Deutsche
Kolonien wurden in der Mitte der achtziger Jahre dieses Jahrhunderts in
Afrika
[* 3] und in der
Südsee gegründet.
Das seit 1870 erstarkte Nationalgefühl, welches in zahlreichen neuentstandenen
Kolonialvereinen zum
Ausdruck
kam, verlangte nach Entfaltung deutscher
Macht in überseeischen
Ländern, nach dem Schutz der bestehenden oder zu gründenden
Handelsniederlassungen durch die eigene Regierung, um unabhängig von engl.
Verwaltung und Bevormundung zu werden und um erweiterte
Absatzgebiete für die heimische
Industrie zu gewinnen.
Anstoß zur praktischen Durchführung gab der Bremer Kaufmann Lüderitz durch die Erwerbung von Angra-Pequena;
entscheidend war die Besitzergreifung von Kamerun und Togo durch Nachtigal im Auftrag des Reichs;
unmittelbar darauf folgte die kühne Expedition Dr. Peters' nach Ostafrika;
den
Schluß bildeten die Flaggenhissungen in Oceanien im
Namen von deutschen
Handelscompagnien.
Kamerun und Togo wurden von der Reichsregierung sofort in eigene
Verwaltung genommen. Die übrigen
Kolonien,
durch kaiserl. Schutzbriefe international sicher gestellt, versuchten zuerst unter der
Administration großer Korporationen
selbständig sich zu entwickeln; allein bei dem allmählich eintretenden Bedürfnis von bedeutendern Macht- und Geldmitteln,
als der Gesellschaft zur
Verfügung standen, ergab sich die
Notwendigkeit, daß auch hier das
Reich die
polit. Leitung übernahm. Mit 1890 war diese Übergangsperiode bei sämtlichen
[* 4] Deutsche Kolonien
abgeschlossen.
Doch wurde für das Schutzgebiet der Neuguinea-Compagnie in der
Südsee 1892 wieder das frühere Verhältnis hergestellt,
indem die Gesellschaft aufs neue auch die Ausübung der Landeshoheit übernahm.
Die Grundlage für die
Verfassung der Deutsche Kolonien
bildet das Reichsgesetz vom «Die
Rechtsverhältnisse der
Deutschen Schutzgebiete» betreffend, das aber durch das Gesetz vom erheblich abgeändert
wurde. Anfangs war der
Kaiser allein berechtigt, über Einnahmen und
Ausgaben in den Schutzgebieten zu verfügen. Doch die
zunehmende Bedeutung derselben und der wachsende
Umfang ihrer Finanzverwaltung führten die Regierung
zu dem Entschluß, den Haushalt der
Kolonien durch Gesetz zu bestimmen. So kam ein Reichsgesetz zu stande, wonach
alle Einnahmen und
Ausgaben der deutsch-afrik. Schutzgebiete für jedes Jahr veranschlagt und auf den Etat der Schutzgebiete
gebracht werden müssen und wonach über die Verwendung der Einnahmen dem
Reichstag jährlich
Rechnung
abzulegen ist. Für Ostafrika gilt dies Gesetz seit 1894. Auf die Schutzgebiete in der
Südsee findet es seine Anwendung,
da deren Verwaltungskosten allein von den
Kolonialgesellschaften zu bestreiten sind.
Übersicht der Deutschen Kolonien.
Kolonien | Jahr der Gründung | Umfang in qkm | Bevölkerung in den occupierten Gegenden | Warenumsatz im Jahre | in Mill. M. | Etat pro 1893/94 M. |
---|---|---|---|---|---|---|
In Afrika:
Deutsch-Ostafrika | 1885 | 940580 | 2900000 | 1892 | 15,0 | 4780000 |
---|---|---|---|---|---|---|
Togo | 1884 | unbestimmt | 56800 | 1892 | 4,5 | 143000 |
Kamerun | 1884 | " | 480000 | 1892 | 8,7 | 566000 |
Deutsch-Südwestafrika | 1884 | 830960 | 116700 | 1891/92 | 0,6 | 273000 |
In der Südsee:
Kaiser Wilhelms-Land | 1885 | 181650 | 110000 | ) | ||
---|---|---|---|---|---|---|
}18911 | 1,0 | - | ||||
Bismarck-Archipel | 1885 | 47100 | 188000 | ) | ||
Salomonsinseln | 1885 | 22255 | 89000 | - | ? | - |
Marschallinseln | 1886 | 410 | 11500 | - | ? | - |
Nauru | 1888 | 5 | 1324 | - | ? | - |
^[Fussnote]1 Nur die Einfuhr.
Seit besteht im
Auswärtigen
Amt eine besondere
Kolonialabteilung für die Besorgung der Angelegenheiten
der Deutsche Kolonien
, welche besonders in allen organisatorischen Fragen selbständig fungiert, während sie in
betreff der
Beziehungen zu auswärtigen
Staaten dem
Staatssekretär des
Auswärtigen
Amtes unterstellt ist. Der
Kolonialabteilung
steht gemäß allerhöchsten
Erlasses vom der
Kolonialrat zur Seite, welcher aus Delegierten der
Kolonialgesellschaften und aus vom Reichskanzler berufenen Sachverständigen zusammengesetzt ist und welcher Gutachten
über die
Vorlagen der
Kolonialabteilung abzugeben hat.
Ausführliches über die einzelnen s. Deutsche Kolonien
in den betreffenden
Artikeln. -
Vgl. G. Meyer, Die staatsrechtliche Stellung der Deutschen Schutzgebiete (Lpz. 1888);
Koloniales Jahrbuch, hg. von Meinecke (Berl. 1888 fg.);
Mitteilungen aus den Deutschen Schutzgebieten, hg. von Dankelmann (ebd. 1888);
F. Fabri, Fünf Jahre Deutscher Kolonialpolitik (Gotha [* 5] 1889);
Stengel, [* 6] Die Deutschen Schutzgebiete, ihre rechtliche Stellung, Verfassung und Verwaltung (in den «Annalen des Deutschen Reichs», 1889);
Gareis, Deutsches Kolonialrecht (Gießen [* 7] 1888);
Deutsches Kolonialblatt (Berl. 1890 fg.);