Titel
Deutsche
[* 2]
Sprache.
[* 3] Die Deutsche Sprache
gehört der german.
Sprachfamilie an (s.
Germanische Sprachen), ist also
eine Schwestersprache
des Friesischen,
Englischen,
Skandinavischen und des ausgestorbenen
Gotischen. Sie gehört im besondern
zu derjenigen Gruppe, die man als die westgermanische zu bezeichnen pflegt, ist also dem Friesischen und
Englischen näher
verwandt als dem
Skandinavischen und
Gotischen. Während früher der
Name «deutsch» häufig, z. B.
von
Jakob
Grimm in dessen
«Deutscher
Grammatik», auch im
Sinne von «germanisch» gebraucht wurde, versteht man jetzt richtiger
unter Deutsche Sprache
allein die
Sprache des deutschen
Volks.
Eher ist man jetzt umgekehrt geneigt, statt «deutsch» «germanisch»
zu sagen und spricht wohl von Germanisierung statt von Verdeutschung. Nach derselben
Richtung, in welcher
der
Begriff des deutschen
Volks heutzutage bestritten ist, ist es auch der
Begriff der Deutsche Sprache
Die niederländ.
Sprache rechnet
man zwar wissenschaftlich zur deutschen
, von der es nur eine Mundart ist; für gewöhnlich pflegt man jedoch das
Niederländische
[* 4] als eine Schwestersprache
des
Deutschen anzusehen.
Der
Grund ist nicht etwa die polit.
Trennung der
Niederlande
[* 5] vom
Deutschen
Reiche; in Luxemburg,
[* 6] in der
Schweiz,
[* 7] in
Österreich
[* 8] wird ja auch deutsch gesprochen. Vielmehr ist daran schuld, daß die
Niederländer auf
Grund ihrer Mundart eine
eigene Schriftsprache
ausgebildet haben. Derartige mundartliche Schriftsprachen bestanden noch im 16. Jahrh.
mehrere; es gab damals eine niedersächs., eine niederländ., eine
kölnische, eine mitteldeutsche
, eine schweiz. und eine österr.-oberdeutsche
Schriftsprache.
Aber diese alle sind mit Ausnahme der niederländischen in der jetzt gültigen neuhochdeutschen
Schriftsprache
aufgegangen.
Dieser Prozeß drang in den
Niederlanden einesteils wegen der polit. Selbständigkeit, mehr aber noch deshalb nicht durch,
weil die niederländ. Schriftsprache
eine Jahrhunderte lange, mächtige
litterar. Vergangenheit (s.
Niederländische Sprache und Litteratur) und eine dieser entsprechende Widerstandskraft besaß.
Es muß aber daran festgehalten werden, daß die niederländ.
Sprache nur eine Mundart des
Deutschen ist, so gut wie das Plattdeutsch
oder das Schweizerdeutsch. Die Grenzen
[* 9] jener Mundart decken sich dabei gar nicht einmal mit denen der
niederländ. Schriftsprache. Die Mundart in dem nördl.
Teile der Rheinprovinz
[* 10] steht dem
Niederländischen ungleich näher
als dem Schriftdeutsch, und andererseits wird in den Landschaften östlich vom Zuidersee unser Plattdeutsch gesprochen und
gleichwohl wegen der polit. Zugehörigkeit zu
Holland die niederländ. Schriftsprache als herrschend anerkannt.
Ⅰ. Geschichte der Deutschen
Sprache.
1) Geschichte der gesprochenen Deutsche Sprache war im Mittelalter und ist zum Teil noch heute eine Geschichte der Deutschen Mundarten (s. d.). Es gab im Mittelalter noch keine über den Mundarten stehende, allgemein anerkannte Schriftsprache, geschweige denn eine gemeindeutsche Umgangssprache. Die Deutsche Sprache bestand damals nur in den verschiedenen Mundarten. Zwischen Schriftsprache und Mundart vermittelt unsere Umgangssprache, für welche erst in jüngster Zeit sich eine Norm bildet in der Sprache (richtiger Mundart) des gebildeten Norddeutschen. Seit einem halben Jahrtausend kann man den Einfluß der nunmehr einheitlichen Schriftsprache auf die gesprochene Sprache verfolgen. Diese selbst kennt man nur für die Gegenwart unmittelbar; für die Vergangenheit erschließt sie die Sprachwissenschaft aus den gedruckten oder geschriebenen Sprachdenkmalen. ¶
mehr
Charakteristische Eigentümlichkeiten, durch die sich die älteste Deutsche Sprache von ihrer westgerman. Schwester, der englisch-friesischen, abhebt, giebt es nur wenige. Vielmehr hat umgekehrt die Sprache der Friesen und Angelsachsen, schon bevor die letztern nach Britannien zogen, sich eigenartig entwickelt gehabt, während die der deutschen Stämme den alten westgerman. Charakter ziemlich treu bewahrte. Die älteste und durchgreifendste Veränderung, welche die Deutsche Sprache erfahren hat, ist die althochdeutsche Lautverschiebung (s. d.), die aus altem p, t und k ein ff, f oder pf, ss (älter ʒʒ), z und ch machte.
Diese Lautverschiebung ist, wie sich aus den Orts- und Personennamen nachweisen läßt, schon lange Zeit vor unsern ältesten Sprachdenkmalen eingetreten. Schon beim Geographen von Ravenna giebt es Namensformen wie Ziurichi (älter Turicum), Ascapha (älter Ascapa). Diese Lautverschiebung teilte die bis dahin ziemlich einheitliche Deutsche Sprache in zwei große Gruppen, in eine hochdeutsche (zu der auch die im 9. Jahrh. ausgestorbene Mundart der Langobarden gehörte) und in eine niederdeutsche (s. Deutsche Mundarten). Die letztere ist von der Lautverschiebung nicht betroffen worden. Fortan gingen die hoch- und die niederdeutschen Mundarten ihre eigenen Wege, sodaß man geradezu von hoch-und niederdeutscher Sprache, nicht Mundart,spricht. Innerhalb der hochdeutschen Mundarten ist in Oberdeutschland schon vor dem 8. Jahrh. altes b und g zum Teil stimmlos gesprochen und d zu t verschoben worden.
Die schriftliche Überlieferung der Deutsche Sprache beginnt mit der zweiten Hälfte des 8. Jahrh. Vorher hatte man – von einigen nur wenige Worte enthaltenden Runeninschriften abgesehen – ausschließlich lateinisch geschrieben. Man unterscheidet nunmehr drei Entwicklungsperioden: alt-, mittel- und neuhochdeutsch (ahd., mhd., nhd.) und alt-, mittel- und neuniederdeutsch (and., mnd., nnd.).
Die altdeutsche Sprache umfaßt nach schriftlicher Überlieferung die J. 750‒1100; wiewohl die gesprochene Sprache des 11. Jahrh. schon mittelhochdeutsch (mittelniederdeutsch) genannt werden müßte. Die Orthographie ist stets konservativer als die Aussprache, und die Zeitabgrenzungen der althochdeutschen (altniederdeutschen), mittelhochdeutschen (mittelniederdeutschen) und neuhochdeutschen (neuniederdeutschen) Periode sind für die gesprochene Sprache sicherlich erheblich früher anzusetzen, als man es nach unserer Überlieferung zu thun pflegt. Alle sprachlichen Neuerungen finden sich vereinzelt bei weniger schulgerechten Schreibern oft schon mindestens ein Jahrhundert früher, bevor sie in der Orthographie anerkannt und ausgedrückt werden.
Zu den ältesten vokalischen Wandlungen der Deutsche Sprache gehört die Monophthongierung der Diphthonge ai und au zu ê und ô und die Diphthongierung der Monophthonge ê und ô zu ia (später ie) und uo (später ue), z. B. «See» aus älterm gotischen saiws, «hoch» aus gotischem hauhs, «hier» (ie ursprünglich diphthongisch gesprochen) aus gotischem hêr, mittelhochdeutsch guot «gut» aus gotischem gôds. Die Monophthongierung ist zu einer Zeit, welche vor der der schriftlichen Denkmäler liegt, in Niederdeutschland eingetreten, ebenso in Mitteldeutschland ungefähr nördlich von der Mainlinie, doch mit Einschluß der Pfalz und mit Ausschluß von Hessen-Nassau, [* 12] dem eigentlichen Hessen [* 13] und fast ganz Thüringen.
In dem übrigen Mitteldeutschland wurde im 7. Jahrh., in Oberdeutschland (auch im Langobardischen) im 8. Jahrh. ai nur vor folgendem h, w oder r zu ê, au nur vor folgendem h, r, l, n, th, d, t, ʒ und s gesetzt. Daher sagen wir noch heute z. B. «Stein», aber «See», «laufen», aber «hoch», während es im Gotischen stains wie saiws, hlaupan wie hauhs heißt, und entsprechend in der niederdeutschen, fränk., obersächs. und schles. Volksmundart «Steen» wie «See», «lofen» oder «lopen» wie «hoch».
Die Diphthongierung von altem ê und ô zu ia und uo ist im Fränkischen schon im 8. Jahrh. zu Hause gewesen, im Niedersächsischen überhaupt nicht eingetreten (plattdeutsch brêf [braif] Brief, gôd [gaud] gut), im Oberdeutschen erst gegen Ende des 8. Jahrh. (in Bayern [* 14] erst im 9. Jahrh.) durchgedrungen. – Gemeindeutsch aber ist die nächst der hochdeutschen Lautverschiebung durchgreifendste lautliche Veränderung: der Umlaut, oder genauer der i-Umlaut. Derselbe besteht darin, daß alle Vokale (außer i selbst) durch ein i oder j der folgenden Silbe qualitativ verändert, eben umgelautet werden, und zwar a zu e (ä), o zu ö, u zu ü; vgl. unser «trägt» (älter tragit) zu «tragen», «Öl» (älter oli),
«küssen» (älter kussjan) zu «Kuß». Der Vokal e war bereits in urgerman. Zeit, im 1. Jahrh. n. Chr., zu i umgelautet worden; vgl. «ißt» (ursprünglich etith) zu «essen». Zur Zeit, als der Umlaut eintrat, bestanden außer den kurzen Vokalen a, o, u noch die umlautfähigen langen â, ê, ô, û und die Diphthonge ai, au und uo. Von diesen ist bei ai und ê der Umlaut nur mundartlich nachweisbar, abgesehen davon, daß ai, da dem a ein i folgt, stets zu ei geworden ist, wie wir noch heute schreiben.
Aber â ist zu æ̂, ô zu œ̂ (mittelniederdeutsch meist o geschrieben), û zu ü̂ (mittelhochdeutsch iu, mittelniederdeutsch meist u geschrieben), au (althochdeutsch und mittelhochdeutsch ou) zu eu (äu, spätalthochdeutsch und mittelhochdeutsch öu), uo zu üe umgelautet worden; vgl. «Schäfer» zu «Schaf», [* 15] «böse» zu «Bosheit», mittelhochdeutsch hiuser «Häuser» zu hûs «Haus», «Bäume» zu «Baum», mittelhochdeutsch güete «Güte» zu guot «gut». Ausgegangen ist der Umlaut von Niederdeutschland, wo er durch sprachliche Berührung mit den Friesen und den nachmaligen Angelsachsen, die ihn schon im 6. Jahrh. hatten, platzgegriffen hatte.
Erst allmählich hat er sich über Mittel- und Oberdeutschland ausgebreitet. Desgleichen kann man die einzelnen Phasen des Umlauts selbst beobachten. Er hat zuerst das kurze a ergriffen und zuletzt die Diphthonge. Für Niederdeutschland hat man Grund anzunehmen, daß der Umlaut bereits im 8. Jahrh. in allen Fällen eingetreten war, wenn auch nur der Umlaut des kurzen a regelmäßig als e schriftlichen Ausdruck gefunden hat – das übernommene lat. Alphabet hatte eben für ö und ü keine Buchstaben.
Auch im Hochdeutschen findet der Umlaut des kurzen a seit der Mitte des 8. Jahrh. schriftliche Bezeichnung und ist auch damals erst in Oberdeutschland durchgedrungen (ob auch bei den Langobarden ist nicht sicher); seit dem Ende des 10. Jahrh. läßt sich der Umlaut der übrigen Vokale selbst in Oberdeutschland nachweisen. Je weiter derselbe aber nach Süden vorgedrungen ist, um so mehr Einschränkungen hat er erfahren, die erst im Laufe der Zeit aufgehoben wurden. Doch noch heute bewahrt unsere Sprache das nicht umgelautete u in «drucken» (eigentlich dasselbe Wort wie «drücken»),
au in «glauben», «kaufen», «Haupt», alles oberdeutsche Lautformen, die im Mitteldeutschen Umlaut aufweisen. – Seit dem 10. Jahrh. hat man angefangen, ¶
mehr
den alten Diphthong iu als ü auszusprechen; aber noch die mittelhochdeutsche Orthographie hat in Oberdeutschland die Schreibung in beibehalten, während man dieses ü̂ ^[gemeint: u mit diaresis und Zirkumflex] in Mitteldeutschland und mittelniederdeutsch u schrieb (z. B. althochdeutsch liuti, altniederdeutsch liudi «Leute» zu mittelhochdeutsch liute, lute, lude, mittelniederdeutsch lude, gesprochen lü̂te und lü̂de). – Seit dem 11. Jahrh. sind im Mitteldeutschen die Diphthonge ie und uo monophthongisch als î und û gesprochen worden (z. B. lieb, guot, wie man heute «lieb» und «gut» ausspricht).
Die wichtigsten konsonantischen Veränderungen jener Zeit sind der Schwund des h in den wortanlautenden Verbindungen hw, hr, hl und hn (z. B. altdeutsch hwer wer, hreini rein, hlahhen lachen, hnîgan sich neigen), der von Oberdeutschland im 8. Jahrh. ausgegangen ist (er ist auch langobardisch) und sich allmählich nordwärts bis zur See ausgebreitet hat (in Niederfranken im 9. und 10. Jahrh., in Niedersachsen im 10. bis 12. Jahrh.), und die Verwandlung des Reibelautes th (zu sprechen wie englisch th) in d (z. B. ertha Erde), die gleichfalls in: 8. Jahrh. vom Oberdeutschen ausgegangen (auch langobardisch ist), im Mitteldeutschen im Laufe des 9. bis 11. Jahrh. allmählich durchgedrungen und schließlich im 11. und 12. Jahrh. auch im Niederdeutschen heimisch geworden ist (hier teilweise erst im 14. Jahrh. vollendet). Alt ist gleichfalls der Übergang des auslautenden m in unbetonter Silbe zu n (z. B. dêm tagum den Tagen), der sich um 800 vollzog. Endlich scheint man bereits im 11., wenn nicht gar schon im 10. Jahrh. in Süddeutschland altes sk entweder wie das westfälische sch (= s + ch) oder schon wie das heutige sch ausgesprochen zu haben, wenn auch die Schreibung sch erst im 12. Jahrh. durchgedrungen ist.
Die althochdeutsche Periode unterscheidet sich dadurch von der mittelhochdeutschen und mittelniederdeutschen, daß sie noch die vollen Endsilbenvokale erhalten hat, die im Mittelhochdeutschen und Mittelniederdeutschen zu dem unbestimmten Vokal geschwächt worden sind, der noch heute mit dem Buchstaben e geschrieben wird (in Mitteldeutschland schrieb man ihn früher i), z. B. althochdeutsch tagâ Tage, lebên leben, gesti Gäste, namo Name, ich gibu ich gebe.
Dieser Vorgang ist schon im 10. Jahrh. zu erkennen, jedoch erst in der ersten Hälfte des 12. Jahrh. in der Orthographie durchgedrungen. Die für die altdeutsche Periode charakteristische Schwächung der unbetonten Vokale hat in Niederdeutschland begonnen und ist in Oberdeutschland noch in mittelhochdeutscher Zeit in gewissen Fällen nicht durchgeführt. Am zähesten haben sich in dieser Hinsicht die alamann. Mundarten verhalten, die noch bis in das 14. Jahrh. hinein wenigstens die langen unbetonten Vokale nicht durchaus geschwächt haben. Ja, in den Walser Mundarten südlich vom Monte-Rosa heißt heute noch in althochdeutscher Weise «der Hahn» [* 17] Hano, «reden» spellon, «schneiden» snîdan, «Schlüssel» Slussil.
Durch die Schwächung der Endsilbenvokale wurden im Mittelhoch- und -Niederdeutschen manche Unterschiede der Endungen der Substantiv- und Verbalflexionen verwischt: das altdeutsche Deklinationsparadigma «Gabe» geba (Nom.),
gebâ (Gen.),
gebu (Dat.),
geba (Acc.),
Plural gebâ (Nom.),
gebôno (Gen.),
gebôm (Dat.),
gebâ (Acc.) lautete nunmehr gebe, gebe, gebe, gebe Plural gebe, geben, geben, gebe;
althochdeutsch graban «graben» wurde im Indikativ des Präsens grabu, grebis(t), grebit, grabêm, grabet, grabant konjugiert, mittelhochdeutsch graben aber grabe, grebest, grebet, graben, grabet, grabent.
Wichtiger noch ist, daß hierdurch ursprünglich verschiedene Deklinations- und Konjugationsklassen äußerlich zusammengefallen sind. Z. B. Maskulinum, Femininum und Neutrum Plur. des Adjektivs fielen außer in Oberdeutschland zusammen (blinde, blindo [blinda], blindu [blind] zu «blinde»). Ferner steht im Altdeutschen dem angeführten Paradigma «graben» ein anderes «salben» gegenüber: salbôm, salbôs(t),
salbôt, salbôm, salbôt, salbôn, das nun im Mittelhochdeutschen und Mittelniederdeutschen, da ô zu e geworden, ebenso wie «graben» flektiert wurde, und so haben jetzt starke und schwache Verben im Präsens die gleichen Endungen. – Von den lautlichen Veränderungen des 12. und 13. Jahrh. ist außer vielfacher (besonders oberdeutscher) Synkope des unbetonten e (z. B. nimet zu «nimmt») nur eine von durchgreifender Bedeutung gewesen: der hochdeutsche Reibelaut ʒ ^[richtiges Zeichen? Ähnlich Sütterlin-z] ist im 13. Jahrh. (zuerst wohl in Oberdeutschland) in unser s übergegangen (z. B. daʒ «das», haʒʒen «hassen»). – Ist es schon um die Scheidung einer alten und einer mittlern Periode der Deutsche Sprache (Grenze um 1100) mißlich bestellt, so noch viel mißlicher um die der mittlern und neuern.
Durchschlagende formale Unterschiede fehlen. Man rechnet Mittelhochdeutsch gewöhnlich bis 1500, Mittelniederdeutsch bis ins 17. Jahrh. hinein. Aber der Übergang ist ein ganz allmählicher. Das klassische Mittelhochdeutsch reicht nur bis 1250. Die J. 1250‒1650 leiten vom Mittelhochdeutschen zum Neuhochdeutschen hinüber. Während dieser Zeit sind die wesentlichsten Neuerungen der heutigen Sprache zum Abschluß gekommen, während derselben Zeit ist die Schriftsprache fertig geworden und hat sich über die einzelnen Mundarten als deutsche Gemeinsprache erhoben.
In mittelhochdeutscher und mittelniederdeutscher Zeit ist der ganze lautliche Charakter der Sprache durch eine im 12. Jahrh. beginnende neue Art von Silbentrennung wesentlich verändert worden. Die heutige Sprache kennt nur offene Silben mit langem Vokal. Früher gab es auch offene Silben mit kurzem Vokal: Ka-tze, Lo-cke, e-ssen (so noch heute bayr.-österr.), während man heute spricht Kat-ze, Lok-ke, es-sen. Die Doppelschreibung des Konsonanten nach kurzem Vokal bezeichnet, daß er halb zur ersten, halb zur folgenden Silbe gehört.
Diese von Hause aus nur nieder- und mitteldeutsche neue Silbentrennung fand nur bei bestimmten Konsonanten statt, den sog. Fortes (s. Fortis). Bei andern Konsonanten behielt man die alte Silbentrennung bei, dehnte aber dafür den Vokal, z. B. in «sagen», «leben», «Stube», Wörter, die früher mit kurzem Vokal gesprochen wurden. Dieser sog. neuhochdeutschen Vokaldehnung steht eine andere, in der heutigen Sprache weniger durchgeführte zur Seite, die in Süddeutschland zu Hause ist, und nach der in einsilbigen Wörtern kurzer Vokal vor Lenis (s. d.) gedehnt wird. Es ist die Frage, ob der lange Vokal, den die Süd- und Mitteldeutschen in «Tag», «Hof», [* 18] «Schmied» sprechen, diesen Ursprung hat, oder ob er von den Kasusformen her, in denen er in offener Silbe steht, auf den Nom.-Acc. Singularis übertragen worden ist. Außerdem kommen noch andere Dehnungen vor. Für die Vokalkürzung ist die Hauptregel, daß die langen Vokale in geschlossener Silbe im Niederhochdeutschen zum Teil verkürzt worden sind, wenn ein zweiter Konsonant folgte, z. B. ¶