mehr
kaiserliche Würde unmittelbar von Gott allein herstamme, und daß der von den Kurfürsten Erwählte sofort und durch die Wahl allein König und Kaiser werde, folglich der Anerkennung und Bestätigung des apostolischen Stuhls nicht bedürfe. Aber bald geriet Ludwig durch die übermäßige Erweiterung seiner Hausmacht mit den Fürsten in Konflikt. Schon 1323 war es ihm gelungen, für seine Familie ein mächtiges Fürstentum zu gewinnen, indem er nach dem Aussterben der Askanier (1320) die Mark Brandenburg [* 3] seinem ältesten Sohn, Ludwig, übertrug; dann hatte er sich in zweiter Ehe mit der Erbin von Holland, Zeeland, Friesland und Hennegau vermählt und mit diesen Landen seinen zweiten Sohn belehnt; 1341 erklärte er ferner die in seiner Hand [* 4] vereinigten Herzogtümer Ober- und Niederbayern für unteilbar.
Damit nicht zufrieden, vermählte er 1342, um Tirol [* 5] zu erwerben, die Gräfin Margarete Maultasch, Erbin von Tirol und Kärnten, mit seinem Sohne, nachdem er ihre erste Ehe mit Johann Heinrich von Luxemburg, [* 6] einem Sohn Johanns von Böhmen, [* 7] eigenmächtig getrennt hatte. Diese Ländergier empörte die Fürsten, sein Eingriff in kirchliche Rechte zog ihm von neuem den päpstlichen Bann zu. Auf Antrieb des Papstes vereinigten sich fünf Kurfürsten 1346 in Rhense zur Absetzung Ludwigs und zur Wahl Karls von Luxemburg, welcher die Ansprüche des Papstes wieder in weitestem Umfang anerkannte.
Ludwig war zwar gewillt, seine Krone mit Gewalt zu verteidigen, starb jedoch schon 1347. Sein Sohn Ludwig von Brandenburg setzte den Widerstand gegen Karl noch eine Zeitlang fort und stellte in Günther von Schwarzburg [* 8] einen Gegenkönig auf. Indes das Auftreten des falschen Waldemar in Brandenburg, den Karl anzuerkennen nicht säumte, bewog ihn zu einer Verständigung mit den Luxemburgern. Günther starb, nachdem er gegen 22,000 Mk. Silber auf seine Kronansprüche verzichtet, bereits 1349.
So war nun
Karl IV. (1346-78) unbestrittener
Herr in Deutschland
,
[* 9] das jedoch von der Herstellung des innern
Friedens nicht viel Vorteil
zog, da es gerade damals von einer furchtbaren
Pest, dem
Schwarzen
Tode, der namentlich am
Rhein wütete, heimgesucht wurde.
Karl unternahm 1355 eine Romfahrt, um sich von einem
Kardinal zum
Kaiser krönen zu lassen, mußte sich aber gegen den
Papst
verpflichten, sofort nach der
Krönung
Rom
[* 10] zu verlassen; den Rest der Reichsrechte in
Italien
[* 11] wahrte er
nicht, sondern er verkaufte ihn an die
Städte und
Dynasten. In Deutschland
suchte er eine festere oligarchische
Verfassung zu begründen,
indem er nach längern
Verhandlungen mit den
Reichsständen 1356 auf dem
Reichstag zu
Metz
[* 12] die
Goldene Bulle (s. d.), das erste
umfassende Reichsgrundgesetz, erließ.
Durch diese wurde einmal das bestehende Wahlrecht gesetzlich anerkannt: die Erzbischöfe von Mainz, [* 13] Trier [* 14] und Köln [* 15] und die weltlichen Fürsten von Sachsen-Wittenberg, Pfalz, Böhmen und Brandenburg wurden als Kurfürsten bestätigt, womit dem Streit in den Häusern Wittelsbach und Sachsen [* 16] über die Führung der Kurstimme ein Ende gemacht wurde, und, um fernern Streitigkeiten vorzubeugen, bestimmt, daß fortan diejenigen Lande, an denen die Kurstimme haftete, unteilbar und nach dem Rechte der Erstgeburt erblich sein sollten. Die Wahl sollte durch die Majorität der Stimmen entschieden werden; des Papstes und seines angeblichen Bestätigungsrechts ward nicht Erwähnung gethan. Wahlstadt sollte Frankfurt, [* 17] Krönungsstadt Aachen [* 18] sein. Alljährlich sollten die Kurfürsten mit dem Kaiser zur Beratung wichtiger Reichsangelegenheiten zusammenkommen.
Die oligarchische
Verfassung,
zu welcher durch die
Goldene Bulle der
Grund gelegt war, und wonach die eigentliche Leitung des
Reichs dem Kurfürstenkollegium zufiel, während der
Kaiser auf
Ehrenrechte beschränkt wurde, hätte segensreich für Deutschland
werden
und namentlich den
Landfrieden fest und dauernd begründen können.
Indes auch dazu kam es nicht. Der
Kaiser
entschlug sich doch in den wichtigsten
Dingen des Beirats der
Kurfürsten, diese verfolgten meist nur ihre eigennützigen
Interessen,
und ihre Privilegien reizten die übrigen
Stände, sich auch in
Besitz dieser bevorzugten
Stellung zu setzen, was ihnen teilweise
gelang.
Karl IV. widmete seine Regententhätigkeit fast ausschließlich seinen Erblanden, und durch eine umsichtige Finanzverwaltung erzielte er in der Hebung [* 19] ihres Wohlstandes und ihrer Kultur und in ihrer Vermehrung bedeutende Erfolge. Böhmen wurde ein blühendes, gewerbthätiges Land, in Prag, [* 20] das er durch herrliche Bauten schmückte, stiftete er 1348 die erste deutsche Universität. 1353 erwarb er einen Teil der Oberpfalz, bald darauf die Lehnshoheit über ganz Schlesien [* 21] und die Reichsstadt Eger [* 22] mit ihrem Gebiet, 1363 zu der schon früher mit Böhmen vereinigten Oberlausitz auch die Niederlausitz; 1373 endlich kaufte er von dem wittelsbachischen Markgrafen Otto die Mark Brandenburg, welche er formell seinem Sohn Wenzel übertrug, thatsächlich aber selbst regierte. So vereinigte er im Osten Deutschlands [* 23] ein zusammenhängendes Gebiet unter seiner Herrschaft, das von der Donau bis fast an die Ostsee reichte.
Aber noch weiter reichten seine
Blicke. Er faßte auch die Erwerbung der
Königreiche
Polen und
Ungarn
[* 24] für sein
Haus ins
Auge,
[* 25] indem er mit
Ludwig d. Gr.
Verhandlungen anknüpfte über eine Vermählung seines
Sohns
Siegmund mit dessen
Erbtochter. Er plante
also die
Bildung eines großen luxemburgischen
Reichs im
Osten
Europas. Dagegen gab er das
Königreich
Burgund völlig preis, indem
er durch Ernennung des französischen
Dauphins zum
Generalvikar des burgundisch-arelatischen
Königreichs (1377) die
Verbindung desselben mit Deutschland
löste.
Karls mit so überraschendem Erfolg geschaffenes Werk ging freilich unter seinem Nachfolger wieder zu Grunde. Wenzel (1378-1400), gegen die Bestimmung der Goldenen Bulle noch bei Lebzeiten des Vaters gewählt, wußte die Einheit des luxemburgischen Hauses nicht aufrecht zu erhalten. Sein Oheim, Markgraf Jobst von Mähren, und sein Bruder Siegmund, der die Mark Brandenburg erhielt und später durch seine Heirat mit Ludwigs d. Gr. Tochter Maria das Königreich Ungarn erwarb, standen Wenzel nicht nur nicht zur Seite, sondern halfen seine Macht in Böhmen schwächen, indem sie sich mit den aufrührerischen Ständen gegen ihn verbündeten; Wenzel geriet einige Zeit in deren Gefangenschaft und mußte 1401 die Lausitz an Jobst abtreten.
Nicht einmal in seinen
Erblanden
Herr, war
Wenzel natürlich noch weniger in Deutschland
im stande, sein Ansehen zu behaupten. Anfangs
zeigte er die Absicht, die Aufrechterhaltung des
Landfriedens zu sichern, und veranlaßte auf den
Reichstagen zu
Nürnberg
[* 26] (1383)
und
Heidelberg
[* 27] (1384) dahin zielende Beschlüsse. Aber ihre
Durchführung gegenüber dem Widerstreben aller
Stände war ihm
nicht möglich. Je weniger bisher die Reichsgewalt die niedern
Stände, die
Städte und die
Ritter, berücksichtigt hatte, desto
mehr sträubten sich diese, sich ihrer
Autorität zu unterwerfen und die selbständige Verfolgung ihrer Sonderinteressen auf
Reichsgebot einzustellen. Wie im
Norden
[* 28] der Städtebund der
Hansa allein durch eigne
Kraft,
[* 29] ohne
Hilfe
¶
mehr
und Schutz von Kaiser und Reich, seinen Handel über den ganzen Nordosten ausgebreitet, die Herrschaft über die Ostsee erobert
und sogar ein Mitwirkungsrecht bei der Besetzung des dänischen Königsthrons sich erzwungen hatte: so thaten sich auch in
Süddeutschland
die schwäbischen, die rheinischen, die wetterauischen Städte zu Bünden zusammen, um ihre
Freiheit gegen die Fürsten zu verteidigen, so bildete sich in der Schweiz
[* 31] die Eidgenossenschaft gegen das Haus Habsburg. In ähnlicher
Weise schlossen die Ritter der verschiedenen Landschaften Bünde, wie den der Schlegler, den von St. Georg u. a., um die Unabhängigkeit
und die Rechte ihres Standes, worunter sie freilich besonders das Raubritterwesen meinten, zu wahren. 1377 war
der schwäbische Städtekrieg zwischen den Städten und Graf Eberhard von Württemberg
[* 32] entbrannt, und 1386 kam es in Schwaben
zu einem allgemeinen Kampf des territorialen Fürstentums gegen die Eidgenossenschaft und die städtischen Bünde.
Nur die erstere siegte über die Österreicher bei Sempach (1386) und Näfels (1388) und sicherte ihre Selbständigkeit. Der schwäbische Städtebund erlitt durch Eberhard 1388 bei Döffingen, der rheinische durch Ruprecht von der Pfalz bei Worms [* 33] (1388), der wetterauische durch die Ritterschaft bei Eschborn blutige Niederlagen; auch Straßburg [* 34] und die fränkischen Städte wurden von den Nachbarfürsten hart bedrängt, und wenn auch die Städte nicht völlig unterworfen wurden und als dritter Reichsstand neben Kurfürsten und Fürsten bestehen blieben, so hatten doch ihre Macht und ihr Einfluß eine empfindliche Einbuße erlitten.
Wenzel hatte sich anfangs der Städte angenommen, in denen er eine Stütze für die Königsgewalt gegen die Fürsten erkannte; nun aber gab er sie auf dem Reichstag zu Eger 1389 preis, indem er jede fernere Einung von Städten verbot. Gleichwohl sicherte er sich durch diese Nachgiebigkeit die Anhänglichkeit der Fürsten nicht. Als er sich bei seinen Bemühungen, die Kirchenspaltung zu beendigen, mit Papst Bonifacius IX. überwarf, setzten ihn die rheinischen Kurfürsten auf dessen Antrieb und unter dem Vorwand, daß er durch Übertragung des Reichsvikariats in der Lombardei auf Galeazzo Visconte von Mailand [* 35] wichtige Reichsrechte preisgegeben, 1400 ab und wählten statt seiner Ruprecht von der Pfalz (1400-1410), den zweiten Wittelsbacher auf dem deutschen Thron. [* 36]
Wenzel verweigerte allerdings die Anerkennung seiner Absetzung, that aber fast nichts, um sie zu verhindern.
Wie er, so kümmerten sich auch die nord- und ostdeutschen Fürsten fast gar nicht mehr um das Reich. Ruprecht fand, nachdem
er, um Visconte Mailand zu entreißen, einen unglücklichen Zug
nach Italien unternommen hatte, der seine letzten Geldkräfte aufzehrte,
kaum in Südwestdeutschland
Anerkennung; Johann von Mainz stiftete 1405 den Marbacher Bund, der die königliche
Gewalt völlig aufhob, und den Ruprecht vergeblich zu unterdrücken sich bemühte.
Als er 1410 starb, spalteten sich die Kurfürsten in zwei Parteien, indem die eine den Markgrafen Jobst von Mähren, die andre den König Siegmund von Ungarn, Wenzels Bruder, zum Kaiser wählte. Da Wenzel noch immer Anspruch auf die deutsche Krone erhob, so drohte im Reich durch das Vorhandensein von drei Prätendenten auf den Thron die größte Verwirrung auszubrechen. Glücklicherweise starb Jobst 1411, Wenzel, der noch bis 1419 lebte, ließ sich mit dem Titel eines römischen Königs und dem Besitz Böhmens abfinden, und Siegmund ward nun als alleiniger Kaiser anerkannt.
Reformversuche in Kirche und Reich.
Siegmund (1410-37) nahm durch seine ansehnliche Hausmacht (Ungarn und Brandenburg) eine mächtige Stellung ein, und indem er, hochbegabt und gebildet, seine Würde im höchsten Sinn auffaßte und als deutscher König die Errichtung einer geordneten Reichsverfassung sowie als Kaiser und Schirmvogt der Kirche die Beseitigung des Schismas und eine Reform der Kirche sich zur Aufgabe stellte, schien das deutsche Kaisertum wieder an die Spitze des Abendlandes treten zu sollen, um so mehr, als England und Frankreich von neuem in heftigem Kriege gegeneinander entbrannt waren.
Da es seit 1378 zwei Päpste, in Rom und in Avignon, gab, welche sich und ihre Obedienzen gegenseitig in den Bann thaten, und der Versuch der Kardinäle, auf dem Konzil von Pisa [* 37] 1409 die Kirchenspaltung zu beenden, nur zur Wahl eines dritten Papstes geführt hatte, so war die Kirche, um sich aus ihrem Verfall zu retten, auf den Beistand des Kaisers angewiesen. Siegmund versammelte daher 1414 das Konzil zu Konstanz, [* 38] eine glänzende Vereinigung von Prälaten, Doktoren und Geistlichen der gesamten abendländischen Christenheit, Gesandten fremder Könige und den meisten deutschen Reichsfürsten.
Denn nicht bloß die Angelegenheiten der Kirche, sondern auch politische Dinge, die Herstellung des Friedens zwischen Frankreich und England und die Reform des Deutschen Reichs, sollten beraten werden. Die Kirchenspaltung wurde durch Siegmunds Entschlossenheit und Klugheit und die Einigkeit der Konzilsväter, welche durch einen förmlichen Beschluß die Suprematie des Konzils über dem Papsttum aussprachen, rasch beendigt: die drei Päpste wurden abgesetzt, und ein Versuch des Herzogs Friedrich von Tirol, Johanns XXIII.
Widerruf zu unterstützen, wurde energisch zurückgewiesen. Die Reform der Kirche jedoch, welche die päpstliche Allmacht erheblich beschränken und den Schwerpunkt [* 39] in den national gegliederten Episkopat verlegen sollte, geriet bald ins Stocken, nicht am wenigsten durch die Schuld des Kaisers, der gerade in der entscheidenden Zeit behufs der Friedensvermittelung eine lange Reise nach Frankreich und England unternahm, auf welcher er nichts erreichte und nur durch Geldverlegenheiten die kaiserliche Würde aufs kläglichste kompromittierte. Die päpstliche Partei setzte es 1417 durch, daß noch vor der Kirchenreform die Wahl eines neuen Papstes vorgenommen wurde, und dieser, Martin V., löste 1418 das Konzil auf, nachdem er die Opposition durch Konkordate mit den einzelnen Nationen (mit der deutschen beschwichtigt hatte, die im wesentlichen alles beim alten ließen. Nur das Papsttum hatte also von dem Konzil Vorteil gezogen.
Auch die Reform der Reichsverfassung kam nicht zu stande, obwohl Siegmund in Konstanz einen der eifrigsten
Anhänger derselben, Burggraf Friedrich VI. von Nürnberg, zur Belohnung für frühere Dienste
[* 40] mit einem der bedeutendsten Reichsfürstentümer,
mit Brandenburg, belehnte (1417). Siegmund fehlte es bei allen seinen Unternehmungen an Ausdauer; sich auf ein nahes Ziel zu beschränken
und daran bis zur Erreichung desselben festzuhalten, war seine Sache nicht und doch wäre eine Reform besonders
der deutschen Heeresverfassung, wie sie damals geplant wurde, für Deutschland
höchst notwendig gewesen. Denn unmittelbar
nach dem Konzil wurde es in die furchtbare Krisis der Hussitenkriege (s. d.) gestürzt, in denen es mit einer von religiösem
und nationalem Fanatismus erfüllten und zur höchsten Kraftentfaltung begeisterten Volksmasse zu kämpfen
hatte, der das
¶
mehr
schwerfällige deutsche Heerwesen sich nicht gewachsen zeigte. Große deutsche Ritterheere, geführt vom Kaiser selbst oder den angesehensten Reichsfürsten, erlitten von rohen Bauernhaufen schmähliche Niederlagen; die siegreichen Hussitenscharen überfluteten endlich die Böhmen benachbarten Lande raubend und verwüstend, und das mächtige Deutsche Reich [* 42] ließ dies wehrlos geschehen. Erst als die Böhmen, durch Parteiungen gespalten, sich selbst mit Erbitterung bekämpften und aufrieben, gelang es, durch einen Vertrag mit der gemäßigten Partei, den Kalixtinern, die sogen. Prager Kompaktaten (1433), den Aufstand zu dämpfen, so daß Siegmund 1436 den seit Wenzels Tod (1419) erledigten böhmischen Thron besteigen konnte.
Trotz dieser beschämenden Erfahrungen waren alle Versuche Siegmunds, des Kurfürsten Friedrich von Brandenburg und Friedrichs des Streitbaren von Sachsen, den verrotteten Reichskörper umzugestalten, vergeblich. Die Wiederaufnahme des kirchlichen Reformwerks durch das Baseler Konzil (1431-48) führte zu einem heftigen Konflikt zwischen Konzil und Papst, während dessen Siegmund ohne männliche Nachkommen starb und das luxemburgische Kaiserhaus erlosch.
Durch die Wahl der Kurfürsten gelangte Siegmunds Schwiegersohn und Erbe, Herzog Albrecht von Österreich,
[* 43] König von Böhmen und
Ungarn, auf den Thron. Albrecht II. regierte aber nur ein Jahr (1438-39). Ihm folgte sein Vetter Friedrich III., Herzog von Steiermark
[* 44] (1440-93), der gewählt wurde, obwohl oder gerade weil man seine Unfähigkeit kannte. In der That ist
Friedrichs Regierung wie die längste, so die ruhmloseste und schädlichste gewesen, die Deutschland
gehabt hat.
Weder bemühte er sich um die dringend notwendige und von vielen ersehnte Reform der Kirche und des Reichs, noch that er etwas, um die Angriffe auf Deutschlands Sicherheit und Integrität abzuwehren und das Reich vor Verlusten zu hüten. Im Gegenteil beschwor er durch seinen kurzsichtigen Eigennutz selbst die Gefahren herauf. Der Streit zwischen Konzil und Papst war den kirchlichen Reformbestrebungen günstig, und noch bei Lebzeiten Albrechts II. hatten die Kurfürsten durch die Beschlüsse des Reichstags von Mainz (die sogen. Mainzer Acceptation, im März 1439) einen großen Teil der Reformdekrete des Konzils von Basel [* 45] anerkannt und somit einen Weg betreten, der, energisch weiter verfolgt, zur Bildung einer nationalen deutschen, gegen die Übergriffe des Papsttums geschützten Kirche hätte führen können.
Friedrich III. dagegen opferte 1445 gegen das Versprechen der Kaiserkrönung, welche, die letzte in Rom, 1452 stattfand, und gegen Zugeständnisse an seinen schmutzigen Geiz und Eigennutz die Rechte des Reichs auf, indem er ohne Zustimmung desselben das Baseler Konzil preisgab und den römischen Papst Eugen IV. anerkannte. Die Macht des Konzils war damit gebrochen; durch Einzelverhandlungen mit den Fürsten gelang es Eugens Nachfolger Nikolaus V., die deutsche Opposition zu sprengen, und die ganze Reformbewegung endete damit, daß der Kaiser 1448 mit dem Papst im Namen der deutschen Nation die Wiener oder Aschaffenburger Konkordate abschloß, in welchen dem römischen Stuhl alles das wieder zurückgegeben wurde, was durch die Beschlüsse von Basel hatte abgestellt werden sollen, während die von der Kurie gemachten Konzessionen illusorisch blieben.
Ebenso verliefen alle Verhandlungen auf den Reichstagen über Herstellung des Landfriedens u. Reform der Reichswehrverfassung
infolge von Friedrichs Gleichgültigkeit resultatlos. Die Fürsten suchten die
finanziellen Lasten der Reform möglichst auf
die allerdings hierin leistungsfähigen Städte abzuwälzen; diese widersetzten sich daher aus nicht unberechtigtem
Mißtrauen jeder Änderung des bestehenden Zustandes. Unthätig und teilnahmlos sah der Kaiser den zerstörenden territorialen
Kämpfen zu, welche Deutschland
spalteten. In Sachsen wütete 1445-50 der Bruderkrieg zwischen Kurfürst Friedrich dem Sanftmütigen und
Herzog Wilhelm; in Westfalen
[* 46] entspann sich die sogen. Soester Fehde (1444-49) zwischen Erzbischof Dietrich von
Köln und der Stadt Soest,
[* 47] in welche eine große Anzahl andrer Reichsstände, wie Münster,
[* 48] Kleve u. a., verwickelt wurden; in
Franken und Schwaben kämpfte der streitbare Markgraf Albrecht Achilles erst an der Spitze der Fürsten und Grafen gegen die Städte,
vor allen gegen das mächtige Nürnberg, dann gegen die bayrischen und pfälzischen Wittelsbacher, welche
wieder untereinander in fortwährender Fehde lagen.
Währenddessen ging im Nordosten der preußische Ordensstaat dem Deutschtum verloren, indem der Orden, [* 49] durch die Empörung der Landstände geschwächt, den Polen, von denen er 1410 bei Tannenberg schon einmal besiegt worden war, 1455-66 völlig erlag und im Thorner Frieden ganz Westpreußen [* 50] abtreten, Ostpreußen aber von der polnischen Krone zu Lehen nehmen mußte. Im Südosten trieb Friedrich durch seine Bemühungen, die böhmische und die ungarische Krone an sich zu reißen, diese beiden Völker in einen feindlichen Gegensatz zu D. Beide wählten sich nationale Könige, die Böhmen Georg Podiebrad, die Ungarn Matthias Corvinus.
Ersterer benutzte seinen Einfluß im Reich, um alle kirchlichen und politischen Reformpläne zu durchkreuzen; Matthias wurde durch Friedrichs fortgesetzte Versuche, ihn zu stürzen, genötigt, seine Waffen [* 51] gegen ihn zu kehren, und konnte sich nicht mit ganzer Kraft den Türken entgegenstellen, welche seit der Eroberung Konstantinopels (1453) Ungarn immer mehr bedrängten und 1469 zuerst die Grenzen [* 52] Deutschlands überschritten. Der Kaiser ward endlich von Matthias aus seinen Erblanden vertrieben und irrte lange Zeit als ohnmächtiger Flüchtling im Reich umher, Städten und Klöstern ein beschwerlicher Gast. Im Westen begann Friedrich 1443 eine Fehde gegen die Eidgenossen, um die alten habsburgischen Hoheitsrechte wiederzuerobern, und als er allein nichts ausrichtete, rief er die unter dem Namen der Armagnaken (s. d.) bekannten und berüchtigten französischen Söldner unter dem Dauphin zu Hilfe, welche zwar von den tapfern Schweizern bei St. Jakob an der Birs zurückgeworfen wurden, aber nun um so schrecklicher im Elsaß hausten; ja, sogar von der Eroberung dieses Landes war damals unter den Franzosen die Rede.
Auch der Bildung eines völlig unabhängigen Reichs im Westen Deutschlands stellte Friedrich III. nicht das geringste Hindernis in den Weg, obwohl dieselbe wesentlich auf Kosten Deutschlands erfolgte. Die Herzöge von Burgund aus dem französischen Königshaus Valois, welchen Karl IV. bereits Deutsch-Burgund überlassen, hatten im Lauf des 14. und 15. Jahrh. die reichen, blühenden niederländischen Provinzen, das Mündungsgebiet des Rheins, der Maas und der Schelde, erworben. Seit 1467 wurde dies burgundische Reich von Karl dem Kühnen beherrscht, einem der glänzendsten Fürsten seiner Zeit, welcher das ganze linke Rheinufer zu erobern trachtete und durch den Königstitel die völlige Unabhängigkeit zu erringen hoffte. Friedrich III. trat ihm nicht entgegen, als er 1467 Lüttich [* 53] eroberte, 1473 Gelderland und Zütphen erwarb, 1474 Neuß [* 54] ¶
Zum Duden
Nr. | Ergebnis | Deutschland |
---|---|---|
1 | ****** | Deutsch|land; -s: Staat in Mitteleuropa. |
Quellen, Literatur
Band - Seite | Artikel | Autor | Titel | Ausgabe |
---|---|---|---|---|
55.168 | Deutschland | Hoffmann | Deutschlandund seine Bewohner | (4 Bde., Stuttg. 1834-36) |
55.168 | Deutschland | Berghaus | Deutschlandund seine Bewohner | (2 Bde., Berl. 1860) |
9.315 | Junges Deutschland | Wehl | Das junge Deutschland | (Hamb. 1886) |
9.315 | Junges Deutschland | Brandes | Das junge Deutschland | (Leipz. 1887) |
55.168 | Deutschland | Kiepert | Völker- und Sprachen-Karte von Deutschland | (2. Aufl., ebd. 1870) |
55.221 | Deutschland | Biedermann | Deutschlandim 18. Jahrh. | (4 Bde., Lpz. 1854-81) |
55.168 | Deutschland | Lepsius | Geologie von Deutschland | (Stuttg. 1888 fg.) |
55.168 | Deutschland | Daniel | Geogr. Charakterbilder aus Deutschland | (3. Aufl., bearbeitet von Volz, ebd. 1892) |
55.168 | Deutschland | Daniel | Deutschlandnach seinen physischen und polit. Verhältnissen | (6. Aufl., 2 Bde., Lpz. 1893 fg.) |
55.221 | Deutschland | Perthes | Polit. Zustände und Personen in Deutschlandzur Zeit der franz. Herrschaft | (2 Bde., Gotha 1861-69) |
55.168 | Deutschland | von Hoff | Deutschlandnach seiner natürlichen Beschaffenheit und seinen frühern und jetzigen polit. Verhältnissen | (Gotha 1838) |
59.7 | Helgoland | "Deutschland Deutschland über alles" | dichtete. Eine steinerne Treppe von 188 Stufen und ein Aufzug (seit 1885) | |
55.211 | Deutschland | Konflikt | Deutschland und Österreich Hand in Hand, und ihre feste Haltung verfehlte ihren Eindruck auch auf Rußland nicht. Nach der Ermordung des russ. Kaisers Alexander II. | (13. 1881) |
16.454 | Weber | "Deutschland, oder Briefe eines in Deutschland reisenden Deutschen" | (Stuttg. 1826-28, 3 Bde.; 3. Aufl., als "Reisehandbuch" eingerichtet. 1843, 6 Bde.) | |
1.852 | Arndt | "Geist der Zeit", worin er die Grundzüge eines neuen, zeitgemäßen Verfassungszustands in Deutschland gab, die er weiter ausführte in der Schrift "Über künftige ständische Verfassungen in Deutschland" | (1814) | |
58.189 | Görlitz | Die Sternwarte | 1787 gegründet, befindet sich seit 1857 in einem neuen Gebäude an der Südostseite der Stadt. Die Geographische Anstalt von Justus Perthes | (s. d.) ist die bedeutendste in Deutschland. Andere Institute sind die Feuerversicherungsbank für Deutschland (s. Feuerversicherung, Bd. 6, S. 750 a Tabelle) |
9.703 | Ketteler | "Die Arbeiterfrage und das Christentum" | 3. Aufl., Mainz 1864) im Kampf gegen das Kapital gepriesen wurde. Auch fügte er sich rasch und mit Geschick in die 1866 in Deutschland eingetretene Wendung der politischen Verhältnisse ("Deutschland nach dem Krieg von 1866", 6. Aufl., Mainz 1867) | |
55.147 | Deutschland | Oberlausitz; 6) | ||
55.160 | Deutschland | Weimar | Wiesbaden | (200000 M.) |
55.160 | Deutschland | Kaiserslautern | Barmen | (7000 M.) |
55.160 | Deutschland | Braunschweig | Cassel | (über 200000 M.) |
4.846 | Deutschland | Panzerkorvetten und 1 Panzerfahrzeug Arminius); | ||
17.239 | Deutschland | Lepsius | Geologie von D. | (Stuttg. 1889 ff.) |
55.160 | Deutschland | Altenburg | Berlin | (jährlich über 600000 M.) |
15.38 | Sonntag | Lammers | Sonntagsfeier in Deutschland | (Berl. 1882) |
17.245 | Deutschland | Hauck | Kirchengeschichte Deutschlands | (Leipz. 1887 ff.) |
55.168 | Deutschland | Deutschen Reichs | 2 Bde., ebd. 1876-77); | |
55.160 | Deutschland | Elberfeld, Hamburg | Königsberg i. Pr. | (Pacht 22000 M.) |
4.879 | Deutschland | Der neue Kaiser | Leopold II. | (1790-92) |
18.215 | Deutschland | Kämmel | Deutsche Geschichte | (Dresd. 1889) |
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