegende vulkanische Gruppe des Kaiserstuhls (s. d.), westlich von Freiburg. [* 70]
3) Das Hercynische oder Sudetensystem nimmt einen größern Raum ein als die beiden vorigen Systeme. Seine Bergzüge erstrecken sich vorzugsweise von SO. nach NW. und bilden zwei Reihen: die südliche beginnt mit dem Böhmisch-Bayrischen Waldgebirge und endet mit dem Teutoburger Walde, die nördliche umfaßt die Gebirge Schlesiens, sodann den Harz und das Wesergebirge;
innerhalb beider Reihen tritt vorzüglich das Erzgebirge hervor.
In den höhern Gebirgen dieses Systems sind die kristallinischen Gesteine (Granit, Gneis, Glimmerschiefer) sehr verbreitet. a) In der südlichen Reihe: das Böhmisch-Bayrische Waldgebirge (s. Böhmerwald), fast durchaus aus kristallinischem Gestein bestehend, zerfällt mit seinem höhern, südöstlichen Teil in den eigentlichen Böhmer- oder Bayrischen Wald, ein ausgedehntes Waldgebirge auf der böhmisch-bayrischen Grenze (der Große Arber in Bayern 1453 m), in eine waldreiche Nebenkette in Böhmen mit dem Kubany und in das bereits sehr entwaldete Donaugebirge (Dreitannenriegel 1216 m) in Bayern, das auf der Nordseite der Donau sich von Passau bis Regensburg [* 71] erstreckt.
Der niedrigere, nordwestliche Teil, von jenem durch die Becken von Bodenwöhr, Cham, Furth und Klattau (in Böhmen) geschieden, führt auf bayrischer Seite den Namen Oberpfälzer Wald, auf böhmischer Czerkowgebirge und reicht bis an das Fichtelgebirge (s. d.). Die Nab-Wondreb-Ebene liegt auf der Grenze gegen das letztere, das bis 1055 m (Schneeberg) ansteigt, gleichfalls in seinen verschiedenen Zügen aus kristallinischen Gesteinen besteht und eine wichtige Wasserscheide zwischen Donau, Elbe und Rhein abgibt.
Die nördlich liegende Platte, der Frankenwald (Döbraberg 799 m), zeigt im Bau noch eine Verwandtschaft mit dem Fichtelgebirge, die aber mit dem Beginn des Thüringer Waldes (s. d.) aufhört. Der breitere, südöstliche Teil desselben ist vorzugsweise aus Silur, Devon [* 72] und älterm Kohlengebirge (Kulm) zusammengesetzt; der schmälere, nordwestliche (Großer Beerberg 984 m) aber zeigt neben Porphyr, Melaphyr und Rotliegendem wiederum kristallinisches Gestein (Granit) und wird auf beiden Seiten von der Zechsteinformation eingefaßt, die auch den äußersten Nordsaum des südöstlichen Teils bezeichnet und gegen NW., wie schon gesagt, auf der Grenze gegen das Buntsandsteingebirge des ¶
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Titel
Deutschland.
[* 2] Die Bevölkerung des Deutschen Reichs belief sich nach der Zählung vom auf 46,855,704 Seelen, über deren Verteilung nachstehende Tabelle Auskunft gibt.
Areal und Bevölkerung (1. Dez. 1885).Staaten | Areal in QKilom. | Anteil am Gesamtareal | Bevölkerung 1885 | Anteil an der Bevölkerung | Einwohner auf 1 QKilom. | Zunahme, resp. Abnahme (-) gegen 1880 |
---|---|---|---|---|---|---|
Proz. | Proz. | |||||
Preußen | 348347.2 | 64.4 | 28318470 | 60.4 | 81 | 1039359 |
Bayern | 75859.7 | 14.0 | 5420199 | 11.6 | 71 | 135421 |
Sachsen | 14992.9 | 2.8 | 3182003 | 6.8 | 212 | 209198 |
Württemberg | 19503.7 | 3.6 | 1995185 | 4.3 | 102 | 24067 |
Baden | 15081.1 | 2.8 | 1601255 | 3.4 | 106 | 31001 |
Hessen | 7681.8 | 1.4 | 956611 | 2.0 | 124 | 20271 |
Meckl.-Schwerin | 13303.8 | 2.5 | 575152 | 1.2 | 43 | -1903 |
Sachs.-Weimar | 3594.9 | 0.7 | 313946 | 0.7 | 87 | 4369 |
Meckl.-Strelitz | 2929.5 | 0.5 | 98371 | 0.2 | 33 | -1898 |
Oldenburg | 6422.5 | 1.2 | 341525 | 0.7 | 53 | 4047 |
Braunschweig | 3690.4 | 0.7 | 372452 | 0.8 | 101 | 23085 |
S.-Meiningen | 2468.4 | 0.5 | 214884 | 0.5 | 87 | 7809 |
S.-Altenburg | 1323.8 | 0.2 | 161460 | 0.3 | 122 | 6424 |
Sachs.-Koburg-Gotha | 1956.5 | 0.4 | 198829 | 0.4 | 101 | 4113 |
Anhalt | 2347.4 | 0.4 | 248166 | 0.5 | 105 | 15574 |
Schwarzburg-Rudolstadt | 940.4 | 0.2 | 83836 | 0.2 | 89 | 3540 |
Schwarzburg-Sondershaus. | 862.1 | 0.2 | 73606 | 0.2 | 85 | 2499 |
Waldeck | 1121.0 | 0.2 | 56575 | 0.1 | 50 | 53 |
Reuß ält. Linie | 316.4 | 0.1 | 55904 | 0.1 | 177 | 5122 |
Reuß jüng. Linie | 825.7 | 0.2 | 110598 | 0.2 | 134 | 9268 |
Schaumb.-Lippe | 339.7 | 0.1 | 37204 | 0.1 | 109 | 1830 |
Lippe | 1215.2 | 0.2 | 123212 | 0.3 | 101 | 2966 |
Lübeck | 297.7 | 0.1 | 67658 | 0.1 | 227 | 4087 |
Bremen | 255.6 | 0.1 | 165628 | 0.4 | 648 | 8905 |
Hamburg | 409.8 | 0.1 | 518620 | 1.1 | 1265 | 64751 |
Elsaß-Lothring. | 14509.4 | 2.7 | 1564355 | 3.3 | 108 | -2315 |
Deutsches Reich: | 540596.6 | - | 46855704 | - | 87 | 1621643 |
Das Wachstum der Bevölkerung beträgt seit 1880: 1,621,643 Seelen und bleibt hinter dem Überschuß der Geburten über die Sterbefälle, der sich in der Periode 1880 - 85 auf 2,601,858 belief, um 980,215. Köpfe zurück. Von letztern entfallen auf die überseeische Auswanderung 817,763 Köpfe, der weitere Verlust von 162,452 Personen ist durch die sonstige, nicht kontrollierbare Auswanderung nach dem Ausland zu erklären. Die stärkste Zunahme weisen nächst den Städten Berlin [* 73] und Hamburg [* 74] die Rheinprovinz (inkl. Regierungsbezirk Arnsberg und Fürstentum Birkenfeld), sodann das Königreich Sachsen nebst den acht thüringischen Staaten, endlich die Provinz Sachsen nebst Regierungsbezirk Hildesheim [* 75] und den Herzogtümern Braunschweig [* 76] und Anhalt [* 77] auf. Am ¶
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231 größten war der Verlust durch Auswanderung in der Provinz Posen, den Provinzen und Staaten an der Ostsee, ferner in Württemberg, [* 79] Baden, der Rheinpfalz und Elsaß-Lothringen. Im allgemeinen hat sich aber die überseeische Auswanderung seit 1885 etwas vermindert, nämlich von 110,078 (1885) auf 103,462 (1888). In letzterm Jahr wanderten über deutsche Häfen 80,671, über Antwerpen [* 80] 14,057, über holländische Häfen 3787 und über französische 4947 Personen aus.
Die Dichtigkeit der Bevölkerung ist seit 1880 von 84 auf 87 pro QKilometer gestiegen. Am dichtesten ist sie in Sachsen und Thüringen, ferner in Rheinland und Westfalen, am dünnsten in den preußischen Provinzen an der Ost- und Nordsee, in Posen, Mecklenburg [* 81] und Oldenburg. [* 82] Hinsichtlich des Geschlechts gab es 22,933,644 männliche, 23,922,040 weibliche Personen, woraus sich ein Verhältnis der weiblichen zur männlichen Bevölkerung von 104,3 zu 100 ergibt. Nur in der Rheinprovinz und Westfalen (mit 98,5 weiblichen auf 100 männliche) tritt ein Überwiegen der männlichen Bevölkerung hervor, im Königreich Sachsen und Thüringen, Württemberg, Posen, Ost- und Westpreußen, der Stadt Berlin und dem Regierungsbezirk Oppeln [* 83] übertrifft die weibliche Bevölkerung an Zahl erheblich die männliche (106 -109:100). Nach dem Familienstand unterschied man
Männlich | Weiblich | Insgesamt | |
---|---|---|---|
Ledige | 14249297 | 13895459 | 28144756 |
Verheiratete | 7910620 | 7944444 | 15855064 |
Verwitwete | 750884 | 2037206 | 2788090 |
Geschiedene | 22863 | 44931 | 67794 |
oder in Prozenten bei jedem der beiden Geschlechter: Ledige 62, resp. 58,1 Proz., Verheiratete 34,5, resp. 33,2 Proz., Verwitwete 3,3, resp. 8,5 Proz. und Geschiedene 0,1, resp. 0,2 Proz. In betreff des Alters ergab die Volkszählung 35,5 Proz. im Alter unter 15 Jahren, 38,1 Proz. zwischen 15 und 40 Jahren, 18,3 Proz. zwischen 40 und 60 und 0,8 über 60 Jahre alt. Im produktiven Alter (15 - 70 Jahre) standen 61,8 Proz., im Greisenalter 2,7 Proz. Am stärksten war das produktive Alter in den Städten Berlin und Hamburg, ferner in Oberbayern, Mecklenburg-Strelitz und der Kreishauptmannschaft Bautzen vertreten.
Wenn man die Orte mit mehr als 2000 Einw. als städtisch, die mit weniger als 2000 als ländlich betrachtet, so wohnten 1885: 43,7 Proz. der Bevölkerung in Städten (1871 erst 36,1 Proz.), 56,3. Proz. auf dem Land. Von den 78,637 Gemeinden des Deutschen Reichs waren 2310 Städte, 58,724 Landgemeinden, 17,603 Gutsbezirke. 2771 Gemeinden hatten eine Bevölkerung von mehr als 2000 Einw., und zwar hatten 21 Städte mehr als 100,000 Einw., 116 zwischen 20,000 - 100,000, 683 zwischen 5000 - 20,000 und 1951 zwischen 2 - 5000 Einw. Seit 1880 hat sich besonders die Bevölkerung der Großstädte (mit mehr als 100,000 Einw.) vermehrt: von 7,2 auf 9,5 der Gesamtbevölkerung.
Man zählte 5,630,304 bewohnte und 107,479 unbewohnte Wohnhäuser, [* 84] außerdem waren 32,525 gewöhnlich nicht zu Wohnzwecken bestimmte Baulichkeiten bewohnt, darunter 9772 Schiffe [* 85] und Wagen. Die Bevölkerung lebte in 9,999,558 Haushaltungen, wovon 677,743 Einzelhaushaltungen und 33,102 Anstalten waren. Auf ein bewohntes Gebäude kamen 8,27 Personen (die meisten in Berlin, Ost- und Westpreußen und Posen) und 1,77 Haushaltungen. Unter der ortsanwesenden Bevölkerung waren 44,771,503 Angehörige des betreffenden Staats 1,711,409 Angehörige andrer Bundesstaaten, 372,792 Reichsausländer.
Nach dem Religionsbekenntnis gab es 1885 in:Staaten | Evangelische | Katholiken | Juden | Andre Christen |
---|---|---|---|---|
Preußen | 18244405 | 9621763 | 366575 | 82030 |
Bayern | 1521114 | 3839440 | 53697 | 5731 |
Sachsen | 3075961 | 87762 | 7755 | 10263 |
Württemberg | 1378216 | 598339 | 13171 | 5322 |
Baden | 566327 | 1004388 | 27104 | 3322 |
Hessen | 641881 | 278450 | 26114 | 8005 |
Mecklenburg-Schwerin | 568425 | 3979 | 2347 | 326 |
Sachsen-Weimar | 301333 | 10880 | 1313 | 405 |
Mecklenburg-Strelitz | 97516 | 303 | 497 | 55 |
Oldenburg | 264304 | 74363 | 1650 | 1180 |
Braunschweig | 357604 | 12588 | 1470 | 709 |
Sachsen-Meiningen | 210188 | 2930 | 1521 | 214 |
Sachsen-Altenburg | 160156 | 1113 | 39 | 147 |
Sachsen-Koburg-Gotha | 195710 | 2472 | 519 | 98 |
Anhalt | 240983 | 5492 | 1601 | 89 |
Schwarzburg-Rudolstadt | 83205 | 527 | 45 | 45 |
Schwarzburg-Sondersh. | 72667 | 648 | 237 | 53 |
Waldeck | 54208 | 1454 | 804 | 109 |
Reuß ältere Linie | 55072 | 582 | 49 | 149 |
Reuß jüngere Linie | 109202 | 921 | 129 | 340 |
Schaumburg-Lippe | 36273 | 596 | 303 | 26 |
Lippe | 118279 | 3865 | 1024 | 32 |
Lübeck | 65997 | 805 | 644 | 101 |
Bremen | 157944 | 6196 | 840 | 646 |
Hamburg | 477936 | 15553 | 16848 | 2505 |
Elsaß-Lothringen | 312941 | 1210325 | 36876 | 3771 |
Deutsches Reich1: | 29369847 | 18785734 | 568172 | 125673 |
1Die Bekenner andrer Religionen als der hier angeführten, die Einwohner mit unbestimmter und solche ohne Angabe der Religion (zusammen im Deutschen Reich 11,278) sind in die vorstehende Tabelle nicht mit aufgenommen.
Eheschließungen fanden 1888: 376,654 statt; von 1,828,379 Gebornen waren 66,972 Totgeborne und 169,645 (9,28 Proz.) unehelich; der Überschuß der Geburten über die Sterbefälle (1,209,798) betrug 618,581 und hat gegen 1885 um 88,396 Köpfe zugenommen.
[Landwirtschaft.] Im J. 1888 hatte der Anbau der wichtigsten Feldfrüchte folgende Ausdehnung:
Erntefläche | Erntemenge | |||
---|---|---|---|---|
Roggen | 5814253 | Hektar, | 5522740 | Tonnen |
Weizen | 1933337 | = | 2530842 | = |
Spelz | 365506 | = | 336017 | = |
Gerste | 172[?]115 | = | 2260590 | = |
Kartoffel | 2920330 | = | 21910996 | = |
Hafer | 38[?]2488 | = | 4647583 | = |
Wiesenheu | 5902693 | = | 15469931 | = |
(Anmerkung des Editors: [?]...einzelne Ziffern im Original unleserlich) Der seit 1885 etwas zurückgegangene Anbau von Tabak [* 86] hat sich in den Jahren 1887 und 1888 ein wenig gehoben, ist aber neuerdings wieder gesunken; im Betriebsjahr 1887/88 waren 21,466 Hektar (1889: 17,405 Hektar) mit Tabak bepflanzt, die an getrockneten Tabaksblättern 40,866 Ton. ergaben. Die Zahl der Zuckerfabriken ist von 408 (1884/85) auf 391 zurückgegangen, in welchen 910,698 T. Rohzucker und 183,037 T. Melasse aus 6,96 Mill. T. Rüben produziert wurden. Außerdem lieferten 30 Stärkezuckerfabriken 13,904 T. Stärkezucker, 33,516 T. Sirup und 2180 T. Kouleur. Das definitive Ergebnis der Viehzählung vom weicht von den ersten Erhebungen wenig ab; es wurden gezählt: 3,522,545 Pferde, [* 87] 15,786,764 Stück Rindvieh,19,189,715 Schafe, [* 88] 9.206,195 Schweine [* 89] und 2,640,994 Ziegen. Im Durchschnitt kommen auf 100 Hektar 6,5 Pferde, 29,2 Rindvieh, 35,5 Schafe, 17 Schweine und 4,9 Ziegen.
[Industrie.] Im J. 1887 waren in 2436 Bergwerken (darunter 290 Nebenbetriebe) 337,634 Personen beschäftigt und förderten 88,873,000 T. Bergwerksprodukte im Wert von 448,8 Mill. Mk. Die Produktion stieg 1888 auf 95,866,220 T. im Wert von ¶
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494,7 Mill. Mk. Der Betrieb ergab im einzelnen für 1887, verglichen mit 1888, folgende Resultate:
1887 | 1888 | |||
---|---|---|---|---|
Steinkohlen | 60334000 | Ton., | 65386100 | Ton. |
Braunkohlen | 15898600 | = | 16574000 | = |
Eisenerze | 9351100 | = | 10664300 | = |
Kupfererze | 507600 | = | 531000 | = |
Zinkerze | 900700 | = | 667800 | = |
Bleierze | 157600 | = | 161800 | = |
Silber- und Golderze | 25700 | = | 20400 | = |
Steinsalz | 405400 | = | 414600 | = |
Kalisalze | 1080100 | = | 1235300 | = |
Von Salzen aus wässeriger Lösung wurden 1888 gewonnen: 806,600 T. im Wert von 39,4 Mill. Mk., darunter 496,400 T. Kochsalz. Die Zahl der Hüttenwerke betrug 1888: 411 (darunter 166 Nebenbetriebe) mit einer mittlern Belegschaft von 43,271 Köpfen;
der Wert der Hüttenprodukte bezifferte sich auf 350,4 Mill. Mk. Im einzelnen wurden produziert:
1887 | 1888 | |||
---|---|---|---|---|
Roheisen | 4024000 | Ton., | 4337100 | Ton. |
Kupfer | 20800 | = | 21600 | = |
Zink | 130500 | = | 133200 | = |
Blei | 99400 | = | 101600 | = |
Schwefelsäure | 382900 | = | 399900 | = |
Silber | 367600 | Kilogr., | 406600 | Kilogr. |
Gold | 2251 | = | 1793 | = |
Ende September 1887 waren 40,245 Brennereien vorhanden, ferner im Brausteuergebiet (Mittel- und Norddeutschland) 10,111 Brauereien, welche im Betriebsjahr 1888/89: 28,7 Mill. hl Bier produzierten, hierzu kommt die Bierproduktion in Süddeutschland mit 18,9 Mill. hl. Die Kranken- und Unfallversicherung der Arbeiter hatte Ende 1887 folgenden Umfang: es bestanden 19,573 Krankenkassen mit 4,842,226 Mitgliedern. Bei der Unfallversicherung waren in 319,453 Betrieben 4,121,537 Personen (mit Einschluß der dem Reichs- und Staatsbetrieb angehörigen) versichert. Die Ausgaben des Jahrs 1887 beliefen sich: für Entschädigungen auf 5,9 Mill. Mk., als Rücklage zum Reservefonds auf 9,9 Mill, Mk., der Reservefonds hatte einen Bestand von 15,7 Mill. Mk.
[Handel und Verkehr.] Am sind Hamburg und Bremen [* 91] nebst einigen preußischen und oldenburgischen Gebietsteilen dem deutschen Zollgebiet einverleibt worden. Seitdem verbleiben nur die Freihafengebiete von Hamburg und Bremen (im NW. dieser Stadt, am rechten Weserufer), die Hafenanlagen von Kuxhaven, Bremerhaven und Geestemünde und der Hafen von Brake vom Zollverein ausgeschlossen. Diese Veränderungen haben auch auf die Ziffern des Warenverkehrs mit dem Ausland im letzten Quartal 1888 ihren Einfluß ausgeübt.
Für 1888 betrug die Einfuhr (ohne Edelmetalle) in den freien Verkehr 21,867,489 T. im Wert von 3290,7 Mill. Mk. (gegen 1887 mehr 166 Mill. Mk.); die Ausfuhr (ohne Edelmetalle) aus dem freien Verkehr 20,740,077 T. im Wert von 3205,9 Mill. Mk. (gegen 1887 mehr 70,5. Mill. Mk.). Die Einfuhr an Edelmetallen belief sich auf 145 Mill., die Ausfuhr auf 147 Mill. Mk. Seit 1885 zum erstenmal übersteigt die Einfuhr an Menge und Wert die Ausfuhr, und zwar hat die Einfuhr bei Rohstoffen und einfach bearbeiteten Gegenständen gegenüber dem Vorjahr um 128 Mill., bei Fabrikaten um 38 Mill. Mk. zugenommen, während die Ausfuhr bei erstern sich nur um 71 Mill. Mk. steigerte, dagegen bei letztern um 0,9 Mill. Mk. abnahm. Bei den einzelnen Warengruppen hatten Einfuhr und Ausfuhr 1888 folgenden Wert (in Tausenden Mark):
Waren * bedeutet: Rohstoffe und Fabrikate | Einfuhr | Ausfuhr | |
---|---|---|---|
1) | Vieh und andre lebende Tiere | 155664 | 94507 |
2) | Sämereien und Gewächse | 42596 | 26178 |
3) | Dungmittel und Abfälle | 81022 | 21151 |
4) | Brennstoffe | 71000 | 115099 |
5) | Nahrungs- und Genußmittel | 751287 | 391389 |
6) | Fette und Öle | 215276 | 26600 |
*7) | Chemische Industrie | 242845 | 236109 |
*8) | Stein-, Thon- und Glasindustrie | 51193 | 117409 |
*9) | Metallindustrie | 152004 | 337643 |
*10) | Holz-, Schnitz- und Flechtindustrie | 170696 | 113008 |
*11) | Papierindustrie | 14226 | 94631 |
*12) | Leder- und Rauchwarenindustrie | 167321 | 236922 |
*13) | Textilindustrie | 1025425 | 1075239 |
*14) | Kautschukindustrie | 28402 | 23046 |
15) | Eisenbahnfahrzeuge, gepolsterte Wagen und Möbel | 510 | 2847 |
16) | Maschinen, Instrumente, Apparate | 49450 | 133342 |
17) | Kurzwaren und Schmuck | 25520 | 85369 |
18) | Gegenstände der Litteratur und bildenden Kunst | 26291 | 72396 |
Die deutsche Handelsmarine umfaßte an Schiffen von mehr als 50 cbm 3635 mit 1,233,894 Registertonnen Raumgehalt, darunter 750 Dampfschiffe mit 502,579 Registertonnen. Davon entfielen auf das Königreich Preußen [* 92] 2255 Schiffe von 354,213 T., auf Hamburg 493 Schiffe von 382,007 T., auf Bremen 341 Schiffe von 325,594 T. Die Binnenschiffahrt wies 1887 einen Bestand von 19,237 Segel- und 1153 Dampfschiffen auf; erstere hatten eine Tragfähigkeit von 2,049,413 T., letztere eine solche von 51,292 T.; unter den Dampfern waren 149 Güterdampfer von 20,517 T. Die meisten Schiffe waren in der Provinz Brandenburg [* 93] und im Hamburger Gebiet heimatberechtigt.
Die Seeschiffahrt hatte 1888 folgenden Umfang: angekommen 60,081 Schiffe von 11,620,927 T., davon 50,032 zu 10,432,571 T. mit Ladung, abgegangen 60,231 Schiffe von 11,613,103 T., davon 44,512 Schiffe zu 8,353,935 T. mit Ladung. Das deutsche Eisenbahnnetz hatte 1888 eine Länge von 40,203 km, wovon 9075 km auf Sekundärbahnen entfielen; Staatsbahnen [* 94] waren 34,702 km, von den Privatbahnen standen 290 km unter Staatsverwaltung. Im Betriebsjahr 1887/88 wurden 316 Mill. Personen und 178,8 Mill. T. Güter befördert.
Die Einnahmen aus dem Güterverkehr betrugen 750,7 Mill., aus dem Personenverkehr 293,9 Mill. Mk. Der Überschuß der Betriebseinnahmen betrug 505,4 Mill. Mk. Die Zahl der Postanstalten betrug Ende 1888: 20,656, darunter 18,508 im Reichspostgebiet. Befördert wurden im ganzen Deutschen Reich: 1252 Mill. Briefe und Karten, 101,7 Mill. Pakete ohne Wertangabe, 12 Mill. Briefe und Pakete mit Wertangabe, 71,8 Mill. Postanweisungen. Die Geldsendungen hatten einen Gesamtwert von 18,672 Mill. Mk. An Telegraphenanstalten bestanden 15,735, darunter 13,887 im Reichspostgebiet. Das Telegraphennetz hatte eine Länge von 92,383 km. Die Zahl der beförderten Telegramme belief sich auf 24 Mill. Stück, davon interne 15,5 Mill., internationale 3,1 Mill.
Den Geldvorrat und Geldumlauf in Deutschland schätzte man Anfang 1889 auf 3414 Mill. Mk. (einschließlich 127 Mill. Reichskassenscheine und 210 Mill. ungedruckte Banknoten) oder 71,13 Mk. pro Kopf.
[Finanzen.]
Der Reichshaushaltsetat 1890/91 wurde in Einnahme und Ausgabe auf 1,193,082,286 Mk.festgesetzt, Von den Ausgaben waren fortdauernde: 852,151,865 Mk., einmalige 340,930,421 Mk. (davon 266,607,053 Mk. außerordentliche). Im einzelnen betragen die Ausgaben: ¶
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Titel
Deutschland.
[* 2] Am fand im Deutschen Reiche eine Volkszählung statt, über deren Ergebnisse noch keine amtlichen Veröffentlichungen vorliegen¹. Nach den Mitteilungen in der Tagespresse betrug die
Volkszahl in den deutschen Städten über 20,000 Einw.
(Zunahme gegen 1885 in Proz., * bedeutet Abnahme)
Städte | Einw. | Zun. Proz. | Städte | Einw. | Zun. Proz. |
---|---|---|---|---|---|
Berlin | 1574485 | 19.7 | Regensburg | 37567 | 4.0 |
Hamburg | 323729 | 5.9 | Kaiserslautern | 37159 | 18.1 |
- m. Vorort | 570534 | 21.0 | Flensburg | 36873 | 10.6 |
Leipzig | 178549 | 4.8 | Königshütte, Schl. | 36315 | 13.2 |
- m. Vorort | 355485 | 21.8 | Ulm | 36210 | 7.7 |
München | 321629 | 22.7 | Halberstadt | 36103 | 6.1 |
- m. Vorort. | 345152 | 23.1 | Trier | 35526 | 35.9 |
Breslau. | 334710 | 11.7 | Bamberg | 35248 | 11.8 |
Köln | 189970 | 17.7 | Hagen i. Westf. | 35162 | 18.7 |
- m. Vorort | 280206 | 17.0 | Offenbach | 35154 | 11.5 |
Dresden | 276085 | 12.1 | Harburg | 34800 | 31.4 |
Magdeburg | 138544 | 21.2 | Dessau | 34626 | 24.7 |
- m. Vorort | 201913 | 26.5 | Kottbus | 34620 | 22.6 |
Frankfurt a. M. | 179850 | 16.4 | Rixdorf, D. | 34532 | 51.6 |
Hannover | 163100 | 16.7 | Schwerin | 34011 | 7.9 |
Königsberg | 161520 | 6.8 | Hildesheim | 33400 | 13.6 |
Düsseldorf | 145738 | 26.5 | Barmbeck, V. | 331410 | 48.0 |
Altona | 114318 | 9.1 | Koblenz | 32669 | 3.1 |
- m. Vorort | 144636 | 14.5 | Altendorf, D. | 31859 | 23.9 |
Nürnberg | 142403 | 23.9 | Heidelberg | 28631 | 6.3 |
Stuttgart | 139659 | 10.9 | - m. Neuenheim | 31725 | |
Chemnitz | 138855 | 25.3 | Altenburg | 31520 | 8.2 |
Mühlheim a. R. | 31005 | 24.1 | |||
Elberfeld mit Sonnborn. | 125830 | 15.2 | Beuthen, Schl. | 30823 | 16.3 |
Bremen | 125760 | 6.2 | Heilbronn | 30226 | 8.8 |
Straßburg | 123566 | 10.3 | Pforzheim | 29987 | 10.2 |
Danzig | 120489 | 4.9 | Kolmar | 29649 | 11.7 |
Barmen | 116143 | 12.5 | Guben | 29292 | 8.1 |
Stettin | 116139 | 16.6 | Freiberg | 29234 | 8.1 |
Krefeld | 105371 | 16.7 | Gotha | 29094 | 4.6 |
Aachen | 103140 | 8.2 | Borbeck, D. | 28624 | 16.6 |
Halle a. S. | 101277 | 23.5 | Ludwigshafen, R. | 28285 | 34.4 |
Braunschweig. | 100488 | 17.9 | Mühlheim, Ruhr | 28106 | 14.8 |
Dortmund | 89518 | 14.1 | Gelsenkirchen | 28033 | 38.1 |
Mannheim | 79044 | 29.0 | Linden i. Hann | 28015 | 9.5 |
Essen | 78723 | 20.9 | Bernburg | 27893 | 28.8 |
Mülhausen i. E. | 76968 | 10.4 | Stralsund | 27820 | *4,0 |
Charlottenburg | 76873 | 81.4 | Landsberg a. W. | 27715 | 11.3 |
Augsburg | 75523 | 14.5 | Mühlhausen, Th. | 27231 | 8.3 |
Karlsruhe | 73496 | 20.3 | Rheydt | 26962 | 18.9 |
Erfurt | 72414 | 24.0 | Nordhausen | 26744 | *1,2 |
Mainz | 72281 | 9.7 | Thorn | 26712 | 11.7 |
Kassel | 72086 | 12.4 | Witten | 26310 | 10.1 |
Posen | 69673 | 1.9 | Worms | 25504 | 16.7 |
Kiel | 68827 | 33.1 | Zittau | 25394 | 9.3 |
Wiesbaden | 64692 | 16.6 | Oberhausen | 25125 | 23.3 |
Lübeck | 63556 | 14.7 | Hanau | 25013 | 2.6 |
Görlitz | 61963 | 11.2 | Hamm | 24798 | 10.1 |
Würzburg | 60844 | 10.5 | Schweidnitz | 24798 | 3.9 |
Metz | 60194 | 11.6 | Hof | 24548 | 10.2 |
Duisburg | 59300 | 24.7 | Weimar | 24404 | 13.1 |
Baireuth | 24364 | 3.4 | |||
Darmstadt mit Bessungen | 56931 | 11.7 | Tilsit | 24088 | 7.4 |
Frankfurt a. O. | 55489 | 2.5 | Weißenfels | 23909 | 9.8 |
Potsdam | 53727 | 5.5 | Eisleben | 23903 | 3.1 |
München-Gladb. | 49620 | 12.1 | Stolp i. Pomm. | 23837 | 6.2 |
Münster i. W. | 49013 | 11.2 | Göttingen | 23744 | 10.1 |
Freiburg i. B. | 47270 | 14.4 | Stargard i. P. | 23738 | 7.3 |
- m. Vorort | 48788 | 14.5 | Forst i. L. | 23542 | 26.2 |
Bochum | 47501 | 16.5 | Glauchau | 23307 | 7.3 |
Plauen | 46899 | 9.4 | Neuß | 22677 | 12.9 |
Liegnitz | 46851 | 8.0 | Aschersleben | 22576 | 4.9 |
Eimsbüttel, V. | 46368 | 78.1 | Neiße | 22366 | 2.4 |
Spandau | 44611 | 39.3 | Insterburg | 22237 | 6.3 |
Rostock | 44430 | 12.8 | Meerane | 22213 | 0.9 |
Zwickau | 43941 | 11.9 | Eßlingen | 22156 | 6.1 |
Fürth | 42659 | 20.3 | Viersen | 22143 | *0,3 |
Elbing | 40821 | 6.6 | Iserlohn | 22104 | 9.9 |
Bromberg | 40655 | 12.0 | Düren | 21702 | 9.5 |
Remscheid | 40382 | 18.8 | Zeitz | 21680 | 9.5 |
Bonn | 40162 | 11.5 | Bautzen | 21636 | 13.2 |
Bielefeld | 39942 | 14.3 | Apolda | 21404 | 18.5 |
Osnabrück | 39921 | 11.2 | Pirmasens | 21045 | 40.8 |
Gera | 39565 | 15.8 | Greifswald | 20937 | 2.9 |
Brandenburg, H. | 37917 | 14.4 | Quedlinburg | 20765 | 7.4 |
¹ Die ersten vorläufigen Ergebnisse der Zählung sind von den Einzelstaaten bis zum dem kaiserl. Statistischen Amt einzuliefern, die endgültigen Feststellungen bis und in eingehendern Bearbeitungen bis 1. Juli und ¶
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Städte | Einw. | Zun. Proz. | Städte | Einw. | Zun. Proz. |
---|---|---|---|---|---|
Wesel | 20736 | 0.2 | Graudenz | 20393 | 17.6 |
Ratibor | 20729 | 6.1 | Kannstatt | 20267 | 12.3 |
Lüneburg | 20681 | 6.9 | Minden | 20208 | 8.6 |
Gießen | 20611 | 8.4 | Brieg | 20154 | 6.6 |
Wandsbeck | 20586 | 15.9 | Greiz | 20144 | 16.5 |
Glogau | 20494 | 2.3 |
Die Zahl der deutschen Auswanderer zur See betrug 1889: 90,332 Personen; davon wählten 48,972 den Weg über Bremen, 22,963 über Hamburg, 16,231 über belgische, holländische oder französische Häfen. Die große Mehrzahl der Auswanderer (84,497) wandte sich nach den Vereinigten Staaten [* 96] von Nordamerika, [* 97] 2412 nach Brasilien. [* 98] Verhältnismäßig am stärksten war die Auswanderung (wie in beiden Vorjahren) in Westpreußen (694 auf 100,000 Einw.), Posen u. Pommern, am geringsten in Anhalt, Sachsen-Altenburg, Schlesien und der Provinz Sachsen. Die Gesamtzahl der überseeischen Auswanderer (Deutscher und Fremder) über deutsche Häfen betrug 1889: 180,909 Personen, so daß auf 100 deutsche 144 ausländische Auswanderer kamen. Über Bremen wurden 104,065, über Hamburg 74,248 Personen befördert.
Landwirtschaft. Im J. 1889 lieferte die Ernte [* 99] einen geringern Ertrag, als der Durchschnitt des Jahrzehnts 1879-88 betrug. Der Anbau der wichtigsten Feldfrüchte hatte folgende Ausdehnung:
Erntefläche | Erntemenge | |
---|---|---|
Roggen | 5801889 Hektar | 5363426 Ton. |
Weizen | 1956441 | 2372413 |
Spelz | 366110 | 299918 |
Gerste | 1685000 | 1938419 |
Hafer | 3886627 | 4197124 |
Hülsenfrüchte | 852463 | 671241 |
Kartoffeln | 2917720 | 26603965 |
Runkelrüben (Futter) | 396779 | 7387722 |
Wiesenheu | 5909337 | 18423230 |
Die mit Tabak bepflanzte Bodenfläche war im Erntejahr 1889/90 um 633 Hektar geringer als im Vorjahr, lieferte aber einen um 12,641 Ton. höhern Ertrag an getrockneten Tabaksblättern; es wurden nämlich auf 17,400 Hektar 39,000 T. Blätter im Werte von 31,956,800 Mk. geerntet. 1890 ist die Größe der mit Tabak bepflanzten Ländereien auf 20,195 Hektar gestiegen. Auch die Zuckerindustrie hat einen erheblichen Aufschwung genommen; es wurden im Betriebsjahr 1889/90: 9,8 Mill. T. Rüben (fast 2 Mill. T. mehr als im Vorjahr) verarbeitet und 1,205,310 T. Rohzucker und 679,199 T. raffinierter und Konsumzucker hergestellt. Die Weinernte blieb hinter dem zehnjährigen Durchschnitt erheblich zurück; es wurden auf 120,935 Hektar 2,021,569 hl Wein (288,827 hl weniger als im Vorjahr) geerntet.
Industrie. Im J. 1889 waren in 2189 Bergwerken (darunter 285 Nebenbetriebe) 364,932 Personen beschäftigt und förderten 96,243,433 Ton. Bergwerksprodukte im Werte von 548,9 Mill. Mk. Gegen das Vorjahr hat sich die Produktion um 3,6 Mill. T., der Wert der Produkte aber um 60,6 Mill. Mk. gesteigert. Im einzelnen betrug die Produktion:
1888 | 1889 | |
---|---|---|
Steinkohlen | 65386120 Ton. | 67342171 Ton. |
Braunkohlen | 16573963 - | 17631059 |
Eisenerze (inkl. Luxemburg) | 10664307 - | 11002187 |
Kupfererze | 530956 - | 573290 |
Zinkerze | 667761 - | 708829 |
Bleierze | 161777 - | 169569 |
Silber- und Golderze | 20389 - | 22264 |
Steinsalz | 414557 - | 544591 |
Kalisalze | 1235335 - | 1185749 |
Dem Wert nach wurden die geförderten Steinkohlen 1889 auf 385 Mill. Mk. (1888: 341 Mill.), Braunkohlen 44,3 Mill. (40,9 Mill.), Eisenerze 46,5 Mill. (39,9 Mill.), Kupfererze 18,2 Mill. (17,5 Mill.), Zinkerze 17,7 Mill. (13,7 Mill.), Bleierze 17,7 Mill. (16,7 Mill.), Silber- und Golderze 4 Mill. (4 Mill.), Steinsalz 2,2 Mill. (1,8 Mill.), Kalisalze 15,1 Mill. (14,9 Mill.) geschätzt. Von Salzen aus wässeriger Lösung wurden 1889 gewonnen: 814,464 T. im Werte von 39,7 Mill. Mk., darunter 492,522 T. Kochsalz. Die Produktion der Hütten [* 100] ergab 1889 in Deutschland und Luxemburg:
Menge | Wert | |
---|---|---|
Roheisen | 3962823 Ton. | 195890232 Mk. |
Kupfer | 24597 - | 28108643 |
Zink | 135974 - | 49334620 |
Blei | 100600 - | 25490125 |
Schwefelsäure | 431258 - | 14191631 |
Nickel und Wismut | 781 - | 4706521 |
Silber | 403037 kg | 50812728 |
Gold | 1958 - | 5465508 |
Die chemische Industrie hat wie schon seit einigen Jahren auch im J. 1889 eine Steigerung der Produktion erfahren; die Zahl der Betriebe stieg auf 4809, in denen 90,585 Arbeiter Beschäftigung fanden. Die Einfuhr von Rohstoffen zur Erzeugung von Chemikalien ist um 147,000 Ton. gegen das Vorjahr gestiegen, während die Ausfuhr davon sich um 29,000 Ton. verminderte. Die in der chemischen Industrie bestehenden 85 Aktiengesellschaften mit einem eingezahlten Kapital von 188 Mill. Mk. verteilten im Durchschnitt 10½ Proz. Dividende, 24 davon gar keine und 7 mehr als 15 Proz.
Der Anschluß von Hamburg und Bremen an die Branntweinsteuergemeinschaft des Deutschen Reiches (Oktober 1888) ist, wie bei der geringen Zahl der dortigen Brennereien vorauszusehen war, ohne Einfluß auf die deutsche Branntweinproduktion geblieben. Im Betriebsjahr 1888/89 waren von 90,313 vorhandenen Brennereien 65,652 in Betrieb (17,237 mehr als im Vorjahr); die Produktion an reinem Alkohol betrug 2,727,061 hl, wofür nach Abzug der Rückvergütung 139 1/7 Mill. Mk. an Steuern gezahlt wurden (22⅔ Mill. Mk. mehr als im Vorjahr). An reinem Alkohol wurden gegen Entrichtung der Verbrauchsabgabe 2,179,000 hl (im Vorjahr 1,684,000 hl) in den freien Verkehr gesetzt, dagegen abgabenfrei zu gewerblichen Zwecken verwandt 431,300 hl (im Vorjahr 387,600 hl).
Das Eisenbahnnetz hat 1890 eine Länge von 42,022 km erreicht, wovon 36,967 km auf Staatsbahnen entfallen. Die Zahl der Postanstalten betrug 1889: 23,410, darunter 21,212 im Reichspostgebiet;
13 deutsche Postagenturen befanden sich in den Schutzgebieten.
Telegraphenanstalten gab es in Deutschland 12,431, davon 10,607 im Reichstelegraphengebiet; die Länge der Linien betrug 98,391, resp. 86,212 km. Das im Post- und Telegraphenverkehr beschäftigte Personal betrug 120,629 Personen, davon 107,823 im Reichspostgebiet. Befördert wurden in Deutschland 1338 Mill. Briefe und Postkarten (im Reichspostgebiet 1176 Mill.), 389 Mill. Drucksachen und Warenproben (350 Mill.), 77 Mill. Postanweisungen und 9 Mill. Geldbriefe (67, resp. 7,8 Mill.); der Gesamtwert der Geldsendungen betrug 22,241 Mill. Mk. (19,924 Mill.), das Gewicht der beförderten Pakete 4½ Mill. Doppelzentner. 1889 besaßen 214 Orte Fernsprecheinrichtung; die Länge der Linien betrug 8179 km, die der Leitungen 71,985 km, die Zahl der Teilnehmer an der Benutzung 42,824. Verbindungsanlagen zwischen verschiedenen Städten gab es 205.
Vgl. auch die Einzelartikel: »Eisenbahn«, »Post« etc. ¶
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Armeekorps und Generalkommandos | Divisionen-Nummer | Stabsquartiere | Brigaden und Infanterie-Regimenter | Kürassiere | Ulanen | Husaren | Dragoner | |||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Brig. Nr. | Infanterie-Reg.-Nr. | Brig. Nr. | Infanterie-Reg.-Nr. | Regiment, Nummer | ||||||
Garde Berlin | 1. | Garde-Infanterie Berlin | 1. G. | 1. G. z. F., 3. G. z. F. | 2. G. | 2. G. z. F., G-Füs., 4. G. z. F. | G. du Corps 1. G. | 1. G. 2. G. 3. G. | G. 4. G. | 1. G. 2. G. 3. G. |
2. | Garde-Infanterie Berlin | 3. G. | G.-Grd. 1.3. G.-Grd. | 4. G. | G.-Grd. 2, G.-Grd. 4 | G. 1. G. | 2. G. 4. G. | - | - | |
I. Königsberg i. Pr | 1. | Königsb. i. Pr. | 1. | 1. 41 | 2. | 33. 59 | 3. 1 | 8. 2; 12. 37 | - | 1. 1; 10. 2; 11. 37 |
2. | Königsb. i. Pr. | 3. | 4. 45 | 4. | 3. 43 | - | - | - | - | |
II. Stettin | 3. | Stettin | 5. | 2. 42 | 6. | 9. 54 | 2. 3 | 9. 3 | - | 3. 4; 12. 4 |
4. | Bromberg | 7. | 34. 129 | 8. | 49. 140 | . | - | . | - | |
III. Berlin | 5. | Frankfurt a. O. | 9. | 8. 48 | 10. | 12. 52 | 6. 6 | 3. 5 | 3. 6 | 2. 5 |
6. | Brandenb. a. H. | 11. | 20. 35 | 12. | 24. 64 | - | - | - | - | |
IV. Magdeburg | 7. | Magdeburg | 13. | 26. 66 | 14. | 27. 93 | 7. 8 | 16. 7 | 10. 7; 12. 8 | - |
8. | Erfurt | 15. | 36. 71 | 16. | 72. 96 | - | - | - | - | |
V. Posen | 9. | Glogau | 17. | 50. 58 | 18. | 7. 19 | - | 10. 9; 1. 10 | 2. 10 | 4. 9 |
10. | Posen | 19. | 6. 46 | 20. | 37. 47 | - | - | - | - | |
VI. Breslau | 11. | Breslau | 21. | 10. 38 | 22. | 11. 51 | 1. 11 | 2. 12 | 4. 11; 6. 12 | 8. 11 |
12. | Neiße | 23. | 22. 62 | 24. | 23. 63 | - | - | - | - | |
VII. Münster | 13. | Münster | 25. | 13. 53. | 26. | 15. 55 | 4. 13 | 5. 14 | 8. 13; 11. 14 | - |
14. | Düsseldorf | 27. | 16. 39 | 28. | 56. 57 | - | - | - | - | |
VIII. Koblenz | 15. | Köln | 29. | 40. 65 | 30. | 28. 68 | 8. 15 | - | 7. 15; 9. 16 | 7. 16 |
16. | Trier | 31 | 29. 69 | 32. | 30. 70 | - | - | - | - | |
IX. Altona | 17. | Schwerin | 33. | 75. 76 | 34. | 89. 90 | - | - | 15. 18; 16. 18 | 17. 17; 18. 17 |
18. | Flensburg | 35. | 84. 86 | 36. | 31. 85 | - | - | - | - | |
X. Hannover | 19. | Hannover | 37. | 78. 91 | 38. | 73. 74 | - | 13. 19 | 17. 20 | 19. 19; 16. 20 |
20. | Hannover | 39. | 79. 82 | 40. | 77. 92 | - | - | - | - | |
XI. Kassel | 21. | Frankfurt a. M. | 41. | 87. 88 | 42. | 80. 81 | - | 6. 22 | 13. 21; 14. 22 | 5. 21; 23. 25; 24. 25 |
22. | Kassel | 43. | 83. 95 | 44. | 32. 94 | - | - | - | - | |
25. | Darmstadt | 49. | 115. 116 | 50. | 117. 118 | - | - | - | - | |
XII. Dresden | 23. | Dresden | 45. | 100. 101 | 46. | 102. 103 | G.-R. 23; Kar. 32 | 17. 23; 18. 32 | 18. 24; 19. 24 | - |
24. | Leipzig | 47. | 134. 139 | 48. | 106. 107 | - | - | - | - | |
32. | Dresden | 63. | 104. 133 | 64. | 108. (105. XV.) | - | - | - | - | |
XIII. Stuttgart | 26. | Stuttgart | 51. | 119. 125 | 52. | 121. 122 | - | 19. 26; 20. 27 | - | 25. 26; 26. 27 |
27. | Ulm | 53. | 123. 124 | 54. | 120. (126. XV.) | - | - | - | - | |
XIV. Karlsruhe | 28. | Karlsruhe | 55. | 109. 110 | 56. | 25. 111 | - | - | - | 20. 28; 21. 28 |
29. | Freiburg i. B. | 57. | 113. 114 | 58. | 112. 142 | - | - | - | 14. 29; 22. 29 | |
XV. Straßburg i. E. | 30. | Straßburg i. E. | 59. | 97. 136 | 60. | 99. 105. 143 | - | 7. 30; 11. 30; 15. 31 | - | 15. 31 |
31. | Straßburg i. E. | 61. | 126. 132. 138 | 62. | 60. 137 | - | - | - | - | |
XVI. Metz | 33. | Metz | 65. | 17. 144 | 66. | 98. 130 | - | 14. 34 | - | 9. 33; 12. 33; 6. 34 |
34. | Metz | 67. | 67. 131 | 68 | 135. 145 | - | - | - | - | |
XVII. Danzig | 35. | Graudenz | 69. | 14. 141 | 70. | 21. 61 | 5. 35 | 4. 35 | 1. 36; 5. 36 | - |
36. | Danzig | 71. | 5. 128 | 72. | 18. 44 | - | - | - | - | |
I. Bayrisches München | 1. | München | 1. | L.-Rgt., 1 | 2. | 2. 16 | 1. R. 1; 2. R. 1 | - | 2. Ch. 2; 4. Ch. 2 | - |
2. | Augsburg | 3. | 3. 12 | 4. | 10. 13 | - | - | - | - | |
II. Bayrisches Würzburg | 3. | Nürnberg | 5. | 11. 15 | 6. | 14. 19 | - | 1. 4; 2. 4 | 1. Ch. 3; 6. Ch. 3 | - |
4. | Würzburg | 7. | 5. 9 | 8. | 6. 7 | - | - | 3. Ch. 5; 5. Ch. 5 | - | |
5. | Landau | 9. | 17. 18 | 10. | 4. 8 | - | - | - | - |
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Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Titel
Deutschland
[* 2] und Deutsches Reich, an Flächeninhalt der viertgrößte und an Einwohnerzahl der zweitgrößte Staat Europas, an Dichtigkeit der Bevölkerung aber Belgien, den Niederlanden, Großbritannien [* 102] und Italien [* 103] nachstehend.
Lage, Grenzen [* 104] und Größe. Das Deutsche Reich besteht seit 1871 in seiner jetzigen polit. Gestaltung und Ausnahme von Österreich, Luxemburg und Liechtenstein, dafür aber mit Einschluß von Ost- und Westpreußen, Posen, Schleswig und Elsaß-Lothringen.
Der nördlichste Punkt des Deutschen Reichs liegt bei dem Dorfe Nimmersatt unter 55° 54' nördl. Br. an der Ostsee und der russ. Grenze. Die Nordgrenze ist mit Ausnahme eines kleinen Teils auf der Halbinsel Jütland, wo Deutschland an Dänemark grenzt, Meeresgrenze; sie zieht zuerst südwestwärts gegen Danzig [* 105] und zur Putziger Wiek, dann an den Gestaden der Ostsee, die Insel Rügen einschließend, westlich bis zur Neustädter Bucht, wo sie, die Insel Fehmarn in ihr Bereich ziehend, nach N. sich wendet, um nördlich von Hadersleben in die Landgrenze zwischen Deutschland und Dänemark überzugehen.
Sie erreicht auf dieser Strecke 55° 27' nördl. Br. und wendet sich dann wieder als Meeresgrenze über die nordfries. Inseln südwärts bis zur Mündung der Elbe. Hier setzt sie die durch die Halbinsel Jütland unterbrochene Westrichtung wieder fort bis zur westlichsten Insel (Borkum), wo sie dann südlich die Emsmündung aufwärts zieht, bis sie die niederländ. Grenze erreicht. Von nun an hat Deutschland nur mehr Landgrenzen und zwar grenzt es im W. an die Niederlande, wo es bei dem Dorfe Isenbruch unter 5° 52' den westlichsten Punkt erreicht, an Belgien, Luxemburg und an Frankreich.
Die Südgrenze, die es von der Schweiz, Vorarlberg, Tirol [* 106] und dem salzburgischen Gebiete trennt, fällt anfangs mit dem Rhein zusammen, durchzieht dann den Bodensee, verläuft aber, sobald sie die Alpen betritt, ziemlich unregelmäßig, indem sie bald den Thälern, bald dem Kamme folgt; ihren südlichsten Punkt erreicht sie in den Allgäuer Alpen, am Ursprung der Stillach unter dem 47° 16'. Die Ostgrenze, welche Deutschland von Österreich-Böhmen und Rußland scheidet, erreicht ihren östlichsten Punkt unter 22° 53' östl. L. von Greenwich bei dem Dorfe Schilleningken bei Schirwindt. Die Entfernung vom westlichsten zum östlichsten Punkte beträgt 1240 km, die vom südlichsten zum nördlichsten 1200 km, der Umfang der gesamten deutschen Grenze 7675 km, wovon 5205 km Landgrenzen sind, während 2470 km auf die Küsten entfallen, sodaß sich die Land- und Wassergrenzen wie 2 : 1 verhalten.
Das Reich bedeckt nach den neuesten Feststellungen (1892) eine Fläche von 540504,4 qkm mit Ausschluß der Meeresteile (Haffe, Bodden u. dgl.). Über Verteilung des Flächenraums auf die einzelnen Bundesstaaten s. die Tabelle S. 120. ¶
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Bodengestaltung. (Hierzu: Physikalische Karte von Deutschland.) Das ganze Gebiet zerfällt in 6 Gruppen:
1) Die deutschen Kalkalpen erstrecken sich vom Rhein bis zur Salzach und bilden, durch die Längsthäler der Ill, des Inn und der Salzach von den Centralalpen getrennt, ein Ganzes für sich. Durch die Querthäler des Lech und Inn werden sie wieder in mehrere Gruppen geschieden (s. Ostalpen). Sie kulminieren in der Zugspitze, dem höchsten deutschen Berge, mit 2968 m.
2) Das Alpenvorland, die schwäb.-bayr. Hochebene, breitet sich zwischen dem Bodensee, dem Schwäbischen Jura, der Donau, Salzach und den Alpen ans. Es hat die Gestalt eines langgedehnten Fünfeckes mit einer 250 km langen Basis im S., einer südnördl. Erstreckung von etwa 140 km und einer Fläche von ungefähr 26000 qkm. Die ganze Ebene hat bei einer sanften Abdachung nach O. eine mittlere Höhe von 530 m. Sie zeigt eine reiche orograph. Gliederung und weist besonders im S. eine typische Landschaft, die Moränenlandschaft, auf, die durch eine Reihe von Seen ausgezeichnet ist. Wo die Seen mit der Moränenlandschaft endigen, beginnt das Hochland mehr den Charakter einer Ebene anzunehmen, und wir betreten im W. das Gebiet der Donauriede und Moore und im O. die äußerst fruchtbare Lehmebene Niederbayerns.
3) Das südwestdeutsche Becken. Zu ihm gehören: die Oberrheinische Tiefebene mit ihren Randgebirgen (Schwarzwald-Odenwald und Vogesen-Hardt), die fränk.-schwäb. und die Lothringer Stufenlandschaft. Es wird im N. vom Rheinischen Schiefergebirge, dem hess. Bergland und dem Thüringerwalde und im S. vom Jura begrenzt, im O. durch den Jura vom Alpenvorlande geschieden, während im W. verschiedene Landstufen in das franz. Becken übergehen. Die Oberrheinische Tiefebene erstreckt sich mit einer mittlern Breite von 32 km fast 300 km weit von S. nach N. und wird in ihrer ganzen Länge vom Rhein durchflossen.
Der Westrand, der Wasgau oder die Vogesen, geht nach N. allmählich in die Hardt über und erlangt nördlich derselben, in dem Pfälzer Bergland, ein Bindeglied, das ihn an das Rheinische Schiefergebirge im N. angliedert. Ähnlich den Vogesen im W. erhebt sich als östl. Randgebirge der Schwarzwald; er dacht sehr schnell nach N. zum Kraichgau ab, der eine dem Zaberner Steig entsprechende Lücke im O. bildet. Nördlich von dieser Lücke erhebt sich der Odenwald, der direkt in den Spessart übergeht und durch diesen die Verbindung mit dem hess. Berglande herstellt.
Diese beiden Lücken im O. und W., sodann die doppelte Öffnung der Oberrheinischen Tiefebene im S. nach dem Rhein zum Bodensee und durch die Lücke von Belfort [* 108] nach Frankreich, desgleichen die tief einschneidenden Thäler des Neckars und Mains wie die beiden Nordausgänge über die Wetterau und das Rheinthal durch das Rheinische Schiefergebirge geben der Oberrheinischen Tiefebene eine hervorragende Bedeutung, sodaß sie trotz ihrer gebirgigen Ränder zu einem Bindeglied zwischen dem N. und S. Mitteleuropas und dem O. und W. Süddeutschlands geworden ist.
Die sie umgebenden Randgebirge zeigen alle eine merkwürdige Übereinstimmung in Bezug auf die Höhe und ihren Abfall; denn sie haben alle den Rhein zu ihrer Steilseite und verflachen sich allmählich aus der entgegengesetzten Seite, und dem Feldberg im Schwarzwald mit 1494 m entspricht der Sulzer Belchen der Vogesen mit 1423 m, dem Katzenbuckel im Odenwald (627 m) die Kalmit in der Hardt (681 m), dem Geiersberg im Spessart (585 m) der Donnersberg im Pfälzer Bergland (687 m). Eine weitere Parallelität der Randgebirge besteht darin, daß ihre Berge im S. sich kuppenförmig voneinander abheben und mehrere Seen beherbergen, während sie nach N. zu mehr flache Rücken bilden, wie auch beiden Rändern eine große, nur durch die oben genannten Lücken unterbrochene Waldlinie und eine bedeutendere Breitenentwicklung im S. gemeinsam ist.
Als Unterscheidung der beiden Gebirgswälle darf aber gelten, daß in den Vogesen sich die Wasserscheide an den Kamm hält, während sie im Schwarzwalde weit nach O. zur schwäb. Stufenlandschaft übergreift. Die nördl. Glieder des rhein. Systems, Hardt und Odenwald, schließen sich in ihrer Gliederung und Hydrographie ganz und gar den nördl. Teilen der Vogesen und des Schwarzwaldes an und ähneln sich auch vielfach, wie schon oben angedeutet. So entspricht unter anderm den beiden Durchbruchsthälern des Neckar und Main im O. die breite Senke des Landstuhler Bruches im W. Die Rheinebene selbst wird nur einmal von einer namhaften Erhebung, dem 557 m hohen vulkanischen Kaiserstuhl [* 109] unterbrochen.
Die Symmetrie, die sich an den beiden Rändern der Oberrheinischen Tiefebene zeigt, setzt sich auch weiter nach O. und W. hinein fort. Es ist dies die Juragruppe mit zwei ziemlich parallelen Reihen östlich und westlich von der Oberrheinischen Tiefebene und einer dritten, der umgebogenen Juralinie. Diese Gruppe liegt südlich vom Main und der Nahe, bis an die Donau heranreichend. Nachdem die Kalkbänke des Schweizer Jura im Rheinthale bei Schaffhausen [* 110] unterbrochen und nordwärts von demselben im Hegau in ihrem Zusammenhange vielfach gestört worden sind durch das Herausbrechen vielkuppiger plutonischer Felsmassen, gelangen sie wieder zu ungehemmtem Zusammenhange jenseit der obern Donau.
Aber der deutsche Jura bildet nicht mehr jenes charakteristische Kettensystem wie in der Schweiz, sondern langgestreckte kahle Hochflächen von 660 m Höhe, wie sie uns in den einzelnen scharfabgekanteten Bildungen Schwabens unter verschiedenen Namen, als Rauhe Alb, Aalbuch u. s. w., entgegentreten, und wie sie selbst jenseit des Durchbruchsthals der Altmühl im fränk. Jura bis zum Mainthale nördlich von Bamberg [* 111] noch angetroffen werden, wenn auch hier, bei Meridianrichtung, in einer viel geringern absoluten Höhe.
In der Fortsetzung dieses Jura folgt östlich, von der Wörnitz an, der wenig hervortretende fränk. Jura, der das Regnitzthal auf der Ostseite mit hohem Rande säumt; zwischen ihm und dem Böhmerwalde liegt das Plateau der Oberpfalz. Im NW. und W. des deutschen Jura breiten sich die Terrassenlandschaften Schwabens und Frankens aus. In ihnen tritt die Unterlage des Jurakalks zu Tage, i. zunächst in schmaler Zone die Liasgruppe und in weiter Verbreitung nach W. und N. die aus Keuper, Muschelkalk und Buntsandstein bestehende Triasformation, [* 112] und Hand [* 113] in Hand mit diesem mannigfachen Gesteinswechsel steht auch die Verschiedenheit der äußern Bodenformen und des landschaftlichen Charakters. Die von N. nach S. gehende Wasserscheide zwischen Neckar und Regnitz, die Frankenhöhe, heißt bei der Regnitz- und Altmühlquelle Burgbernheimer Wald, nördlicher, nach dem Main hin, Steiger Wald und Haßberge, ragt 200-300 m hoch über ¶
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die anliegende Ebene am Main und erreicht in ihrem höchsten Punkte noch 543 m. Main und Neckar sammeln die Gewässer der anmutigen Gefilde und führen sie dem Rhein zu.
Viel einfacher gestaltet sich das Relief der Lothringer Stufenlandschaft. Zunächst baut sich eine 200-300 m hohe Muschelkalkebene auf, die auch wohl wegen ihres Seenreichtums Lothringer Seenplatte heißt; an diese reihen sich analog der schwäb.-fränk. Oolithplatte verschiedene Landstufen, die sich bis zu 400 m erheben und im S. sich am meisten den Vogesen nähern, wie im O. der Jura dem Schwarzwalde; auch in Bezug auf Wasserarmut, Höhlenreichtum u. s. w. gleicht der Lothringer Jura seinem Gegenstück im O.
4) Die mitteldeutsche Gebirgsschwelle. Zu derselben zählen wir: das Rheinische Schiefergebirge, das hess. Berg- und Hügelland, Thüringen und seine Randgebirge und das subhercynische Hügelland. Das Niederrheinische Schiefergebirge, das mehr den Charakter eines thaldurchfurchten Plateaus als den eines Gebirges trägt, legt sich mit einer Breite von 150 km und einer mittlern Höhe von 500 m vor das südwestdeutsche Becken und wird durch den Rhein, die Mosel und die Lahn in vier einzelne Abschnitte zerlegt.
Die beiden südlichen derselben, der Taunus im O. und der Hunsrück im W., übertreffen zwar durch ihre bedeutendern Erhebungen die nördl. Glieder, bleiben aber in Bezug auf Ausdehnung hinter denselben zurück. Sie bilden eine ausgezeichnete Wasserscheide und schicken ihre Gewässer vorwiegend der Mosel und der Lahn zu, während in den nördl. Gliedern die Gewässer von den höchsten Erhebungen nach allen Richtungen ausstrahlen. Vom linken Moselufer bis zum Thale der Ourthe werden die kahlen, 500-600 m hohen Plateauflächen der Eifel mehrfach durchbrochen von vulkanisch gebildeten Gipfelmassen, unter denen die Hohe Acht bis zu 760 m aufsteigt. Im O. des Rheins steigt zwischen Sieg und Lahn das Plateau des Westerlandes empor, mit den Gipfeln des malerischen Siebengebirges dicht an den Rhein tretend. Südlich von der Eder liegt der Kellerwald.
Im obern Ruhr- und Diemelgebiet erhebt sich dann das Sauerland zu 500-600 m, im Kahlen Astenberge sogar zu 830 m. Die Lenne durchbricht das Lenne- und Ebbegebirge. Es folgt nun das wichtige Kohlengebirge von Dortmund, [* 116] das im O. zum Haarstrang übergeht, der zwischen Paderborn [* 117] und Brilon zu 400-500 m hohen Flächen emporsteigt. Allmählich verlieren sich diese in die Münstersche Bucht. Zwischen dem Rheinischen Schiefergebirge und Thüringen erhebt sich das hess. Berg- und Hügelland, einen etwa 100 km breiten Streifen einnehmend.
Umgeben von den Thalfurchen der Werra, der Fränkischen Saale, des Mains, der Nidda, Wetter, [* 118] Lahn (zwischen Gießen und Marburg), [* 119] Diemel und Weser (zwischen Carlshafen und Münden) tritt ein vielfacher Wechsel von hoch und tief auf, vorzugsweise hervorgerufen durch das Herausbrechen basaltischer Massen aus der vorherrschenden Sandsteindecke. So im S. das 660 m hohe Plateau der Hohen Rhön mit der Großen Wasserkuppe, dem Kreuzberge und dem Pferdskopfe und vielfach umstanden von einzelnen Kegelbergen, und die Basaltgruppe des Vogelsbergs. Nördlicher liegt das Plateau des Knüll, das sich im Knüllköpfchen zu 636 m erhebt und weiter im N. der Meißner, bei Münden der Kaufungerwald, westlich von der Fulda [* 120] der Habichtswald und nördlicher der Reinhardswald. Den nördlichsten Ausläufer bildet der Solling. - Den östl. Anschluß an das hess. Berg- und Hügelland bildet Thüringen mit seinen Randgebirgen.
Den Südrand dieses Gebietes bildet das Fichtelgebirge, welches das Quellgebiet der Saale, Eger, [* 121] Naab und des Mains ist und als Centrum der ganzen deutschen Mittelgebirge gelten kann. Der 500-600 m hohe Sockel des Fichtelgebirges zieht sich nach NW. als Frankenwald fort, der mit einem Steilabfall in den Thüringerwald übergeht. Dieser spitzt sich vom Quellgebiete der Werra bis in die Gegend von Eisenach [* 122] keilförmig zu, wechselt seinen Gesteinsinhalt mannigfach zwischen krystallinischen und schieferigen, Porphyr- und Konglomeratmassen und steigt im Beerberg zur größten Höhe von 984 m auf.
Das niedere Thüringer Bergland ist eine Hochfläche, die zwischen Saale und Werra alle Glieder der Triasformation entfaltet und durch das Thal der Unstrut und Gera [* 123] in seiner Mitte zu tiefen Bassins eingesenkt, wie überhaupt mehrfach durch Parallelmulden des Thüringerwaldes sanft gewellt wird. Der Frankenwald geht nach O. ganz allmählich in die Saalplatte und das sächs. Vogtland über. Mit dem sächs. Berglande hängt das thüringische zusammen, worin als deutliche Ketten die Finne und Schmücke, inselförmig der Kyffhäuser hervorragen, und das in eine Hochfläche, das Eichsfeld, übergeht; hier steigen als Bergkette die Hainleite und gruppenförmig die Ohmberge auf.
Als nördlichster Rand des Thüringerwaldes erscheint der Harz, eine von NW. nach SO. gerichtete erhöhte Ellipse [* 124] von 100 km Länge bei 30-38 km Breite. Seine nordwestl. Fortsetzung bildet das subhercynische Hügelland.
Einzelne Erhebungen und Bergreihen setzen dies Gebirgssystem in der Hauptrichtung nach NW. bis zur Weser fort; sie werden gewöhnlich unter dem Namen Wesergebirge zusammengefaßt. Am mannigfachsten gruppiert in einzelne abgerundete Massen, scharfgekantete Berginseln und niedere Rücken, das Gestein wechselnd im Gebiete der Trias- und Juraformation, [* 125] erscheint das Land im S. von Hildesheim und Hannover; dagegen tritt es geschlossener auf am linken Ufer der Weser im Muschelkalk- und Keuperplateau südlich und nördlich von Pyrmont. Doch weiter nach NW. löst sich das Land in einzelne zungenförmige Ausläufer auf: so die vielzerstückelte Mauer des Teutoburgerwaldes.
5) Die Umwallung Böhmens. Durch natürliche Mauern ist Deutschland von Böhmen nach O., S. und W. hin getrennt. Zunächst streicht vom Fichtelgebirge aus nach ONO. das sächs. Erzgebirge, das seine größtenteils krystallinischen Felsmassen zu einer von S. aufsteigenden, 660-800 m hohen Mauer mit bis zu 1238 m hohen Höhepunkten aufbaut; nach N. senkt es sich im sächs. Berglande allmählich zur Tiefebene. Nach O. geht das Erzgebirge in das Elbsandsteingebirge über, das links und rechts vom Elbdurchbruche liegt.
Östlicher ist der Sandstein vielfach mit Basalt-, Phonolith- und Granitkuppen besetzt, die das Lausitzer Bergland bilden. Die Nordostseite der böhm. Gruppe wird von dem Gebirgssystem der Sudeten gebildet. Das Thal der zur March gehenden Betschwa ist die Lücke, die von den deutschen Mittelgebirgen die karpatischen trennt. Hier steigen die Thonschiefer- und Grauwackemassen des Mährischen Gesenkes allmählich aufwärts zur Anlehnung an die schieferig-krystallinischen ¶